Gibson ES-355

Gibson ES-355
Gibson ES-335
Hersteller Gibson
Produktionszeit 1958-heute
Konstruktion
Typ Halbresonanzgitarre
Mensur 629 mm
Halsverbindung geleimt
Materialien
Korpus Fichte, Ahorn
Hals Mahagoni
Griffbrett Palisander
Mechanik/Elektronik
Steg Tune-O’Matic, Metall
Tonabnehmer 2 x Humbucker
Bedienfeld 2 x Lautstärke,
2 x Ton,
1 x Wahlschalter

Die ES-335 ist eine E-Gitarre. Sie wird seit 1958 von der US-amerikanischen Firma Gibson hergestellt. Besonderes Konstruktionsmerkmal der ES-335 ist ihr teilweise hohler Korpus, der den warmen Klang akustischer Jazzgitarren mit dem sauberen, rückkopplungsarmen Ton der massiven E-Gitarre kombinieren soll. Dieser Klang macht die ES-335 besonders bei Jazz- und Bluesmusikern beliebt.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Nach dem Start der „Gibson Les Paul“-Gitarre versuchte Gibson-Präsident Ted McCarty die Produktlinie von elektrischen Instrumenten auszuweiten. Während neue Designs wie die „Flying V“ in Form eines Pfeiles und die exotische „Explorer“ eher die modern ausgerichteten Rockmusiker ansprechen sollten, wurde nach Möglichkeiten gesucht, den eher traditionell-konservativ ausgerichteten Jazzgitarristen die Vorteile einer Solidbody-E-Gitarre nahezubringen. So entschied man sich, eine Gitarre zu konstruieren, die optisch an die traditionellen akustischen Jazzgitarren angelehnt war (gewölbte Decke, Schalllöcher in F-Form, großer hohler Korpus), aber die Merkmale der neu eingeführten Solidbody-E-Gitarre besaß (flacher, massiver Korpus zur Unterdrückung von Rückkopplungen, Cutaways).

Bereits in den 1940er Jahren stellte der Musiker Lester William Polfus (Künstlername „Les Paul“) seine Experimentalgitarre „The Log“ (der Klotz) bei Gibson vor. Les Paul hatte bei diesem Instrument eine akustische Jazzgitarre in der Mitte durchgesägt und Hals, Saitenhalter sowie die selbstgebauten Tonabnehmer auf einen Holzklotz aus Kiefernholz montiert. An den Seiten des Klotzes fügte Les Paul die durchgesägten Korpushälften der Jazzgitarre an, damit das Instrument einer traditionellen Gitarre zumindest optisch ähnelte. Von dieser Gitarre ausgehend konstruierte Les Paul später in Zusammenarbeit mit den Technikern von Gibson die E-Gitarre „Gibson Les Paul“. Obwohl bisher nicht belegt, kann davon ausgegangen werden, dass Les Pauls „The Log“ auch Vorbild für die ES-335 gewesen ist.

Die Buchstabenkombination „ES“ steht wie bei allen Halbakustikgitarren von Gibson für „Electric-Spanish“, wobei mit „Spanish“ nicht die klassisch-spanische Akustikgitarre mit Nylonsaiten gemeint ist, sondern lediglich die gegriffene Spielweise in Abgrenzung zur Lapsteel. Die Zahl „335“ bezeichnet den offiziellen Erstverkaufspreis von 335 US-Dollar.

Per Gessle (Roxette) mit Gibson ES-335

Konstruktionsweise

Ein besonderes Charakteristikum der ES-335 ist ihr halbhohler Korpus (Semi-hollow). Die gewölbte Korpusdecke (Archtop), der ebenfalls gewölbte Boden und die Zargen werden zunächst einzeln angefertigt und im Laufe der Herstellung miteinander verleimt. Für Korpusdecke, -boden und -zargen wird meist Sperrholz verwendet. In den Korpus ist mittig von Halsansatz bis Korpusfuß ein etwa zehn Zentimeter breiter Holzblock (Sustain Block) aus massivem Ahorn eingefügt, der passgenau mit Korpusdecke und -boden abschließt. Auf diesem Holzblock sind Hals, Saitenhalter und die Tonabnehmer befestigt. Durch den Holzblock wird das Aufschwingen der Korpusdecke vermindert (was eine geringere Anfälligkeit des Instruments für akustische Rückkopplungen, besonders in höheren Spiellautstärken bewirkt) sowie die Ausschwingdauer (Sustain) der angeschlagenen Saiten verlängert. Durch die Hohlkammern in den Korpusflügeln (unter den F-Löchern) hat die Gitarre zudem bessere Resonanzeigenschaften als Solidbody-E-Gitarren. Der eingeleimte Hals, dessen Länge auf die Mensur des Instruments von 629 mm ausgerichtet ist, besteht aus Mahagoni und trägt ein aufgeleimtes Griffbrett aus Palisander oder Ebenholz mit 22 Bünden.

