Ferdinandnovelle

Ferdinandnovelle

Unterhaltungen deutscher Ausgewanderten ist eine Erzählungssammlung von Johann Wolfgang von Goethe, erschienen (1795).

Inhaltsverzeichnis

Hintergrund

Das Konzept der Rahmenhandlung dieser Novelle hat Goethe von Boccaccios Decamerone übernommen (eine Erzählwelt wird der realen Situation der Flüchtlinge entgegengesetzt). Doch zeigt sich bei ihm, dass die Rahmengesellschaft in ihrer Funktion versagt. Es gelingt nicht mehr, das schreckliche Ereignis, das die Rahmengesellschaft konstituiert und dazu motiviert, sich mittels Erzählungen über das drohende Schicksal zu vertrösten, mittels Erzählen vergessen zu machen. Im Gegenteil: Das Ereignis der Revolution dringt in den Themenkreis der Rahmengesellschaft ein (zunächst streitet der junge Karl als Befürworter der Revolution mit dem konservativen alten Geheimrat, der aus Verärgerung die Gesellschaft verlässt, später bricht ein Bedienter in die Runde ein und berichtet von Feuer auf den Gütern, die den Franzosen in die Hand gefallen sind). Etwa ein Zehntel (insbesondere der Einstieg) handelt direkt oder indirekt von den außenpolitischen Verhältnissen, infolge derer jene Leute flüchten mussten. Der zeitgeschichtliche Hintergrund der erzählten Ereignisse sind der sog. erste Koalitionskrieg und die Ereignisse um die Mainzer Republik.

Inhalt

Aus der Runde (die Baronesse, Karl, Luise, der Geistliche) treten die einzelnen Figuren kaum durch besondere Charaktereigenschaften hervor. Die Baronesse ist sehr freundlich und tritt als Gastgeberin auf, Luise ist schnippisch und interessiert an Frivolitäten. Einzig Karl fällt durch leidenschaftliche Verfechtung seiner Überzeugungen auf. Als Erzähler treten der alte Geistliche, aber auch Karl auf (Die schöne Krämerin / Der Schleier). Zwischen den beiden finden wir einen Gegensatz: Karl verkörpert den Novellenerzähler in der Tradition Boccaccios, während der Geistliche als Aufklärer einen moralischen, erzieherischen Ansatz verfolgt.

Was die erzählten Geschichten betrifft (Die Sängerin Antonelli, Das rätselhafte Klopfen, Die schöne Krämerin, Der Schleier, Der Prokurator, Ferdinand und das Märchen), so wurden die meisten von Goethe aufgrund einer Vorlage nacherzählt (leicht abgewandelt). Einzig die Geschichte von Ferdinand und das Kunstmärchen hat Goethe selbst erdacht. Von allen Geschichten behandeln die ersten beiden Gespenstisches (Schauernovellen). Die beiden darauf folgenden, die der leidenschaftliche Karl erzählt, handeln von erotischen Abenteuern. Hernach folgen moralische Erzählungen, dann das über allem stehende symbolische Märchen, das sich allein schon durch seine Gattungszugehörigkeit und dadurch, dass es die einzige von Goethe explizit durch Überschrift abgesetzte Erzählung ist, gegenüber den anderen Erzählungen abhebt.

In der wissenschaftlichen Diskussion sind vor allem zwei Problemfelder besonders hervorgetreten: Zum einen das Verhältnis von Rahmenerzählung und Binnengeschichten (sowie die Genese dieser Binnengeschichten), zum anderen die Frage ob und inwieweit Goethes Novellensammlung eine narrative Auseinandersetzung mit Schillers Konzept der ästhetischen Erziehung bedeutet. Die Unterhaltungen sind sukzessive in Schillers Zeitschrift Die Horen erschienen.

Literatur

Weblinks


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