- Georg Schlosser
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Georg Schlosser (* 25. April 1846 in Darmstadt; † 9. Juni 1926 in Frankfurt) war ein deutscher evangelischer Theologe. Er wirkte hauptsächlich in der Diakonie, im Aufbau der Armen- und Krankenpflege und als Vorreiter der evangelischen Gefängnisseelsorge.
Schlosser entstammt einer von lutherischer Frömmigkeit geprägten Familie aus Darmstadt. Hier verbrachte er auch Kindheit und Schulzeit. Die Entscheidung zum Theologiestudium fällte Schlosser hauptsächlich aufgrund seines frühen sozial-diakonischen Interesses; er studierte ab 1863 an der hessischen Landesuniversität in Gießen und trat der ältesten christlichen Studentenverbindung, dem Gießener Wingolf bei. Schlosser schreibt über die Verbindung: „Sie überragt an Bedeutung wirklich weit alles, was mir Gießen sonst für mein Leben gegeben hat.“ (Lebenserinnerungen S. 71). Nach einem kurzen Aufenthalt an der mehr erfahrungstheologisch ausgerichteten Fakultät der Universität Erlangen 1864-1866 legte er 1866 in Gießen sein Erstes Examen ab, studierte kurz in Berlin, um sich dann am obligatorischen Predigerseminar in Friedberg auf das Zweite Examen 1870 in Gießen vorzubereiten.
Schlosser wurde am 4. April 1870 in der Darmstädter Stadtkirche ordiniert, war zunächst Felddiakon im Deutsch-Französischen Krieg 1870, Pfarrer und Lehrer in Gernsheim, schließlich in Gießen 1873 zunächst Mitprediger, 1876 zunächst Zweiter, dann Erster Pfarrer an der Stadtkirchengemeinde (später Matthäusgemeinde genannt).
Er wandte sich von Anfang an den diakonischen Aufgaben zu, die sich besonders durch die Industrialisierung und Verarmung der Arbeiterschaft im Kaiserreich verschärften; er hielt schon früh Kontakte zu Friedrich Naumann und Johann Hinrich Wichern. Schlosser gründete in Gießen den „Oberhessischen Verein für Innere Mission“, „den Evangelischen Arbeiterverein“, die „Herberge zur Heimat“ und den „Allgemeinen Verein für Armen- und Krankenpflege“. Besonders letzterer erfüllte zahlreiche diakonische Aufgaben in Gießen, so auch eine Kinderkrippe und ein Diakonissen-Schwesternhaus. Er widmete sich darüber hinaus als einer der ersten der Gefängnisseelsorge und hielt über deren Notwendigkeit zahlreiche Vorträge in Deutschland.
Die theologische Fakultät der Gießener Universität verlieh ihm in Anerkennung seiner tätigen Diakonie den Doktortitel und die Stadt Gießen ernannte ihn zum Ehrenbürger.
Theologisch gehörte er der sog. „liberalen Gießener Schule“ an, und steht in der Vereinigung von Erweckungstheologie und diakonischem Wirken in der klassischen Tradition seiner Wingolfsbrüder Friedrich von Bodelschwingh und Friedrich Wilhelm Raiffeisen.
Nach dem Ersten Weltkrieg griff Schlosser – ganz Sozialreformer – noch vehement in die besonders im Wingolf und der Theologenschaft geführte Diskussion des konservativen Bürgertums über die revolutionären Kräfte 1919/20 ein. Schlosser warf dem alten preußischen System mangelnde Gerechtigkeit und Nächstenliebe vor, er äußerte Verständnis für die aufbegehrende Arbeiterschaft, diese sahen sich in der Monarchie „weithin von den höheren Lebensgütern ausgeschlossen und schauten nur mit sehnsüchtigen Augen über die Mauern, die sie davon trennten, nach den üppigen Tischen, an denen die oberen Zehntausend schwelgten (…) Ist es nicht auch verständlich, wenn sie, nachdem sie im alten Staat nicht zu ihrem Recht kommen konnten, nun von der Revolution die Erfüllung ihrer Hoffnung erwarteten?“ (Wingolfsblätter 1920 Jg. 49,10).
Er verbrachte seinen Lebensabend ab 1915 bei seinen Söhnen in Frankfurt am Main, wo er am 9. Juni 1926 starb. Seine letzte Ruhe fand Schlosser in einem Ehrengrab auf dem Alten Friedhof in Gießen. Nach dem 2. Weltkrieg benannte die Stadt Gießen die Kirchstraße nach ihrem Ehrenbürger in „Georg-Schlosser-Straße“ um.
Literatur
- Ludwig Petry (ed.): Lebenserinnerungen von D. Georg Schlosser. In: Jahrbuch der Hessischen Kirchengeschichtlichen Vereinigung, Band 26 (1975), S. 165 ff
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