Herrenhaus Wellingsbüttel

Herrenhaus Wellingsbüttel
Das Herrenhaus in Wellingsbüttel (2006) - Front
„Wellingsbüttel im Besitz des Herrn Jauch“ - Lithographie nach Adolf Hornemann (1850) - Parkseite
Das dem Herrenhaus vorgelagerte Torhaus
Eugen Krüger: Gut Wellingsbüttel, Landpartie, links Carl und Louise Jauch geb. von Plessen (1868)

Das Herrenhaus Wellingsbüttel ist das Herrenhaus des ehemaligen, 1296 erstmals erwähnten und bis 1806 reichsfreien Rittergutes Wellingsbüttel, dessen Gebiet 1937 durch das Groß-Hamburg-Gesetz nach Hamburg eingemeindet wurde. Es ist heute das Zentrum des nach Gut Wellingsbüttel benannten Hamburger Stadtteils Wellingsbüttel im Bezirk Wandsbek. Die wechselnden Eigentümer Gut Wellingsbüttels waren vom Beginn des 15. bis Anfang des 20. Jahrhunderts nacheinander die Erzbischöfe von Bremen, Dietrich Reinkingk, die Freiherrn von Kurtzrock, König Friedrich VI. von Dänemark und Norwegen, Hercules Roß, die Hamburger Großbürger Jauch, die Bankierswitwe Cäcilie Behrens und Otto Jonathan Hübbe. Wellingsbüttel war Anfang des 19. Jahrhunderts Sitz des Herzogs Friedrich Karl Ludwig von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Beck, Ahnherr nahezu sämtlicher europäischer Königshäuser des 20. Jahrhunderts. Unter den Hamburger Großbürgern Jauch wurden Gut Wellingsbüttel und das Herrenhaus zu einem Mittelpunkt hanseatischer Lebensart im 19. Jahrhundert. Das denkmalgeschützte Ensemble aus Herren- und Torhaus an der Alster liegt heute inmitten des unter Naturschutz stehenden Alstertales. Das Torhaus beherbergt das Alstertalmuseum.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte des Gutes Wellingsbüttel

In bremischem Besitz / Reichsunmittelbarkeit des Gutes

Wellingsbüttel, erstmals 1296 urkundlich erwähnt, gelangte 1412 in den Besitz der Bremer Erzbischöfe, die es vornehmlich an Hamburger Domherren verpfändeten. 1542 wurde Wellingsbüttel bis 1572 an Mitglieder der Familie Kalenberg als Gnadenlehn, also nicht erblich verlehnt, die ein erstes „Lusthaus nach der Alster hin“ errichteten. Nach verschiedenen weiteren Belehnungen erhielt 1643 der Kanzler des letzten Bremer Erzbischofs, Dietrich Reinkingk, das Gut als Mannlehen, also mit der Möglichkeit, es zu vererben. Mit dem Westfälischen Frieden 1648 gelangte das Gut an Schweden. Königin Christine bestätigte 1649 den Besitz Reinkingks und erhob das Gut zum Allodialgut. Dadurch wurde Wellingsbüttel ein freier, vererbbarer Besitz, der keinem Lehnsherrn mehr unterstand. Wellingsbüttel erlangte unter dem Juristen Reinkingk eine sehr eigentümliche staatsrechtliche Stellung. Reinkingk, nun Pfalzgraf und damit befugt, beim Kaiser Recht zu suchen, betrachtete sein Gut als reichsunmittelbares Gut, das keinen Richter mehr über sich hatte als den Kaiser höchstpersönlich.

Im Besitz der v. Kurtzrock / Entstehung der Baulichkeiten

1673 kaufte Theobald von Kurtzrock das Gut Wellingsbüttel. Er war kaiserlicher Resident in Bremen und Thurn- und Taxischer Postmeister. Die von Kutzrock lenkten die Geschicke des Gutes bis 1806. Um 1750 ließ Maximilian Günther von Kurtzrock, Minister des Niedersächsischen Kreises und Oberpostmeister zu Hamburg, das Herrenhaus in Wellingsbüttel errichten. 1757 schuf Georg Greggenhofer, fürstbischöflicher Hofbaumeister aus Eutin, für ihn das Torhaus als Fachwerkbau. Nach Streit über die Reichsunmittelbarkeit des Gutes ließ der dänische Kronprinz 1806 das Gut besetzen, so dass der Gutsherr Clemens August von Kurtzrock genötigt war, es an König Friedrich VI. von Dänemark und Norwegen zu verkaufen.

