Horthy von Nagybánya

Horthy von Nagybánya

Miklós Horthy [ˈmikloːʃ ˈhorti] (amtlich ungarisch vitéz nagybányai Horthy Miklós, deutsch Held Nikolaus Horthy von Nagybánya; * 18. Juni 1868 in Kenderes, Komitat Jász-Nagykun-Szolnok (Österreich-Ungarn); † 9. Februar 1957 in Estoril, Portugal) war österreichisch-ungarischer und ungarischer Offizier, dann Politiker und Staatsoberhaupt in Ungarn.

Miklós Horthy

Inhaltsverzeichnis

Privatleben und Laufbahn

Horthy stammte aus einer in der Großen Ungarischen Tiefebene ansässigen Familie des Kleinadels, die dem calvinistischen Glauben angehörte.

Sein amtlicher Titel „Held“ bezieht sich auf die von ihm initiierte und durch das Gesetz XXXVI/1920 § 77 begründete Vitézi Rend (etwa: Orden der Helden. Alternative Übersetzungen: Heldenrecht, Heldengesetz, Heldenverordnung).

Von Anfang an zu einer militärischen Karriere entschlossen, war er 1909 bis 1914 Flügeladjutant Kaiser Franz Josephs I. Während des Ersten Weltkriegs stieg er bis Kriegsende 1918 zum Konteradmiral auf und war letzter Oberbefehlshaber der k. u. k. Kriegsmarine.

Nach dem Sturz der Habsburger in Ungarn und der Etablierung einer kommunistischen Räterepublik unter Béla Kun 1919 trat er als Verteidigungsminister in die in Szeged gebildete konservativ-reaktionären Gegenregierung ein, und leitete den Kampf gegen die Räte-Regierung. Nach dem Sieg zog er an der Spitze der konservativen Truppen (Nationalarmee) am 16. November 1919 in Budapest ein. In den Jahren 1919/20 kam es zu zahlreichen Aktionen des „Weißen Terrors“ gegen Sozialisten, Kommunisten und Juden. Formal gehörte ein Großteil der Täter zur Nationalarmee. Die Frage, inwieweit Horthy für deren Taten direkt verantwortlich war, ist umstritten.

Miklós Horthy, 1927. Gemälde von Philip Alexius de László

Zwar wurde von der neuen Regierung umgehend die Monarchie in Ungarn wiederhergestellt, doch war an eine Rückkehr der Habsburger aus innen- und vor allem außenpolitischen Gründen vorläufig nicht zu denken. So wählte die ungarische Nationalversammlung am 1. März 1920 Horthy als Reichsverweser (ungar. kormányzó) mit 131 von 141 Stimmen zum provisorischen Staatsoberhaupt. Er blieb nach der offiziellen Absetzung des Hauses Habsburg-Lothringen Staatsoberhaupt der „Monarchie ohne König“ bis zu seiner von den zuvor verbündeten Deutschen erzwungenen Abdankung und anschließenden Verhaftung im Jahr 1944, nachdem er versucht hatte, mit der Sowjetunion einen Waffenstillstand abzuschließen.

Er heiratete 1901 Magdolna Purgly. Sie hatten vier gemeinsame Kinder, zwei Söhne, Miklós und István, und die Töchter Magdolna und Paula. István Horthy war ab 1941 Stellvertreter seines Vaters. Er starb als Jagdflieger der ungarischen Luftwaffe an der Ostfront im Jahre 1942.

Nach 1945 wurde Horthy auf Druck der Vereinigten Staaten aus der Haft entlassen, nicht als Kriegsverbrecher angeklagt und ging nach Portugal ins Exil. Er verteidigte in seinen letzten Lebensjahren immer wieder seine revisionistische Außenpolitik und erklärte, nur das Beste für sein Land gewollt zu haben (siehe seine Autobiographie unten). Die stalinistische Herrschaft in Ungarn und die Niederschlagung des Aufstands von 1956 verurteilte er.

Horthy als Staatsoberhaupt

Innenpolitik

In Horthys Ungarn wurde das Konzept des Volksnationalen entworfen, das den authentischen, ungarischen Charakter betonte. Der Liberalismus wurde als etwas Fremdes und Ursache allen Übels abgelehnt, die Konzeption des völkischen Nationalismus aufgestellt. Es wurde postuliert, dass das ungarische Volk einen ihm innewohnenden spezifischen Charakter besitze. Den Juden Ungarns wurde vorgeworfen, die ungarische Kultur zu gefährden. Da an der Räterepublik 1919 viele Juden teilgenommen hatten, wurde fortan das Wahnbild des „Judeobolschewisten“ entworfen.

Horthy war als Konservativer bestrebt, die Gesellschaftsordnung Ungarns unversehrt zu bewahren, wozu die Bewahrung der Adelsprivilegien und dessen führende Rolle im Staatswesen gehörte. Obwohl Horthy der Gegenregierung von Szeged vorgestanden und deren Programm vertreten hatte, schwächte er die Radikalität des „Programmes von Szeged“ ab, das auf eine rechtsradikale Umwälzung gezielt hatte. Obwohl Horthy paternalistisch auch die Arbeiter und Bauern in sein Staatswesen integrieren wollte, führte er im Interesse des Adels keine allgemeine Landreform durch. So erscheint Horthys Ungarn neben den autoritär regierten Staaten der Epoche als merkwürdiger Anachronismus.

