Heidelberger Katechismus

Heidelberger Katechismus
Heidelberger Katechismus von 1563
Briefmarke der Deutschen Bundespost (1963): 400 Jahre Heidelberger Katechismus

Der Heidelberger Katechismus (lat. Catechesis Palatina) ist der am weitesten verbreitete Katechismus der reformierten Kirche. Er wurde auf Initiative des Kurfürsten Friedrich III. von Zacharias Ursinus erstellt und im Jahr 1563 in Heidelberg unter dem Titel Catechismus oder christlicher Vndericht, wie der in Kirchen vnd Schulen der Churfürstlichen Pfaltz getrieben wirdt herausgegeben. Der Katechismus ist zugleich Unterrichtsbuch für Kirche und Schule, Bekenntnisschrift, Trost- und Gebetsbuch, sowie Vorlage für eine reiche Anzahl an erbaulicher Literatur.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Der Heidelberger Katechismus war vom Ursprung her der Katechismus für die reformierte Landeskirche der Kurpfalz. Dort diente er als Lehr- und Unterrichtsbuch in Kirche und Schule.

Friedrich II. führte 1545/1546 die lutherische Reformation in der Kurpfalz ein, die aber schon bald vom Kaiser unterdrückt wurde. Durch den Augsburger Religionsfrieden hatte der neue Kurfürst Ottheinrich die Möglichkeit 1556 die Reformation erneut einzuführen. Doch er starb bereits 1559 und konnte so sein Reformationswerk nicht vollenden, wodurch kirchliche Unordnung, Streitigkeiten und Uneinigkeit entstanden.[G 1] Daraufhin versuchte sein Nachfolger Friedrich III. – jedoch vergeblich – wenigstens in der Abendmahlslehre einen Mittelweg durchzusetzen, der von Philipp Melanchthon stammte. Im Juni 1560 überzeugte ihn eine Disputation in Heidelberg von der reformierten Abendmahlsauffassung. Eine genaue und einheitliche Lehrgrundlage in Kirche und Schule sowie die Einführung einer überarbeiteten Kirchenordnung wurden notwendig.[G 2]

Um dies zu verwirklichen, berief Friedrich III. 1560/1561 mehrere Professoren nach Heidelberg. Darunter auch Zacharias Ursinus, ein Schüler Melanchthons und Calvins, sowie Caspar Olevian, ein Schüler Calvins und befreundet mit dem Sohn Friedrichs.[1]

Im Auftrag des Kurfürsten begann Ursinus 1562 mit der Arbeit am Katechismus.[G 3] Vermutlich waren auch weitere Professoren an der Arbeit beteiligt.[1] Im Nachlass des Ursinus fanden sich zwei unterschiedlich umfangreiche lateinische Entwürfe zum Katechismus. Der kürzere Entwurf war wohl die Urfassung, die noch stark überarbeitet und erweitert wurde, auch mit Teilen des längeren Entwurfs, der für den akademischen Unterricht gedacht war. Zur Erstellung wurden mehrere Katechismen zu Rate gezogen. Darunter auch der Genfer Katechismus und ein Genfer Kirchengebet, das größtenteils die Auslegung des Vaterunsers lieferte. Eine Kommission aus Theologen der Heidelberger Universität, den Pfarrern der Stadt Heidelberg und dem Kurfürsten persönlich war für die Endfassung verantwortlich. Caspar Olevian war, obwohl lange angenommen, kein Mitverfasser des Katechismus, jedoch Komissionsmitglied und an der Einführung maßgeblich beteiligt, da er seit 1562 in Heidelberg Pfarrer und leitender Theologe im Kirchenrat war.[G 4]

Anfang 1563 berief Friedrich III. alle Superintendenten der Kurpfalz nach Heidelberg um die Endfassung zu besprechen und zu verabschieden. Am 19. Januar 1563 unterschrieb der Kurfürst sein Vorwort zum Katechismus. Die Erstausgabe mit 128 Fragen und Antworten erschien im März des gleichen Jahres.[G 5] Anschließend veranlasste Olevian Friedrich III. zur Beigabe einer weiteren – der jetzigen 80. – Frage.[G 6][2] Anfang April wurde die zweite Auflage, nun mit der zusätzlichen Frage, herausgegeben. Zwischenzeitlich erstellten Josua Lagus und Lambert Pithopoeus eine lateinische Übersetzung des Katechismus. In der dritten Auflage wurde er in zehn Lektionen und zugleich, um ihn in einem Jahr durchnehmen zu können, in 52 Sonntage eingeteilt.[G 7]

Im August 1563 verabschiedete eine weitere Konferenz der Superintendenten die neue Kirchenordnung, deren Vorwort der Kurfürst am 15. November unterschrieb. In ihr fand auch der Katechismus vollständig Eingang.[G 8]

