Ernst Oberfohren

Ernst Oberfohren
Dr. Ernst Oberfohren

Ernst Oberfohren (* 15. März 1881 in Dümpten; † 7. Mai 1933 in Kiel) war ein deutscher Politiker (DNVP).

Inhaltsverzeichnis

Leben und Wirken

Ernst Oberfohren wurde als Sohn des Landwirts Johann Oberfohren und seiner Ehefrau Anna Krüger geboren. Er besuchte von 1892 bis 1900 das Gymnasium in Mülheim an der Ruhr, das er mit dem Abitur verließ. Danach wurde er bis 1903 am Lehrerseminar (zugleich höhere Knabenschule) in Mettmann ausgebildet. Anschließend studierte Oberfohren Evangelische Theologie, Philosophie, Germanistik und Französisch an den Universitäten von Berlin und Bonn. Dort legte er 1907 das Staatsexamen für das höhere Lehramt ab. Bis 1909 unterrichtete er als Oberlehrer (Studienrat) an Schulen in Godesberg, Bonn und Kattowitz (1908), dann von 1909 bis 1924 an der Städtischen Höheren Mädchenschule und am Lehrerinnenseminar in Kiel. 1911 nahm er ergänzend ein Studium der Staatswissenschaften an der Universität Kiel auf, wo er 1914 mit einer Arbeit über Jean Bodin zum Doktor der Politischen Wissenschaften promoviert wurde. Neben diesem Studium und auch danach war er weiterhin als Studienrat in Kiel tätig. Außerdem wurde er wissenschaftliches Mitglied des Instituts für Seeverkehr und Weltwirtschaft in Kiel.

Nach dem Ersten Weltkrieg begann Oberfohren sich verstärkt politisch zu engagieren. 1919/1920 gehörte er der Weimarer Nationalversammlung als Abgeordneter für den Wahlkreis Schleswig-Holstein an. Anschließend saß er von 1920 bis 1933 als Abgeordneter für die DNVP im Reichstag. Der Schwerpunkt seiner Arbeit lag zunächst bei der Bildungspolitik. Später verlegte er sich auf die Wirtschaftspolitik. Er unterstützte eine Stärkung der Landwirtschaft, die er als Basis der Wirtschaft überhaupt ansah. In dieser Eigenschaft publizierte er auch einige Broschüren zu landwirtschaftlichen und steuerlichen Fragen. Seinen Beruf als Lehrer gab er, nachdem er sich als Politiker endgültig etabliert hatte, 1924 auf.

1928 wurde Oberfohren stellvertretender Vorsitzender der DNVP und Vorsitzender des Reichstagsausschusses für Steuerfragen. Am 12. Dezember 1929 übernahm Oberfohren mit Unterstützung des Parteivorsitzenden Alfred Hugenberg als Nachfolger von Kuno Graf Westarp das Amt des Fraktionsvorsitzenden der DNVP im Reichstag, das er etwas über drei Jahre, bis Anfang April 1933 beibehielt. Politisch rivalisierte er während dieser Zeit zusehends mit Hugenberg, wobei Oberfohrens Kritik am Kurs Hugenbergs durch das schwache Abschneiden der Partei bei den Wahlen von 1930 und 1932 bestätigt wurde.

Oberfohrens strikte Ablehnung des Young-Planes und sein antirepublikanischer Oppositionskurs zum Kabinett Brüning führten im Herbst 1930 zur Spaltung der DNVP, als der Westarp-Flügel sich als Volkskonservative Partei verselbständigte. Im Januar 1933 befürwortete Oberfohren ein Zusammengehen der DNVP mit der NSDAP.

Nach dem Machtantritt der Nationalsozialisten im Frühjahr 1933 distanzierte Oberfohren sich von Hugenberg und dessen NSDAP-nahen Kurs. Obwohl er auch noch für das Ermächtigungsgesetz vom März 1933 stimmte, das mit der Zusammenlegung von Legislative und Exekutive die Grundlage für die Errichtung der NS-Diktatur bildete, sah er sich verstärkt politischen Gängelungen ausgesetzt: Er wurde zunächst bespitztelt und mehrmals verhört. Am 29. März 1933 wurde sein Büro und einen Tag später seine Privatwohnung von Nationalsozialisten durchsucht. Obwohl er noch am 22. März als Fraktionsvorsitzender bestätigt wurde legte er am 30. März sein Reichstagsmandat nieder und zog sich aus der Politik zurück.

