- Keuschheit
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Keuschheit (keusch aus lat. conscius, „bewusst“), lat. castitas ist ein ethisches Konzept der Mäßigung im Umgang mit Sexualität, zumeist aus religiösen Gründen.
Oft wird unter Keuschheit lediglich sexuelle Enthaltsamkeit verstanden. Keuschheit ist aber nicht dasselbe wie sexuelle Enthaltsamkeit; das Ideal der gewollten und bewussten Keuschheit geht weiter.
Keuschheit bezeichnet das Verhalten einer Person, sich vermöge eines erworbenen Schamgefühls oder kraft eines bewussten Grundsatzes schamhaft zu verhalten und das Unschamhafte zu meiden. In vielen Kulturen spielt die Aufforderung zur Keuschheit eine Rolle als religiöses Gebot.
Den Gegensatz zur Keuschheit, also die Unkeuschheit, bildet die Lüsternheit, die als Wollust (Luxuria) in der mittelalterlichen Theologie eines der sieben Hauptlaster darstellt, aus denen Sünden entstehen und die man daher auch „Wurzelsünden“ nennt. In der christlichen Ikonographie stehen den sieben Todsünden oftmals die sieben himmlischen Tugenden gegenüber; dabei ist der Wollust die Keuschheit als Gegenpart zugeordnet (siehe auch Psychomachia).
Im Christentum ist die Keuschheit eine erworbene, sittliche Tugend des Menschen.[1][2] Thomas von Aquin hat diesen theologischen Sachverhalt unter dem Thema der „eingegossenen Tugenden“ erörtert.[3] Martin Luther bezeichnet die Keuschheit als die Haupttugend des Evangeliums.[4]
Inhaltsverzeichnis
Keuschheit in den Religionen
Christentum
Die christlichen Kirchen verstehen unter Keuschheit die Bewahrung der Augen, Ohren und Gedanken vor Dingen, die die natürliche oder erworbene Schamhaftigkeit verletzen. Dazu gehören auch der bewusste Verzicht auf sexuelle Handlungen bei unverheirateten Personen und beim Ehepaar der Verzicht auf sexuelle Handlungen außerhalb der Ehe. Die Keuschheit wird als christliche Tugend und moralische Anforderung aus dem 6. Gebot (Du sollst nicht ehebrechen) und den Worten des Apostels Paulus abgeleitet, der den Leib als einen Tempel des Heiligen Geistes bezeichnet. Die Keuschheit ist auch eine Frucht des Heiligen Geistes (Gal 5, 22). Die Tugend der Keuschheit wird dabei auch von der Kardinaltugend der Mäßigung abgeleitet.[5]
Die christliche Ehe gilt nach dem Apostel Paulus als brauchbare Gemeinschaft für die Menschen, die dem sexuellen Drang nicht standhalten können (1 Kor 7, 8-9). Die römisch-katholische Kirche prägte hier den Begriff der ehelichen Keuschheit.[6][7]
Promiskuität und Ehebruch werden von allen christlichen Kirchen abgelehnt. Vorehelicher Geschlechtsverkehr oder Partnerschaft Unverheirateter wird heute von einigen Kirchen toleriert, aber als Abweichung vom Ideal der Ehe angesehen.
Römisch-katholische Kirche
Die römisch-katholische Kirche setzt Keuschheit nicht mit sexueller Enthaltsamkeit gleich. Der Kirchenvater Ambrosius schreibt:
„Es gibt drei Formen der Tugend der Keuschheit: die eine ist die der Verheirateten, die andere die der Verwitweten, die dritte die der Jungfräulichkeit. Wir loben nicht die eine unter Ausschluss der anderen. Dies macht den Reichtum der Disziplin der Kirche aus.“
Die in die Beziehung und in die gegenseitige Hingabe von Ehepartnern eingebettete Sexualität ist nicht Unkeuschheit, sondern sogar wünschenswert.[8][9]
In der Verpflichtung zu einem ehelosen Leben beim Zölibat der Kleriker und in den Formen des geweihten Lebens nach den evangelischen Räten (Versprechen der Jungfräulichkeit oder Ehelosigkeit um des Himmelreiches willen durch öffentliche Gelübde) geht es nicht nur um den Verzicht auf Ehe, auf sexuelle Handlungen und auf Sich-Hingeben an sexuelle Phantasien (Keuschheit der Gedanken), sondern letztlich um eine persönliche Freiheit, in der die eigene Libido in eine innere Einheit der gereiften Persönlichkeit integriert ist.[10]
Evangelikale Bewegung
Für Enthaltsamkeit bis zur Ehe tritt die die Jugendbewegung True Love Waits ein, die Anfang der 1990er Jahre in den USA in evangelikalen Kreisen entstand. Daraus entwickelte sich eine internationale Bewegung, die auch im deutschen Sprachraum unter dem Namen Wahre Liebe Wartet aktiv ist (siehe auch Keuschheitsbewegung).
Islam
Eine wichtige Aussage des Koran findet sich in Sure 17:32: Und nahet nicht dem Ehebruch … Darüber hinaus empfiehlt der Islam, jeden unnötigen Kontakt zwischen den Geschlechtern zu vermeiden. Männer werden dazu aufgefordert, ihre Augen niederzuschlagen (Sure 24:30). Sie sollen sich ebenso keusch wie die Frauen verhalten (Sure 33:35).