1566 wurde Friedrich III. von mehreren lutherischen Herzögen bei Kaiser Maximilian II. angeklagt, vom Augsburger Bekenntnis abgewichen zu sein. Auf dem Reichstag in Augsburg drohte der Kaiser ihm mit der Reichsacht, falls er seine kirchlichen Änderungen nicht zurücknehme. Friedrich war standhaft und bekannte seinen Glauben. Da die Mehrheit der Fürsten auf dem Reichstag gegen seinen Ausschluss war, wurde der Kaiser in dieser Beziehung handlungsunfähig. Ein Grund, der überdies gegen eine Bestrafung sprach, war der Reichtum und die politische Bedeutung der Kurpfalz im Heiligen Römischen Reich. Durch das Absehen eines Ausschlusses konnte Friedrich sein Reformationswerk weiterführen. [G 9][3]

Der Heidelberger Katechismus erfuhr eine schnelle und weite Verbreitung. Die niederländische Flüchtlingsgemeinde in Frankenthal nahm den Katechismus ebenso an und schlug dessen Verwendung in den Niederlanden 1568 auf dem Weseler Konvent vor. 1571 bestätigte dies die Synode von Emden. Da bei dieser Synode auch Reformierte des Niederrheins anwesend waren, wurde er ab 1571 nicht nur der Katechismus der Niederländer, sondern auch der Niederrheiner. 1567 nahm ihn die reformierte Kirche von Ungarn auf der Synode von Debrecen an.[G 10]

Um 1580 wechselten mehrere Länder im Heiligen Römischen Reich zum reformierten Glauben über und übernahmen vorwiegend den Heidelberger Katechismus. Dazu gehörten unter anderem Nassau-Dillenburg, Sayn-Wittgenstein, Solms-Braunfels, Wied, Isenburg-Büdingen, Hanau-Münzenberg, Moers, Pfalz-Zweibrücken, Pfalz-Simmern, Anhalt, [G 10] Tecklenburg, Bremen, Bentheim, Lingen und Lippe.[2]

Auf der ersten reformierten Generalsynode vom 7. bis 11. September 1610 der vereinigten Herzogtümer Jülich-Kleve-Berg nahm man den Katechismus als Lehr- und Unterrichtsbuch an. Auch wenn sich die reformierten Kirchen der Schweiz seit Mitte des 19. Jahrhunderts als bekenntnisfrei verstehen, wurde er 1615 von St. Gallen, 1643 von Schaffhausen und im 18. Jahrhundert von Bern angenommen. Die Dordrechter Synode von 1618 bis 1619 bestätigte den Katechismus als Bekenntnisschrift. 1655 wurde er in Hessen-Kassel eingeführt. 1713 fand er zusammen mit kirchlichen Verordnungen Eingang in die deutschreformierten Gemeinden in Preußen. In Ostfriesland benutzte man bis Anfang des 18. Jahrhunderts den Emder Katechismus. Durch Auswanderer gelangte er überdies nach Nordamerika und Südafrika.[G 11]

Der Heidelberger Katechismus wurde in 40 Sprachen übersetzt und erfreut sich bis heute weltweiter Verbreitung, besonders in Ländern mit reformierter Prägung wie den Niederlanden, der Schweiz oder Ungarn. Lediglich im französisch- und englischsprachigen Raum verbreitete er sich anfangs nicht weitflächig, da man dort bereits entweder die Confessio Gallicana (1559) oder die Confessio Scotica (1560) – und später zusätzlich das puritanische Bekenntnis von Westminster – besaß.

Höchste Wertschätzung genoss der Heidelberger Katechismus auch bei Karl Barth (vgl. seine Schrift Die christliche Lehre nach dem Heidelberger Katechismus).

1977 gab der Reformierte Bund zur 80. Frage eine ökumenische Erklärung ab.[4]

Zum Jubiläum „450 Jahre Heidelberger Katechismus“ im Jahr 2013 sind mehrere Feierlichkeiten, Vorträge und Ausstellungen, unter anderem in Heidelberg und Apeldoorn, geplant.[5]

Inhalt

Der Heidelberger Katechismus, der 129 Fragen und Antworten umfasst, gliedert sich im Wesentlichen in drei große Teile:

  • Von des Menschen Elend (die Sündenerkenntnis)
  • Von des Menschen Erlösung (die Erkenntnis der Erlösung)
    • Von Gott dem Vater
    • Von Gott dem Sohn
    • Von Gott dem Heiligen Geist
    • Von den heiligen Sakramenten
    • Von der heiligen Taufe
    • Vom heiligen Abendmahl Jesu Christi
  • Von der Dankbarkeit (eine Ethik der Dankbarkeit)
    • Vom Gebet

Die ersten zwei Fragen dienen gewissermaßen als Einleitung, wobei die erste als Zusammenfassung des Katechismus verstanden werden kann.[1] Der erste Teil erschließt dem Menschen die Sündenerkenntnis aus dem Gesetz Gottes. Der zweite Teil handelt von der Erkenntnis der Erlösung. In ihm wird zugleich das apostolische Glaubensbekenntnis, die Taufe und das Abendmahl behandelt. Im letzten, dritten Teil „sollten die Menschen dazu aufgefordert und daran erinnert werden, in Gedanken, Worten und Werken für ihre Erlösung aus dem Elend in Dankbarkeit zu leben“[6]. Des Weiteren wird in diesem Teil der Dekalog und das Vaterunser ausgelegt.

