- Erdgeschichte Niederösterreichs
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Die Erdgeschichte des Ostalpenraums, insbesondere Niederösterreichs und des Raumes um Wien, lässt sich bis in die Zeit des Proterozoikums zurückverfolgen.
Inhaltsverzeichnis
Präkambrium bis Jura
Das erdgeschichtlich älteste Relikt in Niederösterreich ist der Dobra-Gneis in der Böhmischen Masse im Waldviertel – datiert auf 1377 mya – in dem aber noch keine Fossilien zu finden sind. Sie ist zugleich die älteste offen zutage liegende Gesteinsformation Österreichs. Nur in der Umgebung der variszischen Zentral-Gneiskerne der Zillertaler Alpen und der östlichen Hohen Tauern befinden sich ebenfalls Teile des proterozoischen Superkontinents Rodinia von vor 1000 mya.
Zur Zeit der großen Kaledonischen und Variszischen Gebirgsbildungen - 500 bis 300 mya - war das Gebiet der Alpen der Küste vorgelagerter Meeresboden im Rheischen Ozean der südöstlichen Subduktionszone Laurussias aus der sich zeitweise vulkanische Inseln - die Hun-Terrane - emporhoben.
Im frühen Erdmittelalter, der Trias (250 bis 200 mya), waren Niederösterreich und Wien zeitweilig eine Halbinsel in der Tethys, an der Bruchlinie zwischen Laurasia und Gondwana des auseinanderbrechenden Superkontinents Pangaea, etwa auf Höhe des Nördlichen Wendekreises. Ganz Europa, bis auf die variszischen Gebirge im Westen, war im Flachwasser, dem Germanischen See und dem Alpinen Schelf versunken. Nachdem sich im Jura – 200 bis 140 mya – der Atlantik bildete, versank auch Niederösterreich wieder im Meer und blieb dort 100 Millionen Jahre lang bis zur alpidischen Gebirgsbildung.
Kreide und Tertiär
In der Kreidezeit (140 bis 65 mya) begannen sich auf Grund der Kollision Afrikas mit Europa langsam die Alpen zu heben. Etwa zur Zeit des Kreide-Paläogen-Übergangs (65 mya) bildeten sie erste Inseln in der Region des Penninischen Ozeans und des westlichsten Teils der sich schließenden Tethys[1]. Im Eozän und Oligozän, ab etwa 50 mya bildete sich dort ein neuer, von Ost nach West verlaufender Meerestrog, die Paratethys aus. Die Verwitterungsprodukte Lehm, Sand und Schotter aus den jungen Alpen einerseits und aus der böhmischen Masse andererseits lagerten sich in diesem Molassemeer ab. Die ältesten Ablagerungen aus dieser Zeit in Österreich finden sich im salzburgisch-oberösterreichischen Alpenvorland. Ende des Eozäns (35 mya) begannen das nördliche Vorland der Alpen und Teile der Böhmischen Masse rasch abzusinken. Die Meeresüberflutung griff – vom Rhônegebiet nach Osten kommend – bald auf das niederösterreichische Alpenvorland über und bildete den westlichen Teil der Paratethys, die zu dieser Zeit bis zum Kaspischen Meer reichte.
Während am Nordrand des Mittelmeeres ausgedehnte Korallenriffe gediehen, breitete sich in der Paratethys eine wesentlich eintönigere Fauna aus. Im engen und tiefen Meerestrog, der sich nördlich der herandrängenden Alpen bildete, wurden schwarze Tone und untermeerische Geröllströme abgelagert. Die Wasserzirkulation war schlecht und in tieferen Wasserschichten wurde der Sauerstoff knapp.
Tertiär
Im mittleren Tertiär (25 mya) fiel der westliche Teil des Molassemeeres vorübergehend trocken und reichte, dem heutigen Donaulauf folgend, östlich bis München. Die Ablagerungen aus dem Jungtertiär- 23-13 mya- insgesamt sind für Ostösterreich von besonderer Bedeutung, da aus dieser Zeit eine große Zahl besonders schöner Fossilien erhalten sind. Einige Zeitabschnitte dieser Epoche sind nach niederösterreichischen Orten benannt, in deren Umgebung die betreffenden Ablagerungen besonders vielfältig ausgeprägt und wissenschaftlich gut bearbeitet sind. So umfasst das Eggenburgium den Zeitabschnitt von 20,5 bis 19 mya, das Badenium die Zeit vor 16,5 bis 13 mya.
