Leipziger Nikolaikirche

Leipziger Nikolaikirche
Nikolaikirche Leipzig

Die Nikolaikirche ist neben der Thomaskirche die bekannteste Kirche Leipzigs. Sie war zentraler Ausgangspunkt der friedlichen Revolution in der DDR im Herbst 1989 mit anschließendem Mauerfall in Berlin und der Wiedervereinigung Deutschlands am 3. Oktober 1990. Die Umgestaltung und Ausstattung des Innenraumes der Nikolaikirche ist eine bedeutende Schöpfung des Klassizismus.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte und Baugeschichte

Die Stadt- und Pfarrkirche St. Nikolai wurde ab 1165 nach der Verleihung des Stadt- und Marktrechtes an Leipzig im romanischen Stil erbaut. An der Westseite der Kirche ist der romanische Ursprung bis heute sichtbar. Im 15. und 16. Jahrhundert erfolgten Erweiterungen und der vollständige Umbau zur dreischiffigen spätgotischen Hallenkirche.

1452 erhielt die Nikolaikirche mit der Osanna ihre erste Glocke, verziert mit Darstellungen des gekreuzigten Jesus und den vier Evangelisten, dem Heiligen Martin und dem Schutzpatron dieser Kirche, dem Heiligen Nikolaus. Die Glocke läutete nicht nur die Gottesdienste ein, sondern sie wurde auch als Feuerglocke genutzt.[1].

Am 25. Mai 1539 wurde durch die Predigten der Reformatoren Justus Jonas der Ältere und Martin Luther die Reformation in Leipzig begonnen. Die Kirche wurde damit Sitz des ersten Superintendenten der Stadt Johann Pfeffinger.

Im Zuge der Aufklärung und Revolutionsarchitektur wurde der Innenraum der Kirche zwischen 1784 und 1797 nach dem Ideal der Urhütte (Bäume = Säulen, Blätterdach, usw.) umgestaltet. Darauf weist auch die 1999 errichtete Palmsäule vor der Kirche hin.

Die letzten großen baulichen Veränderungen erfolgten von 1901 bis 1902 an der Außenfassade. Das spätgotische Aussehen wurde beibehalten.

Die Montagsdemonstrationen, die gegen das DDR-Regime gerichtet waren, entwickelten sich aus den Montagsgebeten, die in der Nikolaikirche bereits Anfang der 1980er Jahre stattfanden und anfänglich nur von einigen wenigen Menschen besucht wurden. Ende der 1980er Jahre gingen allwöchentlich Zehntausende manchmal sogar über 100.000 Menschen während der Montagsdemonstrationen auf die Leipziger Straßen, um für Demokratie, freie Wahlen, Reisefreiheit und die Einheit Deutschlands zu demonstrieren. Auf dem Nikolaikirchhof vor der Kirche wurde 1999 nach Entwürfen des Leipziger Künstlers Andreas Stötzner die Nachbildung einer Dauthe‘schen Säule errichtet, die als Friedenssäule an die Montagsdemonstrationen und die Friedhaftigkeit der Revolution erinnern soll. Im Jahr 1995 drehte Frank Beyer einen nach der Kirche benannten Film, der die Geschehnisse des Jahres 1989 künstlerisch aufarbeitete.

Obwohl die Nikolaikirche allein der evangelischen Kirche gehört, wird das Kirchengebäude von beiden Konfessionen, also auch von der katholischen Propsteigemeinde zur Feier der sonntäglichen Messe und anderer Feiern genutzt.

Bis zum 30. März 2008 war Christian Führer Pastor der Nikolaikirche. Sein Nachfolger ist Bernhard Stief.

Innenraum und Ausstattung

Von 1784 bis 1797 wurde der Innenraum im klassizistischen Stil durch den Leipziger Stadtbaumeister Johann Carl Friedrich Dauthe grundlegend umgebaut. Die Gemälde der klassizistischen Ausstattung schuf der Leipziger Akademiedirektor Adam Friedrich Oeser. Dauthes Umgestaltung ist beeinflusst durch die Architekturtheorie von Marc-Antoine Laugier. Das Gesamtkonzept folgt Laugiers Forderungen im Kapitel „De la difficulté de décorer les églises gothques“ seiner „Observations sur l'architecture“ (Den Haag 1765). Laugier äußert sich positiv über die gotischen Kirchenbauten, will sie aber in klassischen Formen korrigieren und mittelalterliche Ausstattungselemente beseitigen.

