- Hypathia
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Hypatia von Alexandria (griechisch Υπατία, * um 370 in Alexandria; † März 415 oder 391, ebenda) war eine Mathematikerin, Astronomin, Mechanikerin und Philosophin. Sie unterrichtete am Museion von Alexandria, dem auch die berühmte Bibliothek angeschlossen war und wird dem Neuplatonismus zugerechnet.
Inhaltsverzeichnis
Leben und Werk
Zu Hypatias Leben und Werk gibt es nur wenige und wenig verlässliche Quellen. An erster Stelle ist der ihr gewidmete Artikel in dem byzantinischen Lexikon der Suda (entstanden um 970) zu nennen, der viel Romanhaftes aus zweiter Hand enthält. Etwas verlässlicher sind möglicherweise die Informationen, die ihr Zeitgenosse, der spätantike Kirchenhistoriker und Zeitgenosse Sokrates Scholastikos (380-450) in seiner Kirchengeschichte bietet. Die dritte wichtige Quelle sind Briefe und Schriften des Bischofs Synesios von Kyrene, der ihr Schüler war und auch danach noch ihren Rat sehr geschätzt hat. Alle späteren Berichte schöpfen aus diesen Quellen.
Hypatia war die Tochter des Mathematikers und Philosophen Theon von Alexandria, der vor ihr als Gelehrter am Museion von Alexandria tätig war. Ihr Vater unterrichtete sie zunächst in der Mathematik. Sie dehnte ihre Studien dann weiter auf Philosophie, Astronomie und Musik aus und versammelte nach und nach einen Kreis von Schülern um sich, den sie zunächst in ihrem Hause unterwies. Vielleicht hat es sich dabei um eine Art philosophisch-literarischen Salon gehandelt, wie wir ihn im 18. Jahrhundert wiederfinden. Es wird vielfach erwähnt, dass Hypatia ausgezeichnete Beziehungen zu den führenden Politikern Alexandrias, insbesondere zu dem römischen Präfekten Orestes unterhielt, was ihr schließlich zum Verhängnis wurde. Ihr Ansehen in Alexandria soll so gewaltig gewesen sein, dass sie - obwohl weiblichen Geschlechts - auf den Lehrstuhl für platonische Philosophie am Museion von Alexandria berufen wurde. Der bereits oben erwähnte Sokrates Scholastikos porträtiert sie in seiner Kirchengeschichte wie folgt:
„Es gab in Alexandria eine Frau mit Namen Hypatia, Tochter des Philosophen Theon, die in Literatur und Wissenschaft so erfolgreich war, dass sie alle Philosophen ihrer Zeit übertraf. Zugelassen zur Schule Platons und Plotins hielt sie Vorlesungen über die Grundlagen der Philosophie. Viele Hörer kamen von weither, um von ihr unterrichtet zu werden. Dank ihres souveränen Auftretens und ihrer eleganten Erscheinung, die sie sich als Folge ihrer Geisteskultur angeeignet hatte, erschien sie häufig in der Öffentlichkeit in Gegenwart hoher Staatsbeamter. Sie scheute sich auch nicht, in öffentliche Versammlungen von Männern zu gehen. Alle Männer bewunderten sie dafür auf Grund ihrer außerordentlichen Würde und Tugend um so mehr“
– Sokr. Schol., 7,15
Der Gelehrten werden mehrere schriftliche Werke zugeschrieben, darunter Kommentare zu Diophantos' Arithmetik, zu den Konica (Kegelschnitten) des Apollonios von Perge und zu Werken des Mathematikers und Astronomen Ptolemäus. Da originale Schriften nicht überliefert sind, können wir uns über den Rang ihres Werks kein eigenes Bild machen. In der Antike war ihr Ruf legendär. Wegen der mehrfach erwähnten astronomischen Instrumente (manche Autoren schreiben ihr die Erfindung des Astrolabiums zu), die sie in ihrem Unterricht verwendet haben soll, ist davon auszugehen, dass sie ihre Hörer durch anschaulich-experimentellen Vortrag beeindruckte, also den Naturwissenschaften einen großen Stellenwert in ihrer Lehre einräumte. Von ihrem einzigartigen, allenfalls mit dem Ansehen der Dichterinnen Sappho und Korinna oder der Aspasia vergleichbaren Ruhm zeugen folgende, in der Anthologia Palatina überlieferten Verse des griechischen Dichters Palladas, der in Alexandria lebte (Übersetzung):
„Darf ich dich sehen, hören, huldige ich kniend,
das Sternenhaus vor Augen, wo die Jungfrau wohnt.
