- Tränenpalast
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Tränenpalast ist die umgangssprachliche Bezeichnung im Berliner Volksmund für die ehemalige Ausreisehalle der Grenzübergangsstelle Bahnhof Friedrichstraße in der zwischen 1961 und 1989 geteilten Stadt Berlin. Sie befindet sich innerhalb von Ost-Berlin im Ortsteil Mitte in der Dorotheenstadt. Die Ausreise aus der DDR nach West-Berlin konnte von hier nur mit der S-, U- oder Fernbahn erfolgen.
Die Bezeichnung Tränenpalast leitet sich davon ab, dass die meisten DDR-Bürger im genannten Zeitraum keine Reisefreiheit nach West-Berlin hatten und ihre westlichen Besucher hier unter Tränen verabschieden mussten.
Im Tränenpalast befanden sich die Kontrollen und Abfertigungsschalter der Grenztruppen der DDR.
Inhaltsverzeichnis
Geschichte
Das Gebäude wurde vom Architekten Horst Lüderitz geplant [1] und zur Trennung der Grenzübergangsstelle vom Bahnhofsbereich sowie der Ein- und Ausreiseströme etwa ein Jahr nach dem Mauerbau errichtet. Bauherr war die DR (Entwurfs- und Vermessungsbüro, Gruppe Hochbau der DR). Architektonisch sollte mit einer freitragenden Stahl-Glas-Konstruktion und Keramikverkleidungen an die Standards zeitgenössischer internationaler Architektur angeknüpft sowie die tatsächliche Funktion verschleiert werden[2]. Der Zugang war nur für Fahrgäste der S-, U- oder Fernbahn gestattet; Fahrausweise konnten laut Informationstafel am Tränenpalast auf den Bahnsteigen erworben werden (in DM West). Ein Fahrkartenverkauf für Ziele in West-Berlin oder in die BRD (kursiv: Originaltext DDR) erfolgte jedoch auch an den Schaltern des städtischen Nahverkehrs der Hauptstadt Berlin bzw. der DR (in Mark Ost).
Grenzabfertigung
Nachdem sich die ausreisenden Personen in eine Warteschlange vor dem Tränenpalast eingereiht hatten, wurden sie am Eingang des Gebäudes in der Regel von zwei Volkspolizisten per Augenschein bei Vorlage des Personalausweises bzw. des Reisepasses und des Visums „vorkontrolliert“. An dieser Türkontrolle wurden so genannte Unberechtigte (z. B. Angehörige der Ausreisenden) abgewiesen. Es folgte ein Staubereich vor der eigentlichen Kontrollstelle.
Im Gebäude führte eine Treppe hinunter zur Zollkontrolle. Hier war im vorderen Teil der Halle jeweils links und rechts vom Hauptweg ein offener Abfertigungsschalter angeordnet. Die Ausfuhr von DDR-Währung in den Westen war verboten, deshalb musste ggf. übrig gebliebenes Geld (oft Beträge unter 10 Mark) noch vor der Zollkontrolle auf einem Sonderkonto bei einer Filiale der Staatsbank deponiert werden (dieses Geld konnte bei erneuter Einreise wieder abgehoben werden). Weiterhin waren die Ausfuhrbestimmungen für Waren zu beachten, die mitgeführten Waren (oft vom Zwangsumtausch gekaufte Bücher) mussten vorher in eine Zollausfuhrerklärung eingetragen werden. Hier wurden oft Reisetaschen und Koffer durchsucht.
Nach der Zollkontrolle erfolgte die eigentliche Kontrolle der Reisedokumente. Hierfür befanden sich im hinteren Teil der Halle rund zehn nebeneinander angeordnete Abfertigungsschalter. Sie waren aus Vierkantstahlrohr gebaut und mit Sprelacart-Platten verkleidet. Neben jedem Durchgang befanden sich Leuchtfelder zur Trennung der ausreisenden Personen in „Bürger Berlin (West)“, „Bürger der BRD“, „Bürger DDR“ und „Bürger anderer Staaten“. Hier erfolgte dann die ausführliche Kontrolle der Pässe bzw. Personalausweise und der Visa. Nach der „Abfertigung“ wurde eine Tür per Summer kurz geöffnet und der für den westlichen Verkehr reservierte Teil des Bahnhofs Friedrichstraße konnte betreten werden.
