- Karl von Reichenbach
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Carl (Karl) Ludwig von Reichenbach (* 12. Februar 1788 in Stuttgart; † 19. Januar 1869 in Leipzig) war ein Industrieller, Chemiker, Naturforscher, Philosoph und Freiherr.
Leben und Werk
Während seiner Studienzeit gründete Carl Ludwig Reichenbach 1806 in Tübingen eine Geheimgesellschaft zur Errichtung einer Kolonie auf Tahiti (Otaheiti) in der Südsee (Otaheiti-Gesellschaft). Ende 1808 wurde die Gesellschaft von der Polizei entdeckt und die meisten ihrer Mitglieder wegen des Verdachts auf Hochverrat verhaftet. Reichenbach wurde für einige Zeit auf dem Hohenasperg inhaftiert.
Nach dem Studium der Naturwissenschaften in Tübingen arbeitete er für die Eisenhammerwerke im badischen Hausach. Dort entwickelte und vermarktete er neuartige Öfen für die Holzverkohlung. Nach seiner Promotion siedelte er ins mährische Blansko über, um für den Grafen Salm in dessen Eisenhüttenwerken zu arbeiten. Während dieser Tätigkeit beschäftigte er sich mit den Bestandteilen des Holzteers. Dabei entdeckte von Reichenbach 1830 das Paraffin und 1832 das Kreosot, ein antiseptisches Phenolgemisch. Diese Entdeckungen brachten ihm bald ein beachtliches Vermögen ein und führten 1839 zu seiner Adelung als Freiherr.
Am 15. November 1833 ging in Blansko ein Meteorit nieder. Dieses Ereignis faszinierte von Reichenbach derart, dass er seine Arbeiter tagelang suchen ließ, bis der Meteorit gefunden wurde. In der Folgezeit nutzte er sein Vermögen auch dazu, eine bedeutende Meteoritensammlung anzulegen. Die Begriffe Kamacit, Taenit und Plessit für Bestandteile von Eisenmeteoriten gehen auf ihn zurück. 1869 schenkte er seine Kollektion der Mineralogischen Schau- und Lehrsammlung in Tübingen, wo sie heute noch zu begutachten ist.
1835 erwarb Reichenbach das Schloss Cobenzl bei Wien. Durch seine im Schloss durchgeführten Experimente erhielt er von den Wienern den Beinamen „Zauberer vom Cobenzl“.
Für seine Frau Friederike Louise geb. Erhard kaufte Reichenbach die um 1831 entstandene Liebesvase des Bildhauers Friedrich Distelbarth. Nach deren Tod 1835 schenkte er die Monumentalvase der Stadt Stuttgart, die ihn daraufhin 1836 zum Ehrenbürger ernannte.
Ab 1841 widmete sich von Reichenbach der Untersuchung wissenschaftlicher Grenzgebiete. Im Zentrum dieser Untersuchungen stand die von ihm postulierte Lebenskraft Od (von Odin). Od ist nach ihm eine dem Magnetismus ähnliche Kraft. In seinen Studien behauptete von Reichenbach, dass besonders begabte Menschen, er nannte sie Sensitive, in dunklen Räumen schwache Lichterscheinungen bei Magneten wahrnehmen können. Die Nähe zum Mesmerismus und die Tatsache, dass andere Forscher (unter ihnen Jöns Jakob Berzelius und Gustav Theodor Fechner) Reichenbachs Experimente nicht wiederholen konnten, brachte ihm herbe Kritik ein und ließ ihn in seinen letzten Jahren zunehmend verbittern.
1911 wurde die Reichenbachgasse in Wien-Favoriten nach ihm benannt.
Literatur
- Werke
- Karl von Reichenbach: Das Kreosot: ein neuentdeckter Bestandtheil des gemeinen Rauches, des Holzessigs und aller Arten von Theer 1833
- Karl von Reichenbach: Geologische Mitteilungen aus Mähren Wien, 1834
- Karl von Reichenbach: Physikalisch-physiologische Untersuchungen über die Dynamide des Magnetismus, der Elektrizität, der Wärme, des Lichtes, der Krystallisation, des Chemismus in ihren Beziehungen zur Lebenskraft (Band 1 + Band 2) Braunschweig, 1850
- Karl von Reichenbach: Odisch-magnetische Briefe Stuttgart 1852, 1856; Ulm 1955
- Karl von Reichenbach: Der sensitive Mensch und sein Verhalten zum Ode Stuttgart und Tübingen (Band 1 1854 + Band 2 1855)
- Karl von Reichenbach: Köhlerglaube und Afterweisheit: Dem Herrn C. Vogt in Genf zur Antwort Wien, 1855
- Freiherr von Reichenbach: Wer ist sensitiv, wer nicht Wien, 1856
- Freiherr von Reichenbach: Odische Erwiederungen an die Herren Professoren Fortlage, Schleiden, Fechner und Hofrath Carus Wien, 1856
- Karl von Reichenbach: Die Pflanzenwelt in ihren Beziehungen zur Sensitivität und zum Ode Wien, 1858
- Karl von Reichenbach: Odische Begebenheiten zu Berlin in den Jahren 1861 und 1862 Berlin, 1862
- Karl von Reichenbach: Aphorismen über Sensitivität und Od Wien, 1866
- Karl von Reichenbach: Die odische Lohe und einige Bewegungserscheinungen als neuentdeckte Formen des odischen Princips in der Natur Wien, 1867
- Sekundärliteratur
- Engisch, Helmut: Der Traum von Otaheiti und vom Od. In: Ders., Der schwäbische Büffelkönig und die Löwenmadam, 1998, S. 145–163
- Erdbeer, Robert Matthias: Epistemisches Prekariat: Die qualitas occulta Reichenbachs und Fechners Traum vom Od, in Rupnow et al, Pseudowissenschaft, Suhrkamp 2008, ISBN 978-3-518-29497-0
- Reichenbach, Karl Ludwig von, in Constantin von Wurzbach, Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich, 25. Band, S. 169ff., Wien 1868.
Weblinks
- Mineralogische Schau und Lehrsammlung in Tübingen
- Researches on Magnetism, Electricity, Heat and Light in their relations to Vital Forces. Cornell University. (englisch)
- http://gutenberg.spiegel.de/fechner/odlehre/odlehre0.htm
- Artikel von/über Freiherr Ritter Karl von Reichenbach im Polytechnischen Journal
Kategorien:- Unternehmer
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