Der Übergang vom Oligozän (Ende des Alttertiärs) zum Miozän (Beginn des Jungtertiärs) erfolgte im Alpenvorland Österreichs ohne starke geologische Veränderungen. Daher gibt es für diese Übergangszeit eine eigene Bezeichnung - das Egerium (28 bis 20,5 mya) - welche den Zeitabschnitt des jüngeren Oligozäns und des ältesten Miozäns umfasst. Im Egerium kam es bereits zu einer besseren Durchlüftung der tiefen Meeresbecken, aber erst mit dem Eggenburgium setzte eine neue Entwicklung ein.
Miozän
Im frühen Miozän - etwa 23 bis 18 mya - öffnete sich ein breiter Seeweg über den heutigen Iran in den Indischen Ozean. Auf der Erde behinderten rund um den Äquator keine Festlandmassen die Meeresströmungen; durch diese ungehinderte zirkumäquatoriale Strömung begünstigt, kam es weltweit zu einem Anstieg der Temperatur. Dies zeigt sich auch in der Paratethys durch das plötzlichem Vordringen von großen tropischen Muscheln. Diese Zeitstufe wird nach den fossilreichen Sedimenten rund um Eggenburg Eggenburgium genannt.
Seichte Buchten und schroffe Felsküsten entlang der Böhmischen Masse boten einer Vielzahl mariner Organismen Lebensraum. Im Horner Becken drängte nun der Anstieg des Meeresspiegels das Süßwasser-Flusssystem des Urkamp, welches während des Oligozäns ausgebildet wurde, gegen Norden zurück. Auf einer nordsüdlich gerichteten, 10 km langen und 4 km breiten Fläche entstand ein Mischbereich zwischen Süßwasser und Meerwasser. Dieser Bereich war durch eine Vielfalt von Lebensräumen gekennzeichnet, deren Salzgehalt sich je nach Meeres- oder Süßwasservorstoß mehrmals änderte.
Karpatium und Badenium
Nach einer Meeresrückzugsphase hob sich im mittleren Miozän, dem Karpatium - 17 bis 13 mya- der Meeresspiegel wieder an. Nach kühlem Beginn stieg die Temperatur deutlich an. Die Paratethys dehnte sich im Westen bis Niederösterreich aus und wurde im Osten durch den wachsenden Karpatenbogen begrenzt. Rasch wurde dieser Teil der Paratethys wieder von Meerestieren besiedelt. Besonders gut sind die Ablagerungen dieser Zeit im Korneuburger Becken untersucht; über 650 Pflanzen und Tierarten können hier nachgewiesen werden. In der Fossilienwelt Weinviertel ist unter anderem auch das größte zugängliche fossile Austernriff der Erde zu besichtigen.
Auf Grund tektonischer Bewegungen kam es zwischen den Alpen und den Karpaten zu Zerrungen der Erdkruste, die Erdoberfläche senkte sich und es bildeten sich Zerrungsbecken, die tief in den Alpenkörper hineinreichten und vom Meer überflutet wurden. So bildeten sich das Wiener Becken und das Grazer Becken. Gleichzeitig entstand abermals eine Verbindung zum Mittelmeer.
Die Wassertemperaturen blieben im Badenium sehr warm, es bildeten sich kleine Fleckenriffe und Korallenteppiche. Kalkrotalgen bedeckten den seichten Meeresboden und säumten Untiefen und Inseln wie den Steinberg bei Zistersdorf oder das Leithagebirge; sie sind als weißer Leithakalk überliefert. Die tropischen Temperaturen und die breite Verbindung zum Mittelmeer und Indischen Ozean waren Voraussetzungen für die höchste Organismenvielfalt in der Paratethys. Die kaum überschaubare Zahl lässt vor dem geistigen Auge des Betrachters das Bild des heutigen Roten Meeres oder des Indischen Ozeans entstehen. Tatsächlich finden sich dort die nächsten Verwandten der Bewohner der Paratethys noch heute.
