Ferdinand Kramer

Ferdinand Kramer

Ferdinand Kramer (* 22. Januar 1898 in Frankfurt am Main; † 4. November 1985 ebenda) war ein deutscher Architekt und Designer des Funktionalismus. Sein Wirken beschränkt sich hauptsächlich auf Frankfurt am Main, wo er in den 1920er Jahren im Auftrag Ernst Mays an der Gestaltung des Neuen Frankfurt mitwirkte. Nach seiner Emigration in die USA kehrte er als Baudirektor der Johann Wolfgang Goethe-Universität nach Frankfurt zurück und entwarf zahlreiche Institutsgebäude.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Kramers Vater war Besitzer des bekanntesten Frankfurter Hutgeschäftes (dessen Einrichtung und Fassade Kramer in den Zwanziger Jahren neu gestaltete - dabei verwendete Kramer eine Schrift, die Paul Renners Futura sehr ähnlich ist, so dass Kramer, der Renner kannte, zumindest eine geistige Miturheberschaft an dieser Schrift nachgesagt wird). 1916, unmittelbar nach Abschluss der Schule, wurde Kramer zum Militärdienst eingezogen und blieb bis zum Ende des Ersten Weltkriegs Soldat. Im Jahr darauf begann er sein dreijähriges Architekturstudium in München bei Theodor Fischer. Er verließ nach wenigen Monaten das Bauhaus unzufrieden, weil es damals keine reguläre Architekturausbildung gab schloss 1922 sein Studium an der TH München ab.

Während der Inflationszeit ohne Aufträge in Frankfurt, entwarf Kramer zunächst Kleinmöbel und Gebrauchsgegenstände aus Metall, u.a. den berühmten „Kramer-Ofen“, einen Allesbrenner, der seit 1925 von der Firma Buderus produziert wurde.

Verheiratet war er drei Jahrzehnte mit Beate Kramer, geb. Feith. Eine Scheidung auf Druck der Nazis lehnte er ab und nach Ausschluss aus der Reichskammer der bildenden Künste und Arbeitsverbot 1937, folgte er ihr 1938 in die Emigration in die USA. 1952 kehrte er nach Frankfurt zurück und heiratete später Lore Kramer, geb. Koehn, Professorin an der HfG Offenbach. Aus dieser Ehe stammen drei Töchter: Barbara, Anna und Katharina.

Neues Frankfurt

Türdrücker von Kramer
Laubenganghaus in der Siedlung Westhausen

1925 veranlasste Ernst May die Anstellung Kramers in der Abteilung für Typisierung des städtischen Hochbauamtes in Frankfurt am Main, die er bis zum Weggang Mays aus Frankfurt im Jahre 1930 behielt. Während dieser Zeit entwarf Kramer hauptsächlich kombinierbare Möbel, die sich den verkleinerten Wohnungsgrundrissen anpassten, sowie Gebrauchsobjekte: Leuchten, Sitzbadewannen, Türdrücker, normierte Sperrholztüren, Fensterbänke u.a., die wegen der niedrigen Herstellungskosten auch für Geringverdienende erschwinglich waren.

Als Architekt war Kramer nur an einem Siedlungsprojekt des Neuen Frankfurt beteiligt: die Laubenganghäuser, Heizwerk und Waschküche in der Siedlung Westhausen wurden nach seinen Plänen, in Zusammenarbeit mit Eugen Blanck, gebaut. Zusätzlich zu seiner Tätigkeit im Hochbauamt entwarf Kramer Möbel u.a. für die Firma Thonet, deren massenindustrielle Fertigungsmethoden ihn faszinierten. Seine Bewunderung für die schlichten, sinnvoll konstruierten Thonet-Möbel teilte er mit dem großen Architekten Adolf Loos, den er sowohl in Wien besuchte, wie auch in Frankfurt empfing und dessen berühmter Text „Ornament und Verbrechen“ auf Kramers Initiative hin erstmals in Deutschland veröffentlicht wurde.

