- Griechische Tempel Siziliens
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Die griechischen Tempel Siziliens wurden von griechischen Siedlern erbaut, die ab der Mitte des 8. Jahrhunderts v. Chr. begannen, Sizilien zu kolonisieren.
Die bedeutendsten griechischen Tempel Siziliens befinden sich in der Altstadt (Insel Ortygia) und der Neustadt (Neapolis) des antiken Syrakus, in Agrigent (dem antiken Akragas) und in Selinunt. Der älteste uns bekannte dieser Tempel ist der Apollontempel von Syrakus, der ca. 575 v. Chr. errichtet wurde. Der Concordiatempel von Agrigent zählt zu den am besten erhaltenen griechischen Tempeln überhaupt.
Inhaltsverzeichnis
Geschichte
Zunächst errichteten die Siedler einfache Heiligtümer in Form eines Megarons mit ein bis drei hintereinanderliegenden Räumen. Spätestens im 6. Jahrhundert v. Chr. begannen sie jedoch auch mit dem Bau größerer Tempel mit Ringhallen.
Die Blütezeit des Tempelbaus auf Sizilien war das 5. Jahrhundert v. Chr., als nach dem Sieg der Griechen über die Karthager in der Schlacht bei Himera der Reichtum der griechischen Poleis durch die in der Schlacht gewonnene Kriegsbeute, die als Sklaven arbeitenden Kriegsgefangenen und die Reparationen, die Karthago zu zahlen hatte, stieg. Beendet wurde diese Blütezeit durch die Eroberung Siziliens und die dabei erfolgte Zerstörung vieler Tempel durch die Karthager am Ende des 5. Jahrhundert v. Chr.
In späterer Zeit wurden keine größeren Tempel mehr errichtet, sondern lediglich die älteren teilweise wieder instandgesetzt. Nach der Eingliederung Siziliens in das Römische Reich errichteten die Römer keine eigenen Tempel in Sizilien, sondern verwendeten die bestehenden griechischen Tempel weiter.
Besonderheiten
Die griechischen Tempel Siziliens sind zumeist als Peripteros im dorischen Baustil errichtet. So zeigen sie meist den typischen Aufriss aus einem 3- bis 4-stufigen Unterbau (Krepis), den Säulen mit dorischem Kapitell, dem Gebälk aus Architrav und Triglyphen-Metopen-Fries und dem vorspringenden Gesims mit einem Dreiecksgiebel an der Vorderseite und der Rückseite des Tempels. Der Grundriss zeigt den zentralen Kultbau des Tempels, den Naos, aus Pronaos, Cella, Adyton und Opisthodom, der von einer Säulenhalle, der Peristasis, umgeben ist
Auch wenn die griechischen Siedler mit dem Mutterland in regem Austausch standen und Einflüsse in der Architektur in beiden Richtungen nachzuweisen sind, haben die Tempel Siziliens doch auch Eigentümlichkeiten, die sie von den Tempeln des griechischen Mutterlands unterscheiden. Da die Orte, an denen die Tempel in Sizilien standen, in der Regel keine traditionellen Orte der Götterverehrung waren, versuchten die Siedler, ihre Tempel als Ausgleich dafür besonders groß und prunkvoll zu gestalten.
Anders als die Tempel des griechischen Mutterlandes, die auf eine Rundumansicht angelegt sind, sind die griechischen Tempel Siziliens in ihrem Entwurf frontbetont. Die Frontseite, meist die Ostseite, ist mit einer breiten Freitreppe versehen, und vor ihr liegt ein großer Opferaltar, der besonders eindrucksvoll noch beim Heratempel von Agrigent erhalten ist. Um diesen Altar herum fanden die gemeinschaftlichen Zeremonien statt und auf ihm wurden den Göttern Schlachtopfer von Vieh dargebracht.
Während viele Tempel im griechischen Mutterland aus Marmor erbaut sind, wurde für die griechischen Tempel Siziliens als Baumaterial Kalkstein verwendet. Zum Schutz des Kalksteins vor Verwitterung und um ihm ein marmorartiges Aussehen zu geben, wurde er mit einer Stuckschicht überzogen. An Teilen des Tempels B von Selinunt wurden 1824 erstmals Farbspuren entdeckt, was die vor allem von Johann Joachim Winckelmann vertretene These der rein weißen Tempelbauten, wie sie dann vor allem im Klassizismus oft imitiert wurden, ins Wanken brachte und den Polychromiestreit auslöste. Eine Farbrekonstruktion des Concordiatempels, wie sie bei den letzten Instandhaltungsarbeiten ab 2005 auf dem Baugerüst dargestellt war, zeigt den unteren Teil bis zum Architrav in Weiß, während vor allem der Fries und der Dreiecksgiebel in kräftigem Rot und Blau wiedergegeben sind.
