Lizenzpresse

Lizenzpresse

Eine Lizenzzeitung war eine Zeitung, die über die in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg notwendige Erscheinungsgenehmigung (Lizenz) der Militärverwaltung verfügte.

Inhaltsverzeichnis

Zeitungstypus

Anders als bei der 1945/46 anfänglich von den Militärs veröffentlichten Heeresgruppenpresse wurden Lizenzzeitungen erstmals nach dem Krieg wieder von Deutschen verantwortet und herausgegeben. Diese Blätter markieren damit den Wiederbeginn deutscher Pressetätigkeit. Zeitungen ohne Lizenz blieben jedoch bis zur Gewährung der Pressefreiheit 1949 verboten.

Dass zur Herausgabe einer Zeitung zwingend eine Lizenz nötig war, sollte eine unkontrollierte Gründung von Zeitungen unterbinden.
In den westlichen Besatzungszonen sollten auf diese Weise Journalisten und Verleger von den Medien ferngehalten werden, die bereits während des Nationalsozialismus dort gearbeitet und deshalb als mitschuldig an der Verbreitung von Nazi-Propaganda eingestuft worden waren. Da die Lizenz zudem jederzeit problemlos wieder zu entziehen war, eröffnete die Lizenzpflicht zudem gute Möglichkeiten der Disziplinierung und Kontrolle der Lizenzzeitungen bzw. ihrer Redakteure und Herausgeber. Amerikaner, Briten und Franzosen verzichteten zwar auf ihr Vorzensurrecht, die Zeitungen mussten jedoch den verantwortlichen Presseoffizieren zur Nachzensur vorgelegt werden (siehe auch Zensur bzw. Selbstzensur).
Dies galt auch für die Sowjetische Besatzungszone und später in der DDR, wo die Lizenzpflicht das Erscheinen unerwünschter Zeitungen verhindern sollte (siehe auch: Zensur in der DDR). Da die Lizenz zudem mit Vorgaben über die Zahl der Zeitungsausgaben und die Auflagenhöhen einher ging, besaß das DDR-Presseamt als Kernbehörde der staatlichen Medienverwaltung zudem die Kontrolle über die Expansionsmöglichkeiten der Tageszeitungen der DDR. Dies beschränkte vor allem die Bedeutung der Zeitungen der Blockparteien. Obwohl auch für die DDR-Zeitungen Lizenzen nötig waren, werden diese Zeitungen jedoch in Abgrenzung zur westzonalen Presse (aus vermutlich politischen Gründen) nicht als Lizenzzeitungen bezeichnet.

Wegen des Papiermangels nach dem Zweiten Weltkrieg war der Zeitungsumfang sehr stark eingeschränkt (4-8 Seiten). Oft erschienen die Zeitungen auch nur zwei- oder dreimal wöchentlich. Sie enthielten aus Platzgründen zumeist nur wenige Anzeigen. Neben Zeitungen benötigten auch Zeitschriften und andere Medien eine Lizenz.

Erste Lizenzzeitungen

Die erste Lizenz der amerikanischen Militärverwaltung wird am 1. August 1945 an die Frankfurter Rundschau vergeben, es folgt am 5. September die Rhein-Neckar-Zeitung in Heidelberg und am 18. September die Stuttgarter Zeitung. Mit Lizenznr. 1 (der Nachrichtenkontrolle der Militärregierung Ost) versehen, erschien die Süddeutsche Zeitung in München erstmals am 6. Oktober 1945.

Auf britischer Seite erhielten die erste Lizenz die (bereits am 24. Januar von der US-Armee formlos genehmigten) Aachener Nachrichten (am 27. Juni 1945), die nächsten Lizenzen folgten erst ein halbes Jahr später, nämlich am 8. Januar 1946 die Braunschweiger Zeitung und am 15. Januar die Lüneburger Landeszeitung (heute Landeszeitung für die Lüneburger Heide).

Auf französischer Seite erhielt am 8. August 1945 als erstes das Badener Tagblatt (Baden-Baden) eine Lizenz, gefolgt von der Saarbrücker Zeitung (27. August 1945) und dem Südkurier aus Konstanz (7. September 1945).

