Kynast (Radebeul)

Kynast (Radebeul)
Kynast, Herrenhaus

Das ehemalige Weingut Kynast mit Weinbergsbesitz, Herrenhaus und Park sowie ehemals der „Gartenpresse“ liegt auf Zitzschewiger Flur im sächsischen Radebeul, im Kynastweg 26. Die Spitze des Kynasts liegt auf einer Höhe von 202,6 m ü. NN.[1] Der Weinberg, dessen Name auf ein Dresdner Ratsgeschlecht zurückgeht, wurde 1407 zum ersten Mal urkundlich erwähnt. Der Kynast liegt im Denkmalschutzgebiet Historische Weinberglandschaft Radebeul, die Freiflächen des fünf Hektar großen Anwesens gelten als Werk der Landschafts- und Gartengestaltung.[2]

Inhaltsverzeichnis

Beschreibung

Kynast, Torhaus, Gärtnerhaus, Turm des Turmhauses (von li.)
Kynast, Herrenhaus
Kynast, Turmhaus, Gärtnerhaus, Torhaus (von re.)
Kynast, Turmhaus
Kynast, Eingangstor

Das Anwesen besteht aus diversen Baulichkeiten, die heute unter Denkmalschutz[3] stehen. Zu nennen sind Herrenhaus, Turmhaus, Gärtnerhaus, Torhaus und Badehaus, die Stützmauern des zugehörigen Weinbergs, die Portalanlage der Grundstückseinfahrt, eine Grotte, das Wasserbassin sowie der Park.

Das 1746 errichtete, massive Herrenhaus war ursprünglich ein fünf zu fünf Fensterachsen großes Gebäude mit zwei Geschossen und großem Weinkeller, an das sich ein eingeschossiger Wirtschaftsbau anschloss. 1888 wurde dieser nach einem Bauantrag von Clementine Roßberg[2] durch den Kötzschenbrodaer Baumeister F. A. Bernhard Große aufgestockt, sodass das Herrenhaus heute eine Länge von 10 Achsen erreicht, von denen manche als Blindfenster dargestellt sind. Obenauf befindet sich ein hohes Walmdach mit Giebelgauben. Auf der Hofseite steht ein eingeschossiger Eingangsvorbau, seit 1935 massiv, ursprünglich aus Holz. Der schlichte Putzbau, der etwas zurückgesetzt giebelständig zur Straße steht, trägt zahlreiche Weinspaliere, die Fenster sind durch Gewände aus Sandstein und zum Hof durch Klappläden eingefasst. Um 1900 wurden die Innenräume des Herrenhauses im altdeutschen Stil umgestaltet. Vor dem Herrenhaus steht auf einem Sandsteinpostament eine Sonnenuhr aus dem 18. Jahrhundert.

Das nach 1750 wohl als Lust- und Gartenhaus[4] errichtete Turmhaus steht traufständig an der Straße. Es hat eine Länge von drei Fensterachsen, ist zweigeschossig und hat ein Mansarddach. Mittig auf diesem steht der um 1800[2] für den Postmeister Blüher aufgesetzte, namensgebende Turm mit offener Laterne und geschweifter Haube mit Spitze und Knauf. Unter dem Turm zur Straße befindet sich im Dach ein Zwerchhaus mit gesprengtem Dreiecksgiebel, auf beiden Seiten davon Giebel mit Koppelfenstern. Der um 1899 vermutlich durch den Baumeister Bernhard Große für den Besitzer Heino Kretzschmar umgebaute Putzbau hat ebenfalls Sandsteingewände um die Fenster, die im Erdgeschoss stichbogig ausgebildet sind. Gurlitt beschreibt den Dachreiter als „ein hübscher Dachreiter in den Formen etwa von 1760“[5], während Donath „Anklänge des Zopfstils [erkennt], was eine Datierung ins frühe 19. Jahrhundert nahe legt.“[4] Das frühe 19. Jahrhundert passt zu unserer derzeitigen Einordnung Blühers, während der Zopfstil (1760–1790) noch ans Ende des 18. Jahrhunderts verweist.

Das 1845 statt eines Stalls errichtete Gärtnerhaus mit Weinkeller schließt an das Turmhaus an. Es ist fünf zu zwei Fensterachsen groß, zweigeschossig und hat ein Satteldach. Der Putzbau wird durch Gesimse und gefugte Ecklisenen gegliedert.

Daran anschließend steht das in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts errichtete, eingeschossige Torhaus. Das Gebäude ist aus Fachwerk, es knickt aus der Flucht im stumpfen Winkel ab und hat eine Durchfahrt zum Kynastweg; über der Durchfahrt steht ein Dreiecksgiebel.

Das um 1750 errichtete Badehaus ist ein kleiner, verputzter Bruchsteinbau mit Mansarddach neben der Rückseite des Haupthauses. Es diente zum Sammeln des mittels einer Wasserleitung herangeführten Wassers.

