- Jürgen Busche
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Jürgen Busche (* 1944) ist ein deutscher Journalist, Autor und Literaturkritiker.
Inhaltsverzeichnis
Leben
Busche studierte Alte Geschichte, Philosophie und Germanistik in Münster. Er arbeitete zeitweilig als Amanuensis (Sekretär) von Ernst Jünger und ab 1972 als Redakteur, zunächst bei der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, ab 1987 bei der Hamburger Morgenpost. 1989 bis 1990, während der Deutschen Wiedervereinigung, war er als Redenschreiber für Bundespräsident Richard von Weizsäcker im Bundespräsidialamt beschäftigt. 1990 wurde er Leiter für das Ressort Innenpolitik bei der Süddeutschen Zeitung und 1996 Chefredakteur der Wochenpost in Berlin. Anschließend wechselte er zur Badischen Zeitung in Freiburg. Heute arbeitet er als freier Autor.
Busche gehörte zu den Gründungsmitgliedern des Literarischen Quartetts. Er nahm von 1988 bis Juni 1989 an den Diskussionen teil.
Habermas-Kontroverse
In der November-Ausgabe 2006 des politischen Magazins Cicero ging Busche einer Anekdote Joachim Fests nach, der in seinen Erinnerungen „Ich nicht“[1] auf S. 342f. erzählt hatte: „Einer der führenden Köpfe des Landes“ habe während des Zweiten Weltkriegs als HJ-Ausbilder seinem Untergebenen ein Schreiben zukommen lassen, in dem die Identifikation dieses heute „führenden Kopfes“ mit dem Nationalsozialismus und die Erwartung des Endsieges zum Ausdruck gekommen seien. Jahrzehnte später habe der Untergebene dem „führenden Kopf“ das Schreiben auf einer Geburtstagsparty zurückgegeben, woraufhin dieser es unbesehen verschluckt habe. Von Busche wurde der „führende Kopf“ mit dem Soziologen Jürgen Habermas, der Untergebene mit dem Historiker Hans-Ulrich Wehler identifiziert; die beiden Gelehrten sind Jugendbekannte aus Gummersbach und eng miteinander befreundet.
Busche griff dies auf und verband es in seiner Titelgeschichte mit dem „Ende“ der politischen Philosophie, der intellektuellen Bedeutung Habermas’, dessen Integrität er zwischen den Zeilen in Frage stellt. Hans-Ulrich Wehler sprang Habermas bei und versicherte, dass Jürgen Habermas kein inkriminierendes Dokument verschluckt habe, weder auf einer Party noch sonstwo. Er behauptete, Fest habe die betreffende Anekdote wider besseres Wissen in seine Erinnerungen aufgenommen.
In der Tat hatte sich Fest von Wehler unterrichten lassen, berichtete aber nur in der indirekten Rede und nur im Konjunktiv von dem Vorfall, nannte Habermas weder hier noch anderswo in seinem Buch beim Namen, hätte ihn ggf. auch mit dem Ausdruck „führender Kopf“ als Person eher verfremdet und garantierte nicht für die Geschichtlichkeit der Anekdote, die er nur zur Charakterisierung einer unangenehmen Selbstgefälligkeit in der heutigen Geschichtsbewältigung in Deutschland einbrachte.
Dass Fest († 13. September 2006), der sich zu alledem nicht mehr äußern kann, Habermas (und nur ihn) gemeint habe, wird mittlerweile als Tatsache behauptet, obwohl man nur auf Grund von Spekulationen aus Anlass des Fest’schen Texts zu einer solchen Annahme gelangen konnte, und Fest wird für die Erzählung der Anekdote ein Ressentiment unterstellt, weil Habermas im Historikerstreit Fests Antipode gewesen sei; Habermas verstieg sich in seinem offenen Protestbrief an Cicero vom 25. Oktober 2006 sogar zu der abwegigen Behauptung, „Fest hat mir offenbar die Kritik an jenen Vordenkern des NS-Regimes übel genommen, die er in seinem Blatt [= der Frankfurter Allgemeinen Zeitung] rehabilitieren ließ“, womit er dem in einer Familie im NS-Widerstand aufgewachsenen, integeren Joachim Fest seinerseits Nazisympathien anlastete, ohne anzugeben, wer denn diese Vordenker gewesen sein sollten und worin gegebenenfalls die Rechtfertigung bestanden hätte.
Als Ausgangspunkt der Geschichte wird von Wehler die Ehefrau des Philosophen Habermas benannt. Diese habe auf eine Frage, was ihr Mann mit dem Schreiben gemacht habe, laut Habermas angeblich einem bloßen Vordruck, der Wehler als säumigen Teilnehmer zum nächsten HJ-Treffen zitierte, nachdem Wehler es ihm vor etwa 20 Jahren wieder zugeschickt hatte, im Scherz geantwortet: Er kenne doch den Jürgen, „der hat das verschluckt“. Wehler scheint dies einigen Historiker-Kollegen erzählt zu haben und wäre somit der Urheber des Gerüchts.
Habermas erwirkte beim Landgericht Hamburg[2] eine Einstweilige Verfügung gegen die Joachim-Fest-Autobiografie, die wegen der Androhung einer Ordnungsstrafe in Höhe von 250.000 Euro nun ohne den fraglichen Passus von etwa einer halbe Seite erscheint.
Gereon Wolters nennt den Cicero-Artikel von Busche gegen Habermas „ein Exempel für Schmierenjournalismus“.[3]
Schriften
- Helmut Kohl – Anatomie eines Erfolgs. Berlin-Verlag, Berlin 1998.
- Die 68er – Die Biographie einer Generation. Berlin-Verlag, Berlin 2003, ISBN 3-8270-0507-8. (Die 68er begannen ihren langen Marsch durch die Institutionen, der im Zentrum der Macht endete. Heute besetzen 68er die Schaltstellen des Staates, der Wirtschaft und der Universitäten)
- Heldenprüfung. Deutsche Verlags-Anstalt, München 2004.
Literatur
- Andreas Zielcke: Wahrheitsfreier Diskurs. Die NS-Vorwürfe von Joachim Fest und „Cicero“ gegen Jürgen Habermas. In: Süddeutsche Zeitung. Nr. 249, 27. Oktober 2006, S. 13.
- Hans-Ulrich Wehler: Habermas hat nichts verschluckt. Warum der Philosoph keinen Grund hatte, seine Zeit bei der Hitlerjugend zu vertuschen – zur Genese eines perfiden Gerüchts. In: Die Zeit. 61. Jg., Nr. 45, 2. November 2006, S. 44.
- Uwe Wittstock: Wenn bei Intellektuellen die Sicherungen durchbrennen. In: Die Welt. 6. November 2006.
Weblinks
- Literatur von und über Jürgen Busche im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Uwe Wittstock: Wenn bei Intellektuellen die Sicherungen durchbrennen. In: Die Welt. 6. November 2006.
- Der Habermas-Brief an Cicero
Einzelnachweise
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