Hans Zehrer

Hans Zehrer

Hans Zehrer (* 22. Juni 1899 in Berlin; † 23. August 1966 ebenda) war ein deutscher Journalist.

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Leben und Wirken

1917 meldete sich Zehrer als Kriegsfreiwilliger. Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs blieb er noch weiter Soldat und beteiligte sich am Kapp-Putsch. Ein Studium an der Universität Berlin brach er aus wirtschaftlichen Gründen ab, blieb aber zeitlebens aktives Mitglied der Studentenverbindung Corps Silingia und bekennender Corpsstudent.

Von Oktober 1923 bis Oktober 1931 war er Redakteur der Vossischen Zeitung. Den ihm 1931 angebotenen Posten des Chefredakteurs der Vossischen Zeitung lehnte er ab. Stattdessen hatte er im Oktober 1929 die heimliche Herausgeberschaft der im Verlag von Eugen Diederichs erscheinenden Monatszeitschrift Die Tat übernommen, die unter Zehrers Leitung ihre Auflage erheblich steigern konnte: Binnen drei Jahren steigerte sie ihre Auflage um das Dreißigfache von 1.000 Exemplaren pro Ausgabe auf 30.000 – damals eine beachtliche Auflage, zumal, da zu dieser Zeit kein Mangel an politischen Zeitschriften von Rechts bestand.[1] Zusammen mit Ernst Wilhelm Eschmann, Giselher Wirsing und Ferdinand Friedrich Zimmermann bildete er den sogenannten „Tat-Kreis“, der in der Spätphase der Weimarer Republik einen erheblichen Einfluss auf die öffentliche Meinung ausübte. Etwas loser gehörten der Gruppe noch Männer wie Hellmuth Elbrechter und Ferdinand Fried an. Im Tat-Kreis nahm Zehrer bald eine beherrschende Stellung ein. Zehrers Gegner von der linken Zeitschrift Die Weltbühne veranlasste dies dazu, ihn bissig als den „Duce des Tatkreises“ zu bezeichnen. Obwohl Zehrer den Nationalsozialismus ablehnte, wählte er, wie seine Ehefrau später berichtete, seit den frühen 1930er Jahren die NSDAP. Die Hoffnung, die er daran knüpfte war, so zur Erosion des Weimarer Staates beizutragen und „das System endlich zu stürzen.“[2]

Zehrers ursprüngliche Bereitschaft, die NS-Bewegung als Ganzes zur Mitarbeit am Aufbau eines neuen Staates heranzuziehen, und sogar Adolf Hitler als Kanzler zu tolerieren und mit Hilfe der Reichswehr zu kontrollieren, wich in den Tagen des 12./13. August 1932 dem Ziel, die NSDAP zu spalten.[3] Um die „Machtergreifung“ der NSDAP zu verhindern, arbeitete Zehrer fortan auf ein Querfrontbündnis zwischen dem „linken“ Flügel der Nationalsozialisten um Gregor Strasser, Gewerkschaftern und Sozialdemokraten - unter Führung von Kurt von Schleicher - hin, das aber scheiterte. Anfang Januar 1933 machte Zehrer in der Tat das von seinem Mitarbeiter Hellmuth Elbrechter aufgedeckte Bündnis zwischen Hitler und Papen publik. Am 24. Januar legte er Schleicher nahe, den drohenden Machtverlust durch einen Staatsstreich der Reichswehr zu verhindern: „Das Parlament muss ausgeschaltet werden und mit ihm die Parteien.“[4]

NS-Zeit (1933 bis 1945)

Wenige Wochen nach dem Regierungsantritt Hitlers im Frühjahr 1933 wurde Zehrer gezwungen, die Herausgeberschaft der Tat aufzugeben, die nun Giselher Wirsing übernahm. Die Tägliche Rundschau wurde im Mai vorläufig und im Juli endgültig von der Gestapo verboten. Danach zog er sich für eine Weile nach Blankenese zurück. Ab 1934 lebte er eine Weile auf Sylt, wo er den jungen Axel Springer kennenlernte. Als ehemaliger Protegé Schleichers und aufgrund seiner Ehe mit der Jüdin Margot Susmann-Mosse[5] unterlag Zehrer in den folgenden Jahren de facto einem Berufsverbot, auch wenn dieses nie explizit ausgesprochen wurde.

