Militärritual

Militärritual

Der Begriff Militärritual bezeichnet den zeremoniellen Auftritt uniformierter Militärs außerhalb von Kampfeinsätzen. Die Bezeichnung "Militärritual" findet vor allem bei Privatpersonen Verwendung. Staat und Streitkräfte selbst ziehen im Allgemeinen die Bezeichnung "militärisches Zeremoniell" oder "Protokollarischer Dienst" vor.

Inhaltsverzeichnis

Ursprünge

In Militärritualen tritt der jeweilige Staat vor seinen Bürgern und vor Repräsentanten und Bürgern anderer Staaten, in Form seiner Streitkräfte auf. In öffentlichen Zeremoniellen präsentiert sich das Militär und seine gegenwärtigen und vergangenen Handlungen. Die militärischen Staatsrituale in ihrer heutigen Form sind erst gemeinsam mit der modernen Staatlichkeit und dem modernen Militär entstanden, aber die Triumphzüge der römischen Legionen stellen durchaus vergleichbare Vorgänger dar.

Verschiedene Typen von Militärritualen

Die teilweise spektakulären Zeremonien der Militärrituale haben einen hohen Öffentlichkeitswert, sind auf die Teilnahme der Zuschauer und auf die große, erhebende Geste angelegt, sprechen zum Gefühl und zum Auge, was in neuerer Zeit durch die Massenmedien besonders verstärkt wird. Jede dieser Formen enthält selbst alle wesentlichen Merkmale eines Militärrituals. Die spezifische Wirkung jeder dieser Formen beruht allerdings auf der besonderen Bedeutung bzw. Ausprägung je bestimmter Merkmale.

Protokollarische „Empfangsrituale“

Jeder Staatsgast wird mit 'militärischen Ehren' empfangen und verabschiedet. Bei der öffentlichen Darstellung des Treffens mit Staatgästen bilden die Ehrenformationen den Rahmen. Der militärische Staatsempfang ist ein protokollarisches Ritual, bei dem nicht nur gegenseitiger Respekt, sondern auch die jeweilige Souveränität – symbolisch repräsentiert durch Ehrenformationen und militärische Musikkapellen, die die Nationalhymnen abspielen – demonstriert wird. In diesem Rahmen wird beispielsweise auch die Flaggenparade durchgeführt.

„Ehren- und Trauerriten“

  • Besondere Persönlichkeiten der hohen Staatspolitik bekommen bei besonderen (nationalen oder internationalen) Anlässen an ihrer Residenz eine Wache. Je nach Bedeutung der Persönlichkeit und des Anlasses stehen zwei bis viele Soldaten gut sichtbar, aber nur mit nebensächlichem Schutzauftrag, z. B. vor dem Haupteingang. Eine solche Wache hat ausschließlich die Funktion der Ehrerbietung.
  • Daneben erhalten Menschen, die sich im Laufe ihres Lebens besonders um den Staat verdient gemacht haben – beispielsweise indem sie erfolgreich Staatspolitik betrieben haben oder indem sie als Soldaten im Einsatz für den Staat fielen – ein Staatsbegräbnis mit Militärbeteiligung.
  • An bestimmten Jahrestagen und zu bestimmten wiederkehrenden Anlässen finden Kranzniederlegungen statt. Die Geschichte des Ortes und des Datums etwa in Form der gehaltenen Reden oder der den Gedenktag umrankenden öffentlichen Diskussionen stehen dabei im Mittelpunkt.

Besonderheiten verschiedener Nationen

Situation in Deutschland

In den meisten Militärritualen unter Beteiligung der Bundeswehr spielt das 'Wachbataillon des BMVg' als speziell im Formaldienst ausgebildete Truppe eine zentrale Rolle wie zum Beispiel bei Vereidigung und Gelöbnis von Soldaten der Bundeswehr.

Großer Zapfenstreich

Da die Streitkräfte der Bundesrepublik Deutschland nur im Ausland an Paraden teilnehmen, z. B. im Rahmen internationaler Verbände, ist die spezifisch deutsche Form der militärischen Selbstpräsentation der Große Zapfenstreich – eine mit musikalischen und religiösen Elementen versehene Militärfeierlichkeit zu ganz besonderen staatlichen oder militärischen Anlässen. Insgesamt ist auf Grund der neueren deutschen Geschichte das militärische Zeremoniell der Bundeswehr im Vergleich zu anderen Streitkräften stark reduziert und betont schlicht gehalten. In der DDR wurde der Große Zapfenstreich der Nationalen Volksarmee praktiziert.

Protestkundgebungen in der Bundesrepublik Deutschland

Hauptsächlich aufgrund der historischen und der funktionalen Dimensionen bilden die öffentlichen Gelöbnisse der Bundeswehr einen der Hauptanstoßpunkte für die Protesttätigkeiten antimilitaristischer und pazifistischer Gruppen und Bewegungen. Deren Aktionsformen wiederum bilden in unterschiedlichem Maße Protestrituale aus, was in den Teilen der Bewegung nicht als schmerzlicher Widerspruch erfahren wird, die eher Militärkritik als Ritualkritik zum Ausdruck bringen wollen.

Seit dem Ende des Kalten Krieges wurde der Auftrag der Bundeswehr politisch weit über den grundgesetzlichen Verteidigungsauftrag hinaus ausgeweitet – ohne dass das GG entsprechend geändert worden wäre. Die "Salami-Taktik" (Joschka Fischer) der Ausweitung der Bundeswehr-Aufgaben war begleitet durch eine Ausweitung der militärituellen Aktivitäten. So fand z. B. in Berlin 1996 erstmalig und seit 1998 jährlich ein großes Gelöbnis des Wachbataillons am Bendlerblock, dem Sitz des Verteidigungsministeriums statt. Die kontinuierlichen Proteste antimiliatiristischer und pazifistischer Gruppen führen Jahr für Jahr dazu, dass diese Veranstaltung nur hinter strengsten Absperrungen durch Polizei und Feldjäger stattfinden können und ihrem Anspruch auf Öffentlichkeit nicht gerecht werden. Dennoch kam es beinahe jedes Jahr auch innerhalb des militärischen Sperrbezirks zu Störungen des Rituals durch Aktionen kleinerer und größerer Gruppen.

Situation in Österreich

Die Angelobung erfolgt in Österreichs Bundesheer. Traditionell wird die Angelobung von Truppenteilen am Nationalfeiertag, dem 26. Oktober am Wiener Heldenplatz im Rahmen einer Truppenschau durchgeführt und endet mit der österreichischen Form des Großen Zapfenstreich.

Schweiz

In der Schweiz wird zu Staatsbesuchen und anderen protokollarischen Anlässen der schweizer Fahnenmarsch gespielt.

Vereinigtes Königreich

Trooping the Colour bezeichnet die alljährliche Militärparade am zweiten Sonnabend im Juni zu Ehren des Geburtstages der britischen Könige und Königinnen.

Vereinigte Staaten von Amerika

Ein besonderes Ritual der US-Luftwaffe ist die Missing Man Formation, mit der der Verlust eines Piloten angezeigt wird. Die bekannte Steubenparade hingegen ist nicht den militärischen Ritualen zuzurechnen.

Literatur

  • Markus Euskirchen: Militärrituale. Analyse und Kritik eines Herrschaftsinstruments, Köln, PapyRossa-Verlag 2005
  • Hans-Peter Stein: Symbole und Zeremoniell in deutschen Streitkraeften: vom 18. bis zum 20. Jahrhundert, Herford, 1986. ISBN 3-8132-0238-0

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