Leonhard Miksch

Leonhard Miksch

Leonhard Miksch (* 20. Mai 1901 in Teplitz-Schönau, Böhmen; † 19. September 1950 in Freiburg im Breisgau, Baden-Württemberg) war ein deutscher Wirtschaftswissenschaftler und Hochschullehrer.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Er gehörte zu den eher unbekannten Vertretern der ordoliberalen Freiburger Schule. Seine dennoch beachtliche Bedeutung ergibt sich aus seiner Funktion als enger Berater Ludwig Erhards, seiner wissenschaftlichen Beiträge zur Weiterentwicklung des Ordoliberalismus sowie seiner Teilnahme an wissenschaftlichen Beiräten. Zudem stand er stand dem Personenkreis um Walter Eucken, Franz Böhm, Wilhelm Röpke und Alexander Rüstow sehr nahe und gehörte mit diesen zum Kern der Freiburger Lehrgemeinschaft.

Leonhard Miksch war kein reiner Wirtschaftswissenschaftler. Ein wichtiger Teil seines Lebens war eine immerhin 14-jährige Tätigkeit in der (damals) linksliberalen bzw. der DDP nahe stehenden Frankfurter Zeitung von 1929 bis 1943. Dies liefert einen wichtigen Erklärungsbeitrag auch für die politische Positionierung von Miksch. Bedeutend waren auch seine 80 Aufsätze für die Zeitschrift Die Wirtschaftskurve.

Seine gemäßigt linksliberale politische Einstellung sowie seine SPD-Mitgliedschaft verhinderten, dass sich Miksch in der Zeit des Nationalsozialismus im Jahre 1939 habilitieren ließ, trotz einer herausragenden Habilitationsschrift, da mit einer Habilitation auch eine sich vermutlich verheerend auswirkende „politische Beurteilung“ seitens der nationalsozialistischen Partei verbunden gewesen wäre.

Nach dem Krieg begann für Miksch ein Neuanfang. Zunächst war er stellvertretender Leiter des Ernährungsamtes in Berlin-Wilmersdorf, ab 1946 hatte die stellvertretende Leitung des Zentralamtes für Wirtschaft der britischen Zone in Minden inne. Schließlich übernahm er die Leitung des Referats I B 1 „Preiswirtschaftliche Grundsatzfragen und Betriebswirtschaft“. Danei wurde er zu einem engen Mitarbeiter Ludwig Erhards, der seinerseits seit März 1948 Direktor der Verwaltung der Wirtschaft war. Die Währungsreform der jungen Bundesrepublik war zu guten Teilen das Verdienst Mikschs, der in dieser Zeit als Ideengeber und Ratgeber Erhards diente. „Die Preise müssen echte Gleichgewichtspreise sein und das Verhältnis von Angebot und Nachfrage auf jedem Markte widerspiegeln“, lautete das Credo Mikschs. Er war davon überzeugt, dass sozialstaatlichen Aufgaben und Handlungen des Staates erforderlich seien, ohne diese sei die Freigabe der Preise nach Auffassung von Miksch „sinnlos“.

Das berühmte „Leitsätzegesetz“, mit dem die Preise geradezu handstreichartig freigegeben wurden, wurde von Miksch entworfen.

Früher Tod

Mit dem Tod durch einen Herzschlag des damals 49-jährigen Leonhard Miksch und dem zuvorigen Tod von Walter Eucken verlor die Freiburger Schule 1951 ihre markantesten ökonomischen Köpfe.

Wirtschaftswissenschaftliche Überzeugungen

Miksch war wie die übrigen Angehörigen der Freiburger Schule davon überzeugt, dass eine reine Laissez faire-Ökonomie automatisch zur Zerstörung des Wettbewerbs führe und sich zu Lasten von Verbrauchern und Arbeitnehmern entwickele. Als Gegengewicht zu dieser als sozial schädlich empfundenen Entwicklung galt neben Wettbewerbspolitik und Sozialpolitik das Element der „Ordo“, mit dem Entartungen der Wirtschaftsprozesse verhindert werden sollten.

Für Miksch und die übrigen Ordoliberalen war der Wettbewerb also „eine staatliche Veranstaltung“ und nur über einen starken Staat zu sichern (Miksch 1937). Wesentlich für Mikschs Denken war seine mit „Teilmonopolen“ und „Teiloligolen“ verfeinerte Lehre von den Marktformen, welche sich aus präziser und ausschließlich an der Realität orientierter Beobachtung tatsächlicher Marktverhältnisse ableitete. Die Idealform des vollkommenen Marktes finde sich in der ökonomischen Wirklichkeit nicht.

„Aufgabe der Wettbewerbspolitik ist es, jedem Markt eine geeignete Marktverfassung zu geben“, wobei hier an den tatsächlich vorgefundenen Marktverfassungen angeknüpft werden sollte, allerdings in der Weise, dass der Marktzugang für potentielle Konkurrenten, die Anbietervielfalt und fairer Leistungswettbewerb dadurch befördert werden. Die Steuerung des Marktes solle in erster Linie aus den Interessen der Konsumenten heraus erfolgen, gravierende Machtungleichgewichte zwischen Anbietern und Nachfragern solle der Ordo setzende Staat ausgleichen, notfalls sogar dadurch, dass er selbst durch eigene Betriebe in den Wettbewerb eintritt – jedoch nur zum Zwecke des Ausgleichs vorhandener Ungleichgewichte.