Nach den Novemberpogromen 1938 schickte Zehrer seine Ehefrau in die Emigration nach Großbritannien. Ein Jahr später, im November 1939, ließ er sich von ihr scheiden. Als Grund hierfür gab er die lange Trennung und die „rassische Verschiedenheit“ an. 1938 kehrte er nach Berlin zurück und übernahm die Leitung der dortigen Filiale des Oldenburger Verlag Gerhard Stalling. Den Zweiten Weltkrieg sah Zehrer ab 1938 voraus. Seiner Frau schrieb er am 11. November des Jahres: „Das Ende hat begonnen und wird bitter sein, und ich bin überzeugt, dass wir im nächsten Herbst die Katastrophe hinter uns haben. Aber es wird eine Katastrophe werden.

Im April 1941 wurde er Mitglied des Vorstands der Stalling AG. Nach dem Tod Stallings 1942 übernahm Zehrer auch den Vorstandsvorsitz und damit die Gesamtleitung des Unternehmens. Er behielt diese Stellung offiziell bis Kriegsende. Als Autoren konnte er in der Folgezeit Helmut Rößler, Franz Schnabel, Michael Freund, Edwin Redslob, Ernst Wagemann und Ferdinand Friedensburg gewinnen. 1943 wurde Zehrer zur Luftwaffe eingezogen. Bis 1945 diente er in einem Stab in Karlsbad. 1945 wurde er nach Berlin versetzt. Kurz vor Kriegsende flüchtete er nach Hamburg, dann nach Sylt.

Späteres Leben (1945 bis 1965)

Von Januar bis März 1946 war Zehrer Chefredakteur der von der britischen Besatzungsmacht gegründeten Tageszeitung Die Welt, musste aber nach Protesten der Sozialdemokraten von diesem Amt zurücktreten. Von Februar 1948 bis September 1953 leitete er die Redaktion des Hamburger Sonntagsblatts. Danach war er bis Mai 1966 erneut Chefredakteur der Welt, die 1953 von Axel Springer übernommen wurde, und zusätzlich Kolumnist der Bild-Zeitung. Zehrer gehörte zu den engsten Vertrauten des Verlegers Axel Springer. Seine Reise mit Springer nach Moskau 1958 führte dazu, dass Die Welt und Springer von der Idee einer gesamtdeutschen Neutralität endgültig abrückten.

Zehrers politische Vorstellungen

Konzept für einen autoritären Staat

In den Krisenjahren der Weimarer Republik entwarf Zehrer Pläne für den Aufbau eines Staates, in dem „der Mensch von guten Autoritäten“ geführt werde die „sich am Gemeinwohl orientieren.“[6] Zehrers Staatskonzeption setzte sich aus den drei Elementen auctoritas, potestas und Volkswille zusammen.

Während sich hinter dem etwas diffusen Begriff der auctoritas die Befähigung zur Führung durch die suggestive Fähigkeit, andere zur Gefolgschaft zu bewegen, verbarg, verstand Zehrer unter potestas die Macht auf Grundlage von physischer Stärke, d.h. der Fähigkeit andere mit Gewalt zur Fügsamkeit zu bewegen. Die Triebkräfte für eine Volksgemeinschaft waren bei Zehrer zunächst der Nationalsozialismus und der Kommunismus, deren Kampf gegeneinander nicht zum völligen Sieg des einen über den anderen führe könnte, sondern zur Auflösung beider und zu ihrem Aufgehen in einer dritten Gemeinschaft führen würde: „Der NS bewegt sich auf der Linie vom Nationalismus zum Sozialismus, die Gewerkschaften auf der Linie vom Sozialismus zum Nationalismus […] Die politische Einheit des Volkes aber, die Volksgemeinschaft, wird nur dadurch geschaffen dass das Nationale und das Soziale zusammenfallen und sich zur Einheit zusammenschließen.“[7]

Folgerichtig lehnte Zehrer den Liberalismus in Staat und Wirtschaft ab und hielt es für notwendig, die „beiden Zwillingsbrüder Parlamentarismus und Kapitalismus“ zu liquidieren. Der Liberalismus – für Zehrer das Hauptübel der Zeit – sei letztlich nichts weiter als eine „aufgezwungene Idee des Westens“, die der „deutschen Auffassung vom Staat und vom Leben im Staat“ nicht entspreche. Denn was der Liberalismus den Deutschen gebracht habe sei ein „klebriges, begriffsloses Chaos.“ Bei seiner antidemokratischen Kritik ging Zehrer hieran anknüpfend von der Ablehnung der liberalen Idee aus. Der Liberalismus erscheint bei Zehrer als ein Instrument, das ausschließlich an den Egoismus des einzelnen appelliere und nur einzelne und Gruppeninteressen fördere, wobei die erstrebe Gemeinsamkeit des Volkes auf der Strecke bleibe.