Hier bestanden Fahrmöglichkeiten in den Westteil Berlins mit der U-Bahn in Richtung Wedding, Tegel bzw. Kreuzberg, Tempelhof, Mariendorf sowie mit der S-Bahn nach Zoologischer Garten, Wannsee (westlich), Gesundbrunnen, Frohnau, Heiligensee (nördlich) und Anhalter Bahnhof, Schöneberg, Zehlendorf, Lichterfelde, Lichtenrade (südlich). Außerdem konnte der Fernbahnsteig erreicht werden. Die Fahrpläne der U- und S-Bahn waren an die regulären Öffnungszeiten der Grenzübergangsstelle angepasst, die letzten Züge verkehrten gegen zwei Uhr nachts. Verspätete Ausreisende mussten im Bahnhof Friedrichstraße in besonderen Räumen bis zum ersten Zug am nächsten Morgen übernachten.
Die Einreise nach Ost-Berlin erfolgte über die Bahnhofsanlagen des Bahnhofs Friedrichstraße, nicht über den Tränenpalast. Im Gegensatz zu anderen Grenzübergangsstellen war dieser Grenzübergang für alle Nationalitäten geöffnet, also nicht nur für West-Berliner (die in der DDR nicht als Bürger der Bundesrepublik Deutschland angesehen wurden), sondern gleichzeitig auch für BRD-Bürger und Ausländer (sowohl sozialistisches als auch nichtsozialistisches Ausland). Für Ausländer gab es alternativ nur den Übergang Checkpoint Charlie ebenfalls in der Friedrichstraße. Für diese „Bürger anderer Staaten“ war der Übergang durchgehend Tag und Nacht geöffnet; sie konnten also im Gegensatz zu „Bürgern aus Berlin West“ und „Bürgern der BRD“ nach der Ausreise - die bis spätestens 24:00 Uhr erfolgen musste - nach 0:00 Uhr unmittelbar wieder einreisen. Für alle anderen Bürger bestanden Einschränkungen, die Übergangsstelle war nicht durchgehend geöffnet. Für Westberliner erfolgte ca. in den 1980er Jahren eine Verlängerung bis 2 Uhr früh. So war der Tränenpalast für viele „Bürger anderer Staaten“ eine ständige Transitstelle, die um Mitternacht passiert werden musste. Die Ausreise hatte am selben Grenzübergang wie die Einreise zu erfolgen. West-Berliner mussten die gewünschte Übergangsstelle bereits bei der Beantragung der Einreise in den Büros für Besuchs- und Reiseangelegenheiten angeben.
Da diese Grenzübergangsstelle mitten auf Ost-Berliner Territorium lag und nur mit U-, S- oder Fernbahn erreicht werden konnte, waren die Möglichkeiten für durchgehende Kontrollen auf West-Berliner Seite stark eingeschränkt. Die nächstgelegenen S- und U-Bahn-Stationen auf West-Berliner Gebiet wurden stichprobenartig bestreift, insbesondere durch westliche Zollbeamte, die nach größeren Mengen von im Intershop zoll- und steuerfrei erworbenen Spirituosen und Zigaretten fahndeten. Für die DDR ergab sich hier die Möglichkeit, problemlos Ausländer in den Westen abzuschieben (z. B. Asylbewerber).