Lebenslange Enthaltsamkeit wird im Islam aber abgelehnt, da (nach einem Hadith) die Ehe der halbe Glauben ist und der Koran das Mönchtum ablehnt (Sure 57:27).
In vielen islamischen Gesellschaften ist unter anderem das Kopftuch (oder auch der Schleier) ein Symbol der Keuschheit. Das entblößte Haupthaar wird in vielen Gesellschaften als sinnlicher Reiz bzw. als ein Hauptbestandteil der Schönheit einer Frau empfunden. „Sie möchte durch die Bedeckung ihrer Schönheit, die vor allem auch in ihren Haaren liegt, also kund tun, dass sie kein Interesse an Flirts hat und keine Beziehungen zu fremden Männern haben möchte, in denen Sexualität eine Rolle spielt.“(Hadayatullah Hübsch)[11]
Kontroversen um Keuschheit
Keuschheit, Sitte und Ideologie
Wird Keuschheit zu einer moralpolitischen Forderung nach Sittlichkeit erhoben, so kollidiert dies mit der Idealvorstellung einer unwillkürlichen und vorbewussten Keuschheit und sie wird erfolgreichen Falls zu einer gängigen Sitte. Diese ist daran erkennbar, dass bestimmte Haltungen gegenüber anderen (z. B. das Augensenken, die Verschleierung) zur Vorschrift gemacht werden.
Geraten Sitten sexueller Zurückhaltung in einen Parteienstreit, etwa als symbolische Muster, so kann die Diskussion über Keuschheit ideologische Züge annehmen, z. B. im gegenwärtigen „Kopftuchstreit“.
Literatur
- Benedict J. Groeschel: The Courage to be Chaste. Paulist Press, New York 1985, ISBN 0-8091-2705-9
- Johann August Eberhard: Synonymisches Handwörterbuch der deutschen Sprache. 1910, Nr. 183 [2]
- Anton Kner: Was uns im Leben trägt. Die Tugenden des Christen im Alltag. Ausgewählt und herausgegeben von Reinhard Abeln. Kanisius-Verlag, Freiburg (Schweiz), 1994
- Dominikus Mettenleiter: Des heiligen Thomas von Aquin Himmelsleiter, oder Uebung der vorzüglichsten Tugenden, Georg-Joseph-Manz-Verlag, Regensburg 1854.
Einzelnachweise
- ↑ Ambrosius, vid. 23
- ↑ Tertullian, De exhortatione castitatis (Über die Aufforderung zur Keuschheit)
- ↑ Die göttlichen Tugenden Glauben, Hoffen und Lieben senken sich demzufolge nicht wie eine höhere sittliche Tugendschicht auf das moralische (personale) Sein des Menschen, sondern unterfangen und umfangen die sittlichen Tugenden, formen sie aus und überhöhen sie. Was die Tugend des Maßes, der Zucht und der Disziplin ist, offenbaren die eingegossen im Glauben wirksamen Tugenden der Enthaltsamkeit, der Keuschheit, der Jungfräulichkeit, des Fastens, der Demut, Selbstbescheidung und Einfachheit. Vergleiche auch [http://books.google.de/books?id=Q8JpN_qyLCcC&pg=PA39&lpg=PA39&dq=Tugend+%C3%BCberh%C3%B6ht&source=bl&ots=DOLYZw8v0k&sig=Qy6IyKIAVskFkz02ONSWjObhOBA&hl=de&ei=wJTbTMDbD4fJswaOtYyiBA&sa=X&oi=book_result&ct=result&resnum=6&ved=0CDUQ6AEwBQ#v=onepage&q=Tugend%20%C3%BCberh%C3%B6ht&f=false Albert Zimmermann (Hrsg.): Thomas von Aquin. Werk und Wirkung im Licht neuerer Forschungen. de Gruyter 1988.
- ↑ D. Martin Luthers Evangelienauslegung, Markus- und Lukasevangelium, Teil 3
- ↑ Katechismus der katholischen Kirche, Nr. 2341
- ↑ Katechismus der katholischen Kirche, Nr. 2349
- ↑ vgl. Papst Pius XI., Enzyklika Casti connubii, "Über die christliche Ehe", 1930
- ↑ Katechismus 2337
- ↑ Escrivà, Christus begegnen
- ↑ Kompendium zum Katechismus der Katholischen Kirche, 2005, herausgegeben vom Vatikan: [1]
- ↑ Hadayatullah Hübsch, http://www.kopftuch.info/frauimislam/warum_muslima_kopftuch.html
Siehe auch
- Enthaltsamkeit, Jungfrau, Jüngling, Scham, Triebverzicht
- Lucretia, Susanna im Bade
- Keuschheitsgürtel
- Josefsehe
- Brautschleier
- Keuschbaum (=Mönchspfeffer)
Weblinks
Wikiquote: Keuschheit – ZitateCommons: Keuschheit – Sammlung von Bildern, Videos und AudiodateienWiktionary: Keuschheit – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
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