Im Lehnsbesitz des Herzogs von Holstein-Beck / Erhebung zum Kanzleigut

1810 belehnte der dänische König seinen Verwandten Herzog Friedrich Carl Ludwig von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Beck mit dem Gut. Der Herzog war Königlich-Preußischer Generalleutnant gewesen und dann in Russische Dienste getreten. 1810 wurde er dänischer General. Er ist Vorfahr der Britischen Königsfamilie – sowohl von Elisabeth II. als auch ihres Gemahls Philip Mountbatten, Duke of Edinburgh, des Dänischen Königshauses, des Norwegischen Königshauses, des vormaligen Griechischen Königshauses und der Königin Sophia von Spanien. Herzog Friedrich Karl Ludwig starb 1816. Während seines Besitzes wurde Wellingsbüttel zum Kanzleigut erhoben. Ein der Königlich-Dänischen Kanzlei in Kopenhagen direkt unterstelltes Kanzleigut war der örtlichen Gerichtsbarkeit entzogen, übte eigene Patrimonialgerichtsbarkeit und besaß Hoheitsrechte gegenüber den anderen Ortsbesitzungen.

Blütezeit des Kanzleigutes unter den Hamburger Großbürgern Jauch

Johann Christian Jauch junior
auf dem Weg zur Jagd
auf Wellingsbüttel um 1850
Friederica Jauch (1809–1864) Herrin auf Wellingsbüttel
Jauchsche Jagdkapelle auf Wellingsbüttel (1885)
Das legendenumwobene „Demaskierungsbild“ aus dem Mittelsaal des Herrenhauses (unbekannter Künstler, um 1760)

Nachdem zunächst der Hamburger Kaufmann Hercules Roß das Gut erworben hatte, ging es 1846 im Wege der Versteigerung in den Besitz von Johann Christian Jauch junior (1802-1880) und seinem Sohnes Carl Jauch (1828-1888) über. Die Jauch waren Großbürger zu Hamburg. Johann Christian Jauch junior betrieb mit seinem Vater Johann Christian Jauch senior (1765−1855) und seinen Brüdern die in Hamburg führende Holzgroßhandlung J. C. Jauch & Söhne. Durch den Brand der Stadt Hamburg im Jahre 1842 und den jahrelangen Wiederaufbau der zerstörten Stadtteile war die Familie zu beträchtlichem Reichtum gelangt.

Unter den Jauch erlebte das Gut seine Blütezeit. Im Gegensatz zu den wohlhabenden Gutsherren war die Lage der Bewohner des Dorfes Wellingsbüttel desolat. Das Dorf und seine Armenlasten waren bereits unter dem Besitz von Herzog Friedrich Carl Ludwig von Holstein-Beck von dem Gut getrennt worden. Viele seitdem auf ihren Flächen selbständige Kleinbauern gerieten in Armut, verloren ihr Land in Konkursverfahren oder verkauften es an die Jauch. Bis 1876 erwarben die Jauch acht umliegende Besitzungen hinzu, darunter das Landhaus „Grüner Jäger“ sowie den bei Hamburger Ausflüglern geschätzten Gasthof Sander. Die Jauch ließen mit Ausnahme des Landhauses „Grüner Jäger“, das sie als Jagdhaus nutzten, sämtliche Gebäude auf den hinzuerworbenen Flächen niederlegen. Sie fügten die Ländereien, mit denen sie das Gut, in dem bereits der frühere Landsitz der Hamburger Familie Sillem an der Alster aufgegangen war, von anfangs 110 ha auf 250 ha vergrößerten, dem Gutspark zu.

Die ohnehin nicht besonders ertragreiche Landwirtschaft trat unter den Jauch in den Hintergrund - Wellingsbüttel wandelte sich zum hanseatischen Landsitz und wurde Schauplatz ausgedehnter Jagden und gesellschaftlicher Ereignisse. Die jagdliebenden Jauch ließen - wie schon neben ihrem Stadthaus am Stadtdeich in Hamburg, bei dem sich gar ein Bärenzwinger befand - hinter dem Herrenhaus einen Hirschpark anlegen, der nebenbei die Anziehungskraft Wellingsbüttels als beliebte Landpartie der Hamburger noch vergrößerte. Zur Erweiterung der Jagdmöglichkeiten pachteten die Jauch zu den eigentlichen Gutsflächen den landschaftlich reizvollen Duvenstedter Brook hinzu und setzten dort Fasane aus. Die von den Jauch nach Wellingsbüttel geholten Bediensteten, insbesondere die für die große Haushaltung benötigten Köchinnen, sind Stammeltern einer Reihe heute in Wellingsbüttel ansässiger Familien geworden.

1883 wurde auf Wellingsbüttel der spätere Oberst und Freikorpsführer Hans Jauch († 1965) geboren.