Im oberen Teil des Anwesens befindet sich auf der in den 1990er Jahren aufgerebten Weinbergsterrasse eine muschelförmige Grotte. Diese wurde um 1750 angelegt. Sie ist eine aus Bruchsteinen errichtete Halbkuppel, die innen glatt geputzt ist. Im unteren Teil des Anwesens, im parkartigen Garten mit stattlichen Esskastanienbäumen, steht ein halbrundes Sandsteinbecken.

Die Portalanlage der Grundstückseinfahrt besteht aus zwei Sandsteinpfeilern mit einem zweiteiligen, schmiedeeisernen Gitter.

Geschichte

Der einst schriftsässige Weinbergsbesitz Kynast, dessen Name auf ein Dresdner Ratsgeschlecht zurückgeht, wurde 1407 zum ersten Mal urkundlich erwähnt. Im Erbzinsregister von 1547 lautet die Eintragung auf „der Kynast im hohen Gebirge in der Flur Zitzschewig auf dem ein Preßhaus steht“. Der damalige Besitzer war Jacob Knebel zu Budissin. Knebel verkaufte den Weinberg nebst der „Gartenpresse“ an den Rat zu Budissin, der ihn dem Stadtrichter Hieronymus Bergkmann und dem Kämmerer Adam Ruprecht zum Lehn überließ, bis sich ein Käufer finde. Dieser fand sich 1578 mit dem Dresdner Amtsschösser Andreas Kynast.

In der Folge bekam 1638 die Witwe des Oberwachtmeisters Gabriel Hölzmüller zu Wittenberg das Eigentum übertragen. Wenig später verkaufte sie den nur mit einem Zaun eingefriedeten Weinberg für 300 Taler an den Geheimen Kammersekretär und späteren Berg- und Hofrat Gabriel Voigt, der 1674 am Ort des heutigen Herrenhauses ein einfaches Gebäude errichten ließ. 1687 verkauften dessen Töchter den Besitz für 3000 Gulden (2/3 eines Talers) an Anna Rosine Vollbrecht. Zum Anwesen gehörten inzwischen neben dem Weinberg eine halbe Hufe Land und Wohn- und andere Gebäude mit Inventar und Vieh sowie ein Fischrechtsanteil in der Lache.

Noch im gleichen Jahr erhielt Christiane Eleonore geb. Bose als Testamentserbin den Kynast, die mit dem Obristen Philipp Wilhelm von Bomsdorff verheiratet war. Zwischen 1687 und 1821 (oder mindestens bis 1782)[6] gehörte das Weingut der Familie von Bomsdorff, die die heutige barocke Weingutsanlage schuf. Sie weitete den Besitz aus und errichtete über einem großen Weinkeller das im einfachen Barockstil gehaltene Herrenhaus mit hohem Walmdach. Um 1700 entstand das Fachwerk-Winzerhaus mit Scheune. Das heute die Anlage dominierende Turmhaus entstand im späten 18. Jahrhundert, erst noch ohne Turm.

Im frühen 19. Jahrhundert war das Weingut ein Treffpunkt des Dresdner Liederkreises, zu dem auch Carl Maria von Weber gehörte.

Anfang des 19. Jahrhunderts erhielt das Turmhaus von seinem Eigentümer, Postmeister Blüher aus Tharandt, den überdimensioniert wirkenden Dachreiter.

Zu den weiteren Besitzern jener Zeit gehörte zwischen 1831 und 1839 der Schriftsteller August von Witzleben.

Im Jahr 1845 entstand anstelle eines Stalls das Gärtnerhaus mit Weinkeller. Um 1850 gehörte die „reizende Weinbergs-Villa Kynast […] mit prunkendem Thurmgebäude“ einem Wilhelm Kämpfe.[7]

Nachdem der Kynast herrenlos geworden war, übernahm ihn der sächsische Staat.[6]

Von diesem erwarb 1887 Franz Gottlob Roßberg das Anwesen, und ab 1888 lebte die Familie des Dresdner Fabrikbesitzers Wilhelm Kretzschmar[6] auf dem Kynast. Dieser ließ den Turmknauf auf das Turmhaus setzen, samt dort verwahrter Familiendokumente. Um 1899 ließ sich der Unternehmer und Politiker Heino Kretzschmar[2] (Heino Wilhelm Kretzschmar)[8] das Turmhaus vermutlich durch den Baumeister F. A. Bernhard Große umbauen. (Ob Heino, Heino Wilhelm und Wilhelm eine oder zwei Personen sind, wäre zu klären.)