Dauthe hat nach Laugiers Vorstellungen die Pfeiler der spätgotischen Hallenkirche durch Abarbeitung bzw. Antragung eines Stuckmantels in kannellierte Säulen von rötlichem Farbton umgedeutet. Die aus ihren Palmenkapitellen aufsprießenden hellgrünen Blätter kaschieren den Ansatz der gotischen Kreuzgewölbe. Deren Gewölbefelder sind zu klassischen, mit Rosetten besetzten Kassetten geworden. Alles ist auf den Farbakkord Weiss-Rosa-Hellgrün abgestellt. Die von Doppelsäulen korinthischer Ordnung getragenen Emporen orientieren sich hingegen mehr an Laugiers „Essai sur l'architecture“ (Paris 1753, 2. Aufl. 1755). Im Chor wurde ein hölzernes Tonnengewölbe unterhalb des mittelalterlichen Gewölbes eingezogen.

Die Orgel geht auf ein Instrument von Friedrich Ladegast aus dem Jahr 1862 zurück, das damals die größte Kirchenorgel Sachsens war und die romantische Interpretation der Orgelkompositionen Johann Sebastian Bachs in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts mitgeprägt hat. 1902/03 wurde die Orgel durch die Firma Wilhelm Sauer (Frankfurt/Oder) umgebaut und erweitert. Eine Restaurierung 1986-88 brachte die Elektrifizierung der Traktur durch VEB Orgelbau Sauer (Frankfurt/Oder). 2002/03 erfolgte ein Neubau durch die Orgelmanufaktur Hermann Eule in Bautzen, der sich an der Ladegast-Orgel orientiert, aber auch die übrige historische Substanz weitestgehend integriert. Die Gestaltung des Spieltisches übernahmen die Designer der Firma Porsche AG. Die Benutzung oder Besichtigung der Orgel ist entgegen der sonst üblichen Praxis anderer Kirchen kostenpflichtig.

Sehenswürdigkeiten

Literatur

  • Heinrich Magirius: Nikolaikirche Leipzig (Schnell u. Steiner, Kleiner Kunstführer), München 1991
  • Heinrich Magirius: Die Umgestaltung des Innenraums der Nikolaikirche zu Leipzig durch Johann Carl Friedrich Dauthe 1784 bis 1797. In: Gebaute Vergangenheit heute - Berichte aus der Denkmalpflege, Berlin/München 1993, ISBN 3-345-00530-1
  • Reinhard Wegner, Gotik und Exotik im Zeitalter der Aufklärung. Der Umbau der Nikolaikirche in Leipzig. In: Deutsche Baukunst um 1800. Köln usw.: Böhlau (2000) S. 53-63.
  • Mit den Geschehnissen um die Nikolaikirche von 1987 - 1989 setzt sich der Schriftsteller Erich Loest in seinem Roman Nikolaikirche auseinander, Leipzig 1995, ISBN 3-423-12448-2. Das Buch wurde 1995 verfilmt.
  • Ein etwas anderes Bild aus Sicht jugendlicher Oppositioneller zeichnet der Schriftsteller Martin Jankowski, der jahrelang selbst die Friedensgebete mitgestaltete, in seinem Roman Rabet oder Das Verschwinden einer Himmelsrichtung; München 1999, ISBN 3-933902-03-7.
  • Martin Jankowski: Der Tag, der Deutschland veränderte - 9. Oktober 1989. Evangelische Verlagsanstalt, Leipzig 2007, ISBN 978-3-374-02506-0
  • Karl Czok: Die Nikolaikirche Leipzig. Edition Leipzig 1992 ISBN 3-361-00390-3

Quellen

  1. Nikolaikirche Leipzig Baugeschichte http://www.nikolaikirche-leipzig.de/index.php?option=com_content&task=view&id=110&Itemid=57 am 6.1.2007

Weblinks

51.34026388888912.3785638888897Koordinaten: 51° 20′ 25″ N, 12° 22′ 43″ O


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