- Emir Kusturica
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Emir Kusturica [ˈɛmiːr ˈkusturitsa], seit seiner serbisch-orthodoxen Taufe 2005 auch: Nemanja Kusturica, kyrillisch Емир Кустурица bzw. Немања Кустурица (* 24. November 1954 in Sarajevo, Jugoslawien) ist ein Filmregisseur aus Bosnien mit serbischer und französischer Staatsbürgerschaft.[1] Er lebt heute in Belgrad, Paris und in dem von ihm konzipierten, aus Holzhäusern bestehenden Dorf Drvengrad (mit dem Hotel Mećavnik), das er selbst Küstendorf nennt, nahe der serbischen Ortschaft Mokra Gora.
Inhaltsverzeichnis
Leben
Emir Kusturica wuchs in Sarajevo auf und studierte an der Prager Filmhochschule FAMU.
In seinen Filmen verarbeitet er politische Themen und wird deshalb vielfach kontrovers diskutiert, zu sozialistischer Zeit vor allem im eigenen Land. Der Film Papa ist auf Dienstreise handelt beispielsweise vom Verschwinden eines politisch unliebsamen Familienvaters. Da von den unsichtbaren Inhaftierungen in Jugoslawien nicht öffentlich gesprochen wurde, brachte man das Verschwinden auf die euphemistische Formel: na službenom putu (auf Dienstreise). Später wurde Kusturica in Bosnien und Herzegowina, aber auch im Westen aufgrund seiner – wie ihm unterstellt wurde – pro-serbischen Sichtweise während des Krieges im Film Underground (Goldene Palme in Cannes 1995) kritisiert.
Außerhalb Jugoslawiens wurde Kusturica besonders durch Filme wie Zeit der Zigeuner (1989) und Schwarze Katze, weißer Kater (1998) bekannt, welche vom Leben der Roma und anderer gesellschaftlicher Randgruppen handeln.
Durch die Beteiligung an der Filmmusik zu seinen Filmen wurden auch Musiker wie Goran Bregović und das Boban Marković Orchester weltweit bekannt. Kusturica selbst macht mit der Band The No Smoking Orchestra (ehemals Zabranjeno pušenje) Musik. Diese Band erlangte durch die Musik zu den Filmen Schwarze Katze, weißer Kater und Das Leben ist ein Wunder internationale Bekanntheit.
Im Jahr 2004 lief sein Film Das Leben ist ein Wunder im Wettbewerb der Internationalen Filmfestspiele von Cannes, wurde aber vor allem von deutschen Experten kritisiert. Die Jury verlieh ihm trotzdem den Preis „Prix de l'Education Nationale“ „für seine kinematografischen und pädagogischen Inhalte als auch für seine künstlerischen Qualitäten“. Der Drehort des Films im südöstlichen serbischen Bezirk Mokra Gora nahe der bosnischen Grenze wird unter Kusturicas Anleitung seit 2004 als Dorf in althergebrachter Bauweise unter dem Namen Küstendorf bzw. Etnoselo ausgebaut. Kusturica unterhält dort mittlerweile auch ein eigenes Haus, in dem er zeitweise lebt. 2008 wurde von ihm das Internacionalni festival filma Kustendorf ins Leben gerufen, das 2009 zum zweiten Mal stattfand.
2005 war Emir Kusturica Leiter der Jury der 58. Filmfestspiele von Cannes. Im Mai 2005 ließ sich Kusturica im Kloster Savina nahe Herceg Novi in Montenegro auf den Namen Nemanja Kusturica taufen und wurde somit Mitglied der serbisch-orthodoxen Kirche.
Im Jahr 2006 begann Kusturica seine Arbeit an einer Dokumentation über den argentinischen Fußballer Diego Maradona. Mit seinem Spielfilm Zavet (internationaler englischer Verleihtitel Promise Me This) war er 2007 im Wettbewerb der 60. Filmfestspiele von Cannes vertreten.