In den griechischen Tempeln Siziliens wurde das Adyton, das im griechischen Mutterland überwiegend nur in archaischen Tempeln zu finden ist, auch in der klassischen Epoche noch häufig verwendet. Pronaos und Cella sind oft nicht durch eine Trennwand voneinander abgeteilt, sondern wie beispielsweise beim Concordiatempel durch zwei große Pfeiler, in deren Innerem Treppen bis auf das Dach hinauf führen.
Gegenüber der klassischen Säulenhalle mit 6 Säulen auf den Schmal- und 13 Säulen auf den Längsseiten, wie sie im griechischen Mutterland üblich ist, haben die griechischen Tempel Siziliens eine gestrecktere Form mit 6 × 14 oder sogar 6 × 15 Säulen. Lediglich die Tempel von Akragas haben überwiegend 6 × 13 Säulen. Diese Streckung kommt vor allem den Vorhallen, d. h. den Zwischenräumen zwischen der Säulenfront und dem Pronaos bzw. den Opisthodom zugute, die in der Regel eine Tiefe von 2 Säulenjochen haben.
Der dorische Eckkonflikt wurde in Sizilien meist anders behandelt als im Mutterland. Häufiger als anderswo wurde hier die doppelte Eckkontraktion verwendet, d. h. eine abgestufte Verengung der beiden äußeren Säulenjoche, was einen harmonischeren Gesamteindruck bewirkt, obwohl dadurch zusätzliche Unregelmäßigkeiten in die Abfolge von Metopen und Triglyphen gebracht wird. Beim Heratempel von Agrigent wurde eine ganz ungewöhnliche Lösung gewählt: An den Seiten und auf der Rückwand zeigt er eine einfache Eckkontraktion, während an der Frontseite statt einer Eckkontraktion das mittlere Säulenjoch verbreitert ist.
Einen Sonderfall unter den griechischen Tempeln Siziliens bildet der Große Tempel von Segesta, da Segesta eine Stadt der Elymer war, die sonst keine Tempelbauten hatten. Da nur die Ringhalle vorhanden ist, wurde die Auffassung vertreten, er habe keine Cella gehabt und sei eine offene Ringhalle um einen elymischen Kultplatz gewesen. Mittlerweile konnte jedoch die Cella rekonstruiert werden.
Chronologische Liste
In der folgenden Liste sind die bedeutendsten griechischen Tempel Siziliens mit ihren wesentlichen Baumerkmalen in der Reihenfolge ihrer Errichtung aufgeführt.
Die Auswahl der Tempel orientiert sich an den unter Literatur angegebenen Standardwerken von Koldewey/Puchstein und Dieter Mertens. Sie umfasst alle von Koldewey/Puchstein beschriebenen Tempel und die Tempel, die bei Mertens ausführlicher beschrieben und nicht nur in einem kurzen Absatz abgehandelt sind.
In der Tabelle bedeutet Grundfläche die Abmessungen (Frontbreite × Seitenlänge) des Stylobats. Mit * gekennzeichnete Angaben sind rekonstruierte Werte, da der Stylobat nicht erhalten ist.