Wandel des Gutes zu einem Villenvorort Hamburgs

1888 erwarb die Bankierswitwe Behrens das Gut von den Erben des Carl Jauch (1828-1888), baute das Herrenhaus um, starb aber bereits 1891. Neuer Besitzer wurde der Hamburger Kaufmann Otto Jonathan Hübbe, der es 1910 in die Alsterthal-Terrain-Gesellschaft m.b.H. einbrachte, die 1912 in der Alsterthal-Terrain-Actien-Gesellschaft (ATAG) aufging. Mitgesellschafter waren die vormaligen Gutsbesitzer der Nachbargüter Poppenbüttel und Sasel. Ziel waren die Aufsiedlung des Alstertals und die Versilberung des Besitzes der Grundeigentümer, die ihre Güter in die ATAG eingebracht hatten. Das Unternehmen scheiterte jedoch - die ATAG geriet nach dem Ersten Weltkrieg in Konkurs. Die letzten landwirtschaftlichen Flächen verschwanden nach dem Zweiten Weltkrieg, Wellingsbüttel verstädterte endgültig und ist heute ein Villenvorort Hamburgs.

In dem Herrenhaus, das in den Besitz der Stadt Hamburg gelangte, war von 1964 bis 1996, als die Stadt das Anwesen verkaufte, ein Teil des 1962 gegründeten Hansa-Kollegs untergebracht. Das Hansa-Kolleg, zu dem auch ein Wohnheim gehörte, war die einzige Ganztagsschule in der Stadt, an der Erwachsene auf dem Zweiten Bildungsweg Abitur machen konnten. Seit 1996 ist das Hansa-Kolleg in Barmbek-Süd untergebracht.

Baulichkeiten

Theobald Joseph v. Kurtzrock errichtete um etwa 1750 das Herrenhaus Wellingsbüttel und 1757 das Torhaus. Das Herrenhaus, dessen Baumeister unbekannt ist, ist nicht gänzlich in seiner ursprünglichen Gestalt erhalten. Es wurde 1888 durch den Architekten Martin Haller um ein Geschoss aufgestockt. Das Herrenhaus ist ein neunachsiger Barockbau mit Mittelrisalit, hinter dem der zentrale Saal des Herrenhauses liegt. Der Entwurf des Torhauses stammt von Georg Greggenhofer. Ausgeführt wurde der Plan von dem Maurermeister Leptien. Das Torhaus ist dem Backsteinbarock zuzurechnen. Es trägt einen Dachreiter und eine Uhr. Das Torhaus ist heute ist wegen seiner Nutzung als Heimatmuseum und Veranstaltungsort zum kulturellen Mittelpunkt des Alstertals geworden. Beide Gebäude stehen unter Denkmalschutz.

Tourismus

  • Das Alstertalmuseum des Alstervereins im Torhaus Wellingsbüttel, Wellingsbüttler Weg 75a, 22391 Hamburg,
  • Der Bürgerverein Wellingsbüttel mit seinem Kulturkreis Torhaus hat sich gegenüber der Stadt Hamburg verpflichtet, den von ihm genutzten Teil der Torhauses zu erhalten und das Haus mit kulturellem Leben zu füllen. Pro Jahr werden ca. 35 bis 45 Veranstaltungen wie Konzerte jeder Art, Dichter- und Autorenlesungen, Ausstellungen, Vorträge, Seminare und Kurse, Kinovorführungen, Fahrten zu literarischen und geschichtlichen Stätten und Kunstführungen angeboten. Der Weihnachtsmarkt der Kunsthandwerker sowie ein in Planung befindlicher Ostermarkt runden das Angebot ab.
  • Das Herrenhaus wird als Seniorenresidenz genutzt. Dies beinhaltet eine teilweise Nutzung als öffentliches Café mit Gartenterrasse und – im Kellergeschoss – als Beauty- und Wellnessfarm.

Lage

Wellingsbütteler Weg 75, D-22391 Hamburg-Wellingsbüttel

Literatur und Quellen

  • Natalie Bombeck, Jauchs Vorfahren waren Wellingsbütteler, in: Hamburger Abendblatt vom 25. Januar 2007
  • Fiege, Hartwig, Geschichte Wellingsbüttels - Vom holsteinischen Dorf und Gut zum hamburgischen Stadtteil, Neumünster 1982 ISBN 3-529-02668-9
  • Fiege, Hartwig, Über die Wellingsbütteler Gutsbesitzerfamilie Jauch in: Jahrbuch des Alstervereins 1984, Hamburg 1984
  • Lenz, Martin, Das Patrimonialgericht Wellingsbüttel und das Teilgericht Dörringworth, 1963
  • Rackowitz, Dorothee, und Caspar von Baudissin: 700 Jahre Wellingsbüttel 1296-1996,Hamburg 1993 ISBN 3-925-80006-9

Weblinks

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