- Arabische Umgangssprache
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Die Arabischen Dialekte haben sich aus bereits im Altertum diversifizierenden altarabischen Varietäten entwickelt. Die arabischen Nationalgrammatiker, insbesondere Sibawayhi, überlieferten zahlreiche regionale, umgangssprachliche Abweichungen vom klassischen Arabisch.
Inhaltsverzeichnis
Altarabische dialektale Varianten
Im Folgenden eine kleine Auswahl dieser bereits im Altarabischen dokumentierten dialektalen Erscheinungen:
- Ersetzung von ف f durch ث ṯ [IPA θ]. Daran erinnert noch das heute in vielen Dialekten gebräuchliche ṯimm, ṯumm, timm, tumm für hocharabisches فم fam-un.
- Aussprache von ج ǧ [IPA ʤ] als ž [IPA ʒ], wie es uns heute aus weiten Teilen des Libanons und Syriens vertraut ist.
- Aussprache von ق q als k, wie wir es heute aus dem bäuerlich Palästinensischen kennen.
- Ersatz von ك k durch ش š [IPA ʃ]. Damit könnte auch die Affrizierung des k zu č [IPA ʧ] gemeint sein, wie sie uns von Kleinviehnomaden und den palästinensischen Bauern bekannt ist.
- Verwechslung der Laute ظ ḏ̣ [IPA ð~] und ض ḍ [IPA d~].
- Imāla, d. h. Hebung von langem ā zu ǟ oder gar ē in bestimmter konsonantischer Umgebung, wie es uns heute aus zahlreichen arabischen Dialekten geläufig ist.
- Abweichender Präfixvokal in einigen oder allen Personen beim Imperfekt bestimmter Verben, also beispielsweise niʕlam-u statt klassisch korrekt naʕlam-u „wir wissen“.
- Ersatz von Verben des Morphemtyps faʕila durch fiʕila, also mit rückschreitender Angleichung des Vokals.
- Bei vielen Verben regionale Varianten des mittleren Vokals im Perfekt, also beispielsweise faʕila statt faʕala oder faʕula und umgekehrt.
- Unterschiedliche Behandlung des grammatikalischen Geschlechts bei zahlreichen Nomen, beispielsweise beim Wort طريق / ṭarīq /„Weg“, das bei manchen Stämmen maskulin, in anderen feminin behandelt wurde.
- Unterschiedliche Demonstrativpronomen bei verschiedenen Stämmen, beispielsweise ذلك ḏālika und ذاك ḏāka für „jener“.
- Ausfall von Hamza ء ʔ im Wortinnern, also beispielsweise al-mara statt al-marʔa für „die Frau“ oder rās-un statt raʔs-un für „Kopf“.
Der neuarabische Sprachtypus
Mit den arabischen Eroberungen ab dem 7. Jahrhundert verbreitete sich das Arabische von seinem Stammgebiet, der Arabischen Halbinsel, nach Westen bis an den Atlantik, nach Osten bis nach Zentralasien, nach Norden bis in das Gebiet der heutigen Türkei und nach Süden bis Sansibar. Durch riesige Entfernungen voneinander isoliert und dem Einfluss von starken, weil verwandtschaftlich recht nahe stehenden Substratsprachen ausgesetzt – z. B. dem Aramäischen – entwickelten sich die neuarabischen Dialekte. Der neuarabische Sprachtypus steht innerhalb der semitischen Sprachfamilie dem Aramäischen näher als noch der altarabische Sprachtypus, der seinerseits eine größere Affinität zum Akkadischen hatte.
Über 1.000 Jahre Sprachentwicklung haben zu einer Vielfalt von Dialekten geführt, die teilweise unverständlich untereinander sind. Dass die Verständigung innerhalb der arabischen Welt doch noch klappt, liegt an der Tatsache, dass eine auf dem klassischen Arabisch basierende Sprachform als gemeinsame Hoch- und Dachsprache genutzt wird. Der Unterschied zwischen Hochsprache und Umgangssprache ist gewaltig, man stelle sich etwa zum Vergleich vor, in Italien würde heute noch Latein als Hoch- und Mediensprache benutzt, während man ansonsten im Umgang miteinander italienische Dialekte spräche.
Das Neuarabische wird in der Regel nicht geschrieben, sondern ist der mündlichen Kommunikation vorbehalten. Dadurch, dass in allen arabischen Ländern die Hoch- und Schriftsprache von der ersten bis zur letzten Klasse an den Schulen gelehrt wird, gelingt es beispielsweise zwei Arabern aus Marokko und dem Irak sich nicht nur schriftlich, sondern auch mündlich zu verständigen, indem sie sich nämlich auf ihr Schularabisch besinnen und versuchen, sich im sprachlichen Level soweit in Richtung Schriftsprache hochzuschrauben, bis sie auf eine Ebene kommen, wo sie einander verstehen. Den Zustand, dass zwei zeitlich weit auseinander liegende Formen ein und derselben Sprache als Umgangs- und Hochsprache dienen bezeichnet man als Diglossie.