Unter der sowjetischen Besatzung gab es die erste Lizenz für die Deutsche Volkszeitung (13. Juni 1945) und das Volk (7. Juli 1945), aus denen am 23. April 1946 das Neue Deutschland hervorgehen sollte.

Lizenzvergabe

Während den Lizenznehmern in allen Besatzungszonen gemein war, dass sie - mit seltenen Ausnahmen - zwischen 1933 und 1945 nicht bei NS-Medien gearbeitet haben durften und insofern unbelastet in die neue Nachkriegspresse gingen, verfolgten die einzelnen Alliierten darüber hinaus bei der Vergabe der Lizenzen unterschiedliche Ziele.

Die USA betrieben den Aufbau einer unabhängigen, überparteilichen Presse und vergaben die Lizenzen deshalb jeweils an eine kleine Gruppe von Herausgebern mit unterschiedlichem politischen Hintergrund (sog. „Gruppenzeitungen“).

Die britische Militärregierung wollte die deutsche Bevölkerung die Demokratie üben lassen, indem sie sich aus dem Vergleich politisch unterschiedlich gefärbter Zeitungen ein eigenes Bild machen sollte. Deshalb wurden unterschiedlich parteilich engagierte Zeitungen („Parteirichtungszeitungen“) genehmigt. Als Lizenznehmer fungierten (wie auch bei den parteinahen Zeitungen in anderen Zonen) parteinahe Persönlichkeiten, nicht jedoch die Parteien selbst. (Diese parteinahe Presse wiederbegründete den - zuvor von der NSDAP unterbrochenen - Medienbesitz der SPD (siehe DDVG).) In einigen vor allem ländlichen Regionen sowie am Anfang und gegen Ende der Lizenzphase wurden jedoch auch überparteiliche Blätter (etwa Lüneburger Landeszeitung oder Hannoversche Allgemeine Zeitung) mit einer Lizenz versehen.

Die Franzosen genehmigten sowohl überparteiliche als auch parteinahe Zeitungen.

In der sowjetischen Besatzungszone entstanden vor allem parteinahe Zeitungen, jedoch wurden auch einige überparteiliche Blätter (z.B die Abendpost in Erfurt oder die Tagespost in Potsdam) genehmigt, letztere aber, anders als die Parteiblätter, bis spätestens Anfang der 1950er Jahre wieder eingestellt.


Ende der Lizenzpflicht

In Westdeutschland wurde am 21. September 1949 die Generallizenz erteilt, und jeder, der über die notwendigen Ressourcen verfügte, konnte wieder eine Zeitung gründen. In der Sowjetzone und DDR war für das Herausgeben einer Zeitung bis zur Wende 1989 eine staatliche Lizenz nötig.

Nach dem Ende der Lizenzpflicht kam es ab 1949 sowohl in der jungen Bundesrepublik wie auch ab 1989 in Ostdeutschland zu einer starken, aber nur kurzzeitigen Erhöhung der Zeitungszahl und damit zu Pressevielfalt.

In Westdeutschland wurden die meisten nach Ende der Lizenzpflicht (wieder) entstandenen Zeitungen von den so genannten Altverlegern gegründet, also von jenen Zeitungsunternehmern, die wegen der Herausgabe von Zeitungen während des 3. Reiches von den Besatzungsmächten als belastet und für verlegerische Aufgaben als ungeeignet galten und deshalb zwischen 1945 und 1949 automatisch von der Lizenzvergabe ausgeschlossen worden waren und ein Berufsverbot hatten.

In Ostdeutschland erfolgten vor allem Neugründungen durch Mitglieder der Bürgerbewegung und/oder westdeutsche Lokalverlage. Die ehemaligen ostdeutschen Altverleger, die seit Jahrzehnten in der Bundesrepublik lebten, hatten keine Chance mehr auf eine Rückkehr in ihre alten Verlagsgebiete bzw. waren längst verstorben.