Eine Oberfohren zugeschriebene Denkschrift über den Reichstagsbrand, die der Manchester Guardian Ende April veröffentlichte (The Oberfohren-Memorandum), wahrscheinlich aber von Albert Norden stammte, mag zu seinem Tod beigetragen haben: Am 8. Mai 1933 wurde Oberfohren in Kiel erschossen aufgefunden. In der Literatur dominiert die Auffassung, dass er den Schikanen durch die Nationalsozialisten die er bis zu dieser Zeit hatte erdulden müssen, psychisch nicht gewachsen war und sich deshalb das Leben nahm. Alternativ kursiert die Behauptung, dass der Ernst Röhm nahestehende ehemalige Kampfbundführer Paul Röhrbein Oberfohren als eine den Nationalsozialisten unbequeme Persönlichkeit ermordete und den Mord als Suizid tarnte. Diese Behauptung, die angeblich auf Prahlereien Röhrbeins nach seiner kurz darauf erfolgten Inhaftierung gegenüber anderen Häftlingen zurückgeht, lässt sich in der Literatur erstmals in einer Exilanten-Publikation aus dem Jahr 1936 nachweisen.[1]

Schriften

  • Jean Bodin und seine Schule. Untersuchungen über die Frühzeit der Universalökonomik, Kiel 1914. (Dissertation)
  • Die Idee der Universalökonomie in der französischen wirtschaftswissenschaftlichen Literatur, Jena 1915.
  • Französische Bestrebungen zur verdrängung des deutschen Handels, Jena 1916.
  • Die Lebensmittelversorgung der Stadt Kiel in den drei ersten Kriegsjahren, Kiel 1918.
  • Deutschnationale Steuerpolitik 1924.
  • Wir und die Steuervorlagen, 1925.
  • Deutschnationale Steuerpolitik und Mittelstand, 1926.
  • Wirtschafts- und Steuernöte des selbständigen Mittelstandes, 1927.
  • Reichshaushalt und Finanzausgleich, 1928.
  • Auf zur Opposition!, 1928.
  • Reichshaushalt 1929.
  • Zum Freiheitsgesetz!, s.a. [1930].
  • Kampfprogramm der Deutschnationalen Volkspartei, 1930.
  • Kriegserklärung an das System Brünning!, Berlin 1931.

Oberfohren zugeschrieben, aber wahrscheinlich nicht von ihm stammend:

  • Wer hat den Reichstag angezündet? Wie Hitler in Deutschland zur Macht kam. Hinter den Kulissen (ein deutschnationales Dokument), 1933. (auch auf Englisch als The Oberfohren Memorandum, London 1933)

Literatur

  • Franz Menges: „Ernst Oberfohren“, in: Neue Deutsche Biographie, Bd. 19, S. 384f.
  • Peter Wulf: Ernst Oberfohren und die DNVP am Ende der Weimarer Republik, in: Erich Hoffmann und Peter Wulf [Hrsg.]: «Wir bauen das Reich.» Aufstieg und erste Herrschaftsjahre des Nationalsozialismus in Schleswig-Holstein, Neumünster 1983.
  • Martin Schumacher, Katharina Lübbe, Wilhelm Heinz Schröder: M.d.R. Die Reichstagsabgeordneten der Weimarer Republik in der Zeit des Nationalsozialismus. politische Verfolgung, Emigration und Ausbürgerung, 1933–1945. Eine biographische Dokumentation. 3. Auflage. Droste, Düsseldorf 1994, ISBN 3-7700-5183-1. 

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Julius Zerfass (unter dem Pseudonym Walter Hornung): Dachau: Eine Chronik. Europa Verlag, Zürich 1936, S. 97.

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