Erich Rothacker

Erich Rothacker

Erich Rothacker (* 12. März 1888 in Pforzheim; † 10. August 1965 in Bonn) war ein deutscher Philosoph und Soziologe.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Der Sohn des Großkaufmanns Emil Th. Rothacker verbrachte seine Kindheit in Neapel und Pforzheim. Dort legte er 1907 seine Reifeprüfung am Reuchlin-Gymnasium ab. Es folgten Studien der Philosophie, Psychologie, Geschichte, Kunstgeschichte, Romanistik, Nationalökonomie sowie der Biologie und Medizin 1908/1909 in Kiel bei Deussen, Götz Martius, Carl Neumann, Ferdinand Tönnies, 1909 und 1916 bis 1918 in Straßburg, 1909 bis 1913 in München bei Max Scheler, Geiger, Heinrich Wölfflin, Franz Doflein, Brentano, Vossler, 1910 bis 1912 in Tübingen und 1913/1914 in Berlin, wo er u. a. bei Simmel, Stumpf, Erdmann und Vierkandt hörte.

1911 promovierte Rothacker an der Universität Tübingen bei Heinrich Maier mit einer Arbeit über den Historiker Karl Lamprecht, welche in den Grundzügen schon seine zukünftige, wissenschaftliche Ausrichtung beinhaltete: Die Erforschung der Auseinandersetzung des Menschen mit sich selbst (Anthropologie) und mit seiner geschichtlichen Leistung (Kultur). 1920 habilitierte ihn H. Maier an der Universität Heidelberg für Philosophie, dort ist er 1920/21 Assistent am Philosophischen Seminar und ab 1924 nicht beamteter ao. Professor. 1928 wechselte er als Nachfolger von Gustav Wilhelm Störring an die Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn. Er lehrte Philosophie und Psychologie.

Rothacker gehörte zwischen 1919 und 1928 der DVP an. Er unterzeichnete am 29. Juli 1932 einen Wahlaufruf von 51 Hochschullehrern für Adolf Hitler und wurde im März 1933 Mitglied der NSDAP. Als Abteilungsleiter im Propagandaministerium war er 1933 der Verbindungsmann zur studentischen Bücherverbrennung unter dem Motto „Aktion wider den undeutschen Geist“. In seinem 1934 publizierten Buch Geschichtsphilosophie befürwortete er die nationalsozialistischen Rassentheorien: „Neben Staatsgedanke, Deutschtumsgedanke, Volksgedanke steht als wesentlicher Bestandteil aller zugleich der Rassegedanke“.[1] 1934 wurde er Mitglied der nationalsozialistischen Akademie für Deutsches Recht und Gründer des Ausschusses für Rechtsphilosophie.[2] Während des Zweiten Weltkriegs beteiligte er sich am NS-Projekt „Kriegseinsatz der Geisteswissenschaften“.[3]

In der Nachkriegszeit durfte er nach kurzzeitiger Suspendierung 1947 seine Lehrtätigkeit wiederaufnehmen und blieb bis zu seiner Emeritierung 1956 Professor in Bonn.[2]

Rothacker galt als Begründer der geisteswissenschaftlichen Kulturanthropologie und wird zum Teil auch mit der Lebensphilosophie in Verbindung gebracht. Zu Lebzeiten zählte er sich selbst neben Scheler, Plessner und Gehlen zur Philosophischen Anthropologie. Rothacker war Doktorvater von Karl Albert, Jürgen Habermas, Hermann Schmitz und Lehrer von Karl-Heinz Ilting, Karl-Otto Apel und Gerhard Funke.

