Mazedonien-Konflikt

Mazedonien-Konflikt
Mazedonien-Konflikt
Datum Januar - November 2001
Ort Mazedonien
Ausgang
Konfliktparteien
MacedoniaMacedonia Mazedonien UÇK („Nationale Befreiungsarmee“)
Befehlshaber
Boris Trajkovski
Ljubčo Georgievski
Ljube Boškoski
Ali Ahmeti
Truppenstärke
 ?  ?
Verluste
103 Tote 64 Tote
70 Zivilisten getötet (40 Mazedonische /30 Albanische)

Als Mazedonienkonflikt werden die militärischen Unruhen im Jahre 2001 in Mazedonien bezeichnet bei denen albanische Rebellen, hauptsächlich der UÇK, für mehr Gleichberechtigung ihrer albanischen Landsleute kämpften. Die Gefechte wurden hauptsächlich um die mehrheitlich von Albanern bewohnte Stadt Tetovo, aber auch viele andere Dörfer und Städte entlang der Grenze zum Kosovo sowie bis zur mazedonischen Hauptstadt Skopje geführt. Nachdem mehrere mazedonische Offensiven zur Vernichtung der Rebellen scheiterten, unterzeichneten die Konfliktparteien am 13. August in Skopje das Rahmenabkommen von Ohrid, das den Albanern mehr Rechte gewährte.

Vorgeschichte

Der albanische Unmut ging auf die Präambel und den "Minderheitenbegriff" der mazedonischen Verfassung vom 17. November 1991 zurück. Darin wurde Mazedonien als "Nationalstaat des mazedonischen Volkes" bezeichnet. Der Begriff "Nation" bezog sich ausschließlich für die mazedonische Gemeinschaft. Den Albanern wurde die gleichberechtigte Mitgliedschaft im binationalen Staat verwehrt. In der Verfassung gab es zudem keine Garantie für proportionale Beteiligungsrechte der "ethnischen Minderheiten" an den staatlichen Institutionen. Albanisch wurde nicht als offizielle Sprache anerkannt. Die Diskriminierung zeigte sich auch daran, dass nur 3 Prozent aller Polizisten Albaner waren, aber rund ein Viertel der Bevölkerung Albaner sind. Unmittelbar nach Verabschiedung der neuen Verfassung war es zu albanischen Protesten gekommen. Verschiedene kulturelle Gewaltauslöser polarisierten den ethnopolitischen Konflikt weiter. Am 15. Februar 1995 wurde die Universität in Tetovo eröffnet, die von der albanischen Gemeinschaft in Eigenregie geplant, gebaut und aus privaten Mitteln finanziert worden war. Die Lehrveranstaltungen sollten ausschließlich in Albanisch abgehalten werden. Doch nur zwei Tage nach der Eröffnung wurde sie von der mazedonischen Polizei gewaltsam geschlossen. Bei den Protesten und Gewalteskalationen wurde ein Albaner getötet. Der Streit um das Hissen der albanischen Flagge erreichte im Juli 1997 seinen Höhepunkt, nachdem die Regierung im Frühjahr Gesetze verabschiedet hatte, die das Hissen der albanischen Flagge stark einschränkte. In Gostivar kam es daraufhin zu Protesten, bei denen drei Albaner von der Polizei erschossen wurden. Die Albaner forderten mehr Rechte für ihre Minderheit in Mazedonien. Im Januar 2001 wurde schließlich die "Nationale Befreiungsarmee" (UÇK) aktiv, um den bewaffneten Kampf aufzunehmen.

