Manhattan-Projekt

Manhattan-Projekt
General Leslie R. Groves und Robert Oppenheimer ca. 1942
Erster Atombombentest „Trinity“ 1945

Das Manhattan Engineer District (MED), später abgekürzt als Manhattan-Projekt, war die Bezeichnung für das Projekt, unter dem alle Tätigkeiten der USA während des Zweiten Weltkrieges ab 1942 zur Entwicklung und zum Bau einer Atombombe unter der militärischen Leitung von General Leslie R. Groves ausgeführt wurden. Die Forschungsarbeiten im Rahmen des Manhattan-Projekts wurden von dem US-amerikanischen Physiker J. Robert Oppenheimer geleitet.

Vergleichbare Forschungsanstrengungen wurden in der Sowjetunion von Igor Kurtschatow innerhalb des sowjetischen Atombombenprojektes unternommen. In Deutschland arbeitete eine Gruppe von Physikern um Werner Heisenberg an der militärischen Nutzbarmachung der 1938 von Otto Hahn, Lise Meitner und Fritz Straßmann entdeckten Kernspaltung. Das japanische Nuklearwaffenprogramm unter der Leitung von Yoshio Nishina kam seinem Ziel während des Krieges deutlich näher. Dazu zählt der Bau eines lauffähigen Atomkraftwerks in Tokio. Dieses wurde allerdings 1945 kurz vor seiner Inbetriebnahme bei einem Luftangriff zerstört.[1]

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

In den Jahren zwischen dem Ersten und Zweiten Weltkrieg stieg in den Vereinigten Staaten die wissenschaftliche Überlegenheit auf dem Gebiet der Kernphysik. Dazu trugen neben amerikanischen Physikern auch die Arbeiten von europäischen Immigranten bei. Bis zum Beginn des Zweiten Weltkrieges entwickelten sie mit dem Zyklotron, dem Teilchenbeschleuniger und den Radioisotopen die Grundlagen der Nuklearphysik.

Einer der wichtigsten Wissenschaftler, Enrico Fermi, erinnert sich an die Anfänge des Projektes in einer Rede, die er 1954 hielt:

Ich kann mich noch sehr lebhaft an den ersten Monat, den Januar 1939 erinnern, in dem ich begonnen habe, in den Pupin Laboratorien zu arbeiten, weil die Dinge sich damals sehr schnell zu entwickeln begannen. Damals hielt Niels Bohr Vorlesungen an der Princeton University, und eines Abends kam Willis Lamb begeistert zurück und erzählte, dass Bohr große Neuigkeiten verkündet hatte. Dabei handelte es sich um die Entdeckung der Kernspaltung und eine Übersicht, was die Entdeckung zu bedeuten hatte. Etwas später in diesem Monat gab es ein Treffen in Washington, auf dem die mögliche Wichtigkeit des neuen Phänomens der Kernspaltung zum ersten Mal halb ernst als potentielle Quelle von Kernenergie diskutiert wurde.

Die geflüchteten ungarischen Wissenschaftler Leó Szilárd, Edward Teller und Eugene Wigner waren der Ansicht, dass die Kernspaltung von den Deutschen zum Bau von Bomben genutzt werden könnte. Sie überzeugten deshalb Deutschlands bekanntesten Physiker, Albert Einstein, US-Präsident Franklin D. Roosevelt in einem Brief zu warnen. Angesichts der Geheimdienstberichte um die deutschen Anstrengungen und eventuell auch aufgrund Einsteins Schreiben vom 2. August 1939 wurde beschlossen, die Entwicklung einer Atombombe zu forcieren.

Unter der Aufsicht von Lyman Briggs, dem Leiter des National Bureau of Standards, begann 1939 am Naval Research Laboratory in Washington, D.C. ein kleines Forschungsprogramm. Der Physiker Philip Abelson arbeitete dort an der Isotopentrennung von Uran. Aus ersten Forschungsgeldern in Höhe von 6.000 USD baute der italienische Kernphysiker Enrico Fermi an der Columbia University den Prototyp eines Kernreaktors, zu dem er verschiedene Kombinationen von Graphit und Uran einsetzte.

Erst 1940 wurde auf Initiative von Vannevar Bush, dem Direktor der Carnegie Institution of Washington, begonnen, die wissenschaftlichen Ressourcen der Vereinigten Staaten zur Unterstützung der Kriegsanstrengungen zu bündeln. Es entstanden neue Laboratorien, darunter das Strahlungslabor am Massachusetts Institute of Technology, das bei der Entwicklung des Radars eine bedeutende Rolle spielte, und das Unterwasser-Tonlabor in San Diego, an dem das Sonar weiterentwickelt wurde.

