Flassbeck

Flassbeck
Heiner Flassbeck

Heiner Flassbeck (* 12. Dezember 1950 in Birkenfeld, Nahe) ist ein deutscher Wirtschaftswissenschaftler. Er war von 1998 bis 1999 Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen und ist ein führender Vertreter der nachfrageorientierten Wirtschaftspolitik in Deutschland.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Heiner Flassbeck studierte von 1971 bis 1976 Volkswirtschaftslehre an der Universität des Saarlandes. Danach arbeitete er bis 1980 im Assistentenstab des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. Er promovierte 1987 zum Dr. rer. pol. an der Freien Universität Berlin mit dem Thema: Preise, Zins und Wechselkurs - Zur Theorie der offenen Volkswirtschaft bei flexiblen Wechselkursen.

Nachdem er seit 1980 im Bundeswirtschaftsministerium in Bonn tätig gewesen war, wechselte er im Jahre 1986 zum DIW in Berlin, wo er an Arbeitsmarkt- und Konjunkturanalysen und über wirtschaftspolitischen Konzepte arbeitete. 1990 übernahm er beim DIW die Leitung der Abteilung Konjunktur.

Nach dem Regierungswechsel im Oktober 1998 wurde er zum Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen berufen. Er beriet den damaligen Bundesfinanzminister Oskar Lafontaine bei dessen Vorhaben, gemeinsam mit dem französischen Finanzminister Dominique Strauss-Kahn eine keynesianische Finanz- und Währungspolitik auf europäischer Ebene zu etablieren. Nach dem Ausscheiden Oskar Lafontaines im März 1999 als Bundesfinanzminister endete im April 1999 auch Flassbecks Tätigkeit als Staatssekretär.

Nach Betätigung als freier Wissenschaftler, Autor und Publizist wechselte er November 2000 zur UNCTAD nach Genf, wo er Chef-Volkswirt (Chief of Macroeconomics and Development) bei der UNO-Organisation für Welthandel und Entwicklung (UNCTAD) wurde.

Die Hamburger Universität für Wirtschaft und Politik hat Heiner Flassbeck im März 2005 zum Honorar-Professor ernannt.

„Das Ende der Massenarbeitslosigkeit“

In dem 2007 erschienenen Buch legt Flassbeck, zusammen mit der Ökonomin Friederike Spiecker, die Gründe für die langjährige Wachstumsschwäche und die hohe Arbeitslosigkeit in Deutschland dar. Die Verfasser des Buches vertreten eine eindeutige nachfrageorientierte bzw. keynesianische Wirtschaftspolitik.

Inhalt

Das Buch ist in vier Teile gegliedert. In Teil I werden die gängigen Erklärungen für die Arbeitslosigkeit analysiert und widerlegt: Jobkiller Maschinen, Jobkiller Löhne, Jobkiller Struktur und Jobkiller Globalisierung.

In Teil II wird das Versagen der Wirtschaftspolitik im Deutschland und Europa seit Ende der 1970er Jahre beschrieben. Themen sind das deutsche Wirtschaftswunder, der Übergang der Geldpolitik in nationale Verantwortung im Anschluss an Bretton Woods, die Geldpolitik der Deutschen Bundesbank sowie die der Europäischen Zentralbank.

In Teil III fordern die Verfasser eine Reform des Denkens. Hier geht es um die grundlegenden Zusammenhänge zwischen Investieren einerseits und dem Sparen, der Beschäftigung und der Staatsverschuldung andererseits. In Teil IV werden Fünf Schritte in Richtung Vollbeschäftigung entwickelt. Dieses wirtschaftspolitische Handlungsprogramm umfasst eine aktive Geldpolitik, eine flankierende Finanzpolitik, eine verteilungsneutrale Lohnpolitik, die Arbeit an einer globalen Finanz- und Währungsordnung sowie intelligente und soziale Reformen.

Grundlegende Aussagen

Sparen

Flassbeck und Spiecker behaupten, dass eine Volkswirtschaft nicht sparen könne. Die allgemeine Auffassung, dass eine Volkswirtschaft netto sparen könne, d. h. insgesamt Geld über einen bestimmten Zeitraum sparen könne, um mit dem angesparten Geld erst in einer zukünftigen Periode Investitionen zu finanzieren, ist nach Auffassung der Autoren falsch. Dies würde nämlich bedeuten, dass in der Gegenwart irgendjemand in der Volkswirtschaft auf seinem Angebot sitzen bleiben müsste. Da die Summe der Einnahmen und damit die Einkommen aller Wirtschaftssubjekte gleich der Summe der Ausgaben und damit der Nachfrage aller Wirtschaftssubjekte sind, sinken in Folge die Einkommen. Ausgaben, die nicht getätigt werden, fallen in gleicher Höhe weg. Das innerhalb einer Periode erwirtschaftete Einkommen muss so oder so verwendet werden. Sparen im Sinne von Nichverwendung kann es in einer Volkswirtschaft nicht geben. Das allgemeine Unwissen bei Bürgern und Wirtschaftspolitikern über den Unterschied zwischen Gesamt- und Einzelrationalität ist nach den Autoren auch der Grund, weshalb immer wieder die heutige Staatsverschuldung fälschlicherweise als eine Verschuldung gegenüber zukünftigen Generationen angesehen wird. Aus diesem Unwissen heraus lassen sich viele Fehler der heutigen "modernen" Wirtschaftspolitik analysieren.

