Joseph Joachim

Joseph Joachim
Joseph Joachim
Die Villa Joachim, Entwurfszeichnung des Architekten
Joseph Joachim Briefmarke zum Jubiläum der Hochschule für Musik Berlin
Joachim-Quartett mit (v.l.n.r.): Robert Hausmann, Joseph Joachim, Emanuel Wirth und Carl Halir. Bild: Ferdinand Schmutzer
Ehrengrab, Fürstenbrunner Weg 69, in Berlin-Westend

Joseph Joachim (* 28. Juni 1831 in Kittsee bei Pressburg; † 15. August 1907 in Berlin) war ein österreich-ungarischer Violinist, Dirigent und Komponist.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Joachim wurde als siebentes Kind des jüdischen Wollhändlers Julius Joachim (ca. 1791–1865 Pest) und der Fanny Figdor (ca. 1791–1867 Wien), Tochter des reichen Wiener Grosshändlers Isak Figdor, in Kittsee bei Pressburg geboren. Kittsee gehörte damals zu Ungarn, erst nach dem Ersten Weltkrieg kam es als Teil des Burgenlands zu Österreich. Die Familie war nicht wohlhabend, aber Teil einer weit verzweigten Familie, zu der auch die reichen Wittgensteins in Wien gehörten. 1833 zog die Familie nach Pest.

Obwohl Joachim aus keiner Musikerfamilie stammte, wurde sein Talent früh entdeckt und kontinuierlich gefördert. Er wurde als Geige spielendes Wunderkind bezeichnet, trat bereits mit sieben Jahren als Geigensolist auf und wurde schon früh von Felix Mendelssohn Bartholdy gefördert. Er besuchte ab 1838 das Konservatorium der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien bei Joseph Böhm (1795–1876) und setzte seine Ausbildung 1843–1849 in Leipzig fort. Nach Mendelssohns Tod 1847 machte er sich auf die Suche nach einem neuen Vorbild und reiste zu Franz Liszt nach Weimar, der sich von seinem Violinspiel beeindruckt zeigte und ihn zum Komponieren ermutigte.

Im Jahr 1849 lernte Joseph Joachim in Weimar Gisela von Arnim kennen, die gleichzeitig auch mit Herman Grimm befreundet war. Es entwickelte sich eine für alle drei Beteiligten teils sehr schmerzhafte Liebesbeziehung, die erst durch die Heirat Gisela von Arnims mit Herman Grimm 1859 ein Ende fand.

1852 bis 1866 war Joseph Joachim Königlicher Konzertmeister in Hannover. Im März 1853 lernte er Clara Schumann, Robert Schumann und über diese Johannes Brahms kennen, dem er bei dessen Violinkonzert D-Dur op. 77 beratend zur Seite stand. Auch Max Bruch wandte sich an ihn, als er nach der Uraufführung seines 1. Violinkonzerts 1866 das Stück überarbeitete. In der endgültigen Fassung griff er Anregungen Joachims auf; sie wurde 1868 erstmals aufgeführt mit Joachim als Solisten.

Im Jahr 1863 heiratete er die Opernsängerin Amalie Schneeweiß. 1868 zog er mit ihr nach Berlin. 1869 berief ihn König Wilhelm I. von Preußen zum Gründungsrektor der Königlich Akademischen Hochschule für ausübende Tonkunst, der späteren Musikhochschule Berlin. Seine pädagogische Arbeit prägte die Hochschule entscheidend.

Gleichzeitig war er einer der einflussreichsten Musiker seiner Zeit, der das Musikleben im Zweiten deutschen Kaiserreich maßgeblich bestimmte.[1] Zu seinen Schülern gehörten Hans Weisbach, Bronisław Huberman, Arnold Schering, Will Marion Cook, Willy Hess, Maud Powell, Marie Soldat-Röger, Bram Eldering, Karl Klingler, Willem Kes, Carl Halir, Hugo Heermann und Willy Burmester. Für seinen besten Schüler hielt er Max Brode.