Märkte sollen nach Möglichkeit in die Marktverfassung der freien Konkurrenz überführt werden, jedoch unter strikter Beachtung staatlicher Rechtsetzung, z. B. in Fragen der Arbeitnehmerschutzrechte.

„Auf den Märkten …, die trotz unvollständiger Konkurrenz im freien Wettbewerb organisiert sind, besteht in der Regel Marktzerrüttung“ (Miksch 1937)

Monopole in privater Hand sind nach Miksch unbedingt zu verhindern, und, soweit sie nicht aufgelöst und in den freien Wettbewerb überführt werden können, so gelte, dass die staatliche Lenkung von Monopolen die einzig adäquate Organisationsform darstelle, da nur dann „die Interessen der Gesamtheit gewahrt bleiben“ (Miksch 1937).

Mit dieser Eingriffforderung stellten sich Miksch und die übrigen Ordoliberalen in Gegensatz zu den bisherigen Vertretern des Liberalismus, dem sie nicht nur vorwarfen, „sozial blind“ zu sein, sondern auch Wirtschaftspolitik aus einer übertriebenen Harmonieerwartung heraus zu betreiben, welche reale Wirtschaftsprozesse in ungeeigneter Weise idealisiere, sodass tatsächliche Probleme ungelöst blieben.

Die geforderten staatlichen Eingriffe sollten jedoch in erster Linie auf die Herstellung eines gut funktionierenden und für Konsumenten wie Arbeitnehmer befriedigenden Wettbewerb gerichtet sein. „Ordnen heißt … keineswegs zentral lenken und regulieren. Die freie selbstverantwortliche Entscheidung der im Wirtschaftsprozeß tätigen Personen bildet den stärksten Kraftquell des Fortschritts. Andererseits ist eine zentrale Regulierung aller Wirtschaftsvorgänge kaum durchführbar. Sie würde den Staat mit einer unerhörten, unfruchtbaren und dabei höchst spekulativen Arbeit belasten. Der komplizierte Ablauf des wirtschaftlichen Apparats muß, so weit es angeht, freiheitlich gestaltet werden. Ordnen heißt in Freiheit ordnen“ (Miksch 1937).

Der politisch-rechtliche sowie direkt ordnende Rahmen, der von außen durch die Marktverfassung gegeben wird, solle dahingehend wirken, dass der Wirtschaftsprozess „sich dann von selbst in der gewünschten Richtung vollzieht“ (Miksch 1937).

Je nachdem, wie sich die wirtschaftlichen Rahmendaten und tatsächlichen ökonomischen und sozialen Probleme darstellen, gebe es für das Verhältnis von „äußerer Ordnung“ bzw. „äußerer Koordination“ (z. B. staatlich gesetzter Ordo) und „innerer Koordination“ auf den jeweiligen Märkten unterschiedliche Optima, was dann nach Miksch bedeutet, dass diese Suche nach dem jeweiligen wirtschaftspolitischen Optimum „als ewige Aufgabe gestellt“ bliebe (Miksch 1950).

Eine Vielzahl von Anbietern und Nachfragern, sowie die „Machtlosigkeit“ dieser (z. B. hinsichtlich der Konditionen bzw. in Bezug auf das Marktgegenüber) sind nach Miksch Kennzeichen gut funktionierender Märkte, bei denen dann weitgehend auf „äußere Koordination“ verzichtet werden könne. Ohne eine hinreichende Anbieter- und Nachfragervielfalt können Märkte nach Miksch keinen Gleichgewichtszustand erreichen, sondern sie verlassen das Gleichgewicht, in der Regel zu Lasten der schwächeren Marktteilnehmer bzw. zu Lasten des Allgemeinwohls.

Nach Miksch kommen Marktformen der unvollständigen Konkurrenz den rigide und oft zu Lasten der Individuen und Einzelwirtschaften gestalteten Formen der Befehlswirtschaft sehr nahe.

„In ihr hängt also alles von dem Willen und der Fähigkeit der zentralen Leitung ab. Deren Dispositionsfreiheit schließt jede automatische Koordination aus“, was nach Miksch zugleich bedeutet, dass das Optimum im Sinne des Allgemeinwohls regelmäßig verfehlt werden würde. Entscheidend ist nämlich, dass sich die „Vielzahl individueller Bedürfnisse“ im Wirtschaften niederschlägt und, infolge vollkommener Konkurrenz sowie Privilegienfreiheit, eine Interessen optimal ausgleichende Steuerung der Wirtschaft aus den Interessen der Einzelnen ergibt.

Quellen

  • Arnold Berndt, Nils Goldschmidt: „Wettbewerb als Aufgabe“ – Leonhard Mikschs Beitrag zur Ordnungstheorie und -politik; in: ORDO. Jahrbuch für die Ordnung von Wirtschaft und Gesellschaft, 51 (2000); S. 33–74
  • http://www.vwl.uni-freiburg.de/fakultaet/vw/publikationen/berndt/miksch.pdf (PDF-Datei; 387 kB)
  • Habilitationsschrift von Miksch bei Eucken: Wettbewerb als Aufgabe, 1937
  • Den Einfluss von Leonhard Miksch und Walter Eucken im Wissenschaftlichen Beirat in den Jahren 1947–48 hat Sylvain Broyer aufgezeigt: Sylvain Broyer: Retour à l’économie de marché: les débats du conseil scientifique attaché à l’administration économique de la Bizone; in: Patricia Commun (dir.): L’ordolibéralisme allemand. Aux sources de l’économie sociale de marché; Cergy-Pontoise, 2003; S. 201–221

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