Emigration

Kramer ging – anders als die meisten seiner Frankfurter Kollegen – nicht zusammen mit Ernst May in die Sowjetunion; er blieb als selbständiger Architekt in Frankfurt. 1931 wurde das von ihm geplante (und heute noch existierende) Haus Erlenbach in der Hans-Sachs-Straße 6 wegen „Verunstaltung der Gegend“ durch Flachdach und moderne Form während der Bauarbeiten von den zuständigen Behörden stillgelegt, sodass der Bau erst nach einjähriger Unterbrechung auf Intervention des Regierungspräsidenten von Hessen-Nassau vollendet werden konnte. 1992 erhielt dieses Haus den Hessischen Denkmalschutzpreis.

1933 verließ Kramer aus Protest gegen die bereitwillig vollzogene Gleichschaltung den Deutschen Werkbund, dem er seit 1924 angehört hatte. Bis zu seiner Emigration Anfang 1938 beschäftigte er sich hauptsächlich mit dem Umbau und der Einrichtung von Privatwohnungen, dem Café Bauer und Ladeneinrichtungen. Nach dem Ausschluss aus der Reichskammer der bildenden Künste, Berufsverbot (s.o.) und einer Ausstellung seiner Arbeiten als „Entartete Architektur“ entschloss Kramer sich zur Emigration in die USA, wo er sich in New York niederließ.

Dort arbeitete er zunächst für renommierte Architektur- und Designbüros, bis er 1940 die Zulassung als Architekt erhielt. Das zuvor emigrierte Institut für Sozialforschung berief Kramer als Leiter zweier Siedlungsgesellschaften (Kramer war mit Theodor W. Adorno befreundet). In der Nähe von New York besaß das Institut ausgedehnte Grundstücke, für die Kramer zwei Einfamilienhaussiedlungen (die eine schlicht, die andere etwas aufwendiger) plante und vermarktete. Vor allem war Kramer in den USA als Designer tätig: Er entwarf sogenannte „Knock Down“-Möbel, kombinierbare, variable Möbel, von den Benutzern selbst zusammen zu bauen, wie das Prinzip der heutigen IKEA-Möbel. Er entwarf auch Gartenmöbel, die z.B. Eleanor Roosevelt gefielen (sie stattete den Garten des Weißen Hauses damit aus); eine fahrbare Miniküche, sowie ein neues Verkaufssystem, das durch neuartige Kaufhauseinrichtungen, eine verbesserte optische Präsentation der Waren ermöglichte. Berühmt (wenn auch nicht reich) wurde er mit „Rainbelle“, einem Wegwerfregenschirm, der aus einem raffiniert gefalteten Papierbogen bestand und in mehreren Farben erhältlich war.

Universität Frankfurt

Institutsgebäude in der Georg-Voigt-Straße

1952 kehrte Kramer nach Frankfurt zurück (wie es heißt, auf Bitte von Max Horkheimer) und übernahm das Amt des Baudirektors der Johann Wolfgang Goethe-Universität, das er bis 1964 ausübte. [1]

In dieser Zeit entwarf er zusammen mit seinen engagierten Mitarbeitern 23 Universitätsbauten. Kramer plante dabei auch die Inneneinrichtung bis ins kleinste Detail: Neben Möbeln, die er selbst entwarf, gab er alle anderen Einrichtungs- und Ausstattungsgegenstände vor (z.B. die Schrift Futura, mit der Beschriftungen gemacht wurden). Dabei griff Kramer auch auf Objekte aus seiner Mitarbeit am „Neuen Frankfurt“ zurück (z.B. die bereits erwähnten Sperrholztüren mit Stahlzarge). Typisch für Kramers Architektur ist deren Geradlinigkeit sowie die Verwendung vergleichsweise einfacher Materialien: So bestehen nahezu alle Bauten an der Universität aus einem Stahlbetonskelett, das mit Klinkern ausgefacht ist. Die Skelettbauweise führt dazu, dass keine tragenden Wände im Gebäudeinneren vorhanden sind, so dass die Raumaufteilung flexibel gehandhabt werden kann. Zur üblichen Ausstattung der Kramer-Bauten gehören Gästezimmer oder Dozentenwohnungen, die heute allerdings meist als Büros genutzt werden.

