Henning Lohner

Henning Lohner
Henning Lohner

Henning Lohner (* 17. Juli 1961 in Bremen) ist ein deutscher Filmemacher und Komponist[1]. Bekannt wurde er durch seine langjährige Arbeit bei Remote Control Productions von Hans Zimmer, mit dem er zum German Hollywood zählt, sowie durch das 1988 angefangene raw material-Medienkunstprojekt. Sein Interesse gilt allgemein der audio-visuellen Kunst und so umfasst sein künstlerisches Schaffen sowohl unterschiedlichste Regiearbeiten als auch verschiedene Projekte als Videokünstler.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Lohner wuchs in Kalifornien als Sohn deutscher Emigranten auf. Der Universitätsprofessor Dr. Edgar Lohner und Mutter Dr. Marlene Lohner, geb. Clewing, dozierten an der Stanford University Vergleichende Literaturwissenschaft. Noch in den Staaten begann Lohner Anfang der 1980er Jahre sein Studium am Bostoner Berklee College of Music. Fortgesetzt hat er seine Ausbildung an der Universität Frankfurt am Main, wo er 1987 in Musikwissenschaft, Kunstgeschichte und Romanistik seinen Magisterabschluss machte.

Parallel zu seinen Studien nahm er ab 1985 privat Kompositionsunterricht bei dem griechischen Komponisten Iannis Xenakis, der bis zu seinem Tod sein Mentor blieb.[2]

Ein weiterer wichtiger Förderer war seit 1984 der deutsche Komponist Karlheinz Stockhausen, für den Lohner vier Jahre als Assistent tätig war. Stockhausen führte Lohner in den Bereich der visuellen Medien ein. Bei der Aufführung von Stockhausens Lebenswerk Licht (ab 1981)[3] am teatro alla scala in Mailand betreute Lohner die Bühnenproduktion von Montag aus Licht mit.

Später arbeitete Lohner als musikalischer Ratgeber und auszubildender Regisseur für Louis Malle (1989–90 für den Film Milou en mai, unter anderem mit Michel Piccoli). Aufgrund seiner intensiven Auseinandersetzung mit Neuer Musik, zeitgenössischem Theater und avantgardistischen Filmen wurde Frank Zappa auf ihn aufmerksam. Lohner war ab 1989 bis zu dessen Tod im Jahr 1993 sein Assistent.[4] So wirkte Lohner als Initiator und Koproduzent bei den Produktionen The Yellow Shark (1992) und Phase III (1993). Diese gemeinsam mit dem Ensemble Modern eingespielten Kompositionszyklen waren Zappas letzte Veröffentlichungen vor seinem Tod. Mit Frank Zappa entstanden außerdem der biographische Kunstfilm Peefeeyatko (1991)[5][6] und der Konzertfilm The Yellow Shark (1992). Neben Neuer Musik und Film war Lohner auch an Theaterprojekten wie Giorgio Strehlers Goethes Faust I & II und Steve Reichs Multimedia-Oratorium The Cave (1990) beteiligt.

Neben seinen künstlerischen Tätigkeiten doziert Lohner, nachdem er 2003/2004 an der Filmakademie Baden-Württemberg und dem Liverpool Institute for Performing Arts Gastvorträge hielt, seit 2004 als Gastprofessor an der Zürcher Hochschule der Künste.

Medienkunst

Frank Zappa brachte im Jahre 1989 Lohner mit dem mehrfach ausgezeichneten Kameramann Van Carlson zusammen. Aus dieser Begegnung erwuchs eine künstlerische Zusammenarbeit, die bis heute andauert. Von prägendem Einfluss für das Werk beider Künstler sind die Arbeiten, die zu Beginn der neunziger Jahre gemeinsam mit dem Komponisten, Künstler und Musikphilosophen John Cage entstanden. Neben dem Kunstfilm One 11 and 103[7][8][9] von 1992, den die drei zusammen entwickelten, haben Lohner & Carlson nach Cages Tod dessen bedingungslos demokratische Musikphilosophie mit dem Filmessay Die Rache der toten Indianer[10][11][12] ein Denkmal gesetzt. Gemeinsam mit Van Carlson wurde auch die audio-visuelle Installation raw material, vol. 1–11 (1995)[13] geschaffen, die in Europa an Orten wie dem Gemeentemuseum Den Haag, The Sonic Art Festival in Rom und dem Video Art Festival in Berlin gezeigt wurde.[14] Die künstlerische Zusammenarbeit mit Van Carlson dauert fort, und aktuell wendet sich Lohner wieder verstärkt der visuellen Kunst zu. Aus dem Rohmaterial der letzten 20 Jahre haben Lohner und Carlson Bewegte Bilder geschaffen, die 2006 erstmals in der Springer & Winckler Galerie in Berlin unter dem Titel raw material – porträts and landscapes ausgestellt wurden. Die Bewegten Bilder sind individuelle, einzeln geloopte Videobilder, die einem Gemälde gleich an der Wand hängen können. Dieser künstlerische Zugang zu dem transformativen Medium Film wirft die Frage nach dessen Eignung zur reinen Bildhaftigkeit auf. Lohners Medienkunst wurde weltweit an Ausstellungsorten wie zum Beispiel dem Centre Georges Pompidou[15], dem San Francisco Museum of Modern Art[16], dem Solomon R. Guggenheim Museum New York, im Museu Calouste Gulbenkian in Lissabon, der Galleria Traghetto in Venedig und Rom, der National Art Gallery in Kuala Lumpur, der Mira Art Collection in Tokyo, der Kunsthalle in Emden und vielen anderen mehr gezeigt.