Eine Sonderstellung im arabischen Sprachraum nimmt Malta ein, dessen arabischer Dialekt zwar den Maghreb-Dialekten nahesteht aber sich doch schon so weit vom Arabischen wegentwickelt hat, dass manche Linguisten dem Maltesischen eine Sonderstellung nicht innerhalb des Arabischen, sondern neben dem Arabischen zuerkennen. Die Malteser benutzen eine aus ihrer Umgangssprache hervorgegangene Schriftsprache, die in einer modifizierten Lateinschrift geschrieben wird.
Das Hocharabische als Dachsprache fehlt auch meist in den arabischen Sprachinseln, wie etwa auf Zypern, in der Türkei, in Zentralasien und Teilen Schwarzafrikas.
Kennzeichen der meisten neuarabischen Dialekte
Das wesentliche Kennzeichen aller Dialekte des neuarabischen Typs ist der Verlust aller Flexionsvokale und der Nunation. Beim Nomen bedeutet dies den vollständigen Verlust der Kasusflektion, wodurch die Wortstellung im Satz nicht mehr so flexibel wie im Altarabischen gehandhabt werden kann. Beim Verb geht die Modusunterscheidung – Indikativ, Subjunktiv und Apokopat – verloren, wofür sich die Dialekte mit Neubildungen behelfen mussten. Einige Dialekte, vor allem solche, die isoliert am Rand des arabischen Sprachraums überlebt haben, besitzen noch Reste von Flexion.
Daneben gibt es weitere Phänomene, die den meisten arabischen Dialekten gemein sind, darunter
- Zusammenfall der einst getrennten Phoneme ظ ḏ̣ [IPA ð~] und ض ḍ [IPA d~] in den meisten Dialekten. Das wird aber nicht konsequent getan, bei manchen Wörtern fallen beide Laute zusammen, bei anderen wiederum nicht. Im "syrischen" und "ägyptischen" Dialekt wird sowohl das ظ in ظَلم / „Unrecht tun“ als auch das ض in ضاع / „abhandenkommen“ wie im Hocharabischen ausgesprochen.
- Hamza ʔ hat seinen phonemischen Status verloren und wird praktisch nur noch am Wortanlaut gesprochen. Im Wortinnern entfällt es nach Konsonant ersatzlos, nach Vokal wird dieser ersatzweise gelängt (Beispiele siehe oben).
- Kurzvokale in unbetonten Silben des Typs Kv (Konsonant + Kurzvokal), insbesondere i und u werden oft in neuarabischen Dialekten nach aramäischem Vorbild elidiert. Dadurch entstehende Konsonantenhäufungen werden durch Hilfsvokale aufgesprengt.
- In vielen Dialekten ist die Opposition zwischen i und u weiter geschwächt, als sie es im klassischen Arabisch sowieso schon war. Mitunter fallen sie auch in ein Phonem zusammen.
- Weit verbreitet steht in einer Reihe von Wörtern meist i, statt klassischem a: inta statt anta „du“, (n)iḥna statt naḥnu „wir“, il- statt al- für den Artikel, min oder mīn statt man „wer?“ usw.
- Der Präfix-Vokal des Imperfekts lautet nur noch in seltenen Fällen wie im klassischen Arabisch auf a: yuktub statt yaktub-u „(dass) er schreibt“, tinzil statt tanzil-u „(dass) sie absteigt“.
- Das innere Passiv fuʕila / yufʕalu ist nur noch in Spurenelementen in einigen ausgefallenen Beduinendialekten nachweisbar. In der Regel benutzt das Neuarabische den VII. Stamm infaʕala, um Passiv auszudrücken.
- Nur noch eine Zahlenreihe für die Zählung beider Genera.
- Keine Dualformen mehr am Verb und bei den Personalpronomen. Lediglich am Nomen ist der Dual noch lebendig.
- Neuerfindung eines Genitivexponenten in zahlreichen Dialekten, um Zugehörigkeit oder Besitzverhältnisse anders als durch den Status Constructus auszudrücken, wie etwa il-bēt tabaʕi „mein Haus“. Weitere Genitivexponenten in verschiedenen Dialekten: iddi, ḥagg, ḥāl, māl, mtāʕ, bitāʕ, šīt, ḏēl, dial usw.
- Keine Verwendung der klassischen Futur-Partikel sawfa, stattdessen rāḥ, ta-, māš, bā- o. ä.
- Ersatz des Frageworts ما mā „was?“ durch eine aus أيّ شيء هو ayyu šayʔin (huwa) hergeleitete Form, wie z. B. ēš, (š)šū, šinu, wiš(š), ešnuwwe etc.
- Keine Verneinung des Perfekts mehr durch لم lam (+ Apokopat).
