- Erich Loest
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Erich Loest (* 24. Februar 1926 in Mittweida) ist ein deutscher Schriftsteller; er schreibt auch unter den Pseudonymen Hans Walldorf und Waldemar Naß.
Inhaltsverzeichnis
Leben und Wirken
Erich Loest besuchte in Mittweida die Oberschule. Seinen eigenen Angaben folgend, stellte er im Jahr 1944 einen Antrag auf Aufnahme in die NSDAP. Die Aufnahme erfolgte am 20. April des Jahres. Hiervor erfuhr Loest nach eigenen Angaben erst Jahrzehnte später.[1] Als sogenannter Werwolf nahm er 1945 an der Endphase des Zweiten Weltkriegs teil. Nach einer kurzen amerikanischen Kriegsgefangenschaft arbeitete Loest in der Landwirtschaft und als Hilfsarbeiter in den Leunawerken. Er holte sein Abitur nach und wurde 1947 Mitglied der SED. Von 1947 bis 1950 war er als Journalist bei der Leipziger Volkszeitung tätig. Seit dem Erscheinen seines ersten Buches Jungen, die übrig blieben im Jahre 1950 ist er freier Schriftsteller. Mitte der 1950er Jahre studierte er am Literaturinstitut Johannes R. Becher in Leipzig.
1957 wurde Loest wegen angeblicher „konterrevolutionärer Gruppenbildung“ im Zusammenhang mit Diskussionen über die Entstalinisierung verhaftet und anschließend zu siebeneinhalb Jahren Zuchthaus verurteilt. Er verbüßte diese Strafe im Zuchthaus Bautzen II. Während dieser Zeit war ihm ein striktes Schreibverbot auferlegt. Nach seiner Haftentlassung 1964 arbeitete Loest wieder als Schriftsteller und veröffentlichte in der DDR eine Reihe von Romanen (darunter sehr populäre Kriminalromane unter dem Pseudonym Hans Walldorf) und Erzählungen. Besondere Beachtung fanden der biografische Roman Swallow, mein wackerer Mustang über den von der DDR-Führung damals geschmähten sächsischen Schriftsteller Karl May und die ungewöhnliche Nazi-Satire Ich war Dr. Ley, geschrieben als Memoiren seines fiktiven Doppelgängers. 1979 geriet er erneut in Konflikt mit der DDR-Staatsführung, als er sich mit anderen Autoren gegen die Zensur in der DDR engagierte. Loest wurde in der DDR derart massiv von der Stasi überwacht und behindert, dass ihm nur der Weg der Ausreise (mit einem Dreijahresvisum) in die Bundesrepublik blieb. Er kehrte nach Ablauf des Visums nicht wieder in die DDR zurück.
Er ließ sich zunächst in Osnabrück nieder und wohnte seit 1987 in Bonn-Bad Godesberg. Seine Bücher veröffentlichte er, abgesehen von Swallow und den Nachauflagen, nur noch in westdeutschen Verlagen. In den 1980er Jahren engagierte sich Loest im westdeutschen Verband deutscher Schriftsteller (VS), dessen nachgiebige Haltung gegenüber den DDR-Machthabern er jedoch missbilligte. 1987 gründete er mit seinem Sohn und seiner Schwiegertochter den Linden-Verlag in Künzelsau, der vorwiegend Loests eigene Werke publiziert und seit 1989 seinen Sitz in Leipzig hat. Auch Loest, der nach der Wende vom Obersten Gericht der DDR im April 1990 voll rehabilitiert wurde, hatte seit 1990 seinen zweiten Wohnsitz in Leipzig. Von 1994 bis 1997 war Loest Vorsitzender des Verbandes deutscher Schriftsteller. Seit 1998 ist er wieder ausschließlich in Leipzig ansässig. Erich Loest ist Mitglied der Sächsischen Akademie der Künste.
Erich Loest ist ein bedeutender Vertreter der realistischen deutschsprachigen Literatur der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Während seine Werke vor seiner Verhaftung meist die Parteilinie der SED vertreten, sind die nach der Haftentlassung entstandenen mehr und mehr von Kritik an den Zuständen in der DDR geprägt. In seinen Romanen und Erzählungen beschäftigt er sich auch mit historischen und legendären Gestalten seiner sächsischen Heimat, wie etwa dem Volkshelden Karl Stülpner. Seit Ende der 1980er Jahre ist Loests Thema vor allem die deutsche Teilung und Wiedervereinigung sowie die Geschichte der Stadt Leipzig. Sein Drehbuch (später Roman) Nikolaikirche wurde als erfolgreicher TV-Mehrteiler verfilmt. Neben seinen politischen Romanen hat Loest auch zahlreiche Kriminalromane und Reisefeuilletons verfasst.