Das nationale Gremium zur Verteidigungsforschung (National Defense Research Council) übernahm das Uranprojekt, wie Briggs' Forschungsprogramm bis dahin genannt wurde. 1940 schufen Bush und Roosevelt das Büro für wissenschaftliche Forschung und Entwicklung (Office of Scientific Research and Development), um die Forschung zu forcieren.

Entwicklung

Bis zum Sommer 1941 machte das Uranprojekt keine großen Fortschritte. Das änderte sich erst mit der aus Großbritannien (Birmingham) kommenden Berechnung von Otto Frisch und Rudolf Peierls, die zeigten, dass die Explosionskraft einer sehr kleinen Menge des spaltbaren Uranisotops U-235 dem Äquivalent von mehreren tausend Tonnen TNT entspricht. Höchst beunruhigt über die vermuteten Fortschritte in der Kernforschung im Dritten Reich hatten die beiden im März 1940 ein geheimes Memorandum verfasst, in dem sie zu verstärkter Forschung auf diesem Gebiet aufforderten.

Die National Academy of Sciences machte den Vorschlag einer umfassenden Anstrengung zum Bau von Kernwaffen, woraufhin Roosevelt das S-1-Komitee gründete, welches das Vorhaben leiten sollte. Die Entscheidung fiel am 6. Dezember 1941, einen Tag vor dem Angriff Japans auf Pearl Harbor.

Am metallurgischen Labor der University of Chicago, dem Strahlungslabor der Universität von Kalifornien und der Columbia University wurden die Anstrengungen zur Produktion von waffenfähigem Material aus Uran verstärkt. Uran 235 wurde aus Uranerz separiert und Plutonium erhielt man durch den Beschuss von Uran mit Neutronen. Im Jahr 1942 wurde hier der erste Reaktor, Chicago Pile 1, in Betrieb genommen.

Als die Vereinigten Staaten im Dezember 1941 in den Zweiten Weltkrieg eintraten, gab es mehrere Projekte zur Erforschung der Separierung von Uran 235 und Uran 238, der Herstellung von Plutonium und der Durchführbarkeit von Kernexplosionen.

Anfang 1942 begann man mit dem Bau großer Anlagen zur Herstellung dieser Materialien: das Site X genannte Oak Ridge National Laboratory in Tennessee sowie die Site W genannte Anlage Hanford bei Richland, Washington.

Der Physiker und Nobelpreisträger Arthur Holly Compton baute das metallurgische Labor an der Universität Chicago Anfang 1942 auf, um Plutonium und Spaltreihen zu studieren. Er bat Robert Oppenheimer um eine Stellungnahme zu den Möglichkeiten von Kernwaffen.

Im Frühjahr 1942 forschte Oppenheimer zusammen mit Robert Serber von der Universität Illinois am Problem der Neutronendiffusion (wie sich Neutronen bei der Kettenreaktion verhalten) und der Hydrodynamik (wie sich die durch die Kettenreaktion hervorgerufene Explosion verhalten kann). Um seine Forschungsarbeit und die allgemeine Theorie der Spaltungsreaktionen begutachten zu lassen, veranstaltete Oppenheimer im Juni 1942 an der Universität von Kalifornien in Berkeley einen Forschungssommer. Die Teilnehmer Hans Bethe, John H. van Vleck, Edward Teller, Felix Bloch, Richard C. Tolman und Emil Konopinski kamen dabei zu dem Schluss, dass eine Bombe auf Basis der Kernspaltung möglich sei, und vermuteten, dass zum Starten der Kettenreaktion eine kritische Masse vorhanden sein müsse. Die nötige Menge an Explosivmaterial musste groß genug sein, damit die durch die Spaltung ausgesandten Neutronen genügend weitere Uran-235-Atome spalten können, um die Kettenreaktion am Laufen zu halten. Die Schwierigkeit bestand im gezielten Starten der Kettenreaktion. Dies ließ sich entweder durch das technisch einfachere Aufeinanderfeuern zweier unterkritischer Uran-235-Massen („gun type“) oder durch Kompression einer unterkritischen Plutoniummasse mittels einer umgebenden Hohlladung aus konventionellem Sprengstoff („implosion type“) erreichen.

Auch Victor Weisskopf beteiligte sich am Projekt.

