Halbring (Mengensystem)

Halbring (Mengensystem)

In der Mathematik ist ein (Mengen-)Halbring (auch Mengensemiring oder kurz Semiring) ein Grundbegriff der Maßtheorie. Er bezeichnet ein nicht leeres Mengensystem, das durchschnittsstabil ist und in dem jede Differenz eine nicht leere, endliche Vereinigung von elementfremden Systemelementen ist.

Die Definition wurde eingeführt von John von Neumann als Verallgemeinerung eines Mengenrings.[1] Der hier verwendete Begriff des Halbringes unterscheidet sich grundlegend von dem eines Halbringes im Sinne der Algebra, also einer speziellen algebraischen Struktur, beide stehen nicht in engem Zusammenhang!

Inhaltsverzeichnis

Definition

Sei Ω eine beliebige Menge. Ein System \mathcal H von Teilmengen von Ω heißt ein Mengenhalbring oder Halbring über Ω, wenn folgende Eigenschaften erfüllt sind:

  1. \mathcal H \neq \emptyset (\mathcal H ist nicht leer).
  2. A, B \in \mathcal H \Rightarrow A \cap B \in \mathcal H (Stabilität/Abgeschlossenheit bezüglich Durchschnitt).
  3. A, B \in \mathcal H \Rightarrow es gibt paarweise disjunkte C_1,\dots,C_n \in \mathcal H, n \in \N^*, mit A \setminus B = C_1 \cup \dots \cup C_n (jede Differenz ist eine endliche Vereinigung paarweise disjunkter Systemelemente, dabei kann auch n = 0 sein, die Vereinigung ist dann leer).

Ist zusätzlich \Omega \in \mathcal H, so heißt \mathcal H eine (Mengen-)Halbalgebra.

Beispiele

  • Über jeder beliebigen Menge Ω ist \{\emptyset\} der kleinste und die Potenzmenge \mathcal P(\Omega) der größte mögliche Mengenhalbring.
  • Sei Ω = {0,1,2,3,4}, so die das Mengensystem \mathcal{H}=\{\emptyset, \{1\},\{2\},\{3\}, \{1,2,3\} \} ein Halbring, aber kein Ring.
  • Ein wichtiger Mengenhalbring über der Menge \R der reellen Zahlen ist das Mengensystem der endlichen, rechts halboffenen Intervalle \mathcal I := \{[a,b) \mid a,b \in \R, a < b\}, welches ein Erzeugendensystem für die σ-Algebra der Borelmengen auf \R ist.
  • Analog kann man im n-dimensionalen Raum \R^n, n \in \mathbb N, den Mengenhalbring \mathcal I^n  := \{[a,b) \mid a,b \in \R^n, a < b\} der n-dimensionalen endlichen, rechts halboffenen Intervalle (Quader) [a,b) := \{(x_1, \dots, x_n) \in \R^n \mid a_1 \le x_1 < b_1, \dots, a_n \le x_n < b_n\} definieren, wobei a = (a_1, \dots, a_n), b = (b_1, \dots, b_n) und a < b :\Leftrightarrow a_1 < b_1, \dots, a_n < b_n.

Eigenschaften

  • Jeder Mengenhalbring \mathcal H enthält die leere Menge \emptyset, denn \mathcal H enthält mindestens ein Element A und damit gibt es paarweise disjunkte C_1,\dots,C_n \in \mathcal H, n \in \mathbb N, mit A \setminus A = C_1 \cup \dots \cup C_n, also \emptyset \subseteq C_1 \subseteq C_1 \cup \dots \cup C_n = A \setminus A = \emptyset bzw. \emptyset = C_1 \in \mathcal H.
  • Aus der Durchschnittsstabilität folgt induktiv, dass auch jeder nicht leere, endliche Durchschnitt von Elementen des Mengenhalbringes \mathcal H in ihm enthalten ist, d. h. für alle n \in \N gilt:
A_1,\dots,A_n \in \mathcal H \Rightarrow A_1\cap \dots\cap A_n \in \mathcal H.
  • Mengenhalbringe treten insbesondere als Erzeugendensysteme von σ-Algebren auf. Weil Mengenhalbringe abgeschlossen sind bezüglich nicht leeren, endlichen Durchschnitten, ist die von einem Halbring erzeugte σ-Algebra gleich dem erzeugten Dynkin-System.

Äquivalente Definitionen

\mathcal H sei ein System von Teilmengen von Ω. Wenn A,B Mengen sind und wenn A \triangle B = (A \setminus B) \cup (B \setminus A) die symmetrische Differenz von A,B bezeichnet, dann sind wegen \bigcup \emptyset = \emptyset und A \setminus B = A \triangle (A \cap B) sowie A \setminus B = A \setminus (A \cap B) folgende Aussagen äquivalent:

  • \mathcal H ist ein Mengenhalbring.
  • (\mathcal H, \cap) ist ein Halbverband und es gilt: A,B \in \mathcal H \Rightarrow es gibt paarweise disjunkte C_1,\dots,C_n \in \mathcal H, n \in \mathbb N, mit A \setminus B = C_1 \cup \dots \cup C_n.
  • \emptyset \in \mathcal H und es gilt: A,B \in \mathcal H \Rightarrow A \cap B \in \mathcal H und es existiert ein endliches Teilsystem \mathcal C \subseteq \mathcal H, dessen Elemente paarweise disjunkt sind, mit A \setminus B = \bigcup \mathcal C. <math>\mathcal C kann hierbei auch leer sein.
  • \mathcal H \neq \emptyset und es gilt: A,B \in \mathcal H \Rightarrow A \cap B \in \mathcal H und es gibt paarweise disjunkte C_1,\dots,C_n \in \mathcal H, n \in \mathbb N, mit A \triangle B = C_1 \cup \dots \cup C_n.
  • \mathcal H \neq \emptyset und es gilt: A,B \in \mathcal H \Rightarrow A \cap B \in \mathcal H und falls B \subseteq A ist gibt es paarweise disjunkte C_1,\dots,C_n \in \mathcal H, n \in \mathbb N, mit A \setminus B = C_1 \cup \dots \cup C_n.

Außerdem ergibt sich induktiv:

  • C_1,\dots,C_n \in \mathcal H, n \in \mathbb N, sind paarweise disjunkt \Rightarrow C_1 \cup \dots \cup C_n = C_1 \triangle \dots \triangle C_n.

Verwandte Strukturen

  • Jeder Mengenring ist ein Mengenhalbring, jedoch ist nicht jeder Mengenhalbring ein Mengenring: Die Mengenhalbringe \mathcal I^n, n \in \mathbb N, (siehe Beispiele oben) sind keine Mengenringe.
  • Ebenso ist auch jede Mengenalgebra eine Mengenhalbalgebra, aber nicht jede Mengenhalbalgebra ist eine Mengenalgebra.

Literatur

Einzelnachweise

  1. Jürgen Elstrodt: Maß- und Integrationstheorie. Springer, Berlin–Heidelberg 1996. S. 20.

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