2008 wurde der Film Maradona über den Fußballer Diego Maradona offiziell vorgestellt. Das Werk wurde in Cannes außerhalb des Wettbewerbs gezeigt. Die Lebensgeschichte der argentinischen Fußballlegende beinhaltet eine steile Karriere auf dem Sportplatz, besteht aber auch aus Drogenexzessen und persönlichen Niederlagen. Kusturica sagte über diesen Film: „Ich komme aus einem der 24 Länder, das nach 1954 von Amerika mit Bomben beworfen wurde, Serbien. Wenn du sagst ‚Werft keine Bomben auf unser Land‘, dann bist du ein Nationalist. Dieser Film ist mehr als meine politische Einstellung. Es zeigt die gemeinsame Einsicht der dritten Welt Länder. Als ich mich mit der politischen Einstellung Diegos in dem Film identifiziert habe, habe ich den gemeinsamen Sinn entdeckt. Meine eigenen politischen Statements sind stärker, sie sind unausgesprochen. Es war sehr heilend für mich, mit Diego den Film zu machen – mit seiner Sicht der Dinge und seiner Resistenz. Es war – wie einen guten Freund zu finden. Ich weiß nicht ob ich so einen vorher hatte.“ (von Barbara Mayr/Filmreporter.de )
Zwei neue Filme sind in der Vorbereitungsphase: Wild Roses, Tender Roses (ehemals Sieben Freunde von Pancho Villa und die Frau mit den sechs Fingern) und Cool Water. Cool Water ist eine Komödie vor dem Hintergrund des Nahostkonflikts. Drehbeginn ist November 2010 in Deutschland. Emir Kusturica wird hierbei erstmals ein fremdes Drehbuch inszenieren. Die Dreharbeiten am neuen Film von Emir Kusturica Wild Roses, Tender Roses folgen im Anschluss auf Cool Water. Die Rolle des mexikanischen Freiheitskämpfers Pancho Villa soll Johnny Depp übernehmen, welcher auch schon im 1993 gedrehten Film Arizona Dream mitwirkte. Der Film wird unter anderem in Mexiko, Spanien und Serbien gedreht werden.
2011 leitet Kusturica die Jury der Reihe Un Certain Regard der 64. Filmfestspiele von Cannes.
Politik und Identität
Kusturica vertritt in Interviews und in einigen Liedern seiner Musikgruppe The No Smoking Orchestra eine nationalistische Position im Zusammenhang mit Großserbien und unterstützt den mutmaßlichen Kriegsverbrecher Radovan Karadžić. [2]
Nachdem er sich mit der politischen Führung um Alija Izetbegović in den 1990er Jahren öffentlich überworfen und mit der jugoslawischen politischen Führung mit Slobodan Milošević medienwirksam gutgestellt hatte, bekannte er sich bis zu seiner Taufe 2005 zum serbisch-orthodoxen Christen offen als Jugoslawe und später als zum Islam konvertierter Serbe. Das führte aufgrund der damals wie heute noch vorherrschenden politischen Situation in Bosnien und Herzegowina, der unterschwellig brodelnden Problematik zur Identität der Bosniaken (früher ethnische Muslime), zu Feindseligkeiten vor allem in seiner ehemaligen Heimat, aber auch in Serbien. Auch in der westlichen Welt wird seine politische Nähe zur Politik Slobodan Miloševićs genau wie die seines Freundes Peter Handke kritisiert.[3]
Seine Position zeigt sich u.a. in seinen Liedern "Ne damo Kosovo" (dt. Wir geben Kosovo nicht her) und Ko ne voli Radovana, ne viđeo Đurđevdana (dt. Wer Radovan nicht liebt, möge den St.-Georgs-Tag nicht (mehr) erleben), mit dem Radovan Karadžić gemeint ist.[4] [5]
Filmografie
- 1978: Die Bräute kommen (Nevjeste dolaze) (Fernsehfilm)
- 1978: Guernica
- 1979: Buffet Titanic (Bife Titanik) (Fernsehfilm)
- 1981: Erinnerst Du Dich an Dolly Bell (Sjecaš li se Dolly Bell?)
- 1984: Papa ist auf Dienstreise (Otac na službenom putu)
- 1989: Zeit der Zigeuner (Dom za vešanje)
- 1993: Arizona Dream
- 1995: Bila jednom jedna zemlja (Fernsehserie)
- 1995: Underground
- 1998: Schwarze Katze, weißer Kater (Crna mačka, beli mačor)
- 2000: Die Witwe von Saint-Pierre (La Veuve de Saint-Pierre) (als Schauspieler)
- 2001: Super 8 Stories (Dokumentation)
- 2002: The Good Thief (als Schauspieler)
- 2004: Das Leben ist ein Wunder (Život je čudo)
- 2005: Alle Kinder dieser Welt (All the Invisible Children), Episode Blue Gypsy
- 2006: Život je čudo (Fernsehserie)
- 2006: Maradona by Kusturica
- 2007: Versprich es mir! (Zavet)
Oper
- 2007: Zeit der Zigeuner (Le Temps des Gitans)[6]
Filmpreise
- 1978 Erster Filmpreis beim Internationalen Filmfestival Karlovy Vary