Ab 1921[9][6] (1920)[4] war der Geheime Bergrat Ewald Hilger im Besitz von Kynast. An ihn erinnert eine eiserne „Grußkarte“ aus dem Jahr 1934 zum 75. Geburtstag, die ihm die Gutehoffnungshütte übersandte. Hilger vermachte das Anwesen seiner Tochter, die es wiederum ihrer Tochter vermachte. Auch als diese aus persönlichen Gründen mit ihren Kindern 1957 nach Westdeutschland übersiedelte, wurde der Kynast nicht enteignet.

Zur Zeit der DDR befand sich im Herrenhaus die Landesparteischule der LDPD. Zu den Bewohnern des Anwesens gehörten der Politiker und Publizist Hans Marschall und dessen Ehefrau, die Lyrikerin Maria Marschall-Solbrig.

Im Jahr 1990 erhielten Hilgers Urenkel den Familienbesitz zurück. Das Herrenhaus sowie das Gärtnerhaus wurden seit den 1990er Jahren saniert; das Herrenhaus wird seit 2004 wieder durch Nachfahren Hilgers bewohnt.

Die zugehörigen Weinberge sind heute an das Staatsweingut Schloss Wackerbarth verpachtet.

Literatur

  • Frank Andert (Redaktion); Große Kreisstadt Radebeul. Stadtarchiv Radebeul (Hrsg.): Stadtlexikon Radebeul. Historisches Handbuch für die Lößnitz. 2. Auflage. Stadtarchiv, Radebeul 2006, ISBN 3-938460-05-9. 
  • Matthias Donath, Jörg Blobelt (Fotos): Sächsisches Weinland. Historische Weingüter und Weinberghäuser im Elbtal. 1. Auflage. Redaktions- und Verlagsgesellschaft Elbland, Dresden 2010.
  • Volker Helas (Bearb.); Landesamt für Denkmalpflege Sachsen und Stadt Radebeul (Hrsg.): Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland. Denkmale in Sachsen: Stadt Radebeul. SAX-Verlag, Beucha 2007, ISBN 978-3-86729-004-3. 
  • Liselotte Schließer (Erarb.): Radebeul - Stadtführer durch Vergangenheit und Gegenwart. 1. ergänzte Auflage. Edition Reintzsch, Radebeul 2008, ISBN 978-3-930846-05-4. 

Weblinks

Einzelnachweise

  1. C. C. Meinhold & Söhne (Hrsg.): Meinholds Plan der Lössnitz mit den Ortschaften der Umgebung. C. C. Meinhold & Söhne, Dresden um 1903 (Maßstab 1:12.500).
  2. a b c d Frank Andert (Redaktion); Große Kreisstadt Radebeul. Stadtarchiv Radebeul (Hrsg.): Stadtlexikon Radebeul. Historisches Handbuch für die Lößnitz. 2. Auflage. Stadtarchiv, Radebeul 2006, ISBN 3-938460-05-9. 
  3. Verzeichnis der Kulturdenkmale der Stadt Radebeul. Große Kreisstadt Radebeul, 17. April 2008, S. 15, abgerufen am 11. April 2009 (PDF).
  4. a b c Matthias Donath, Jörg Blobelt (Fotos): Sächsisches Weinland. Historische Weingüter und Weinberghäuser im Elbtal. 1. Auflage. Redaktions- und Verlagsgesellschaft Elbland, Dresden 2010, S. 104–107.
  5. Cornelius Gurlitt: Die Kunstdenkmäler von Dresdens Umgebung, Theil 2: Amtshauptmannschaft Dresden-Neustadt. In: Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler des Königreichs Sachsen, Band 26, C. C. Meinhold, Dresden 1904. (Digitalisat Zitzschewig. Kynast Weinberg. Blatt 324)
  6. a b c d Liselotte Schließer (Erarb.): Radebeul - Stadtführer durch Vergangenheit und Gegenwart. 1. ergänzte Auflage. Edition Reintzsch, Radebeul 2008, ISBN 978-3-930846-05-4, S. 150 ff. 
  7. Karl Julius Hofmann: Das Meißner Niederland in seinen Naturschönheiten und Merkwürdigkeiten oder das sächsische Italien in den Meißner und Dresdner Gegenden mit ihren Ortschaften. Ein Volksbuch für Natur und Vaterlandsfreunde topographisch historisch und poetisch dargestellt. Louis Mosche, Meißen 1853, S. 691. (Online-Version)
  8. Josef Matzerath: Aspekte sächsischer Landtagsgeschichte – Präsidenten und Abgeordnete von 1833 bis 1952, Dresden 2001, S. 111.
  9. Frank Andert (Redaktion); Große Kreisstadt Radebeul. Stadtarchiv Radebeul (Hrsg.): Stadtlexikon Radebeul. Historisches Handbuch für die Lößnitz. 2. Auflage. Stadtarchiv, Radebeul 2006, ISBN 3-938460-05-9, S. 218 f. 
51.12513888888913.605416666667

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