Konflikt

Am 22. Januar 2001 beschossen albanische Rebellen eine mazedonische Polizeistation in Tearce bei Tetovo, wobei ein Polizist getötet und zwei weitere verletzt wurden. Nun hatten die Jugoslawienkriege auch Mazedonien eingeholt. Am 21. Februar vereinbarten der mazedonische Präsident Boris Trajkovski und der Kommandeur der Kosovo-Friedenstruppe KFOR, Carlo Cabigiosu, eine verstärkte Grenzsicherung, um die Aktivitäten von albanischen Extremisten entlang der Grenze zum Kosovo unterbinden zu können. Am 10. März fanden im mazedonischen Grenzgebiet zum Kosovo heftige Schießereien zwischen albanischen Extremisten und der mazedonischen Armee statt, wobei mindestens drei Menschen getötet wurden. Unterdessen verschanzten sich schwer bewaffnete albanische Rebellen auf den Hügeln rund um die Stadt Tetovo und nahmen sie unter Beschuss. Am 15. März lieferten sich albanische Extremisten erneut heftige Schusswechsel mit den Sicherheitskräften.

Staatspräsident Boris Trajkovski und Regierungschef Ljubco Georgievski forderten alle Bürger zum Kampf gegen den albanischen Terrorismus auf. Gleichzeitig riefen die albanischen Kämpfer der UÇK „alle dazu fähigen albanischen Bürger“ auf, zu den Waffen zu greifen. Am 16. März beschossen albanische Rebellen eine Kaserne in der nordmazedonischen Stadt Tetovo, in der neben mazedonischen auch 1.200 deutsche Soldaten stationiert waren. Ein deutscher Soldat wurde dabei verletzt. Gleichzeitig rückten militante Albaner weiter ins Landesinnere vor. Der deutsche Verteidigungsminister Rudolf Scharping beschloss daraufhin, Kampfpanzer aus dem Kosovo nach Mazedonien zu verlegen und zudem das deutsche Kontingent stärker zu bewaffnen. Zahlreiche Mazedonier hatten Tetovo, wo sie bisher friedlich unter der albanischen Mehrheit gelebt haben, bereits verlassen. Auch am 17. März wurde um die Stadt gekämpft, worauf der Polizeichef von Tetovo, Rauf Ramadani, eine politische Lösung des Konflikts forderte. Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen in New York verurteilte unterdessen die Angriffe albanischer Untergrundkämpfer in Mazedonien. Am 18. März nahmen die Schießereien zwischen albanischen Rebellen und mazedonischen Sicherheitskräften in der Bergregion um die Stadt Tetovo weiter zu, weshalb die Regierung in Skopje die Mobilisierung der Armee-Reservisten anordnete und Panzer in das Krisengebiet verlegte.

Am 21. März kündigte der politische Führer der UÇK, Ali Ahmeti, einen unbefristeten Waffenstillstand an. Dies geschah offenbar angesichts internationaler diplomatischer Bemühungen für eine Lösung des Konflikts. Nur sechs Tage später eroberten jedoch mazedonische Truppen bei einer großangelegten Offensive mehrere Stellungen der UÇK in den Bergen rund um Tetovo. Nach Angaben der Regierung in Skopje wollte man das „militärische Problem“ mit den „albanischen Terroristen“ nun innerhalb weniger Tage lösen und sich danach verstärkt um eine Lösung des politischen Konflikts zwischen der slawisch-mazedonischen Bevölkerungsmehrheit und der albanischen Minderheit bemühen. Am 30. März beschossen albanische Rebellen, im Grenzgebiet zum Kosovo, mazedonische Soldaten. Der Angriff platzte mitten in politische Verhandlungen über die Bildung der Regierungskoalition. Die Europäische Union und die NATO verurteilten die Attacke. Nach NATO-Generalsekretär George Robertson sei es eine „feige Tat“ gewesen.