Dass die Lizenzzeitungen jedoch früher am Markt waren als die Neugründungen, bedeutete für sie sowohl in den 1950er Jahren in Westdeutschland als auch in den 1990er Jahren in Ostdeutschland einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil, so dass sie sich in der Regel gegen spätere Gründungen durchsetzen konnten.

'Lizenzpresse' als rechtsradikaler Kampfbegriff

In rechtsradikalen bzw. -extremen Kreisen wird das Wort „Lizenzpresse“ bis zum heutigen Tag für die liberale deutsche Medienlandschaft verwendet. Es soll eine Kontinuität der Intentionen und Führungsverantwortlichen von der Besatzungszeit bis heute suggerieren und die freie Presse damit als einen weiterhin direkt oder indirekt von den Siegermächten oder angeblich hinter diesen stehenden Drahtziehern („Internationale Plutokratie“, „Ostküste“) gesteuerten, der „Umerziehung“ dienenden Apparat darstellen.

Lizenzzeitungen in Österreich

Auch in Österreich knüpften die Alliierten das Wiedererscheinen einer inländischen Presse an den Erhalt von Lizenzen (in der österreichischen Pressegeschichtsschreibung auch als „Permit“ bezeichnet). Lizenznehmer waren jeweils - auch bei den Parteizeitungen - Einzelpersonen oder kleinere Gruppen.

Anders als in Deutschland wurden jedoch in allen Besatzungszonen Parteizeitungen genehmigt. Daneben wurden die weiter bestehenden Heeresgruppenblätter Salzburger Nachrichten, Oberösterreichische Nachrichten und Tiroler Tageszeitung von den US-Amerikanern und Franzosen in parteiunabhängige Zeitungen umgewandelt. In der US-amerikanischen und französischen Zone kam so in den einzelnen Bundesländern auf die drei Parteizeitungen von SPÖ, KPÖ und ÖVP je ein unabhängiges Blatt. In der britischen und sowjetischen Zone fehlte diese Genehmigung einer überparteilichen Presse. Die britische Besatzungsmacht hatte zwar versucht, ihre Heeresgruppenblätter Neue Steirische Zeitung und Kärntner Nachrichten in Ergänzung der Parteipresse ebenfalls als überparteiliche Zeitungen in österreichische Hände zu geben, scheiterte jedoch mit diesem Plan am Widerstand der Parteien. Dagegen entstanden in allen alliierten Sektoren der Hauptstadt Wien sowohl überparteiliche wie Parteizeitungen.

Insgesamt harrt die Entwicklung der österreichischen Lizenzpresse noch der Erforschung. Die Zuständigkeit für die Vergabe von Lizenzen wurde - in den einzelnen Zonen unterschiedlich - von den Alliierten ab November 1946 (britische Zone) an österreichische Stellen übergeben. (In der US-Zone geschah dies zum 30. Juni 1947.)

Siehe auch

Literatur

  • Konrad Dussel: Deutsche Tagespresse im 19. und 20. Jahrhundert, LIT Verlag Berlin-Hamburg-Münster 2004, ISBN 3825868117, In Google Books.
  • Ulrike Harmat: Die Medienpolitik der Alliierten und die österreichische Tagespresse 1945-1955. In: Gabrielle Melischek/Josef Seethaler: Die Wiener Tageszeitungen. Frankfurt/M. u.a.: Peter Lang Verlag 1999, S. 57-96;
  • Harold Hurwitz: Die Stunde Null der deutschen Presse. Die amerikanische Pressepolitik in Deutschland 1945-1949. Köln 1972.
  • Kurt Koszyk: Pressepolitik für Deutsche. (Geschichte der deutschen Presse, Teil IV.) Berlin: Colloquium Verlag 1986;
  • Stefan Matysiak: Die Entwicklung der ostdeutschen Tagespresse nach 1945. Bruch oder Übergang? Diss., Göttingen 2004, hier als Download (7,2 MB);
  • Hermann Meyn: Massenmedien in Deutschland, UVK 2001, ISBN 3-89669-299-2;
  • Eva-Juliane Welsch: Die hessischen Lizenzträger und ihre Zeitungen. Diss., Dortmund 2002, hier als Download (1,2 MB);

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