Anton Oberniedermayr

Anton Oberniedermayr

Anton Oberniedermayr (* 31. Oktober 1899 in Bamberg; † 23. Juli 1986) in Starnberg[1][2] war Kinderchirurg und Gründer der Deutschen Gesellschaft für Kinderchirurgie.

Inhaltsverzeichnis

Familie

Sein Vater Anton August Oberniedermayr (1864–1912) war Leutnant des Königlich-Bayerischen Infanterieregiments, seine Mutter Μathilde Agnes geb. Groß (1870–1952). Oberniedermayr war mit Magdalena Friederike geb. Walch verheiratet. Aus der Ehe stammen vier Kinder: Ferdinand (* 1927), der Künstler Anton (* 1929)[3], Hans (1935–1959) und Magdalena (* 1940).

Ausbildung und Beruf

Oberniedermayr besuchte die Grundschulen in Nürnberg und Lindau (Bodensee) sowie das St.-Anna-Gymnasium in Augsburg, wo er das Notabitur bestand. 1917 meldete er sich freiwillig zum Kriegsdienst. Bis zum Kriegsende war er an der Westfront (Erster Weltkrieg).

Seit 1919 studierte er Medizin in München, Münster und Leipzig. In Münster wurde er 1919 Mitglied des Corps Suevia Straßburg.[4]

1925 wurde er in München als Arzt approbiert. Im selben Jahr promovierte er zum Dr. med.. Anschließend arbeitete Oberniedermayr als Assistenzarzt am Pathologischen Institut in Leipzig, an der Orthopädischen Universitätsklinik in München bei Fritz Lange und von 1926 bis 1930 an der Chirurgischen Universitätsklinik in Würzburg bei Fritz König. 1931 bis 1936 übernahm Oberniedermayr eine Assistentenstelle mit Oberarztfunktion in der chirurgisch-orthopädischen Abteilung der Universitäts-Kinderklinik in München (Dr. von Haunersches Kinderspital), die von Richard Drachter († 1936) geleitet wurde.

Nach der nationalsozialistischen Machtübernahme wurde Oberniedermayr NSDAP-Mitglied, zum Betriebszellenobmann der Deutschen Arbeitsfront (DAF) für die Kinderklinik, Truppführer der SA (1933–1934) und zum Hitlerjugend-Arzt im Bereich Hochland (1934–1942) berufen. Nachdem er sich bei dem Chirurgen Erich Lexer in München mit einer Arbeit über den Harnblasen-Harnleiter-Reflux habilitiert hatte, übernahm er 1936 die kinderchirurgische Abteilung der Universitäts-Kinderklinik in München, deren Leiter er bis 1945 blieb. 1937 nahm Oberniedermayr an einem Pflichtlehrgang der NS-Dozentenakademie teil und wurde 1939 nach Beginn des Zweiten Weltkriegs als Stabsarzt in ein Jagdgeschwader einberufen. Auf Antrag der Universität wurde er 1940 aus der Wehrmacht entlassen und zum außerplanmäßigen Professor der Chirurgie ernannt. Nachdem 1943 die Bombenangriffe auf München begonnen hatten, zog er mit seiner Familie nach Fischbachau, später nach Ohlstadt bei Murnau am Staffelsee um. Die Münchner Kinderklinik wurde ebenfalls nach Ohlstadt verlegt.

1945 wurde Oberniedermayr durch die Siegermächte aller Funktionen enthoben, mit dem Verbot jeder ärztlichen Tätigkeit. Ab 1946 erhielt er eine Niederlassungsgenehmigung als praktischer Arzt in Ohlstadt, wurde 1948 von einer Spruchkammerverhandlung als Mitläufer eingestuft und durfte anschließend wieder den Facharzttitel führen. Er gründete 1948 ein privates Kinderkrankenhaus in Oberammergau, dem er bis zu seiner Wiederernennung zum Professor und Universitätsdozenten 1952 vorstand. Ein Jahr später übernahm er erneut die Leitung der kinderchirurgischen Abteilung an der Universitätskinderklinik. Seit 1954 lebte er mit seiner Familie in Starnberg bei München. Oberniedermayr erhielt 1959 eine planmäßige außerordentliche Professur für Kinderchirurgie in München. Im Jahr 1963 gründete er die Deutsche Gesellschaft für Kinderchirurgie, wurde 1966 zum persönlichen Ordinarius ernannt und 1968 emeritiert.

Leistung

Bis 1933 hatte die deutsche Kinderchirurgie im internationalen Vergleich eine führende Rolle gespielt. Die wissenschaftliche Isolation während des Nationalsozialismus und die fast vollständige Zerstörung des Haunerschen Kinderspitals definierten die neuen Aufgaben des Wiederaufbaus in der Nachkriegszeit. Oberniedermayr verbesserte nach 1954 bereits bestehende Kontakte zu kinderchirurgischen Zentren in den USA, Schweden und Großbritannien und richtete eine eigene Anästhesieabteilung sowie ein Dysmeliezentrum für Kinder mit Missbildungen (durch Thalidomid verursacht, Contergan-Skandal) ein.