Am 29. April, nach mehrwöchiger Waffenruhe, wurden bei einem Granatenangriff albanischer Rebellen auf eine mazedonische Grenzpatrouille in der Nähe der Ortschaft Vejce acht Soldaten getötet und sechs verletzt. Daraufhin kam es in mehreren südmazedonischen Orten, vor allem jedoch in der Stadt Bitola, zu schweren Ausschreitungen aufgebrachter Mazedonier gegen albanische Einrichtungen. Mehrere Dutzend Geschäfte und Cafés wurden geplündert und in Brand gesteckt. In der Hauptstadt Skopje beschossen Maskierte das Gebäude der albanischen Botschaft. Am 4. Mai begannen mazedonische Streitkräfte nach einem Überfall albanischer Rebellen, bei dem zwei Soldaten einer Grenzpatrouille getötet und einer entführt wurde, im Grenzgebiet zum Kosovo eine Offensive. Ziel dieser Offensive sollte die Vernichtung der albanischen Terroristen sein. Am 5. Mai wurden die Auseinandersetzungen der mazedonischen Streitkräfte und der albanischen Separatisten im Grenzgebiet zum Kosovo härter. Es kamen Panzer und ein Kampfhubschrauber der Streitkräfte zum Einsatz, die mutmaßliche Rebellenstellungen in den Dörfern Vaksinca, Lipkovo und Slupcane beschossen, wobei dutzende Zivilisten starben. Die Armee beschuldigte die Rebellen, Frauen und Kinder als menschliche Schutzschilde festzuhalten. NATO-Generalsekretär George Robertson wollte aufgrund der Eskalationen zu Gesprächen nach Skopje reisen.

Am 6. Mai wurde eine weitere Eskalation des Konflikts in Mazedonien durch NATO und EU verhindert. Die Regierung in Skopje gab dem internationalen Druck nach und verzichtete auf die Ausrufung des Kriegszustandes nach erneuten Angriffen von albanischen Rebellen. NATO und EU sicherten die volle Unterstützung zu, wenn es um die territoriale Integrität des Landes geht, forderte aber auch, die Rechte der albanischen Minderheit aufzuwerten.

Am 10. Mai eröffneten mazedonische Truppen, nachdem am Vortag der Nachbarort Vaksince beschossen wurde, das Feuer auf das größtenteils von Albanern bewohnte Dorf Slupacane in der Nähe von Skopje. Die Zivilbevölkerung war zuvor aufgefordert worden, ihre Häuser zu verlassen. Armeesprecher Oberst Blagoja Markovski warf den Albanern vor, im Kampfgebiet etwa 7.000 Zivilisten als menschlichen Schutzschild zu missbrauchen. In Lipkovo würden 6.000 Bewohner festgehalten, weitere 1.000 in einer Moschee in dem Dorf Otlje. Die Rebellen wiesen den Vorwurf zurück. Das internationale Komitee vom Roten Kreuz (heute: Internationale Rotkreuz- und Rothalbmond-BewegungIKRK) erklärte, viele Bewohner hätten das Kampfgebiet aus Solidarität mit den Rebellen nicht verlassen. Diese Solidarität nehme scheinbar zu, je länger der Konflikt andauere.

Nach mehrtägigen Verhandlungen einigten sich am 11. Mai sieben mazedonische Parteien in Skopje auf die Bildung einer Regierung der „Nationalen Einheit“. Dem neuen Kabinett unter Regierungschef Ljubco Georgievski gehören nun auch Mitglieder der albanischen „Partei für Demokratischen Wohlstand“ (PDP) an. Da die Einheitsregierung der Volksgruppen jedoch von den albanischen Extremisten abgelehnt wird, gehen die Gefechte zwischen den Rebellen und der Armee weiter.