Loest erhebt seine Stimme bei politischen Fragen, die den Umgang mit dem kulturellen Erbe der DDR behandeln. Er kritisierte die Sprengung der alten Universitätskirche und setzte sich für die Neuerrichtung der Paulinerkirche ein und sprach sich dafür aus, Kunstwerke der sozialistischen Epoche aus der Öffentlichkeit zu verbannen. So wandte er sich in offenen Briefen an Medien und Politiker gegen die Wiederaufstellung des Bronze-Reliefs Aufbruch der Karl-Marx-Universität Leipzig und gegen das Gemälde Arbeiterklasse und Intelligenz von Werner Tübke, beide zählen zur Sammlung der Universitätskustodie.
Anlässlich der Preisverleihung des Kulturgroschens in Berlin für sein „herausragendes künstlerisches wie politisches Engagement“ gab Loest am 29. September 2010 bekannt: „Der heutige Tag bildet den festlichen Abschluss meines künstlerischen und politischen Treibens.“ Von ihm seien nun keine Romane oder längeren Erzählungen mehr zu erwarten.[2]
Sein 2011 erschienenes Buch "Man ist ja keine Achtzig mehr" enthält Tagebucheinträge von August 2008 bis September 2010.[3]
Werke
- Jungen, die übrig blieben, Leipzig 1950
- Nacht über dem See und andere Kurzgeschichten, Leipzig 1950
- Liebesgeschichten, Leipzig 1951
- Die Westmark fällt weiter, Halle (Saale) 1952
- Sportgeschichten, Halle (Saale) 1953
- Das Jahr der Prüfung, Halle (Saale) 1954
- Aktion Bumerang, Halle (Saale) 1957
- Sliwowitz und Angst, Berlin 1965
- Ich war Dr. Ley, Berlin 1966 (unter dem Pseudonym Waldemar Naß)
- Der Mörder saß im Wembley-Stadion, Halle (Saale) 1967 (unter dem Pseudonym Hans Walldorf)
- Waffenkarussell, Berlin 1968 (unter dem Pseudonym Hans Walldorf)
- Hilfe durch Ranke, Berlin 1968 (Blaulicht 93, unter dem Pseudonym Hans Walldorf)
- Der Abhang, Berlin 1968
- Öl für Malta, Berlin 1968
- Der elfte Mann, Halle (Saale) 1969
- Gemälde mit Einlage, Berlin 1969 (Blaulicht 105, unter dem Pseudonym Hans Walldorf)
- Schöne Frau und Kettenhemd, Berlin 1969 (Blaulicht 107, unter dem Pseudonym Hans Walldorf)
- Erpressung mit Kurven, Berlin 1970 (Blaulicht 119, unter dem Pseudonym Hans Walldorf)
- Oakins und der Elefant, Berlin 1972 (Blaulicht 137, unter dem Pseudonym Hans Walldorf)
- Mit kleinstem Kaliber, Halle (Saale) 1973 (unter dem Pseudonym Hans Walldorf)
- Schattenboxen, Berlin 1973
- Wildtöter und Große Schlange, Berlin 1974
- Ins offene Messer, Berlin 1974
- Eine Kugel aus Zink, Berlin 1974 (Blaulicht 157, unter dem Pseudonym Hans Walldorf)
- Etappe Rom, Berlin 1975
- Oakins macht Karriere, Berlin 1975
- Rotes Elfenbein, Halle (Saale) 1975 (unter dem Pseudonym Hans Walldorf)
- Die Oma im Schlauchboot, Berlin 1976
- Es geht seinen Gang oder Mühen in unserer Ebene, Halle [u.a.] 1977
- Rendezvous mit Syrena, Halle [u.a.] 1978 (zusammen mit Gerald Große)
- Pistole mit sechzehn, Hamburg 1979
- Swallow, mein wackerer Mustang, Berlin 1980
- Durch die Erde ein Riß, Hamburg 1981
- Harte Gangart, Köln 1983
- Völkerschlachtdenkmal, Hamburg 1984
- Der vierte Zensor, Köln 1984
- Geordnete Rückzüge, Hannover 1984
- Herzschlag, Niddatal 1984
- Zwiebelmuster, Hamburg 1985
- Leipzig ist unerschöpflich, Paderborn 1985
- Saison in Key West, München [u.a.] 1986
- Bruder Franz, Paderborn [u.a.] 1986
- Ein Sachse in Osnabrück, Freiburg i. Br. 1986
- Froschkonzert, München [u.a.] 1987 (verfilmt als Die Frosch-Intrige, ZDF 1990)