Bild Entstehungszeit Tempel Ort Bautyp Grundfläche Säulen Bemerkungen 575 v. Chr. Apollontempel Syrakus dorischer Peripteros 21,57 × 55,36 m 6 × 17 ältester bekannter griechischer Tempel Siziliens, 1932-42 ausgegraben, dreischiffige Cella, doppelte Frontsäulenreihe (Grundriss) ca. 570–560 v. Chr. Tempel C Selinunt dorischer Peripteros 24,00 × 63,70 m 6 × 17 Teile 1925/27 wieder aufgerichtet (Grundriss) 560 v. Chr. Olympieion Syrakus dorischer Peripteros 22,04 × 62,02 m 6 × 17 außerhalb der Stadt südlich der Quelle der Ciane, nur Stylobat und 2 Säulen erhalten (Grundriss) 6. Jh. v. Chr. Zeustempel Agrigent Existenz auf der Akropolis durch Polybios bezeugt[1], Lage unklar, unter der Kathedrale San Gerlando vermutet 6. Jh. v. Chr. Artemistempel Syrakus ionischer Peripteros 22,60 × 55,90 m* 6 × 14 Reste unter dem Rathaus nördlich des Athenetempels ca. 540 v. Chr. Tempel D Selinunt dorischer Peripteros 24,00× 56,00m 6 × 13 ca. 530 v. Chr. Tempel F Selinunt dorischer Peripteros 24,40 × 61,80 m 6 × 14 zugemauerte Säulenzwischenräume, doppelte Säulenreihe an der Frontseite (Grundriss) 520−470 v. Chr. Tempel G Selinunt dorischer Peripteros 50,10 × 110,10 m 8 × 17 größter echter Ringhallentempel, dreischiffige Cella (Grundriss) um 500 v. Chr. Heraklestempel Agrigent dorischer Peripteros 25,34 × 67,00 m 6 × 15 8 Säulen im 20. Jh. wiederaufgerichtet (Grundriss) Anfang 5. Jh. v. Chr. Athenatempel Agrigent dorischer Peripteros 15,10 × 34,70 m 6 × 13 überbaut mit Kirche S. Maria dei Greci (Grundriss) um 480 v. Chr. Olympieion Agrigent dorischer Tempel mit Pseudoperistase 56,30 × 112,60 m 7 × 14 Pseudoperistase aus Pfeilern mit vorgeblendeten Halbsäulen, Zwischenräume durch Mauern geschlossen, Telamone tragen das Gebälk (Grundriss, Aufriss, Modell) 480 v. Chr. Athenetempel Syrakus dorischer Peripteros 22,20 × 55,45 m 6 × 14 umgebaut als Kathedrale 480 v. Chr. Olympieion oder Athenetempel Himera dorischer Peripteros 22,46 × 55,91 m 6 × 14 nach dem Sieg in der Schlacht bei Himera errichtet, daher auch „Tempio della Vittoria“ (Siegestempel) genannt 480–470 v. Chr. Tempel A Selinunt dorischer Peripteros 16,13 × 40,30 m 6 × 14 480–470 v. Chr. Demetertempel Agrigent dorischer Antentempel 13,30 × 30,20 m – überbaut mit Kirche S. Biagio (Grundriss) 470 - 450 v. Chr. Tempel E (Heratempel) Selinunt dorischer Peripteros 25,30 × 67,80 m 6 × 15 1956 wieder aufgerichtet (Grundriss) Mitte 5. Jh. v. Chr. Dioskurentempel Agrigent dorischer Peripteros 13,86 × 31,70 m 6 × 13 Ecke im 19. Jh. wiederaufgerichtet Mitte 5. Jh. v. Chr. Tempel L Agrigent dorischer Peripteros 17,20 × 38,80 m* 6 × 13 460–450 v. Chr. Heratempel Agrigent dorischer Peripteros 16,90 × 38,15 m 6 × 13 Säulen und Architrav der Nordseite im 18. Jh. wiederaufgerichtet (Grundriss) 2. Hälfte 5. Jh. v. Chr. Asklepiostempel Agrigent dorischer Pseudo-Doppelantentempel 10,70 × 21,70 m – um 440 v. Chr. Concordiatempel Agrigent dorischer Peripteros 16,92 × 39,44 m 6 × 13 besterhaltener griechischer Tempel Siziliens (Grundriss, Farbrekonstruktion) um 430 v. Chr. Hephaistostempel Agrigent dorischer Peripteros 17,06 × 35,19 m* 6 × 13 nur zwei Säulestümpfe stehen noch ca. 430−420 v. Chr Tempel von Segesta Segesta dorischer Peripteros 23,13 × 58,05 m 6 × 14 unvollendeter Tempel der Elymer unter griechischem Einfluss (Grundriss) 4.−3. Jh. v. Chr. Tempel B Selinunt Prostylos 4,60 × 8,40 m 4 hellenistischer Tempel mit Pronaos und quadratischer Cella 2. Jh. v. Chr. Oratorium des Phalaris Poggetto San Nicola ionischer Prostylos 5,30 × 8,50 m 4 Einzelnachweise
- ↑ Polybios, Geschichte IX 27,3
Literatur
- Robert Koldewey, Otto Puchstein: Die griechischen Tempel in Unteritalien und Sicilien. 1. Bd Text, 2. Bd Tafeln. Asher, Berlin 1899.
- Gottfried Gruben: Die Tempel der Griechen. Hirmer, München 2001 (5. Aufl.), ISBN 3-7774-8460-1.
- Dieter Mertens: Städte und Bauten der Westgriechen. Hirmer, München 2006, ISBN 3-7774-2755-1
Siehe auch
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