Am 25. Mai 2001 begannen mazedonische Truppen eine Großoffensive gegen von Freischärlern besetzte Dörfer im Norden und verwies den Sondervertreter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), den US-Diplomaten Robert Frowick, des Landes. Er wurde aus Regierungskreisen beschuldigt, an Verhandlungen zwischen albanischen Politikern und Rebellen der UÇK beteiligt gewesen zu sein. Die Rebellen berichteten über den bisher heftigsten Angriff, bei dem zwölf Menschen getötet und 200 verletzt worden seien. Die mazedonische Armee rückte mit Panzern und im Schutz von Artillerie vor. Auch am 28. Mai gingen mazedonische Kampfhubschrauber und schwere Artillerie gegen Rebellenstellungen im Norden des Landes vor. Die Separatisten antworteten mit Maschinengewehrfeuer und Mörserbeschuss. Hilfsorganisationen verhandelten mit den Konfliktparteien über eine Evakuierung der mehreren tausend Zivilisten aus dem Kampfgebiet, die dort offenbar seit Wochen fest gehalten werden. Eine Sprecherin des Roten Kreuzes äußerte sich sehr besorgt über die humanitäre Situation. Unterdessen bemühten sich die USA um eine Vermittlung in der mazedonischen Krise, nachdem die albanischen Parteien im Alleingang ein Friedensabkommen mit den Rebellen ausgehandelt hatten. Das UN-Hochkommissariat für Flüchtlinge (UNHCR) war besorgt über das Schicksal von tausenden Zivilisten, die wegen der Kämpfe in Mazedonien eingeschlossen waren. Rund 18.000 Menschen seien im Mai in den Kosovo oder nach Südserbien geflüchtet, sagte ein UNHCR-Sprecher. Zwischen 5.000 und 10.000 albanische Mazedonier seien wegen der Kämpfe eingeschlossen gewesen. Rebellen hinderten die Zivilisten am Verlassen der Ortschaften. Angesichts der zunehmenden Gewalt in Mazedonien hat die Nato die Konfliktparteien aufgefordert, ihren abgebrochenen Dialog wieder aufzunehmen. Wichtig sei auch, dass die Mehrheit der slawischen Bevölkerung auf die Minderheit der Albaner zugehe, sagte Außenminister Joschka Fischer in Budapest bei einem zweitägigen Treffen der 19 Ressortchefs des Bündnisses.

Die mazedonischen Truppen führten am 29. Mai neue Angriffe gegen die Ortschaft Matjce, worauf die UÇK mit einem Angriff auf den Flughafen von Skopje drohte. Aufgrund erheblichen Drucks von außen (EU und NATO) erklärt sich Regierungschef Ljubco Georgievski nach wochenlangem Zögern in einer Fernsehansprache dazu bereit, dass die Verfassung entsprechend den Forderungen der politischen Führer der mazedonischen Albaner geändert und das Albanische zur zweiten Staatssprache erhoben werden soll. Er sagte, die albanische Minderheit könnte in einer neuen Verfassung zum konstituierenden Teil der mazedonischen Bevölkerung erklärt und ihre Sprache als Amtssprache zugelassen werden. Zudem stellte Präsident Boris Trajkovski eine Amnestie für jene Kämpfer der UÇK in Aussicht, die keine schweren Verbrechen begangen haben. Sein Land habe eine internationale Verpflichtung, "ein Mazedonien zu schaffen, das die Interessen der Albaner berücksichtigt", sagte er. Georgievski vollzog damit einen Kurswechsel in der bisherigen Politik Skopjes. Die Albaner begrüßten die angekündigten Verfassungsänderungen als "guten Schritt vorwärts, um dieses Land zurück zu Frieden und Stabilität zu bringen", während die Mehrheit der Mazedonier jedoch gegen die Verfassungsänderung ist, weshalb es weiterhin zu schweren Gefechten kommt.

Nachdem am 6. Juni albanische Rebellen fünf mazedonische Soldaten in einen Hinterhalt gelockt und getötet hatten, forderte Regierungschef Ljubco Georgievski die Ausrufung des Kriegsrechts. Auch in der slawisch-mazedonischen Mehrheitsbevölkerung wurden die Forderungen nach einem entschlossenen militärischen Vorgehen gegen die UÇK immer lauter. Am 11. Juni verschärfte sich der Konflikt erneut, nachdem albanische Rebellen in eine Großsiedlung am Rande der Hauptstadt Skopje vorrückten. Regierungstruppen und die Freischärler der UÇK bereiteten sich am 10. Juni auf ein Gefecht um die Ortschaft Aracinovo vor. Tausende albanische Zivilisten flüchteten. Nach elf Tagen relativer Ruhe hatte die mazedonische Armee am 22. Juni mit Artillerie, Panzern und Kampfhubschraubern Stellungen der albanischen Rebellen in der Nähe der Hauptstadt Skopje angegriffen. Sie brannte Häuser in Aracinovo nieder und zog mit Panzern auf. Die Freischärler drohten umgehend mit Vergeltungsschlägen gegen die Hauptstadt Skopje.