Außerdem erarbeitete er 1952 einen Gesamtplan für die Universität, der 1955 noch einmal überarbeitet wurde. Den Bau der Universitätsbibliothek führte er nach seiner Pensionierung als Privatarchitekt zu Ende. Auch das von ihm geplante Hörsaalgebäude II, das Geographische Institut an der Senckenberganlage sowie das Mathematische Institut II an der Robert-Mayer-Straße wurden erst nach seiner Amtszeit gebaut oder fertiggestellt.

Kramer begann seine Tätigkeit an der Universität mit einem programmatischen Paukenschlag: Um den schon zur Entstehungszeit viel zu schmalen Eingang des Jügel-Hauses (des Hauptgebäudes der Universität) vergrößern zu können, ließ er das erst kurz zuvor wiederhergestellte neobarocke Portal mitsamt Säulen und allegorischen Figuren abschlagen (womit er sich in kürzester Zeit den Ruf eines Glattmachers erwarb) und auf eine Breite von sieben Metern erweitern. Damit nicht genug, verlegte er auch noch das Rektorat ins Erdgeschoss, sozusagen „auf Höhe des Volkes“, und von diesem nur durch eine Wand aus Glasbausteinen getrennt. Dieser neue Eingang sollte die Öffnung der Universität für alle Bevölkerungsschichten symbolisieren.

Würdigung

Öffentliche Anerkennung erhielt Kramer erst Anfang der achtziger Jahre, als ihm zwei Universitäten fast gleichzeitig die Ehrendoktorwürde verliehen und das Bauhaus-Archiv in Berlin in einer Ausstellung sein Lebenswerk dokumentierte – die in Frankfurt beinahe nicht gezeigt worden wäre, da im Magistrat die Zuständigkeit lange hin und her geschoben wurde und somit keine städtischen Räume zur Verfügung standen. Die Ausstellung wurde schließlich auf private Initiative hin im Amerikahaus gezeigt. Er erhielt den Wilhelm Leuschner-Preis und kurz nach seinem Tod wurde in Frankfurt (Westhausen) auf Initiative der Bewohner eine Straße nach ihm benannt.

Die Zukunft der von Kramer entworfenen Bauten ist ungewiss, da die Universität den Campus Bockenheim in den kommenden Jahren aufgeben wird. Bislang sehen die Planungen vor, die Flächen in Bockenheim zu veräußern und aus dem Erlös Neubauten an den anderen Standorten (Westend/Riedberg) zu finanzieren. Zu den Gebäuden, die veräußert werden, zählen nahezu alle von Kramer entworfenen. Sicher ist bislang nur der Erhalt des alten Hauptgebäudes mit dem von Kramer gestalteten Foyer/Eingangsbereich und dem ehemaligen Rektorat. 2007 wurden die Gebäude Senckenberganlage 32–36 (Geologisch-Paläontologisches Institut von 1954, Geographisches Institut von 1964, und der Geowissenschaftliche Hörsaal von 1967) abgerissen, da sich auf diesem Areal die benachbarte Kreditanstalt für Wiederaufbau vergrößern will. Als größerer und funktionaler Komplex stehen noch die fünf Gebäude der Biologischen Institute, die ab 1954/55 gebaut worden sind, und heute zusammen mit dem integrierten Botanischen Garten der Universität den rund 8 ha großen Biologie-Campus am Ende der Siesmayerstraße ausmachen.