Nutzung nach der Wiedervereinigung
Ein ursprünglich bestehender Verbindungsgang zum Bahnhof Friedrichstraße wurde nach der Grenzöffnung 1990 entfernt. Nach der Wiedervereinigung wurde 1991 aus dem ehemaligen Tränenpalast ein gleichnamiger Club mit unterschiedlichen kulturellen Veranstaltungen (Diskothek, Kabarett und andere Live-Veranstaltungen). 1993 wurde das Gebäude unter Denkmalschutz gestellt.[3] Der Club musste im Juli 2006 geschlossen werden, da der Berliner Senat das Grundstück verkauft hat.[4] Für die Zukunft wurde eine kulturelle Nutzung vorgeschrieben.
Auf dem umliegenden Grundstück – begrenzt durch den Bahnhof Friedrichstraße, Reichstagufer und Friedrichstraße – entstand ein Bürokomplex, genannt „Spreedreieck“. Die Umstände des Grundstücksverkaufs an den Investor sollen durch einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses geklärt werden.[5]
Nutzung seit September 2011
Im November 2008 wurde mit der „Fortschreibung der Gedenkstättenkonzeption des Bundes“ die Nutzung des Gebäudes als Erinnerungsort und Ausstellungsraum festgeschrieben. Nach Abschluss umfangreicher Umbau- und Sanierungsmaßnahmen bietet die Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland seit dem 15. September 2011 im denkmalgeschützten Tränenpalast die ständige Ausstellung „GrenzErfahrungen. Alltag der deutschen Teilung“ an.[6] Der Eintritt ist frei. Mit biografischen Beispielen, Originalobjekten und Zeitzeugeninterviews veranschaulicht sie auf 550 Quadratmetern Ausstellungsfläche das Leben angesichts von Teilung und Grenze. Sie zeigt außerdem die wichtigsten Stationen im Vereinigungsprozess. Als Ausstellungsobjekte dienen beispielsweise originale und rekonstruierte Abfertigungskabinen, wie sie im Tränenpalast im Einsatz waren, sowie ein Modell im Maßstab 1:87, das die Aus- und Einreisebewegungen in der gesamten Anlage – bestehend aus Tränenpalast und Bahnhof Friedrichstraße – veranschaulicht. Die Ausstellung wurde von der Bundeskanzlerin Angela Merkel am 14. September 2011 eröffnet. In den ersten beiden Wochen nach der Eröffnung wurde sie bereits von mehr als 30.000 Besuchern besucht.[7]
Ein Mietvertrag mit der Bonner Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland wurde im Januar 2010 über 20 Jahre abgeschlossen.[8][9]
Weblinks
Commons: Tränenpalast – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien- Offizielle Website des Tränenpalastes
- Trauer um den Tränenpalast, Stern, 2. August 2006
- Postkartenansicht von 1964
- Eintrag in der Berliner Landesdenkmalliste mit weiteren Informationen
- Die Ausstellung im Museumsmagazin
Einzelnachweise
- ↑ Hier flossen mehr Tränen als irgendwo sonst. In: Berliner Morgenpost vom 14. September 2011.
- ↑ Quelle: Denkmaldatenbank der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung Berlin
- ↑ Das Haus ist mein Schicksal – Vor zehn Jahren eröffnete Marcus Herold den Tränenpalast als Veranstaltungsort. In: Berliner Zeitung vom 28. November 2001
- ↑ Vorhang fällt ins Ungewisse. Bei: Spiegel online, 12. Juli 2006
- ↑ Opposition beantragt Untersuchung des Spreedreieckskandals, taz, 17. April 2008
- ↑ Tränenpalast Stiftung Haus der Geschichte
- ↑ Ausstellung: Schon 30 000 Besucher bei Schau im Tränenpalast, www.morgenpost.de vom 4. Oktober 2011
- ↑ Haus der Geschichte wird im Berliner „Tränenpalast“ die deutsch-deutsche Teilung dokumentieren. In: General-Anzeiger (Bonn), 15. November 2008
- ↑ Starkes Engagement in Berlin. In: General-Anzeiger (Bonn), 26. Januar 2010
52.52083333333313.386944444444Koordinaten: 52° 31′ 15″ N, 13° 23′ 13″ OKategorien:- Veranstaltungsgebäude in Berlin
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