Am 24. Juni einigten sich die mazedonische Regierung und die UÇK-Rebellen nach NATO- und EU-Vermittlung auf eine Waffenruhe für das Dorf Aracinovo und den ungehinderten Abzug der albanischen Freischärler mitsamt ihren Waffen. Etwa zur selben Zeit, als diese, eskortiert von US-amerikanischen NATO-Soldaten ihren Rückzug in den Norden beginnen, wurde bei einem Rebellen-Angriff auf einen Polizeiposten nahe Tetovo ein mazedonischer Polizist getötet und vier weitere schwer verletzt. Daraufhin zogen mazedonische Reservisten der Polizei vor das Parlament in Skopje und protestieren gegen das Rückzugsabkommen. Wütend forderten sie den Rücktritt von Präsident Boris Trajkovski und Waffen für den Kampf gegen die UÇK. Ihnen schlossen sich spontan rund 15.000 Menschen an. Einigen gewalttätigen Demonstranten gelang es, durch eingeschlagene Fensterscheiben bis in das Parlamentsgebäude vorzudringen, wo sie ihre Wut am Mobiliar ausließen. Angesichts der zunehmenden Bürgerkriegsgefahr wollte die Europäische Union ihr Engagement für eine Friedenslösung mit einem Sonderbeauftragten verstärken und Frankreichs Ex-Verteidigungsminister François Léotard für einige Monate nach Mazedonien entsenden. Der NATO-Rat beschloss unterdessen in Brüssel die Entsendung von 3.000 Soldaten nach Mazedonien. Sie sollen dort an der friedlichen Entwaffnung albanischer Rebellen mitwirken. Die Anwendung militärischer Gewalt gegen die albanischen Freischärler ist in dem Operationsplan nicht vorgesehen. Um Friedensverhandlungen mit der UÇK zu ermöglichen, hat die mazedonische Regierung unterdessen eine Demobilisierung der Polizeireserve angekündigt, da diese maßgeblich an den Ausschreitungen in Skopje beteiligt waren, bei denen auch das Parlamentsgebäude gestürmt wurde. Auch der inzwischen in Skopje eingetroffene EU-Gesandte François Léotard hat bereits erste Gespräche über eine Wiederaufnahme der Friedensverhandlungen mit dem mazedonischen Präsidenten Boris Trajkovski geführt.

Am 30. Juni lieferte sich die mazedonische Armee erneut erbitterte Kämpfe mit albanischen Rebellen, in deren Verlauf es den Rebellen gelang, die Kontrolle über weitere vier Dörfer zu erlangen und deren Bewohner zu vertreiben. Erst am 5. Juli einigten sich die mazedonischen Streitkräfte und die albanische UÇK auf einen von der NATO und der EU vermittelten, landesweiten und unbefristeten Waffenstillstand. Während der Verhandlungen über einen Friedensplan kam es am 12. Juli zu einem Angriff albanischer Rebellen auf Patrouillen der mazedonischen Armee entlang der Grenze zum Kosovo, wobei ein Mazedonier schwer verwundet wurde. Albanische Unterhändler und europäische sowie US-amerikanische Vermittler einigten sich auf einen Entwurf eines politischen Reformpakets zur Beendigung des blutigen Konflikts in Mazedonien. Vorgesehen ist u.a., dass die albanische Sprache überall dort zweite offizielle Amtssprache werden soll, wo die Albaner über 20 Prozent der Bevölkerung stellen. Der Friedensplan wird allerdings von der mazedonischen Regierung in Skopje zurückgewiesen, da er ihrer Meinung nach zu einer Aufteilung Mazedoniens führen würde. Ministerpräsident Ljubco Georgienvski warf den westlichen Vermittlern sogar vor, gemeinsame Sache mit den albanischen Rebellen zu machen.