Denn auf zum Himmel weist dein Handeln und die Kunst,
mit der du sprichst, erhabene Hypatia,
du strahlendes Gestirn geistreicher Wissenschaft!“Hypatias Tod
Der Neuzeit ist Hypatia vor allem auf Grund ihrer grausamen Ermordung in Erinnerung geblieben. Sie wurde im Jahr 415 von fanatisierten Christen getötet. Über die Einzelheiten der Tat und ihre Hintergründe gibt es unterschiedliche Darstellungen. Der Kirchenhistoriker Sokrates Scholastikos schreibt im Anschluss an den oben zitierten Absatz wie folgt:
„Aber sogar sie fiel dem politischen Neid zum Opfer, der zu jener Zeit herrschte. Denn da sie häufig mit Orestes Gespräche führte, wurde unter der christlichen Bevölkerung verleumderisch verbreitet, dass sie es sei, die Orestes daran hindere, sich wieder mit dem Bischof (d. h. mit Kyrill von Alexandria) zu versöhnen. Daher lauerten ihr einige, die von einem wilden und scheinheiligen Ehrgeiz getrieben wurden, deren Anführer ein Vorleser namens Petros war, auf ihrem Heimweg auf, zogen sie aus ihrer Kutsche, brachten sie in die Kirche namens Kaisarion, wo sie sie nackt auszogen und sie dann mit Ziegelsteinen erschlugen. Nachdem sie ihren Körper in Stücke gerissen hatten, brachten sie ihre verstümmelten Glieder zu einem Ort namens Kinaron und verbrannten sie dort. Diese Sache brachte eine nicht geringe Schmach, nicht nur über Kyrill, sondern über die ganze Alexandrinische Kirche. Und mit Sicherheit kann nichts weiter vom Geiste des Christentums entfernt sein, als derartige Massaker, Gewalttaten und Misshandlungen zuzulassen! Dies geschah im März, während der Fastenzeit, im vierten Jahr von Kyrills Episkopat (das heißt hier: Amtszeit als Patriarch), unter dem zehnten Konsulat des Honorius, und dem sechsten des Theodosius (d. h. 415 n. Chr.).“
– Sokr. Schol., 7,15
Der koptische Bischof Johannes von Nikiu, ein Autor des 7. Jahrhunderts, beschreibt ihre Ermordung in seiner Weltchronik folgendermaßen, wobei er sich offensichtlich auf Sokrates Scholastikos stützt, aber zu einer völlig gegensätzlichen Bewertung kommt:
„Und eine Menge Gläubiger erhob sich unter der Führung des Ratsherrn Peter - dieser Peter war ein vollkommen rechtgläubiger Anhänger Jesu Christi - und sie zogen los, die Heidin zu suchen, die das Volk und den Präfekten durch ihre Zauberkünste behext hatte. Und als sie erfuhren, wo sie war, drangen sie zu ihr vor und fanden sie in einer Sänfte sitzen; und sie zwangen sie, auszusteigen und schleiften sie mit und brachten sie zur großen Kirche Caesarion. Es war Fastenzeit. Sie rissen ihr die Kleider vom Leib und schleiften sie durch die Straßen, bis sie tot war. Dann brachten sie sie zu einem Ort, der Cinaron hieß, und verbrannten ihren Leichnam mit Feuer. Und alles Volk versammelte sich um den Patriarchen Kyrillos und nannte ihn den neuen Theophilus dafür, dass er die letzten Reste der Götzenverehrung in der Stadt zerstört hatte.“
Eine etwas andere Version von der Ermordung der Hypatia bringt Walker (1993) gestützt auf Edward Gibbon:
„Auf dem Wege zur Akademie, an der sie lehrte, lauerte ihr eine Bande Mönche auf. Sie zerrten sie aus ihrem Wagen in eine Kirche und rissen ihr die Kleider vom Leib. Dann kratzten sie ihr mit Austermuscheln das Fleisch von den Knochen und verbrannten, was übrig blieb. All dies geschah auf Befehl des heiligen Kyrillos, des Patriarchen von Alexandria. Mit Hilfe wohlplatzierter Geschenke an die zivilen Behörden erreichten Kyrillos und seine Mönche, daß die offizielle Untersuchung zur Ermittlung der Mörder Hypatias eingestellt wurde.“
Die Ursache dieses Mordanschlags ist nicht gänzlich geklärt. Nach überwiegender Meinung lag der an Hypatia exemplarisch inszenierten Heidenverfolgung ein schwelender Konflikt zwischen dem weltlichen Stadtoberhaupt Orestes (der aber persönlich ebenfalls ein Christ war) und dem später heilig gesprochenen Bischof Kyrill von Alexandria zugrunde. Hypatia lebte zu einer Zeit heftiger Machtkämpfe zwischen den gemäßigten „Heiden“ und Christen in Alexandria auf der einen Seite und fanatischen, fundamentalistischen Christen auf der anderen, welche die endgültige Vernichtung des Heidentums forderten, wobei auch manche sogenannte Heiden blutig gegen die Christen vorgingen. Im Jahr 391 hatte der Patriarch Theophilus von Alexandria alle heidnischen Tempel zerstören lassen. Ein Dekret des Kaisers Theodosius I. hatte die Zerstörung des Serapeums befohlen, eines Heiligtums in Alexandria (Tempel und Zweigstelle der großen Bibliothek), nachdem sich dort heidnische Fanatiker verschanzt, Christen zum Opfern gezwungen und mehrere von ihnen ermordet hatten. Theodosius ließ zwar die Morde auf sich beruhen, ließ aber das Heiligtum zerstören. Möglicherweise, aber nicht gesichert, fiel dieser Zerstörungsaktion auch das Museion als Tempel der Musen zum Opfer.
Einigen Einblick in die politischen Wirren der Zeit bieten die Briefe, die Hypatias prominentester Schüler und Bewunderer, der spätere Bischof Synesios von Kyrene (370-413), an sie geschrieben hat. In einem Brief (Nr. 154) beklagt er sich über die christlichen Eiferer:
„Ihre Philosophie besteht in der simplen Formel, stets Gott als Zeugen anzurufen, wie es Platon tat, wenn sie etwas behaupten oder bestreiten. Jeder Schatten würde diese Leute übertreffen, wenn er sich zu irgendetwas äußern würde. Aber ihre Anmaßung ist enorm.“
In diesem Brief teilte er Hypatia außerdem mit, dass diese Leute ihn angeklagt hätten, weil er unautorisierte Kopien von Büchern in seiner Bibliothek verberge. Anscheinend wurden damals die Bestände der Bibliothek einer Bearbeitung unterzogen, um sie in Übereinstimmung mit dem christlichen Dogma zu bringen.
Die in der Spätantike aufkommende Bestrafung der sogenannten Hexerei geht auf ein Dekret des Kaisers Constantius II. zurück, der zur Bekämpfung des Aberglaubens angeordnet hatte, dass alle „Zauberer“ in Rom den wilden Tieren vorgeworfen werden sollten. In den Provinzen aber sollte ihnen das Fleisch mit eisernen Haken heruntergerissen werden. Hypatias Tod passt zu diesem Gesetz. Sie kann als erstes Opfer der christlichen Hexenverfolgung angesehen werden.