Bemerkenswert am theologischen Konzept ist der Umstand, dass alle kultischen Leistungen (wie das Gebet) wie die ethischen (die „guten Werke“) in den dritten Teil eingereiht sind. Dadurch wird eindeutig gesagt, dass in reformierter Sicht die „guten Werke“ nie dazu da sind, vor Gott angerechnet zu werden. Sie sind vielmehr dankbare und selbstverständliche Antwort auf die vorbehaltlose Gnade Gottes, die den Menschen durch Christus zugeeignet ist.

Schrittweise zeigt der Heidelberger Katechismus in seinen drei Teilen dem Menschen den Weg von der Sündenerkenntnis über die Erkenntnis der Erlösung hin zu einem dem Glauben entsprechenden Leben in Dankbarkeit für die Erlösung aus dem Elend.

Literatur

Ausgaben
  • Der Heidelberger Katechismus, hrsg. von der Evangelisch-Reformierten Kirche (Synode ev.-ref. Kirchen in Bayern und Nordwestdeutschland), rev. Ausg. Neukirchener Verl., Neukirchen-Vluyn 1997 ISBN 3-7887-1570-7
  • Der Heidelberger Katechismus, hrsg. von Otto Weber. Gütersloher Taschenbücher Siebenstern 1293. 5. Aufl. Gütersloher Verl.-Haus, Gütersloh 1996 ISBN 3-579-01293-2
  • Der Heidelberger Katechismus. Für den Jugendunterricht in evangelischen Gemeinden, hrsg. vom Moderamen des Reformierten Bundes. Vereinfachte Ausg., 12. Aufl. Neukirchener Verl., Neukirchen-Vluyn 1993 ISBN 3-7887-0273-7
Sekundärliteratur
  • Wulf Metz, Jürgen Fangmeier: Art. Heidelberger Katechismus I. Kirchengeschichtlich II. Praktisch-theologisch. In: Theologische Realenzyklopädie 14 (1985), S. 582–590
  • Walter Henss: Der Heidelberger Katechismus im konfessionspolitischen Kräftespiel seiner Frühzeit. Historisch-bibliographische Einführung der 1. vollständigen deutschen Fassung, der sogenannten 3. Auflage von 1563 und der dazugehörigen lateinischen Fassung. Theol. Verl., Zürich 1983 ISBN 3-290-11537-2
  • Eberhard Busch: Der Freiheit zugetan. Christlicher Glaube heute – im Gespräch mit dem Heidelberger Katechismus. Neukirchener Verl., Neukirchen-Vluyn 1998 ISBN 3-7887-1623-1
  • Lyle D. Bierma: The Doctrine of the Sacraments in the Heidelberg Catechism. Melanchthonian, Calvinist, or Zwinglian? Studies in Reformed Theology and History N.S. 4. Princeton Theological Seminary, Princeton NJ 1999
  • Alfred Rauhaus: Den Glauben verstehen. Eine Einführung in die Gedankenwelt des Christentums anhand des Heidelberger Katechismus. Foedus-Verl., Wuppertal 2003 ISBN 3-932735-77-3
  • Thorsten Latzel: Theologische Grundzüge des Heidelberger Katechismus. Eine fundamentaltheologische Untersuchung seines Ansatzes zur Glaubenskommunikation. Marburger theologische Studien 83. Elwert, Marburg 2004 ISBN 3-7708-1259-X

Weblinks

 Commons: Heidelberger Katechismus – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. a b c Paul Kluge: Der Heidelberger Katechismus II. Eine Einführung. Abgerufen am 9. Januar 2011.
  2. a b H. Graffmann: Heidelberger Katechismus. Aus: Religion in Geschichte und Gegenwart, 3. Auflage, Bd. 3, S. 128ff. Abgerufen am 9. Januar 2011.
  3. Thomas Juelch: Der Kalvinismus in der Kurpfalz. Abgerufen am 9. Januar 2011.
  4. Georg Plasger, Matthias Freudenberg: Reformierte Bekenntnisschriften. Eine Auswahl von den Anfängen bis zur Gegenwart, 1. Aufl. Vandenhoek & Ruprecht, Göttingen 2005, S. 173 Onlineausgabe
  5. Ausstellung 2013: „450 Jahre Heidelberger Katechismus“. Abgerufen am 9. Januar 2011.
  6. Paul Kluge: Der Heidelberger Katechismus I. Im Abschnitt Elend – Erlösung – Dankbarkeit. Abgerufen am 9. Januar 2011
  • J. F. Gerhard Goeters: Zur Geschichte des Katechismus, In: Heidelberger Katechismus: Revidierte Ausgabe 1997, 3. Aufl. Neukirchener Verlag, Neukirchen-Vluyn 2006, S. 83–96 ISBN 978-3788715700 PDF-Datei
  1. S. 85
  2. S. 86
  3. S. 88
  4. S. 88–89
  5. S. 89–90
  6. S. 90
  7. S. 90–91
  8. S. 91
  9. S. 92–93
  10. a b S. 93
  11. S. 93–94

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