Er war Mitbegründer der modernen Kinderchirurgie in Deutschland, die nun eine eigene chirurgische Spezialdisziplin geworden war, und galt als bedeutender Chirurg. Sein Werk umfasst mehr als 100 wissenschaftliche Veröffentlichungen. Er führte die endotracheale Narkose bei kinderchirurgischen Eingriffen ein, entwickelte neue Operations- und Therapieverfahren. 1959 gelang ihm die erste erfolgreiche Trennung von Siamesischen Zwillingen (Xiphopagen). Schwerpunkte der chirurgischen Arbeit waren neurochirurgische Operationen (Hydrocephalus, subdurale Hämatome und Hygrome, Fehlbildungen bei Spina bifida, Schädel-Hirn-Trauma), urologische Operationen (Epi-, Hypospadie, Phimosen), orthopädische Operationen (Hüftgelenkserkrankungen, -missbildungen), Bauchoperationen (Pankreas, Galle, Hernien, angeborene Zwerchfelldefekte und Bauchspalten) und plastische Operationen (Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalten). Darüber hinaus war er Verfasser eines Lehrbuches der Chirurgie und Orthopädie des Kindesalters.

Berufspolitik

Oberniedermayr lud am 21. September 1957 westdeutsche Kinderchirurgen in das Dr. von Haunersche Kinderspital ein. Aus diesem Treffen entstand die Arbeitsgemeinschaft deutscher Kinderchirurgen, aus der 1963 die Deutsche Gesellschaft für Kinderchirurgie hervorging. Er war von 1963 bis 1964 der erste Präsident der Deutschen Gesellschaft für Kinderchirurgie und wurde 1967 zu ihrem ersten Ehrenpräsidenten ernannt.[5]

Mitgliedschaften

  • NSDAP, 1933
  • Ärztlicher Verein München, 1944
  • Deutsche Gesellschaft für Kinderchirurgie, 1963
  • Ehrenmitglied der Schweizer Gesellschaft für Kinderchirurgie, 1970
  • Deutsche Gesellschaft für Kinderheilkunde, 1976
  • Deutsche Gesellschaft für Chirurgie
  • Deutsche Gesellschaft für Kiefer- und Gesichtschirurgie
  • Deutsche Gesellschaft für Plastische Chirurgie
  • British Association of Pediatric Surgeons
  • Spanische Gesellschaft für Kinderchirurgie

Auszeichnungen

Schriften

  • Über Ileus infolge Appendixumschlingung bei Ileocoecaltuberkulose. Diss. med., München 1923.
  • Experimenteller Beitrag zur Frage des Harnblasen-Harnleiterrückflusses (vesico-urethraler Reflux). Habilitationsschrift. In: Zeitschrift für Urologie. 30, 1936.
  • Die Behandlung der angeborenen Blasenspalte. In: Medizinische Klinik. 36, 1940, S. 971.
  • Chirurgie und Orthopädie des Kindesalters. In: Münchner Medizinische Wochenschrift. 93, 1951, S. 550.
  • Kinderchirurgie und Kinderorthopädie. In: Münchner Medizinische Wochenschrift. 106, 1964, S. 1636–1642, 1795–1803.
  • Behandlung der Phimose und Paraphimose. München 1955.
  • Erfolgreiche Trennung Siamesischer Zwillinge. In: Chirurg. 30, 1959, S. 481–483.
  • mit K. Devens: Zwerchfellhernien und Hiatushernien in der Kindheit. In: Archiv für Klinische Chirurgie. 298, 1961, S. 587–603.

Literatur

  • W. Ch. Hecker, I. Coerdt, K. Devens: Anton Oberniedermayr zum 70. Geburtstag. In: Bayerisches Ärzteblatt. 24, 1969, S. 1156.
  • W. Ch. Hecker: Nachruf für Prof. Dr. Anton Oberniedermayr. In: Zeitschrift für Kinderchirurgie. 261, 1986.
  • W. Ch. Hecker: Nachruf für Prof. Dr. Anton Oberniedermayr. In: Bayerisches Ärzteblatt. 9, 1986, S. 375.
  • S. Oswald: Leben und Werk des Kinderchirurgen Professor Dr. med. Anton Oberniedermayr. Diss. med. Ludwigs-Maximilians-Universität, München 1994.
  • Eberhard J. Wormer: Oberniedermayr, Anton. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 19, Duncker & Humblot, Berlin 1999, S. 397–399.
  • H. J. Pompino: Historisches: Anton Oberniedermayr (1899–1986). In: European Journal of Pediatric Surgery. 15, 2005, S. 147.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Ehrenmitglieder der Deutschen Gesellschaft für Kinderchirurgie. Abgerufen am 6. Februar 2009.
  2. Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945. Fischer, Frankfurt am Main 2005, ISBN 978-3-596-16048-8, S. 441.
  3. Rektorenportraits: Toni Oberniedermayr. Abgerufen am 12. Februar 2010.
  4. Kösener Corpslisten 1960, 101, 179
  5. Ehrenpraesidenten der Deutschen Gesellschaft für Kinderchirurgie. Abgerufen am 6. Februar 2009.

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