Geldpolitik

Der Geldpolitik messen die Autoren eine überragende Bedeutung für Wachstum und Beschäftigung bei. Den Monetarismus erklären sie für gescheitert. Er sei in den 1980er-Jahren von einigen Notenbanken als Reaktion auf die Ölkrisen und die damit verbundene Stagflation der 1970er-Jahre praktiziert worden, habe aber zu Investitionseinbrüchen und hoher Arbeitslosigkeit geführt und sei daher spätestens in den 1990er-Jahren wieder aufgegeben worden. Flassbeck/Spiecker stellen dabei die Besonderheit der deutschen und der europäischen Geldpolitik heraus. Diese seien im Gegensatz zur Mehrheit der Notenbanken bei einer monetaristischen Grundhaltung geblieben.

Die Autoren führen an, dass die Geldpolitik der Bundesbank und der EZB sich bei der Steuerung der Geldmenge stets am Produktionspotenzial der Vergangenheit orientiert hätten. Überstiege das Wachstum der Geldmenge bzw. des Bruttoinlandsproduktes das geschätzte Produktionspotenzial, würde die EZB (und früher die Bundesbank) immer schon im Voraus auf einen Restriktionskurs einschränken, ohne dass eine nennenswerte Gefährdung der Preisstabilität vorliegen würde (Überschreitung der Zielinflationsrate). Man könne aber nie im Voraus ein Produktionspotenzial festlegen [...]. Auch die Zielinflationsrate (s.o.) der EZB halten Flassbeck/Spiecker für zu niedrig und verweisen dabei auch auf das Niveau anderer großer Zentralbanken. Weitere Kritik üben sie an der Grundlage der EZB für die Inflationsmessungen und -erwartungen: Das Wachstum der Verbraucherpreise enthalte auch temporäre Effekte wie den Anstieg der Rohstoffpreise, die keine mittel- und langfristige Auswirkungen auf das gesamtwirtschaftliche Preisniveau hätten. Die im Buch verwendeten Statistiken beschränken sich auf den BIP-Deflator.

Wirtschaftswunder

Das Wirtschaftswunder führen Flassbeck und Spiecker nicht auf die Wirtschaftspolitik von Ludwig Erhard und dessen Entscheidung für eine Soziale Marktwirtschaft zurück, sondern auf die amerikanische Geldpolitik, die in der Zeit von Bretton Woods das deutsche Zinsniveau maßgeblich beeinflusste. Auch die stabilen Wechselkurse, welche sich in einer teils unterbewerteten D-Mark widerspiegelten, hätten das Aufholen der europäischen Volkswirtschaften entscheidend begünstigt. Weiterhin vergleichen die Verfasser das deutsche Wirtschaftswachstum der Wirtschaftswunderjahre mit dem anderer europäischer und internationaler Volkswirtschaften und kommen zu dem Ergebnis, dass Deutschland nur in den 1950er Jahren etwa leicht höhere Wachstumsraten als Frankreich, Italien und das Vereinigte Königreich habe aufweisen können, aber schon in den 1960er Jahren unter den Durchschnitt dieser Länder zurückfiel.

Werke (chronologisch)

  • Umwelt und Wirtschaft von Heiner Flassbeck und Gerhard Maier-Rigaud, Tübingen 1982, ISBN 3-16-344528-4
  • Freihandel, GATT und das internationale Währungssystem, Tübingen 1985, ISBN 3-16-344959-X
  • Preise, Zins und Wechselkurs, Tübingen 1988, ISBN 3-16-345343-0
  • Rigide Preise, flexible Mengen von Heiner Flassbeck, Gustav Adolf Horn und Rudolf Zwiener, Berlin 1992, ISBN 3-428-07521-8
  • Rot-Grün - noch ein Projekt?, Hannover 2001, ISBN 3-930345-25-0
  • 50 einfache Dinge, die Sie über unsere Wirtschaft wissen sollten, Frankfurt 2006, ISBN 3-938060-08-5
  • Das Ende der Massenarbeitslosigkeit. Mit richtiger Wirtschaftspolitik die Zukunft gewinnen, von Heiner Flassbeck und Friederike Spiecker, Frankfurt 2007, ISBN 978-3938060209
  • Gescheitert. Warum die Politik vor der Wirtschaft kapituliert, Frankfurt 2009, ISBN 978-3-938060-22-3

Siehe auch

Weblinks


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