Als besonders wichtig galten ihm neben seiner Hochschultätigkeit seine Quartettabende, mit denen er ganz bewusst ein Gegenstück zu Wagners Musikveranstaltungen errichten wollte. Das nach 1879 gegründete und nach ihm benannte Joachim-Quartett (mit Carl Halir, 2. Violine, Emanuel Wirth, Viola und Robert Hausmann, Violoncello) wurde einer der Hauptrepräsentanten der deutschen Musikkultur zum Ende des 19. Jahrhunderts.

1870/71 ließ er durch den Berliner Architekten Richard Lucae eine herrschaftliche Villa, die Villa Joachim, im Berliner Tiergarten, bauen.[2]

Seine krankhafte Eifersucht führte im Jahr 1884 zur Scheidung von seiner Ehefrau Amalie. Er hatte sie des Ehebruchs beschuldigt, aber selbst seine Freunde Johannes Brahms und Max Bruch ergriffen Partei für die Ehefrau. Der Scheidung ging ein mehrjähriger zermürbender Rosenkrieg voraus.

Joachim hatte sich im Erwachsenenalter protestantisch taufen lassen und musste – wie viele andere – erleben, dass er dennoch von bestimmten Kreisen der Gesellschaft als Jude wahrgenommen wurde. In seine Berliner Zeit fallen zunehmend antisemitische Angriffe von Seiten der Wagnerianer (darunter dem Dirigenten Hans von Bülow) und des Hofpredigers Adolf Stöcker, während der preußische Hof zu ihm hielt.

Nach seinem Tod im Jahr 1907 ehrte die Hochschule Joachim mit einer großen Trauerfeier, für die Otto Lessing eine Büste Joachims schuf. Joachims Grab auf dem Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Friedhof in Berlin-Westend, Fürstenbrunner Weg, ist heute ein Ehrengrab des Landes Berlin.

Würdigungen

1909 wurde am 17. März die im Berliner Ortsteil Grunewald gelegene vormalige Auerbachstraße in „Joseph-Joachim-Straße“ umbenannt. Da in der Zeit des Nationalsozialismus Name, Werk und Leistung des Künstlers totgeschwiegen wurden, erfolgte am 20. März 1939 eine bis heute gültige Umbenennung dieser Straße in Oberhaardter Weg.

1967 wurde in Berlin-Wilmersdorf ein Platz „Joseph-Joachim-Platz“ genannt und mit einer Gedenktafel versehen.

1969 gab die Deutsche Bundespost Berlin am 12. September zum Jubiläum 100 Jahre Hochschule für Musik Berlin eine 30-Pfennig-Sonderbriefmarke heraus, die einen Geige spielenden Joseph Joachim auf einer Zeichnung von Adolph von Menzel zeigt (Michel-Nr. 347).

1981 wurde im Juni im Foyer der Universität der Künste Berlin eine Büste Joachims als Zweitguss der im März 1936 von den Nationalsozialisten aus der Hochschule entfernten und unauffindbaren Originalbüste sowie eine dazugehörige Messingtafel enthüllt.

1991 wurde von der Stiftung Niedersachsen der „Internationale Joseph Joachim Violinwettbewerb, Hannover“ gegründet, der Joachim gewidmet ist.[3]

1993 richtete die Hochschule für Musik Franz Liszt Weimar erstmals einen nach Joachim benannten „Internationalen Joseph-Joachim-Kammermusikwettbewerb“ aus, der seitdem alle drei Jahre stattfindet.[4]

Auszeichnungen

Instrumente

Joachim spielte als Hauptinstrument eine Violine von Antonio Stradivari aus dem Jahr 1714 („ex-Joachim“). Daneben besaß er vier weitere Violinen dieses Geigenbauers (1714 „Dolphin“, 1715 „ex-Alard/Baron Knoop“, 1722 „Laurie“ und 1725 „Chaconne/Hammig“) und eine Violine von G. B. Guadagnini aus dem Jahr 1767 („ex-Sennhauser/Joachim“).