- Die Brücke über den Lipper Ley, (Hörspiel, Hessischer Rundfunk) 1987
- Eine romantische Reise um die Welt, Künzelsau 1988
- Tatort: Spuk aus der Eiszeit, (Norddeutscher Rundfunk) 1988
- Fallhöhe, Künzelsau 1989
- Eine romantische Reise durch Europa, Künzelsau 1989
- Durch die Erde ein Riss. Ein Lebenslauf, (Autobiographie) Künzelsau 1989
- Bauchschüsse, Künzelsau 1990
- Der Zorn des Schafes, Künzelsau 1990
- Die Stasi war mein Eckermann oder: mein Leben mit der Wanze, Göttingen 1991
- Heute kommt Westbesuch, Göttingen 1992
- Katerfrühstück, Leipzig 1992
- Inseln der Träume, Künzelsau, 1993
- Zwiebeln für den Landesvater, Göttingen 1994
- Nikolaikirche
- Als wir in den Westen kamen, Stuttgart 1997
- Gute Genossen, Leipzig 1999
- Reichsgericht[4], Leipzig 2001
- Träumereien eines Grenzgängers, Stuttgart 2001
- Sommergewitter, Göttingen 2005
- Prozesskosten, Göttingen 2007
- Einmal Exil und zurück, Göttingen 2008
- Wäschekorb, Göttingen 2009
- Löwenstadt, Göttingen 2009
- Man ist ja keine Achtzig mehr, Steidl, Göttingen 2011 ISBN 978-3-86930-236-2
- Werkausgabe, Künzelsau [u.a.]
- Bd. 1. Jungen, die übrig blieben, 1991
- Bd. 2. Der elfte Mann, 1992
- Bd. 3. Schattenboxen, 1993
- Bd. 4. Zwiebelmuster, 1994
- Bd. 5. Swallow, mein wackerer Mustang, 1996
- Bd. 6. Die Mäuse des Dr. Ley, 2000
Auszeichnungen
Literaturpreise
- 1981 Hans-Fallada-Preis der Stadt Neumünster
- 1984 Marburger Literaturpreis
- 1992 Karl-Hermann-Flach-Preis
- 1998 Mainzer Stadtschreiber
Ehrungen
- 1992 Ehrenbürger von Mittweida
- 1996 Ehrenbürger von Leipzig
- 1997 Kommandeurskreuz des Verdienstordens der Republik Polen
- 1999 Großes Bundesverdienstkreuz
- 2001 Ehrendoktorwürde der Technischen Universität Chemnitz
- 2009 Deutscher Nationalpreis
- 2009 Ehrendoktorwürde der Philosophie der Justus-Liebig-Universität Gießen[5]
- 2010 Kulturgroschen des Deutschen Kulturrats
Literatur
- Andrea Sahlmen: Das Vehikel der Imagination, Frankfurt am Main 1992
- Es ging seinen Gang, Köln 1996
- Erich Loest zum 70. Geburtstag, Leipzig 1996
- Marie-Geneviève Gerrer: Le thème de l'autorité chez un écrivain saxon de RDA, Nancy 1996
- Gudrun Schneider-Nehls: Grenzgänger in Deutschland, Potsdam 1997
- Sabine Brandt: Vom Schwarzmarkt nach St. Nikolai, Leipzig 1998
- Kulturstiftung Leipzig (Hrsg.): Leipziger Blätter, Sonderheft: Erich Loest. Eine deutsche Biographie, Leipzig 2007
- Regine Möbius: Wortmacht und Machtwort.Der politische Loest, Plöttner Verlag Leipzig 2009
Quellen
- ↑ „Autor Erich Loest war NSDAP-Mitglied“, Freie Presse, 7. Februar 2011.
- ↑ ARD-Videotext S. 402 vom 29. September 2010
- ↑ [1]
- ↑ rewi.hu-berlin.de - Rezension zu Erich Loest: Reichsgericht von Thomas Henne
- ↑ Ehrenpromotion der Universität Gießen für Erich Loest, Pressemeldung der Universität Gießen, in: [Informationsdienst Wissenschaft] vom 12. November 2009, abgerufen am 13. November 2009
Weblinks
Commons: Erich Loest – Album mit Bildern und/oder Videos und Audiodateien- Literatur von und über Erich Loest im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Man(n) ist ja keine achtzig mehr - Erich Loest zum 85. Geburtstag Porträt in der Zeitschrift Freiheit und Recht. Vierteljahreszeitschrift für streitbare Demokratie und Widerstand gegen Diktatur, April 2011/1+2, S.17-19 von Martin Rooney
Kategorien:- Autor
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