In der Nacht zum 17. Juli geriet eine UÇK-Kolonne, die Waffen nach Tetovo schmuggeln wollte, im albanisch-mazedonischen Grenzgebiet in einen Hinterhalt österreichischer Soldaten. Nach einem zweieinhalbstündigen Feuergefecht ergaben sich die Rebellen. Die Österreicher nahmen zehn UÇK-Kämpfer fest und stellten auf elf Tragtieren sieben Sturmgewehre AK-47, 13 Nachtsichtgeräte, Zielhilfen für Granatwerfer, 72 Werfergranaten und große Mengen Infanterie-Munition sicher. Danach soll nie wieder eine Werfergranate in Tetovo eingeschlagen haben. Die Nato feierte den bis dahin größten Waffenfund im Kosovo. Zuvor waren bereits eine türkische und eine britische Operation zur Unterbindung des Waffenschmuggels in diesem Gebiet gescheitert.

Am 19. Juli kamen in der Nähe von Tetovo zwei unbewaffnete EU-Beobachter und ihr albanischer Dolmetscher ums Leben, als ihr Fahrzeug auf eine Mine fuhr. Trotz einer Waffenstillstandsvereinbarung lieferten sich mazedonische Regierungseinheiten und albanische Rebellen in der Nähe von Tetovo erneut heftige, mehrstündige Gefechte, in deren Verlauf mehrere Soldaten verletzt wurden. Am 23. Juli rückten die albanischen Rebellen bis an das Zentrum Tetovos vor und nahmen das Fußballstadion der zweitgrößten Stadt des Landes ein. Ein 12-jähriges Mädchen und ein Soldat wurden dabei getötet und 12 weitere Personen verletzt. Zahlreiche Zivilisten flüchteten in Richtung Skopje. Nur zwei Tage später attackierten hunderte Demonstranten, aus Protest gegen eine angebliche Begünstigung der albanischen UÇK, die Botschaften Deutschlands, Großbritanniens und der USA mit Steinen und Brandsätzen. Rund ein Dutzend Fahrzeuge der OSZE gingen in Flammen auf.

Am 29. Juli wurden die Friedensverhandlungen vertagt, nachdem zwei Mazedonier durch eine Explosion getötet und ein Flüchtlingskonvoi beschossen wurde. Bei den wiederaufkommenden Friedensverhandlungen am 1. August, einigten sich die Unterhändler der slawischen und albanischen Parteien auf eine Kompromisslösung im Sprachenstreit: Die albanische Sprache soll künftig im Parlament und in den Regionen einen offiziellen Status haben, in denen die Albaner mehr als 20 Prozent der Bevölkerung stellen. Lösungen für die übrigen Streitfragen – die albanische Minderheit fordert u.a. eine bessere Repräsentation innerhalb der mazedonischen Polizei sowie das Recht, die Polizeipräsidenten in den überwiegend von Albanern bewohnten Regionen selbst zu bestimmen – sind jedoch noch nicht in Sicht.

Am 6. August tötete eine Einheit der Sonderpolizei in einem albanisch besiedelten Stadtteil von Skopje fünf albanische Rebellen und nahm weitere fünf fest. Aus Vergeltung überfielen albanische Kämpfer zwei Tage später einen Militärkonvoi zwischen Skopje und Tetovo, wobei zehn mazedonische Reservisten getötet wurden. Inzwischen einigten sich die im südwestmazedonischen Ohrid verhandelnden Konfliktparteien auf einen Friedensvertrag. Dieser soll nach Angaben des EU-Gesandten François Léotard in den nächsten Tagen in Skopje von den vier wichtigsten mazedonischen Parteien unterzeichnet werden.