Außenpolitik

Zuerst musste Horthy die einschneidenden Bedingungen des Friedens von Trianon 1920 akzeptieren, durch die Ungarn zwei Drittel seines Vorkriegsterritoriums und einen ebenso großen Teil seiner Vorkriegsbevölkerung verlor. Allerdings handelte es sich bei dem verlorenen Territorium nicht um Gebiete mit überwiegend magyarischer Bevölkerung. In der Folge stellte er sich an die Spitze einer revisionistischen und irredentistischen Politik, die unter dem Motto Nem, nem, soha! („Nein, nein, niemals!“) bestrebt war, alle verlorenen Gebiete zurückzugewinnen, um das Königreich des Heiligen Stephan in seinen historischen Grenzen wiederherzustellen. Dieser Wunsch führte später zur Zusammenarbeit mit dem nationalsozialistischen Deutschen Reich.

Im Bewusstsein der militärischen Schwäche seines Landes, aber auch unter vernünftiger Einschätzung der antihabsburgischen Stimmung in weiten Kreisen der Bevölkerung verhinderte Horthy 1921 zwei Restaurationsversuche von König Karl IV.; der zweite endete mit einem Gefecht beim Budapester Vorort Budaörs am 29. Oktober 1921. Da die Staaten der Kleinen Entente jede Habsburg-Restauration als Kriegsgrund angesehen hätten, wurde der König nach Madeira verbannt und das Haus Habsburg vom ungarischen Thron abgesetzt.

Weil Ungarn für eine revisionistische Politik allein zu schwach war, bemühte sich das Land um Verbündete. Dies führte dann in den 1930er Jahren zu einem engen Anschluss an das faschistische Italien Mussolinis und das austrofaschistische Österreich von Engelbert Dollfuß. Diese von Horthy nachdrücklich unterstützte Politik fand in den Römischen Protokollen vom 17. März 1934 ihren Kulminationspunkt, konnte dann aber aufgrund der zunehmenden Schwäche Österreichs und Italiens keine Wirkung mehr entfalten.

Stattdessen stützte sich Horthys Ungarn zunehmend auf das Deutsche Reich, die stärkste revisionistische Macht. Diese Politik trug nach dem Münchener Abkommen von 1938 erste Früchte im Ersten Wiener Schiedsspruch vom 2. November 1938, mit welchem Teile der Slowakei an Ungarn kamen. 1940 trat Ungarn dem Dreimächtepakt der sogenannten Achsenmächte Deutschland, Italien und Japan bei. Aufgrund Hitlers Vermittlung erhielt Ungarn im Zweiten Wiener Schiedsspruch 1940 einen überwiegend von den ungarischsprachigen Szeklern bewohnten Teil Siebenbürgens von Rumänien zurück.

Antisemitismus und Holokaust

Das erste antijüdische Gesetz unter Horthy – einen speziellen Numerus clausus für jüdische Studenten umfassend – stammte aus dem September 1920. Ab dem Jahr 1938 wurde in Ungarn eine Reihe antijüdischer Gesetze erlassen. Diese Gesetze trugen Züge der Nürnberger Rassengesetze. Entgegen den Wünschen der deutschen Regierung weigerte sich Ungarn allerdings, seine jüdischen Einwohner auszuliefern bzw. deren Transport in Lager zuzulassen.

Diese Situation änderte sich, als sich nach der deutschen Besetzung die Marionettenregierung unter Döme Sztójay aktiv am Holocaust beteiligte. Die Deportation ungarischer Juden nach Auschwitz begann am 15. Mai 1944 und hielt bis zum 9. Juli 1944 an, bis Horthy die Transporte stoppen ließ und die jüdische Bevölkerung von Budapest damit weitgehend verschonte. Dies geschah auf internationalen Druck, u. a. aus Schweden, den Vereinigten Staaten und dem Vatikan, nachdem die so genannten Auschwitz-Protokolle übermittelt worden waren. 437.000 Juden waren bis zu diesem Zeitpunkt bereits deportiert worden.

Nur ein Viertel der vormals über 800.000 ungarischen Juden überlebte den Holokaust.

Einzelnachweise

Siehe auch

Literatur

a) Autobiographie

  • Ein Leben für Ungarn, Estoril (Portugal): 1953

b) Biographische Sekundärliteratur

  • Thomas Sakmyster: Hungary’s admiral on horseback : Miklós Horthy, 1918 – 1944. In: East European Monographs, Boulder 1994, ISBN 0-88033-293-X
    • Deutsche Übersetzung – Thomas Sakmyster: Miklos Horthy. Ungarn 1918–1944. Edition Steinbauer, Wien 2006, ISBN 3-902494-14-X
  • Peter Gosztony: Miklós von Horthy. Musterschmidt, Göttingen/Zürich/Frankfurt (Main) 1973, ISBN 3-7881-0076-1

c) Politisch-historische Literatur zur Zeit

  • Mario D. Fenyo: Hitler, Horthy, and Hungary. Yale University Press, New Haven 1972, ISBN 0-300-01468-6
  • Margit Szöllösi-Janze: Die Pfeilkreuzlerbewegung in Ungarn – Historischer Kontext, Entwicklung und Herrschaft. Oldenbourg, München 1989, ISBN 3-486-54711-9
  • Hans Georg Lehmann: Der Reichsverweserstellvertreter – Horthys gescheiterte Planung einer Dynastie. v. Hase & Koehler, Mainz 1975, ISBN 3-7758-0890-6

d) Weiterführende Literatur, Belletristik

  • János Székely: Verlockung, autobiographisch inspirierter Roman, btb 2007, ISBN 3-442-73510-6

Weblinks


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