Filmkomposition

1996 führte Lohners Weg nach Hollywood in die Media Ventures Studios[17] des preisgekrönten Filmkomponisten Hans Zimmer, die als Talentschmiede bekannt sind. Damit begann Lohners Karriere als Filmkomponist.[18] Die beiden deutschstämmigen Komponisten arbeiteten eng zusammen und vertonten unter anderem gemeinsam The Ring. Für The Ring 2 wurde Lohner 2006 mit dem BMI Award ausgezeichnet.

Aufgrund seiner Arbeit in Los Angeles gehört Lohner in Deutschland zu den angesehensten Filmkomponisten. Filme wie Der Eisbär (von Til Schweiger), Der große Bagarozy (1999 von Bernd Eichinger), Starcatcher (für die Expo 2000) wurden von ihm vertont. Lohners filmkompositorische Arbeit umfasst unter anderem Kinderfilme wie Lauras Stern, Horrorstreifen wie Hellraiser: Deader und Komödien wie Werner Herzogs Incident at Loch Ness. Mit der Vertonung des Stummfilmklassikers Orlacs Hände, der am Genter Opernhaus während des Internationalen Film Festivals in Belgien 2001 uraufgeführt wurde, zeigte Lohner einen neuen Ansatz in der Fusion von Film und Konzertmusik.

Film

Auf Vermittlung Stockhausens begann Lohner 1988 seine Arbeit bei Film und Fernsehen mit Kulturbeiträgen für das ZDF Magazin aspekte und hat bis heute ca. 140 Filme gedreht. Neben dem bereits genannten Kunstfilm Die Rache der toten Indianer drehte Lohner weitere Dokumentationen über Künstlerpersönlichkeiten unserer Zeit: Zum Beispiel die Dennis-Hopper-Biographie Spiel oder Stirb (2003); eine mehrwöchige Reise durch Japan[19] mit Gerhard Richter ermöglichte eine Dokumentation über den derzeit gefragtesten deutschen Maler, und in The Black Box of Culture[20] stellt er den Musiker Brian Eno vor.

Auszeichnungen

  • 2006 BMI Film music Award für The Ring 2
  • 2006 BMI London Film music Award für The Ring 2
  • 2005 Academy Award Shortlist in der Kategorie Bester Dokumentar-Kurzfilm (Ninth November Night)[21]
  • 1994 The National Educational Film Festival of the USA: Silver Apple award, Oakland, California; für den film: One 11 and 103

Filmografie (Auswahl)

Als Komponist

1994

  • The Alphabet of Shapes

1995

  • Dennis Hopper: L.A. Blues

1998

1999

2000

  • Catching the Stars
  • MTV Fear

2002

2003

  • Ancient Warriors
  • Barstow
  • Dennis Hopper: Spiel oder Stirb (Dennis Hopper: Create or Die)
  • Der Weg nach Murnau
  • Fahrerflucht
  • God Is No Soprano
  • Mimic 3: Sentinel

2004

  • Incident at Loch Ness
  • La Torcedura
  • Lauras Stern (zusammen mit Hans Zimmer und Nick Glennie-Smith)
  • Ninth November Night
  • No More Souls: One Last Slice of Sensation
  • Sterne leuchten auch am Tag
  • Suiyô puremia: sekai saikyô J horâ SP Nihon no kowai yoru

2005

2006

  • 10.5 – Apokalypse
  • Firestorm: Last Stand at Yellowstone
  • Lauras Weihnachtsstern

2007

2008

  • Be Like Others
  • Kleiner Dodo
  • Marcello Marcello
  • Shuttle

2009

2010

  • Bloch (die Folge 'Verfolgt')

Als Filmautor

1988

  • Stockhausen – Lichtwerke

1990

  • Stockhausen: Michaels Reise

1991

1992

  • 22708 Types
  • Dennis Hopper as Collector and Artist
  • Dixieland Jazzfestival Enkhuizen