Am 10. August fanden erneut heftige Kämpfe zwischen Armee und Rebellen statt. Nahe dem Ort Ljubcani rollte ein Lastwagen auf eine Sprengfalle wobei acht mazedonische Soldaten getötet und sechs schwer verwundet wurden. Nachdem eine sowohl von der Regierung als auch von den Rebellen zwei Tage zuvor verkündete Waffenruhe von beiden Seiten eingehalten worden war, unterzeichneten die Konfliktparteien am 13. August in Skopje einen Friedensvertrag. Demnach soll Mazedonien künftig der Staat aller seiner Bürger und nicht nur der mehrheitlich slawischen Mazedonier sein. Albanisch wird neben dem Mazedonischen zur Amtssprache, ebenso jede andere Sprache, die von mindestens einem Fünftel der Bevölkerung gesprochen wird. Alle Minderheiten sollen proportional nach ihrem Bevölkerungsanteil im Parlament vertreten sein. Die Gemeinden erhalten mehr Rechte, die Grenzen zwischen ihnen werden neu gezogen. Darüber hinaus sollen die Albaner eigene Hochschulen erhalten. Das von Staatspräsident Boris Trajkovski, Vertretern der vier größten mazedonischen Parteien sowie dem EU-Gesandten François Léotard und dem US-Diplomaten James Pardew unterschriebene Abkommen ist Voraussetzung für die Entsendung von 3.500 NATO-Soldaten nach Mazedonien. Sie sollen die Waffen der Rebellen einsammeln. Vorgesehen ist eine etappenweise Entwaffnung und Auflösung der UÇK-Einheiten innerhalb von 45 Tagen. Die Soldaten aus den USA und elf europäischen Ländern für den Einsatz „Essential Harvest“ (Bedeutende Ernte) sollen jedoch erst bei anhaltender Waffenruhe nach Mazedonien entsandt werden. Die politische Führung der „Nationalen Befreiungsarmee“ UÇK sicherte der NATO schriftlich die Demobilisierung der albanischen Rebellen zu, während Staatspräsident Boris Trajkovski eine Amnestie für die UÇK-Kämpfer erließ.

Nachdem Rebellen und Armee ihre Waffenruhe eingehalten haben und keiner der NATO-Bündnisstaaten Einspruch gegen den Start der Operation „Essential Harvest“ eingelegt hatte, gab der Nordatlantikrat der militärischen Führung der NATO grünes Licht für die Entsendung einer Truppe nach Mazedonien. Rund 3.500 Soldaten sollten die freiwillig niederzulegenden Waffen der schätzungsweise 1.500 UÇK-Rebellen einsammeln und vernichten. Einen Tag vor Beginn des NATO-Einsatzes zur Entwaffnung der UÇK-Rebellen sprengten albanische Extremisten ein von slawischen Mazedoniern geführtes Motel in die Luft. Bei dem Anschlag kamen zwei Wachleute ums Leben. Trotzdem wollte die von dem dänischen General Gunnar Lange befehligte NATO-Truppe in Mazedonien die Operation „Essential Harvest“ starten. Ein Vorauskontingent von 400 britischen Soldaten befand sich bereits seit einigen Tagen in Skopje und hat mit der Errichtung eines Hauptquartiers begonnen. Erwartet wurde die Aushändigung von 2.950 Schnellfeuergewehren, 210 Maschinengewehren, 130 schweren Waffen wie Mörsern und Panzerfäusten, sechs Luftabwehrsystemen, zwei Panzern und zwei gepanzerten Truppentransportern von den Rebellen. Zu Beginn der Operation „Essential Harvest“ am 27. August, wurde ein britischer Soldat in seinem NATO-Fahrzeug erschlagen und bei Tetovo verhinderten slawische Mazedonier mit Straßenblockaden den vereinbarten Abzug der mazedonischen Streitkräfte.