Schriften

  • Über die Möglichkeit und den Ertrag einer genetischen Geschichtsschreibung im Sinne Karl Lamprechts. Dissertation. 1912.
  • Einleitung in die Geisteswissenschaften. Habilitationsschrift. Mohr, Tübingen 1920. 2. Auflage 1930. Nachdruck 1972.
  • Logik und Systematik der Geisteswissenschaften. Handbuch der Philosophie. Oldenbourg, München, Berlin 1926. 3. Auflage Bonn 1948.
  • Geschichtsphilosophie. In: A. Baeumler, M. Schröter (Hrsg.): Handbuch der Philosophie. Oldenbourg, München, Berlin 1934, S. 3–150.
  • Kulturen als Lebensstile. In: Zeitschrift für deutsche Bildung. 1934.
  • Das Wesen des Schöpferischen. In: Blätter für deutsche Philosophie. Band 10. 1937.
  • Die Schichten der Persönlichkeit. Barth, Leipzig 1938. 2. Auflage 1941, 7. Auflage 1966.
  • Probleme der Kulturanthropologie. In: Nicolai Hartmann (Hrsg.): Systematische Philosophie. Berlin 1942, S. 59–119.
  • Mensch und Geschichte. Alte und neue Vorträge und Aufsätze. 1944. Neuauflage 1950.
  • Die Kriegswichtigkeit der Philosophie. Bonn 1944.
  • Schelers Durchbruch in die Wirklichkeit. Bouvier, Bonn 1948.
  • Selbstdarstellung. (1940). In: Werner Ziegenfuß, Gertrud Jung (Hrsg.): Philosophen-Lexikon. Handwörterbuch der Philosophie nach Personen. 2 Bände. Band I. Berlin 1949/1950.
  • Die Wirkung des Kunstwerkes. In: Jahrbuch für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft. Band 2. 1952/1953, S. 1–22.
  • Die dogmatische Denkform in den Geisteswissenschaften und das Problem des Historismus. Akademie der Wissenschaften und der Literatur, Heft 8. Mainz 1954, S. 239–298.
  • Psychologie und Anthropologie. Jahrbuch für Psychologie. 1. Halbband. 1957.
  • Heitere Erinnerungen. Athenäum, Frankfurt am Main, Bonn 1963.
  • Intuition und Begriff. Ein Gespräch mit J. Thyssen. Bouvier, Bonn 1963.
  • Philosophische Anthropologie. Vorlesungen aus den Jahren 1953/1954. Bouvier, Bonn 1964. 2. Auflage 1966.

Postum

  • Zur Genealogie des menschlichen Bewußtseins. Eingeleitet und durchgesehen von Wilhelm Perpeet. Bouvier, Bonn 1966.
  • Gedanken über Martin Heidegger. Vortrag 1963. Bouvier, Bonn 1973.
  • Das „Buch der Natur“. Materialien und Grundsätzliches zur Metapherngeschichte. Aus dem Nachlaß herausgegeben und bearbeitet von Wilhelm Perpeet. Bouvier, Bonn 1979.

Literatur

  • Volker Böhnigk: Kulturanthropologie als Rassenlehre: Nationalsozialistische Kulturphilosophie aus der Sicht des Philosophen Erich Rothacker. Würzburg 2002.
  • Gerhard Funke (Hrsg): Konkrete Vernunft. Festschrift für Erich Rothacker mit Bibliographie. Bonn 1958.
  • Eintrag Erich Rothacker. In: Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich. Frankfurt am Main 2005.
  • Joachim Fischer: Philosophische Anthropologie – Eine Denkrichtung des 20. Jahrhunderts. München, Freiburg 2008.
  • Frank Tremmel: Menschheitswissenschaft« als Erfahrung des Ortes – Erich Rothacker und die deutsche Kulturanthropologie. Utz, München 2009, ISBN 978-3-8316-0885-0. (Inhalt und Einleitung)

Weblinks

Belege

  1. Zitat bei Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945. 2. Auflage. Fischer, Frankfurt am Main 2005, ISBN 978-3-596-16048-8, S. 510.
  2. a b Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich. Fischer, 2005, S. 510.
  3. Thomas Laugstien: Philosophieverhältnisse im deutschen Faschismus. Hamburg 1990, ISBN 3886191699, S. 12f.

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