Werke

  • Op. 1 Andantino und Allegro scherzoso für Violine und Orchester in B-Dur
  • Op. 2 Romanze in B-Dur
  • Op. 3 Concert (in einem Satze, G-moll) für Violine und Orchester oder Pianoforte
  • Op. 4 Ouverture „Hamlet“
  • Op. 5 „Lindenrauschen“
  • Op. 6 Ouverture „Demetrius“
  • Op. 7 Ouverture „Henry IV“ (1854)
  • Op. 8 Sinfonie C-Dur (Freie Orchesterfassung von Franz Schuberts Grand Duo für Klavier zu vier Händen, 1855)
  • Op. 9 Hebräische Melodien für Bratsche und Klavier
  • Op. 10 Concert (in ungarischer Weise) für die Violine mit Orchesterbegleitung (1861)
  • Op. 11 Nocturno für Violine und Orchester oder Pianoforte
  • Op. 12 Ouverture „In Memoriam Heinrich von Kleist“ (1861)

Literatur

  • Werner Bollert: Joachim, Joseph. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 10, Duncker & Humblot, Berlin 1974, S. 440 f.
  • Brigitte Massin: Les Joachim. Une famille de musiciens. Paris: Fayard 1999. ISBN 2-213-60418-5
  • Beatrix Borchard: Stimme und Geige: Amalie und Joseph Joachim - Frau und Mann. Biographie und Interpretationsgeschichte. Wien: Böhlau Verlag 2005, 2.Aufl. 2007 (= Wiener Veröffentlichungen zur Musikgeschichte, Band 5). ISBN 978-3-205-77629-1.
  • Ebert, Wolfgang: Brahms und Joachim in Siebenbürgen, in: Othmar Wessely (Hrsg.): Studien zur Musikwissenschaft, Beihefte der Denkmäler der Tonkunst in Österreich, Band 40, Tutzingen 1991, S. 185-204
  • Jost, Peter: Unbequem - Ändern! Leichter! Brahms’ Zusammenarbeit mit den Solisten seiner Konzerte. In: Renate Ulm (Hrsg.): Johannes Brahms - Das symphonische Werk. Entstehung, Deutung, Wirkung. Kassel 1996, S. 179-184
  • Andreas Moser: Joseph Joachim: ein Lebensbild. Neue umgearb. und erw. Ausg. in 2 Bänden. Berlin: Verlag der Deutschen Brahms-Gesellschaft 1908-1910.
  • Joseph Joachims Briefe an Gisela von Arnim. 1852-1859. Hrsg. von Johannes Joachim. Göttingen 1911.
  • Johannes Brahms im Briefwechsel mit Joseph Joachim. Hrsg. von Andreas Moser. Berlin: Verlag der Deutschen Brahms-Gesellschaft.
    • Bd. 1. - 3., durchges. und verm. Aufl. 1921.
    • Bd. 2. - 2., durchges. und verm. Aufl. 1912.
  • Robert W. Eshbach, Free but Lonely: The Education of Joseph Joachim 1831-1866; bevorstehend.
  • Weiß-Aigner, Günter: Komponist und Geiger. Joseph Joachims Mitarbeit am Violinkonzert von Johannes Brahms. In: Ernst Thomas, Otto Tomek, Carl Dahlhaus (Hrsg.): Neue Zeitschrift für Musik. 135. Jahrgang, Heft 4, Mainz, April 4/1974, S. 232-236

Einzelnachweise

  1. Berliner Zeitung vom 15. August 2007.
  2. 1910 wurde die Villa zeitweilig vom Fürsten von Hatzfeldt als Palais de ville genutzt; 1919 eröffnete Magnus Hirschfeld mit seinem Mitarbeiter Arthur Kronfeld hier das erste Institut für Sexualwissenschaft.
  3. Joseph Joachim (1831 – 1907), Portrait und Rückblick
  4. Internationaler Joseph Joachim Kammermusikwettbewerb der Hochschule für Musik FRANZ LISZT Weimar
  5. Ehrenbürger der Stadt Bonn

Weblinks


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