Der mazedonische Regierungschef Ljubco Georgievski forderte die Parlamentsabgeordneten erstmals am 4. September zur Annahme des am 13. August in Ohrid unterzeichneten Friedensplans auf, der der albanischen Bevölkerungsminderheit mittels Verfassungs- und Gesetzesänderungen mehr Rechte bringen soll, kritisiert aber scharf den ausländischen Druck. Nach mehrtägigen Debatten billigte das Parlament in Skopje den „Ohrider Friedensvertrag“ vom 13. August und die darin festgelegten Verfassungs- und Gesetzesänderungen mit 91 zu 121 Stimmen. Nach Abschluss der Entwaffnungsaktion sollten ab Ende September zivile Beobachter der Vereinten Nationen in Mazedonien eingesetzt werden. Sie sollen die Verwirklichung des Friedensvertrags überwachen. Die EU will Mazedonien mit rund 30 Millionen Euro Soforthilfe bei der Beseitigung der Kriegsschäden helfen und weitere 40 Millionen Euro als Budgethilfe zur Verfügung stellen. EU-Außenkommissar Chris Patten hat zudem ein Abkommen über Finanzhilfe der EU in Höhe von weiteren 40 Millionen Euro zum Ausbau der Infrastruktur unterzeichnet. Die NATO und die mazedonische Regierung einigten sich am 26. September über eine künftige Schutztruppe für die knapp 300 unbewaffneten zivilen Beobachter der Europäischen Union und der OSZE in Mazedonien, deren Einsatz nach Beendigung der NATO-Operation „Essential Harvest“ beginnen soll und zunächst auf drei Monate beschränkt ist. Die vom UN-Sicherheitsrat gebilligte Operation „Amber Fox“ stand unter dem Kommando des deutschen Brigadegenerals Heinz-Georg Keerl. Dabei stellte Deutschland mit etwa 600 Soldaten das größte Kontingent. Die Briten haben ihren Rückzug aus Mazedonien angekündigt, weil sie u.a. Soldaten für einen möglichen Einsatz in Afghanistan brauchten. Einen Tag später verkündete Ali Ahmeti die Selbstauflösung der UÇK.

Am 11. November wurde der Friedensprozess durch die Festnahme von sieben Kämpfern der aufgelösten UÇK gefährdet. Bewaffnete Albaner töteten daraufhin wegen „Nichteinhaltung der Amnestiezusage“ drei mazedonische Polizisten in Trebosh und verschleppten fünf Dutzend slawische Mazedonier, die sie erst nach mehreren Stunden wieder freiließen. Zu den neuen Gewalttaten bekannte sich die militante albanische Untergrundgruppe „Albanische Nationalarmee“ (AKSh). Am 16. November ratifizierten die Abgeordneten des mazedonischen Parlaments die gemäß dem „Ohrider Friedensvertrag“ geänderte Verfassung und am 30. November stimmte der mazedonische Sicherheitsrat einer Verlängerung des Mandats der NATO-Truppe zu.

Trotzdem kam es danach und auch heute noch immer wieder zu Kampfhandlungen zwischen Albanern und mazedonischen Sicherheitskräften. Drei der bekanntesten Vorfälle: Am 9. August 2003 stürmte die mazedonische Polizei ein Dorf im Grenzgebiet zu Serbien, in welchem sich albanische Kämpfer verschanzt hatten. Dabei wurden drei Polizisten und zwei Mitglieder der AKSh getötet. Im September 2007 lieferten sich ehemalige UCK-Kämpfer und mazedonische Polizisten in Vaksinca ein Gefecht, wobei zwei Personen ums Leben kamen, darunter auch der Kommandant der Regionalpolizei. Und im November gleichen Jahres kam es bei der Sicherstellung illegaler Waffen durch mazedonische Sicherheitskräfte in Brodec zu einem schweren Schusswechsel, bei dem sechs Albaner getötet und 13 verletzt wurden.

Quellen


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