Die Elektronik der ES-335 besteht meist aus zwei Humbucker-Tonabnehmern, die über einen Wahlschalter und vier Potentiometer (je ein Lautstärke- und ein Ton-Regler pro Tonabnehmer) verwaltet werden. Verschiedene Modelle verfügen zudem über einen „Varitone“-Schalter (ein Drehschalter, der in mehreren Stufen den Klang ausdünnt) und/oder über einen sogenannten „Stereoausgang“ – getrennte Kabelbuchsen für Hals- und Stegtonabnehmersignal, um das Instrument über zwei separate Verstärker gleichzeitig, und so auch mit unterschiedlichen Klangeffekten spielen zu können.

Auf ES-335-Modellen kommen verschiedene Formen von Saitenhaltern zum Einsatz. Die typischste Variante ist mit einer in Decke und Sustain Block montierten festen Brücke (Stop-Tailpiece) ausgestattet; außerdem werden Modelle mit trapezförmigem Saitenhalter (Trapeze Tailpiece, an der Zarge am Korpusfuß befestigt) oder mit Bigsby-Tremolosystem angeboten.

Modelle

Neben der ES-335 wurden verschiedene weitere Modelle angeboten, die auf der ES-335 basierten. Obwohl die Abweichungen oft nur Details ausmachen, bekamen diese Instrumente zumeist eigene Modellnamen. Die Auffälligsten waren oder sind:

  • ES-355 – Die Luxusversion der ES-335. Die ES-355 besitzt mehrfache beige/schwarz gestreifte Einfassungen (Bindings) an Korpusober- und Unterseite sowie um die Kopfplatte, vergoldete Metallteile (Hardware) und ein Griffbrett aus Ebenholz mit rechteckigen Griffbretteinlagen (Block Inlays) aus Perlmutt.
  • ES-330 – Die ES-330 hat im Gegensatz zur ES-335 einen hohlen Korpus ohne Massivblock und ist darum wesentlich leichter. Die Saiten müssen daher wie bei „Jazzgitarren“ in einem Saitenhalter verankert werden, der in der Zarge im Korpusfuß montiert ist. Der Hals sitzt weiter im Korpus als bei der ES-335, wodurch die Gitarre insgesamt ca. 5 cm kürzer wird. Die ES-330 ist mit Single-Coil-Tonabnehmern des Typs P90 bestückt.
  • ES-340 – Eine kurzlebige Variante der ES-335 mit veränderter Tonabnehmerschaltung, die durch die Gegenschaltung der Tonabnehmer unter anderem Out-of-Phase-Klänge ermöglicht.
  • ES-345 – Stereo-Version mit Stop-Tailpiece und achtstufigem Tonwahlschalter. Stereo bedeutet hier, dass Hals- und Stegtonabnehmersignal über getrennte Kabelbuchsen mit zwei Instrumentenkabeln oder mit einem sogenannten „Y-Kabel“ herausgeführt werden. Dadurch kann jeder Tonabnehmer über einen separaten Verstärker gespielt werden.
  • ES-339 - Verkleinerte Ausführung der ES-335 welche speziell für die Spieler üblicher Solidbody E-Gitarren gedacht ist die den Klang von Semihollowbody-Gitarren haben möchten ohne jedoch ein entsprechend größeres Instrument spielen zu müssen.
  • Trini Lopez – Optisch aufgewertete Version für den Popsänger Trini Lopez (If I Had A Hammer). Rautenförmige Schalllöcher und Griffbretteinlagen, Fender-ähnliche Kopfplatte mit allen sechs Stimm-Mechaniken in einer Reihe. Ein Teil der Produktion wurde mit auffälligen Korpuslackierungen verkauft (unter anderem in Grün-Schwarz).
  • Lucille – Die Lucille, ein Sondermodell für den Gitarristen B.B. King, ist eine Abwandlung der ES-355, bei der zur weiteren Unterdrückung von Rückkopplungen die F-Löcher weggelassen wurden. Weiter besitzt die Lucille, die ausschließlich in den Farben Schwarz und Rot angeboten wird, aufwendige optische Verzierungen wie mehrschichtiges Binding, Ebenholzgriffbrett mit Perlmutteinlagen (bei einigen Ausführungen in Form von B.B. Kings Autogramm) sowie vergoldete Hardware Außerdem verfügt das Modell über eine als Varitone-Schalter bezeichnete erweiterte Klangregelung sowie über Stereo-Klinkenausgänge.
  • Tom DeLonge – Der Gitarrist Tom DeLonge der Punkband Angels & Airwaves erhielt ein an die ES-335 angelehntes Signature-Modell, welches neben der auffälligen Lackierung mit „Rallyestreifen“ gemäß DeLonges bevorzugt harten, höhenreichen Gitarrenklangs lediglich über einen Stegtonabnehmer verfügt.
  • Gothic – Die Gothic war ein kurzlebiges Sondermodell, dessen Optik Gibson speziell für die Stilbedürfnisse des Gothic Rock konzipierte. Um die düstere Aura dieses Musikstils zu unterstreichen, wurden die Instrumente der Gothic-Reihe komplett in mattschwarz, mit schwarzfarbiger Hardware und ohne jeglichen optischen Zierrat ausgeliefert.

