- Michael Richter (Historiker)
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Michael Richter (* 11. Dezember 1952 in Berlin) ist ein deutscher Zeithistoriker und Aphoristiker.
Inhaltsverzeichnis
Leben
Richter besuchte die Polytechnische Oberschule in Ilfeld und machte sein Abitur in Gotha. Dort war er Mitglied im Lyrikzirkel von Hanns Cibulka. Von 1974 bis 1979 studierte er evangelische Theologie an der Humboldt-Universität zu Berlin. In dieser Zeit war er Mitglied im Lyrikzirkel der Jungen Welt, nahm an Poetenseminaren teil und veröffentlichte erste Aphorismen, u. a. im Eulenspiegel, in der neuen deutschen literatur und in temperamente.
Im Jahr 1981 siedelte er – angeblich wegen politischer Probleme – nach Hannover über. Hier und in Bonn studierte er Geschichte, Politikwissenschaft und evangelische Theologie und veröffentlichte Aphorismen und Kalauer in verschiedenen Zeitungen und Zeitschriften des gesamten deutschsprachigen Raumes. 1989 wurde er an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität zum Dr. phil. promoviert. Im Jahr 1993 erschien im Berliner verbum-Verlag sein Aphorismenband Wortbruch mit einem Vorwort von Johannes Gross.
Von 1994 bis 2010 arbeitete Richter als Historiker am Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung an der TU Dresden. Er veröffentlichte etliche Bücher und Beiträge zur Geschichte der SBZ/DDR. Zuletzt erschien 2009 bei Vandenhoeck & Ruprecht Göttingen Die Friedliche Revolution. Aufbruch zur Demokratie in Sachsen 1989/90. Beim Mitteldeutschen Verlag Halle (Saale) erschienen bislang drei Aphorismenbände (siehe unten). Im November 2010 wurden Vorwürfe bekannt, nach denen Richter von 1979 bis 1981 selbst für das Ministerium für Staatssicherheit als IM „Thomas“ (Reg.-Nr. XV 1693/79, MfS AIM 6927/83, Teil I/1 345 Seiten, Teil II/1 64 Seiten) gearbeitet hat. Diese Vorwürfe waren offenbar auch den Gründern des Hannah-Arendt-Instituts bekannt; seine Einstellung ans HAIT hat dies nicht verhindert.[1][2] Nach einer neueren Aufarbeitung der Akten Richters durch die Bundesbeauftragte für die Unterlagen der Staatssicherheit bestätigte sich erneut seine IM-Tätigkeit im umfangreicheren Maße, darauf hin entließ das Institut am 24. November 2010 den Historiker fristlos.[3]
Michael Richter lebt in der Sächsischen Schweiz.
Inhaltliche Kritik
Nachdem Bundespräsident Horst Köhler Angaben aus dem Buch „Die Friedliche Revolution. Aufbruch zur Demokratie in Sachsen 1989/90“ in einer Rede zum 20. Jahrestag übernommen hat, stellten sich diese als Unwahrheiten heraus. Köhler behauptete unter Rückgriff auf Richter: „Vor der Stadt standen Panzer, die Bezirkspolizei hatte Anweisung, auf Befehl ohne Rücksicht zu schießen. Die Herzchirurgen der Karl-Marx-Universität wurden in der Behandlung von Schusswunden unterwiesen, und in der Leipziger Stadthalle wurden Blutplasma und Leichensäcke bereitgelegt.“ Diese Informationen sind falsch, Richter räumte gegenüber der DPA ein, dass er „für seine Studie bedauerlicherweise widersprüchliche und zum Teil ungenaue Zeitzeugen-Aussagen übernommen“ habe. Das Werk umfasst 1600 Seiten, der Umfang der inkorrekten Informationen ist nicht bekannt.[4][5][6]
Zitate
Wortbruch. Aphorismen, Berlin 1993
- Manche leben so vorsichtig, dass sie wie neu sterben.
- Langsam verschwammen seine Gedanken zu einem klaren philosophischen System.
- Ehrlich wartet am längsten.
- Ich kenne nichts Unangenehmeres, als etwas Angenehmes, das ich nicht mag.
- Der Klügste gibt nach und nach nach.
- Musik kennt keine Grenzen. Vor allem Marschmusik.
- Ein Glück, dass ich nicht alle kenne, die ich nicht mag.
- Die Erniedrigung eines anderen Menschen ist immer eine Angleichung an das eigene Niveau.
- Ich bin enorm in Form, ich könnte Bäume einpflanzen!
Veröffentlichte Aphorismenbände
- Wortbruch, Aphorismen. Mit einem Vorwort von Johannes Gross. Verbum Druck- und Verlagsgesellschaft für Kirche und Öffentlichkeit, Berlin 1993.
- Widersprüche. 1000 neue Aphorismen. Mitteldeutscher Verlag, Halle (Saale) 2006.
- Wortschatz. Aphorismen. Mitteldeutscher Verlag, Halle (Saale) 2007.
- Einspruch. Aphorismen aus artgerechtem Denken. Mitteldeutscher Verlag, Halle (Saale) 2009.
Veröffentlichte Monographien (Auswahl)
- Die Ost-CDU. Zwischen Gleichschaltung und Widerstand 1948 bis 1952 (Forschungen und Quellen zur Zeitgeschichte 19). Düsseldorf 1990. ISBN 3-7700-0899-5 (= Dissertation Bonn 1989).
- Die Revolution in Deutschland 1989/90. Anmerkungen zum Charakter der „Wende“ (Berichte und Studien 2, hg. vom Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung). Dresden 1995.
- Die Staatssicherheit im letzten Jahr der DDR (Schriften des Hannah-Arendt-Instituts 4). Weimar/Köln/Wien 1996. ISBN 3-412-04496-2.
- Richter, Michael/Karin Urich: „Wir sind jung, die Welt ist offen ...“ Zeitzeugen erzählen DDR-Geschichte. Hg. vom Freistaat Sachsen, Staatsministerium für Kultus, Dresden 1998, 104 S.
- Die Bildung des Freistaates Sachsen. Friedliche Revolution, Föderalisierung, deutsche Einheit 1989/90 (Schriften des Hannah-Arendt-Instituts 24). Göttingen 2004. ISBN 3-525-36900-X.
- Die Friedliche Revolution. Aufbruch zur Demokratie in Sachsen 1989/90 (Schriften des Hannah-Arendt-Instituts 38), Göttingen 2009.
Referenzen
- ↑ Das Geheimnis des CDU-Chronisten in Welt Online vom 18. November 2010 (abgerufen am 18. November 2010)
- ↑ Der Bock als Gärtner: Im Dresdner Hannah-Arendt-Institut arbeitet ein ehemaliger Stasi-Spitzel in NZZ Online vom 20. November 2010
- ↑ Wegen Spitzeltätigkeit für das MfS: Hannah-Arendt-Institut entlässt Stasi-Forscher Richter
- ↑ Köhler lügt, von: Arnold Schölzel in Junge Welt vom 12. Oktober 2009 (abgerufen am 12. Oktober 2009)
- ↑ Dramatische Details in Köhler-Rede wohl falsch, in: Sächsische Zeitung vom 10. Oktober 2009 (abgerufen am 12. Oktober 2009)
- ↑ Deutschland: Unmut über Köhler-Rede zur Wende, in ORF.at vom 11. Oktober 2009 (abgerufen am 12. Oktober 2009)
Weblinks
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- Geboren 1952
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