Werke

  • Laubenganghäuser in der Siedlung Westhausen, Frankfurt, 1929/30
  • Möbel für die Firma Thonet, ca. 1925 bis 1930
  • Leuchten für die Firma Bünte & Remmler, Frankfurt, ca. 1925 bis 1930
  • Türklinken für die Firma Ernst Schönau 1925 (heute reproduziert von TECNOLUMEN)
  • Haus Erlenbach, Hans Sachs-Straße 6, Frankfurt, 1931
  • Siedlungen Greyrock Park und Alden Estates, Port Chester, NY, USA 1939/40
  • Piktogramm der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt, 1952
  • Fernheizwerk, Gräfstraße, Frankfurt, 1953
  • Amerika-Institut/Englisches Seminar, Kettenhofweg 130, Frankfurt, 1953/54
  • Biologische Institute und Nebengebäude samt Einrichtung, Siesmayerstraße 70-72, Frankfurt, 1954/55
  • Institutsgebäude für Pharmazie, Lebensmittelchemie und Städtisches Nahrungsmitteluntersuchungsamt mit Hörsaalgebäude und Verbindungsgang samt Einrichtung, Georg-Voigt-Straße 14-16, Frankfurt, 1954–1957. Im Jahre 2011 waren Umbauarbeiten zur weiteren Nutzung durch das Senckenberg-Museum im Gange.
  • Studentenwohnheim Bockenheimer Warte samt Einrichtung, 1956. Seit 2004 besteht die Planung, das Haus abzureißen.
  • Zentrum für Kernphysik samt Versuchsreaktor in der August Euler-Straße (mittlerweile abgerissen), 1956–1958
  • Philosophisches Seminargebäude in Stahlskelett-Bauweise samt Einrichtung (Stahlmöbel „kd-Programm"), 1959/60. Seit 2004 ist ein Abriss des Gebäudes geplant.
  • Walter-Kolb-Studenten-Wohnhaus samt Einrichtung („Sponti-Villa“), 1960/61
  • Stadt- und Universitätsbibliothek samt Einrichtung (Privatauftrag), 1959–1964. Bis 2017 ist eine Nutzung durch die Bibliothek vorgesehen. Danach ist ein Abriss möglich.
  • Geographisches Institut, Senckenberganlage 36, 1964. Abgerissen, dort steht jetzt ein Gebäude der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW).
  • Geologisch-Paläontologisches Institut, Senckenberganlage 32, 1954. Abgerissen: KfW-Neubau.
  • Comoedienhaus Hanau-Wilhelmsbad (Umbau- und Anbau des kleinen Rokoko-Theaters), 1969
  • Haus Kramer (eigenes Wohn- und Mietshaus), Schaubstraße 12–14, 1969
  • Mehrere Wohnhäuser in Deutschland und in der Schweiz 1970-1972
  • Sowie publizistische Arbeiten bis 1985

Literatur

  • "Ferdinand Kramer Werkkatalog 1923-1974" bearbeitet von Jochem Jourdan, Schriftenreihe 3 der Architektenkammer Hessen 1974
  • o.N. : Ferdinand Kramer - Architektur & Design. Ausstellung im Bauhaus-Archiv Museum für Gestaltung Berlin. Berlin 1982
  • "Ferdinand Kramer-Der Charme des Systematischen", Hrsg.: Claude Lichtenstein, Katalog zur gleichnamigen Ausstellung im Museum für Gestaltung, Zürich, 1991.
  • Claude Lichtenstein: Ferdinand Kramer - Der Charme des Systematischen. In: Werkbund Archiv. Bd. 23. 1991, Berlin, ISBN 3870381639
  • Bernd Eichhorn: "Sichtbeton und Stahlskelett. Ferdinand Kramers Universität." In: "diskus. Frankfurter StudentInnenzeitung." Nr. 4, 1991, S. 50-53
  • Fabian Wurm: Bauten für den zweiten Blick – Die Architektur des Ferdinand Kramer. In: Die Neue Gesellschaft/Frankfurter Hefte. Februar 1989, S. 142–147
  • Astrid Hansen: Die Frankfurter Universitätsbauten Ferdinand Kramers. Überlegungen zum Hochschulbau der 50er Jahre. Weimar 2001 (ISBN 3897391902)
  • Christian Langhagen-Rohrbach/Geoprax: Senckenberganlage 36. Geographisches Institut der Johann Wolfgang Goethe-Universität 1964–2006. In: Sonderheft der Reihe "Frankfurter Geographische Hefte", Frankfurt 2006, ISBN 3980888827
  • Thilo Hilpert: "Ferdinand Kramer Hochhaus der Philosophen. Moderne vor dem Abriss. Dokumentation Gebäude Möbel". Buch mit DVD, 2006

Weblinks

 Commons: Ferdinand Kramer – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Astrid Hansen: Die Frankfurter Universitätsbauten Ferdinand Kramers. Überlegungen zum Hochschulbau der 50er Jahre. Weimar 2001, Seite 17

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