Die Gibson ES-335 in der Musik

Der Fusion-Gitarrist Volker Kriegel mit ES-335

Die ES-335 hat einen warmen, dichten Klang, der sich im Gegensatz zu anderen E-Gitarren durch einen natürlichen, leicht „holzigen“ Ton auszeichnet. Viele Musiker führen diesen Klang auf den teilweise hohlen Korpus zurück, der ein begrenztes Mitschwingen ähnlich dem von akustischen Instrumenten erlaubt. Aus diesem Grund wird die ES-335 meist in Musikstilen eingesetzt, in denen der Gitarrenklang nur wenig verfremdet wird.

Pål Waaktaar-Savoy (a-ha) mit ES-335
Modell Epiphone Dot Studio

In Jazz und Jazzrock wurde die ES-335 vor allem von Musikern wie Robben Ford, Larry Carlton und Volker Kriegel eingesetzt.

Im Blues ist die ES-335 vor allem durch B. B. Kings „Lucille“ bekannt geworden. Weiter benutzen Musiker wie Chuck Berry, John Lee Hooker, Alvin Lee oder Gary Moore eine ES-335.

Die ES-335 ist häufig zu hören auf Aufnahmen der beginnenden Rockmusik in den 1960er Jahren. Eric Clapton benutzte u.a. eine ES-335 während seiner Zeit bei Cream. Justin Hayward von den Moody Blues benutzte für Konzerte und Studioaufnahmen ebenfalls eine ES-335. In den 1990er Jahren wurden ES-335 Gitarren von Britpop-Bands wie Oasis bevorzugt benutzt, um die Klänge der 1960er Jahre zu reproduzieren.

Wegen ihres druckvollen Klangs ist die ES-335 auch in Bereichen des härteren Rock zu finden. Neben dem Punkmusiker Tom DeLonge (Blink-182) wird die ES-335 in Deutschland vor allem von dem Crossover-Gitarristen Tim „Tinte“ Humpe (H-Blockx) eingesetzt.

Modelle weiterer Hersteller

John Scofield mit Ibanez AS200

Neben Gibson selbst bietet die zum Gibson-Konzern gehörende Firma Epiphone verschiedene Gitarren an, die auf der ES-335 basieren. In Anlehnung an alte Modelle von Epiphone haben diese Gitarren eigene Namen bekommen. Während die Dot eine optisch einfach gehaltene Kopie der ES-335 darstellt („Dot“ bezieht sich auf das schlichte Griffbrett mit einfachen Punkteinlagen als Markierungen), ist die Sheraton II eine optisch auffallendes Instrument vergleichbar mit der ES-355 (goldfarbene Hardware, aufwändige Griffbretteinlagen). Die Casino stellt Epiphones Variante der ES-330 dar. Dies ist die ES-artige Gitarre, die am stärksten mit den Beatles identifiziert wird: George Harrison, John Lennon und Paul McCartney spielten Varianten dieses Instruments. Für McCartney ist sie noch heute das Allround-Instrument. Neben der günstigen, in Korea gebauten Casino gibt es ein „John Lennon“-Modell, das bis ins kleinste Detail seiner Gitarre nachempfunden ist, inklusive der abgeschliffenen Sunburst-Lackierung.