Teller sah noch eine weitere Möglichkeit: Er vermutete, dass durch die Ummantelung der Spaltbombe mit Deuterium und Tritium eine wesentlich stärkere Superbombe gebaut werden könnte. Die Idee basierte auf Bethes Vorkriegsstudien zur Energieproduktion in Sternen. Wenn die Explosionswelle der Spaltbombe durch das Gemisch der Deuterium- und Tritiumkerne expandierte, würden diese dadurch verschmolzen; der Prozess der Kernfusion würde dabei wesentlich mehr Energie freisetzen als die Kernspaltung. Bethe war skeptisch und wies die Skizzen, die Teller für die Superbombe entwarf, ein ums andere mal zurück. Teller vermutete, dass durch seine Superbombe die Möglichkeit der Entzündung der Atmosphäre bestand. Auch nachdem Bethe theoretisch nachwies, dass das nicht passieren könnte, blieben leise Zweifel. Nichtsdestotrotz trieb er die Versuche daran weiter voran.

Die Ergebnisse der Sommerkonferenzen Oppenheimers bildeten die theoretische Grundlage zum Bau der Atombombe, der eine der Hauptaufgaben in Los Alamos während des Krieges wurde. Serber nannte die Konferenzen später The Los Alamos Primer (LA-1). Auf ihnen wurde auch das Konzept der Wasserstoffbombe entwickelt, die in der Nachkriegszeit Gestalt annahm. Selten hatte eine Physik-Konferenz eine derartige Bedeutung für die Zukunft der Menschheit.

Mit der Aussicht auf einen langen Krieg trafen sich im Sommer 1942 eine Gruppe von theoretischen Physikern um Robert Oppenheimer in Berkeley, um Pläne für die Entwicklung und Gestaltung einer Kernwaffe festzulegen. Grundlegende Fragen über die Eigenschaften schneller Neutronen blieben dabei noch offen. Der Physiker John Manley vom metallurgischen Labor der Universität Chicago koordinierte für Oppenheimer die Forschungsgruppen im ganzen Land, die diese Frage beantworten sollten.

Die Messungen der Wechselwirkungen von schnellen Neutronen mit anderen Materialien innerhalb einer Bombe waren von großer Bedeutung. Die Zahl der im Spaltungsprozess von Uran und Plutonium entstehenden Neutronen musste bekannt sein, und die die Bombe umgebende Substanz musste die Eigenschaft haben, diese Neutronen wieder in die Bombe zu reflektieren oder zu streuen, um die Energie der Bombe zu erhöhen. Aus diesem Grund mussten die Reflexionseigenschaften verschiedener Materialien ermittelt werden.

Um die Explosionskraft einer Bombe abschätzen zu können, waren viele andere Ergebnisse der Kernforschung Voraussetzung. Auch waren die zur Herstellung von schnellen Neutronen nötigen Teilchenbeschleuniger damals noch äußerst selten. Im September 1942 zeigten die Schwierigkeiten der Koordination der im ganzen Land verstreuten Forschungseinrichtungen, dass ein zentrales Labor zur Kernwaffenforschung notwendig war. Daneben bestand ein großer Bedarf an Einrichtungen zur Herstellung von Uran 235 und Plutonium im größeren Maßstab.

Manhattan District und Los Alamos

Im Sommer 1942 wurde eine merkliche Steigerung der Deuterium- und Tritiumproduktion im Norsk-Hydro Werk im von Deutschland besetzten Norwegen festgestellt.

Trinity-Explosion

Vannevar Bush, Vorsitzender des Büros für wissenschaftliche Forschung und Entwicklung (Office of Scientific Research and Development, OSRD) und James Bryant Conant, Vorsitzender des Nationalen Verteidigungs- und Forschungs-Komitees (National Defense Research Committee, NDRC), einer Unterabteilung des OSRD, waren im Juni 1942 die politisch Hauptverantwortlichen für die Umsetzung von Präsident Roosevelts Entscheidung, das zuvor bestehende wissenschaftliche Projekt eines Atomenergie-Entwicklungsprogramms (OSRD) in ein militärisches Projekt zur Entwicklung schlagkräftigster Nuklear-Waffen umzuwandeln. Unter Generalleutnant Brehon Somervell und Generalmajor W.D. Styer wurde Brigadegeneral Leslie R. Groves am 16. September 1942 mit der hauptverantwortlichen „militärischen“ Leitung dieses Waffen-Projektes beauftragt. Groves benannte es nach dem Standort von George C. Marshalls Hauptquartier von New York in Manhattan Engineer District (MED) um, das später abgekürzt als Manhattan-Projekt bezeichnet wurde.

Innerhalb einer Woche löste Groves die dringendsten Probleme des Projektes und begann unter größter Geheimhaltung in der Wüste von New Mexico mit dem Bau von Site Y, einer Forschungsstadt bei Los Alamos mit weitläufigen Laboranlagen und Werkstätten. Robert Oppenheimer stand der Anlage als Leiter der Trinity Projekt genannten Kernwaffenforschung vor. Viele Physiker und Techniker wurden in den Folgemonaten in Los Alamos zusammengezogen und zusammen mit den übrigen Forschungseinrichtungen arbeiteten zeitweilig über 100.000 Menschen am Manhattan-Projekt. Die Gesamtkosten betrugen etwa zwei Milliarden USD.