Das historische Leiden der Hypatia zeigt auffallende Übereinstimmungen mit der Legende der Heiligen Katharina von Alexandrien, wobei die Rollen von Christen und Heiden genau vertauscht sind. Möglicherweise ist die Legende dieser Heiligen eine spätere Übertragung des wirklichen Geschehens anlässlich der Ermordung Hypatias.
Literatur
- Chotjewitz, Peter O.: Der Fall Hypatia, Hamburg 2002
- Dzielska, Maria: Hypatia of Alexandria, Harvard UP, Cambridge 1995
- David Engels: Zwischen Philosophie und Religion: Weibliche Intellektuelle in Spätantike und Islam, in: D. Groß (Hg.), Gender schafft Wissen, Wissenschaft Gender. Geschlechtsspezifische Unterscheidungen und Rollenzuschreibungen im Wandel der Zeit, Kassel 2009, 97-124.
- Gibbon, Edward: Verfall und Untergang des römischen Reiches, aus dem Englischen übersetzt von Johann Sporschil. Greno, Nördlingen 1987 (orig. Decline and Fall of the Roman Empire aus dem 18. Jahrhundert)
- Harich-Schwarzbauer, Henriette: Hypatia. Die Testimonien zur alexandrinschen Philosophin, Graz 1997
- Maeger, Annemarie: Hypatia - Die Dreigestaltige, Hamburg 1992, ISBN 3921174120
- Maeger, Annemarie: Hypatia II, Hamburg 1995, ISBN 3929805073
- Maeger, Annemarie: Amo(r) ergo sum - Über die Macht der Liebe. Die Philosophie der Hypatia und ihre Bedeutung, Hamburg 1995, ISBN 3929805030
- Myrsilides, Basileios A.: Biographie der hellenischen Philosophin Hypatia. Exzerpiert aus ältesten christianischen historischen Quellen und der Überlieferung in den Trümmern Klein-Asiens vor der Katastrophe und dem Gemetzel, 2002, ISBN 3929805278
- Russell, Dora: Hypatia Or Woman and Knowledge, 1925 (Nachdruck 2003, ISBN 0766171019)
- Scherr, Johannes: Hypatia. In Studien, Band III, Leipzig 1865
- Sokrates Scholastikos: Eccl. hist. VII, 15
- Waithe, M. E. (Hg.): A history of women Philosophers, Dordrecht 1987
- Walker, Barbara G.: Das geheime Wissen der Frauen - Ein Lexikon, Zweitausendeins, Frankfurt/M 1993
- Wertheim, Margaret: Die Hosen des Pythagoras. Physik, Gott und die Frauen, 2002, ISBN 349223710X
- Zitelmann, Arnulf: Hypatia (4. Auflage Okrober 1993, ISBN 3-423-70210-9)
- Würdigungen
- Stefan Andres: Die Versuchung des Synesios: Roman. Piper, München/Zürich 1990, ISBN 3-492-11047-9 (Paperback-Ausgabe, OA 1971)
- Fritz Mauthner: Hypatia (= Ausgewählte Schriften, Band 3). DVA, Stuttgart/Berlin 1919 [Erstmals 1892]
Weblinks
- Literatur von und über Hypatia im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Texte zu Hypatia, englisch
- Synesius von Kyrene, Brief 154 an Hypatia
- Johannes, Bischof von Nikiu, Chronik 84.87-103
- Ausführliche Biographie der Hypatia von Alexandria, englisch
Personendaten NAME Hypatia ALTERNATIVNAMEN Hypatia von Alexandria KURZBESCHREIBUNG Mathematikerin, Astronomin GEBURTSDATUM um 370 GEBURTSORT Alexandria STERBEDATUM 415 STERBEORT Alexandria
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