Einen Namen mit ES-335-inspirierten Instrumenten hat sich der japanische Hersteller Ibanez gemacht. Die Ibanez AS200 wurde seit ihrem Erscheinen von dem Jazzgitarristen John Scofield und die Ibanez LR-10 von Lee Ritenour genutzt und stellen damit in der Firmengeschichte von Ibanez frühe Instrumente dar, die auch von Profimusikern gespielt wurden.

Bekannt wurde auch die Hagström Viking, besonders durch das NBC TV-Special von Elvis Presley im Jahre 1968.

Die folgende Liste nennt einige Semiakustik Serien anderer Hersteller:

  • BC Rich – Dagger Semi
  • Career – The Rod, Signature-Modell des Ärzte-Bassisten.
  • Collins – Bluesmaster Serie
  • Epiphone – Dot, Casino, Nick Valensi Signature, Riviera, Sheraton
  • Gibson – ES-Serie, Vegas Serie,
  • Framus – Mayfield-Serie, Hollywood-Serie
  • Hagstrom – Viking, Viking Deluxe
  • Hamer – Echotone Serie
  • Heritage – H-535, H-555, Prospect Standard
  • Höfner – Verythin, Verythin Contemporary
  • Ibanez – Artcore Serie, John Scofield Signature
  • Johnson – 335er Serie, Grooveyard
  • Peavey – JF-1
  • PRS – SE Custom Semi Hollow
  • Washburn – HB-Serie
  • Yamaha – SA-Serie, AE-Serie, Troy Van Leuwen-Signature-Modell (mit drei P90-Pickups)

Trivia

  • Die ES-335 taucht im ersten Teil der Filmreihe Zurück in die Zukunft auf. Auf einem Abschlussball im Jahre 1955 spielt der Zeitreisende Marty McFly in der Tanzband auf einer ES-335 die Lieder Earth Angel und Johnny B. Goode. Interessant ist jedoch, dass die ES-335 erst 1958, also drei Jahre später, auf den Markt kam.
  • Das Sondermodell von B. B. King trägt auf Wunsch des Künstlers den Namen Lucille. Nach eigenen Angaben spielte King in den 1940er Jahren ein Konzert in einem Lokal, welches nach einer Schlägerei in Flammen aufging. Nachdem King sich mit den anderen Gästen ins Freie gerettet hatte, rannte er in den Laden zurück und holte seine Gitarre, die er auf der Bühne vergessen hatte. Kurz nachdem King mit der Gitarre das Lokal verließ, brach das Gebäude zusammen. King, der nur leichte Verbrennungen erlitt, erfuhr später, dass der Grund für die Schlägerei eine Frau namens Lucille gewesen sei. Um sich daran zu erinnern, dass er nie wieder leichtsinnig sein Leben für etwas riskieren wolle, gab King dieser und allen folgenden Gitarren den Namen Lucille.
  • Es existiert eine Gibson ES-335, die speziell für Linkshänder gebaut ist und ein Bigsby-Vibrato besitzt. Es wird berichtet, dass diese Gitarre eine Sonderanfertigung von Gibson für Jimi Hendrix gewesen sein soll, um den Musiker von den Möglichkeiten bei Gibson zu überzeugen. Hendrix, der vor seinem plötzlichen Tod oft eine Gibson Flying V spielte, soll mit Gibson in Verhandlungen über eine eigene Signature-Gitarre gestanden haben.
  • Der Gitarrist Larry Carlton spielte zum Zeitpunkt seines internationalen Durchbruchs hauptsächlich eine ES-335 und wurde darum „Mr. 335“ genannt. Er selbst nannte sein eigenes Tonstudio „Room 335“. Ihm wurde 2005 von Gibson das Modell ES-335LC gewidmet.

Literatur

  • Adrian Ingram: The Gibson 335: Its History and Its Players, 2006. ISBN 1-574-24145-1
  • Tony Bacon/Paul Day: Das Gibson Les Paul Buch, Köln 1994. ISBN 3-931082-00-8
  • Tony Bacon/Dave Hunter: Totally Guitar – The definitive guide, London 2004. ISBN 3-86150-732-3
  • Tony Bacon: Gitarren – Alle Modelle und Hersteller, London/Wien 1991. ISBN 3-552-05073-6
  • George Gruhn/Walter Carter: Elektrische Gitarren & Bässe – Die Geschichte von Elektro-Gitarren und Bässen. ISBN 3-932275-04-7
  • Diverse Autoren in: Gitarre & Bass, Sonderausgabe Gibson, Köln 2002.

Weblinks


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