Etwa 250 km südlich von Los Alamos auf dem White Sands Missile Range, fand am 16. Juli 1945 der Trinity-Test, die erste erfolgreiche Zündung einer Atombombe, statt. Die Bombe verwendete Plutonium als nukleares Brennmaterial und besaß eine Sprengkraft von 21 Kilotonnen TNT.

Als einziger ziviler Beobachter mit Genehmigung der amerikanischen Regierung nahm der Journalist William L. Laurence als Augenzeuge von Anbeginn des Projektes teil (siehe Literatur).

Ergebnisse des Manhattan-Projekts

Hauptartikel: Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki

Da sich die sogenannten Achsenmächte in Europa mittlerweile ergeben hatten, kam die beim Manhattan-Projekt entwickelte Atombombe hier nicht mehr zum Einsatz. Das US-Verteidigungsministerium hatte bereits die Industriezentren Ludwigshafen und Mannheim als mögliche Ziele ausgewählt. Andere bevorzugten Berlin als möglichen Einsatzort der Atombombe in Europa.

Die bislang einzigen kriegerischen Einsätze von Atombomben fanden bald darauf über japanischen Städten statt. Am 6. August 1945 wurde über Hiroshima die Little Boy genannte Bombe abgeworfen, die hauptsächlich aus Uran 235 bestand. Drei Tage später, am 9. August wurde über Nagasaki die Fat Man genannte Bombe abgeworfen, die größtenteils aus Plutonium 239 bestand. Unterschiedlichen Schätzungen zufolge starben in Hiroshima zwischen 90.000-180.000 Menschen und in Nagasaki zwischen 50.000 und 100.000 Menschen[2][3], größtenteils japanische Zivilisten, während der Explosionen und im Nachhinein an ihren Folgen (Strahlenkrankheiten). Wenige Tage später kapitulierte das japanische Kaiserreich. Ob der Einsatz der Atombomben dafür ausschlaggebend war, bleibt umstritten.

Um den Einsatz der Bomben hatte es eine erregte Diskussion gegeben. Einige Forscher plädierten dafür, die Zerstörungskraft der Waffe zunächst über unbewohntem Gebiet zu demonstrieren, um damit Japan zur Kapitulation zu bewegen; die Militärs und Präsident Harry Truman waren für den militär-praktischen Einsatz.

Siehe auch

Literatur

  • Stephane Groueff: Projekt ohne Gnade - das Abenteuer der amerikanischen Atomindustrie. Bertelsmann, Gütersloh 1968
  • Leslie R. Groves: Now it can be told - The story of the Manhattan Project. Introduction by Edward Teller. Da Capo Press, New York 1962, 1983. ISBN 0-306-80189-2
  • Ruth H. Howes; Caroline L. Herzenberg: Their Day in the Sun: Women of the Manhattan Project. Temple University Press, Philadelphia, Pennsylvania 1999
  • Robert Jungk: Heller als tausend Sonnen. Das Schicksal der Atomforscher. Scherz & Goverts, Stuttgart 1956, Rowohlt, Reinbek 1986, ISBN 3-499-16629-1
  • William L. Laurence: Die Geschichte der Atombombe: Dämmerung über Punkt Null. List, München 1952
  • Robert S. Norris: Racing for the bomb. General Leslie R. Groves, The Manhattan projects indispensable men. Steerforth Press, South Royalton 2002, ISBN 1-58642-039-9
  • Richard Rhodes: Die Atombombe oder Die Geschichte des 8. Schöpfungstages. Greno, Nördlingen, 1988; Volk und Welt, Berlin, 1990, ISBN 3-353-00717-2

Film

Musik

  • Manhattan Project auf dem Album Power Windows der kanadischen Rockband Rush.
  • Manhattan Project auf dem Album Gravity X der schwedischen Rockband Truckfighters.

Weblinks

 Commons: Manhattan-Projekt – Album mit Bildern und/oder Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Per F. Dahl: Heavy water and the wartime race for nuclear energy, S. 279–285, CRC Press 1999, ISBN 0750306335
  2. Frequently Asked Questions #1. Radiation Effects Research Foundation. Abgerufen am 3. Juni 2011.
  3. Chapter II: The Effects of the Atomic Bombings. United States Strategic Bombing Survey. Originally by U.S. G.P.O.; stored on ibiblio.org (1946). Abgerufen am 3. Juni 2011.

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