Den italienischen Faschismus lehnte Zehrer als ein für Deutschland ungeeignetes Modell ab: „Dem Staatsbewusstsein des deutschen Volkes kann immer nur der autoritäre Staat entsprechen, niemals aber ein faschistischer Staat.“ Falls die NSDAP in Widerspruch zu dieser Idee von einer spezifisch deutschen Staatsform gerate, „die immer nur die Distanz zwischen Obrigkeit und Volk gekannt hat, so wäre das für beide Teile, für den Staat und für die Partei, bedauerlich.“

Außenpolitik

Zehrers außenpolitische Konzeption beinhaltete den Willen zur Wiederaufnahme des traditionellen westeuropäischen Imperialismus, der nun allerdings als Kulturmission aufgefasst wurde (etwa im Sinne des Spätromantikers Emanuel Geibel 1861: So wird einmal am deutschen Wesen ganz sicherlich die Welt genesen.).

Kulturpolitik

Im Gleichschitt mit einer weitverbreiteten Tendenz auf der politischen Rechten seiner Zeit vertrat Zehrer in der Zeit von Weimar einen aggressiven Anti-Intellektualismus, der bei ihm aus einem von Vorlieben für das Romantische und Mystische gespeisten „Anti-Rationalismus“ hervorging.[8] Ferner wandte sich Zehrer, ebenfalls zeittypisch, gegen die „Masse“ als Faktor in Politik und Kultur: Die Demokratisierung des Geistes habe, so Zehrer, zu einer allgemeinen Nivellierung geführt. Diese dokumentiere sich in einer „grauenhaften Entwertung des Geistes“ und führe zu einem unablässigen Abstieg: „Die allgemeine Nivellierung und Vulgarisierung des Stils ist das vornehmste Zeichen der heutigen Zeit.“ Denn wenn die Masse führt, „ist [das] der Tod jeder geistigen Richtung“, die sich im Grunde nur durch Eliten leiten ließe. Intellektuelle versah er bevorzugt mit den Attributen „links“ und „jüdisch“.

Als verderbliche Erscheinungen, die sich „wie Mehltau auf alle Gebiete der Kultur gelegt“ hätten sah Zehrer ein sich „emporreckendes Muckertum“, sah er „Kulturbolschewismus“ und „Gottlosenbewegung“, „Nachtkultur“ und „Untermenschentum“. Den Exilanten und KZ-Insassen der Jahre nach 1933 schleuderte Zehrer die Bemerkung hinterher: „An diesem Geist, an der Schärfe des Witzes und Stiles, am Glanz der Sprache und der Leichtigkeit der Diktion bleibt auch heute noch das hängen was wir immer gespürt haben: eine gewisse Unsauberkeit und Schmierigkeit der Gesinnung, die aus der menschlichen Unzulänglichkeit resultierte. Das heutige Schicksal straft diese Arroganz des Intellekts hart aber gerecht, dessen Mangel an menschlicher Substanz nie zu der einzigen Rechtfertigung des Geistes führte.“

Literatur

  • Ebbo Demant: Hans Zehrer. Von Schleicher zu Springer. Antidemokratisches Denken in der deutschen Publizistik. Mainz 1971

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Demant: S. 72. Das bekannteste Blatt der Linken, die Weltbühne erreichte demgegenüber nur 13.000 Exemplare.
  2. Ebbo Demant (Hrsg.): Von Schleicher zu Springer. Hans Zehrer als Politischer Publizist, 1971, S. 97.
  3. Ebbo Demant (Hrsg.): Von Schleicher zu Springer. Hans Zehrer als Politischer Publizist, 1971, S. 99.
  4. Ebbo Demant (Hrsg.): Von Schleicher zu Springer. Hans Zehrer als Politischer Publizist, 1971, S. 108 und 318.
  5. Schreiben des Präsidenten der Schrifttumskammer an die NSDAP, Gau SH vom 3. Januar 1941, Personalakte, Berlin Document Center, Ordner Nr. 10258, AZ 16229. An gleicher Stelle heißt es Zehrer habe vor 1933 „intellektuallistische Zeichen bei der Beurteilung der Situation gezeigt.“
  6. Ebbo Demant: Von Schleicher zu Springer, S. 42.
  7. Ebbo Demant: Von Schleicher zu Springer, S. 43f.
  8. Demant, S. 54.

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