Häufige Abweichungen vom klassischen Arabisch
Einige Phänomene, die in zahlreichen, aber bei weitem nicht allen arabischen Dialekten auftreten:
- Monophthongierung der Diphthonge ay und aw, zu ē und ō also bēt < bayt „Haus“ und nōm < nawm „Schlaf“. Beispielsweise nicht monophthongisiert wird im Libanon, dem Land der Zedern und Diphthonge.
- Lautverschiebung der Interdentale ث ṯ [IPA θ], ذ ḏ [IPA ð] und ظ ḏ̣ [IPA ð~], oft zu den Verschlusslauten t, d und ḍ. Beispiele für den Erhalt der Interdentale sind die meisten Beduinendialekte und die palästinensischen Bauerndialekte.
Soziologische Aufteilung der neuarabischen Dialekte
Die wesentliche Dialektgrenze verläuft im Arabischen Sprachraum nicht entlang geografischer Grenzen, sondern entsprechend historisch-soziologischer Kriterien: Nomadendialekt und Ansässigendialekt. Hauptunterscheidungsmerkmal ist dabei die Realisation von altem ق q [IPA q]: Die Ansässigen realisieren den Laut stets stimmlos etwa als ʔ, k oder q, Beduinen stets stimmhaft, beispielsweise als g oder zum weichen Gaumen verschoben als g̣ [IPA ɢ], oder als ǧ [IPA ʤ], die (ehemaligen) Kamelnomaden gar in bestimmten Stellungen als ǵ [IPA ʣ].
Die Ansässigendialekte teilen sich nochmals auf in Stadtdialekte und Landdialekte. Typische Kennzeichen eines Stadtdialekts sind die Aussprache von ق q als Hamza ʔ und die Verschiebung der Interdentale zu Verschlusslauten, also ṯ > t, ḏ > d, ḏ̣ > ḍ. Dieser Dialekttyp wird gesprochen in Kairo, Jerusalem, Beirut, Damaskus und vielen anderen Städten der arabischen Welt. Nicht jedoch beispielsweise in Bagdad oder Tripolis, da deren Bevölkerung ursprünglich beduinischen Ursprungs ist. D. h., dass der beduinische Dialektyp auch in Städten und auf dem Land gesprochen werden kann, städtisches Arabisch findet sich besonders im Maghreb auch auf dem Land, das einzige, was bisher nicht entdeckt wurde, sind Beduinen, die städtisch sprechen. Die Bezeichnungen sind also historisch-soziologischer Natur und spiegeln nicht die jetzigen tatsächlichen Lebensverhältnisse wieder.
Geografische Klassifikation der neuarabischen Dialekte
Abgesehen von dieser grundlegenden soziologischen Einteilung lassen sich die arabischen Dialekte geografisch folgendermaßen klassifizieren:
- Arabische Halbinsel
- Golf-Arabisch (ISO 639-3:afb)
- Hidschāz-Nadschi-Dialekte
- Jemenitisch
- Nordarabische Dialekte
- Oman-Arabisch
- Mesopotamien
- Irakisch-Arabisch (ISO 639-3, Mesopotamian acm)
- Großsyrien, Levante, Levanten-Arabisch
- Syrisch-Arabisch
- Libanesisch
- Palästinensisch
- Jordanisch
- Ägypten-Sudan
- Maghreb
- Hasaniyya
- Marokkanisch
- Algerisch
- Tunesisch
- Maltesisch, Sizilianisch-Arabisch (ausgestorben)
- Nordafrikanische Beduinendialekte
- Randgebiete
- Zypriotisches Arabisch
- Zentralasiatisches Arabisch: Afghanistan-Arabisch, Chorasan-Arabisch, Usbekistan-Arabisch (ISO 639-3: uzbek:auz tajiki:abh)
- Zentralafrikanisches Arabisch: Nigerianisches Arabisch, Tschad-Arabisch, Mali-Arabisch, Niger-Arabisch, Kamerun-Arabisch.
Eine Übersicht über das Verbreitungsgebiet des Arabischen mit ungefähren Sprecherzahlen findet sich in der Liste von Staaten mit indigener muttersprachlich arabischer Bevölkerung.
Literatur
- Wolfdietrich Fischer, Otto Jastrow (Hrsg.): Handbuch der arabischen Dialekte. Harrassowitz, Wiesbaden 1980
- Peter Behnstedt, Manfred Woidich: Arabische Dialektgeographie. Eine Einführung. Brill, Leiden/Boston 2005
- Otto Jastrow: Arabic Dialectology. The State of Art. In: Israel Oriental Studies. Vol. XX. Eisenbrauns, Winona Lake 2002
- Karl Vollers: Volkssprache und Schriftsprache im alten Arabien. Trübner, Straßburg 1906
- ZAL - Zeitschrift für Arabische Linguistik. Harrassowitz, Wiesbaden Bd. 1 (1978) bis Bd. 44 (2005)
- George GRIGORE, [1] (2007). L'arabe parlé à Mardin. Monographie d'un parler arabe périphérique. Bucharest: Editura Universitatii din Bucuresti, ISBN 978-973-737-249-9
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