- 1981 Goldener Löwe in Venedig
- 1981 Preis der Internationalen Föderation (FIPRESCI) bei der Mostra von Venedig
- 1981 Sonderpreis der Kritiker in Sao Paolo
- 1985 Goldene Arena des Pula Film Festivals
- 1985 Goldene Palme – Internationale Filmfestspiele von Cannes 1985
- 1985 Preis der Internationalen Federation of Film Press (FIPRESCI), bei den Filmfestspielen in Cannes
- 1989 Sonderpreis „Beste Regie“ – Internationale Filmfestspiele von Cannes 1989
- 1991 Bester ausländischer Film bei den Guldbagge Awards in Schweden
- 1993 Silberner Bär auf der Berlinale 1993
- 1994 Publikumspreis beim Filmfestival Warschau
- 1995 Goldene Palme – Internationale Filmfestspiele von Cannes 1995
- 1996 Bester ausländischer Film an der Prix Lumiéres, Paris
- 1997 Bester Film in einer fremden Sprache an der Boston Society of Film Critics
- 1997 Bester Film in Fremdsprache an der Kinema Junpo Awards, Tokio
- 1998 Silberner Löwe – Internationale Filmfestspiele von Venedig 1998
- 2001 Sonderpreis „Best documentary“ in Chicago
- 2004 Publikumspreis beim Filmfestival in Melbourne
- 2004 Sonderpreis „Prix de l'Education nationale“ – Internationale Filmfestspiele von Cannes 2004
- 2005 Bester Balkanfilm beim Filmfestival in Sofia
- 2005 César als bester europäischer Film für „Life Is a Miracle“
- 2005 Golden Globe für den besten europäischen Film
- 2009 Erster Filmpreis beim Internationalen Filmfestival in Kazan
- 2009 Bester Hauptdarsteller beim Courmayeur Noir in Festival (Italien)
Ehrungen
- 1989: Roberto-Rossellini-Preis für sein Lebenswerk.
- 2001: Nastro d’Argento des Italienischen Verbands der Filmjournalisten, für seine Karriere.
- 2004: Emir Kusturica erhält in Belgrad den König Stefan-Preis, für seine Karriere.
- 2005: Goldener Schwan in Kopenhagen.
- 2005: Gewinner des Philippe Rotthier European Architecture Award für sein Dorfprojekt Küstendorf.
- 2007: Commandeur Ordre des Arts et des Lettres
- 2009: Goldener Schlüssel der Stadt Guadalajara.
- 2009: Emir Kusturica erhält den 8 ½ Preis beim Filmfestival in Torino, für die erfinderische Qualität seiner Filme und die absolute Originalität seines Stils.
- 2009: Preis für sein Lebenswerk beim Internationalen Filmfestivals Marrakesch[7]
- 2010: Preis der Internationalen Stiftung für die Einheit der orthodoxen Völker, für die Konsolidierung und Förderung der christlichen Gesellschaft.
- 2010: Emir Kusturica erhält die Rom Mittelmeer-Auszeichnung beim Festival in Taormina, Italien.
- 2010: Orden der Ehrenlegion (Chevalier de la Légion d’Honneur)[8]
- 2011: Goldene Kamera beim Art Film Festival in Trenčianske Teplice[9]
Literatur
- Miranda Jakiša: Parallaxe als Programm. Die 'dialogische' Sendung des Emir Kusturica. In: Sendungen. Mediale Konturen zwischen Botschaft und Fernsicht. Wladimir Velminski (Hg.), Bielefeld 2009, S. 271–284.
- Miranda Jakiša: Prekäre Übererfüllung. Emir Kusturicas Inszenierungen des serbischen Nationalismus In: Trajekte. Zeitschrift des Zentrums für Literatur- und Kulturforschung Berlin, Nr. 17, September 2008, S. 47–51.
- Rüdiger Rossig, Boris Zujko: Emir Kusturica: Singen für den Kriegsverbrecher In: Die Zeit, 23. Oktober 2010. (Artikel zu Kusturicas politischen Standpunkten)
- Emir Kusturica "Der Tod ist ein unbestätigtes Gerücht" Kanus Verlag, München 2011.
Weblinks
Commons: Emir Kusturica – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien- Emir Kusturica in der deutschen und englischen Version der Internet Movie Database
- Kustupedia, ein Kusturica-Lexikon
- Interview von Arte mit Kusturica in Küstendorf im Frühjahr 2005 (Text und Real Video)
Einzelnachweise
- ↑ Interview Koreni Emir-Nemanja Kusturica
- ↑ Emir Kusturica Singen für den Kriegsverbrecher, zeit.de 22. Oktober 2010
- ↑ Orf.at: Kusturica gegen Monitor
- ↑ Emir Kusturica Singen für den Kriegsverbrecher, zeit.de 22. Oktober 2010
- ↑ Srpskapolitika
- ↑ Pariser Oper
- ↑ Kusturici nagrada za životno djelo. Glas Srpske, 9. Dezember 2009
- ↑ Légion d’honneur : Isabelle Adjani Chevalier, Raymond Aubrac Grand-Croix. lesinfos.com, 15. Juli 2010
- ↑ Festivalový Denník, 18. Juni 2011
Kategorien:- Filmregisseur
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