Pannonium und Sarmatium
Im jungen Miozän, dem Pannonium - 13 bis 5 mya- wurde die Paratethys erneut von den offenen Ozeanen abgeschnitten. Das nun isolierte Binnenmeer reichte vom Wiener Becken bis zum Aralsee. Durch den eingeschränkten Wasseraustausch mit dem Mittelmeer veränderte sich der Wassermechanismus dramatisch. Ein Großteil der Meeresorganismen verschwand. Nur sehr wenige anpassungsfähige Tierarten überlebten diese Krise.
Aus dem kümmerlichen Rest der einstigen Fülle entwickelten sich im Sarmatium lediglich etwa 120 Arten, welche die vielen ökologischen Nischen des großen Binnenmeeres besiedelten. 11,5 mya zog sich das Paratethys-Meer weit nach Osten zurück. Im Westen entstand stattdessen ein großer Brackwassersee, der Pannon-See. Die Aussüßung des Wassers führte zum Aussterben der sarmatischen Tierwelt. An ihre Stelle traten nun wenige Muschel- und Schneckenarten. Die Dreikantmuscheln der Gattung Congeria fanden am schlammigen Seeboden kaum Konkurrenz durch andere Arten und breiteten sich in großer Individuenzahl aus. Ähnliches bei den Schnecken: Arten der Gattung Melanopsis drangen aus den Flussmündungen in die Uferzonen des Pannon–Sees vor. In kurzer Zeit entstanden aus den ursprünglichen Arten zahlreiche neue Formen, die ausschließlich im Pannon-See lebten.
Die Landsäugetiere
Mit dem Zurückweichen des Meeres gewinnen die Fossilienfunde der Landsäugetiere an Bedeutung. Das Alpenvorland war von Flusslandschaften und der Ur-Donau geprägt. In den ausgedehnten Wäldern am Ufer des Pannon-Sees wuchsen Weiden, Erlen, Ulmen, Ahorn und Eichen, aber auch Sumpfzypressen, Zelkovie, Flügelnuss und Amberbaum.
Der größte Bewohner der Auwälder war der „Hauerelefant“ Deinotherium. Die Säbelzahnkatze Sansanosmilus stellte Hirschferkeln, Muntjak-Hirschen, Krallentieren und den ponygroßen „Drei-Zehen-Pferden“ Hippotherium nach. Fünf winzige bis riesengroße Flughörnchenarten leben in diesen Wäldern. Da heute noch lebende Flughörnchen keinen Winterschlaf halten und nur begrenzte Futtervorräte anlegen, lässt dies auf frostfreie Winter und auf regenreiches, warmes Klima schließen. Um 9 mya begann sich der Pannon-See aus dem Wiener Becken zurückzuziehen. Aus den Wäldern an den Süßwasserseen und –tümpeln sind bei Neufeld und Zillingdorf mächtige Braunkohlelagerstätten überliefert.
Mehr als 500 Mio. Jahre war die Geschichte Niederösterreichs und Österreichs eine Geschichte von Ozeanen und Meeren; erst mit dem Ende des Paratethys-Meeres und des Pannon-Sees fand die marine Vergangenheit Niederösterreichs 8 mya ihr Ende und mündete 2,5 mya in den Eiszeiten.
Siehe auch
- Geschichte Niederösterreichs
- Das Gebiet der heutigen Alpen während der Acadischen Gebirgsbildungsära
Literatur und Quellen
- Rocky Tour durch Österreich, Geologische Bundesanstalt
- Materialien der Sonderausstellung Meeresstrand am Alpenrand, NÖ Landesmuseum in Sankt Pölten, 2005.
- Geowissenschaftliche Übersichtskarte Die Ostalpen und ihr Vorland in der letzten Eiszeit (Würm) 1:500.000, Dirk Van Husen, Geologische Bundesanstalt, 1987. ISBN 3-900312-58-3 (Erläuterungen: ddsb. Die Ostalpen in den Eiszeiten; Kurzinfo Geowissenschaftliche Übersichtskarten, geologie.ac.at)
- ↑ Geologische Bundesanstalt: Ende Pangäas
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