1993

  • United Jazz & Rock Ensemble in Concert

1994

  • Gerhard Richter
  • The Alphabet of Shapes

1995

1996

  • The Modern String Quartet

1997

  • Hollywood Halloween

1998

  • Musik im Spiegel der Gefühle

2000

  • German Hollywood Dreams

2003

  • Dennis Hopper: Spiel oder Stirb (Dennis Hopper: Create or Die)

2004

  • Ninth November Night

Als Künstler im Bereich Multi-Media

1990–2010

  • Raw material: Bewegte Bilder (Video-Installation für 1 bis unendlich viele Digitale Leinwände)

1991

  • Peefeeyatko (Audio-Visueller Installationsfilm gemeinsam mit Frank Zappa)

1992

  • One 11 and 103 (Audio-Visueller Installationsfilm gemeinsam mit John Cage)

1993

1994

  • The Black Box of Culture (Audio-Visueller Installationsfilm gemeinsam mit Brian Eno)

1995–1996

  • Raw Material: Bewegte Bilder (Audio- und Video-Installation für 11 Audio und Video-Monitorpaare)

1996

Einzelnachweise

  1. Who’s Who in the World 2005, New Jersey 2004, S. 1318.
  2. Interview with Xenakis, Computer Music Journal 10, Nr. 4 1986, S. 48–53; Xenakis and the UPIC, Computer Music Journal 10, Nr. 4 1986, S. 42–47; Xenakis Werkliste und Auswahlbibliographie, MusikTexte 13, 1986, S. 50–59.
  3. http://www.stockhausen.org/auswahl_von%20_filmen.pdf
  4. Barry Miles: Zappa a Biography, New York 2004, S. 368; Michael Gray: Mother! The Frank Zappa Story, London 1993, S. 232.
  5. http://www.imdb.com/title/tt0167330/plotsummary
  6. International Visual Music Awards – Cannes, January 1992, nominated in Category: TV Programme – Classical Music Documentary
  7. Henning Lohner: Der Spielfilm 'One 11 and 103' von John Cage. Ein persönlicher Entstehungsbericht, in: Mehr Licht, VVS Saarbrücken (Hg.), Berlin 1999, S. 123.
  8. http://www.medienkunstnetz.de/werke/one11-and-103/
  9. Henning Lohner: The Making of Cage’s One 11, in: Writings through John Cage’s Music, Poetry, and Art, David W. Bernstein and Christopher Hatch (Hg.), Chicago University Press 2001.
  10. http://www.moderecords.com/catalog/197cage.html
  11. World Wide Video Festival Catalogue (11/4 – 17/4 1994), Stichting World Wide Video Centre (Hg.), Den Haag 1994, S. 101; Videofest 10.–20. Februar 1994 Mediopolis, Berlin e.V. (Hg.), S. 91; Das Medienkunstfestival des ZKM Karlsruhe 1995, Katalog der Ausstellungen und Veranstaltungen, Zentrum für Kunst und Medientechnologie Karlsruhe (Hg.), S. 78.
  12. Henning Lohner: Die Rache der toten Indianer. Zur Frage der Dokumentation als Kunstform, in: Bandbreite. Medien zwischen Kunst und Politik, Andreas Broeckmann, Rudolf Frieling (Hg.), Berlin 2004, S. 50–57.
  13. World Wide Video Festival Catalogue 1996, Stichting World Wide Video Centre (Hg.), Den Haag, S. 219.
  14. Realismus. Das Abenteuer der Wirklichkeit. Christiane Lange und Nils Ohlsen (Hg.), München 2010, S. 107.
  15. http://www.centrepompidou.fr/Pompidou/Manifs.nsf/0/D3E99E41E162D407C12576D500398AD7?OpenDocument&sessionM=2.10&L=1
  16. http://www.e-flux.com/shows/view/6207
  17. More Music with Media Ventures, in: Keyboard. The World’s Leading Music Technology Magazine, April 1999, S. 33; Die Magie der Filmmusik, in: Keyboards, Mai 1999, S. 31; Du 754 – Augen zu, Film ab. Ein Handbuch zum Soundtrack, März 2005, S. 24.
  18. Interview mit Henning Lohner, in: Keys 7, Juli 2002, S. 100.
  19. Dietmar Elger: Gerhard Richter, Maler, Köln 2002, S. 403, S. 404.
  20. 8. VideoFest 95, 9.2. bis 19.2., Mediopolis Berlin e.V., S. 31, S. 51.
  21. Academy Of Motion Picture Arts And Sciences, Mitteilung vom 14. Januar 2005 an Henning Lohner.

Weblinks


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