Münchner Domglocken

Münchner Domglocken

Die Münchner Domglocken bilden das Geläut der Frauenkirche zu München, der Kathedrale des Erzbistums München und Freising.

Das Geläut besteht aus fünf spätgotischen, zwei frühbarocken und drei modernen Glocken und zählt somit zu den bedeutendsten Domgeläuten Deutschlands. Die drei Glocken aus dem Jahre 2003 wurden von Rudolf Perner in Passau gegossen und ersetzen den Verlust der Glocken, die in den beiden Weltkriegen zerstört wurden und ergänzen das alte Geläut zur einstmals vorhandenen Zehnstimmigkeit. Einzigartig ist sowohl die charakteristische Disposition des Geläutes als auch sein tragendes Fundament; die große, etwa 8000 kg schwere Susanna von 1490, die auch als schönste mittelalterliche Glocke Süddeutschlands gerühmt wird.

Die 1451 gegossene, zwei Tonnen schwere Winklerin wurde am 19. März 2004 nach einer Reparatur in den Nordturm zurückgehängt. Die drei neuen, bei der Glockengießerei Rudolf Perner in Passau gegossenen Glocken im Südturm ersetzen die 1958 von Karl Czudnochowsky in Erding gegossene, 650 kg schwere Piusglocke (Schlagton g1 –3), die sich klanglich nur mäßig in das historische Geläut einfügte. Damals wurde sie als Ersatz für zwei im Weltkrieg abgelieferte Glocken gegossen.

Die Susanna (oder Salveglocke) ist – neben der Salvatorglocke (9080 kg) des Würzburger Domes – die vermutlich schwerste Kirchenglocke Bayerns und gilt europaweit als eine der klangschönsten Glocken des Mittelalters. Die Glocke wurde 1490 vom Stuttgarter Glockengießer Hans Ernst im Auftrag von Albrecht IV. gegossen.[1] Gemäß ihrer Stiftungsbestimmung, zum Salve Regina des Chorgebetes zu läuten, erklingt sie seit 1994 wieder jeden Sonntagabend zum Abschluss der Vesper (gegen 17:55 Uhr) sowie solistisch an den höchsten Feiertagen zum Vorläuten, zur Wandlung und im Anschluss an das Abendläuten.

Das Münchener Domgeläut ist eines der wertvollsten erhalten gebliebenen historisch gewachsenen Geläute Deutschlands. Sicherlich ist es nicht das tontiefste Geläute Münchens, stellt es aber doch ein beeindruckendes Ensemble dar.

Inhaltsverzeichnis

Verlorene Glocken

Bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts waren zu den sieben alten Glocken des 14., 15. und 17. Jahrhunderts die Rosenkranz-, die Aveglocke und das Aussetzglöcklein vorhanden. Alle drei Glocken sind im 1. Weltkrieg abgegangen, von denen jedoch nur die Aveglocke unauffindbar ist; die beiden anderen Glocken sind noch erhalten.

Rosenkranzglocke (Guldein Kron)

Die etwa 2500 kg schwere Rosenkranzglocke steht unbenutzt, aber unversehrt im Münchner Stadtmuseum, das sie im Jahre 1929 für 5500 Reichsmark kaufte. Aus welchen Gründen sie damals dorthin gelangte ist nicht klar. Vielleicht weil ihre Funktion als Rosenkranzglocke die leichtere Aveglocke (s.u.) übernahm, weil es Stadttore längst nicht mehr gegeben hat oder weil sie den Schlagton der Frauenglocke (s.u.) verdoppelte; laut einer durchgeführten Klanganalyse hat sie den Schlagton c1. Auf der Glocke steht folgende Inschrift:

O REX GLORIE VENI CUM PACE. / ANNO DM M CCCC LII / UND IST VOL PRACHT PEI HER KASPERN AINDORFFERN. /
ICH LOB JESUS MARIA JOHANNES UND SAND KASPERN. / ICH HAIS DIE GULDEIN KRON /
GOT GEB MAISTER PAVLSSEN DER MICH GOS DEN EBIGEN LON.

Als Zier trägt sie Reliefs des Gekreuzigten mit Maria und Johannes. Die Kronbügel tragen Menschenköpfe. Ihrer Gestaltung nach ähnelt die 1452 gegossene Guldein Kron – wie sie in der Inschrift genannt wird – der ein Jahr zuvor, ebenfalls von Meister Paulus, gegossenen Winklerin (s.u.).

Die Bezeichnung als Sperrglocken rührt daher, dass sie ursprünglich zur allabendlichen Schließung der Stadttore („Sperrstunde“) geläutet wurde. Währenddessen soll der Rosenkranz gebetet worden sein, wonach auch ihre Funktionsbezeichnung als Rosenkranzglocke zu erklären ist. Zudem muss sie auch im Vollgeläut aller Domglocken erklungen sein, wie ein zeitgenössischer Bericht von 1530 erwähnt, dass man „alle gloggen“ zum Besuch des Kaiser Karls V. in München läutete. Nach Matthias Seanner „[gab] diese […] Glocke früher auch das Zeichen zur Torsperre und Öffnung der alten Stadt, woher es kommen mag, daß sie für ungeweiht galt.“ An ihrer Stelle im Glockenstuhl des Nordturmes hängt heute ihre „Schwester“, die Winklerin von 1451, die wohl bis ins 20. Jahrhundert im Südturm hing. Mit ihr und der 1442 ebenfalls von Meister Paulus gegossenen Frühmessglocke (s.u.), mit der Klingl (s.u.) und mit dem Aussetzglöcklein (s.u.) hing sie bereits im Südturm des Vorgängerbaus des heutigen Domes und war die damals tontiefste Glocke. Erst mit de Neubau gelang sie zur Susanna (s.u.) in den Nordturm und wurde als Sperr- und Rosenkranzglocke genutzt.

Aveglocke

Aus ihrer Vorgängerin, der alten Aveglocke oder Mittagerin (= Mittagsglocke) goss 1847 Wolfgang Hubinger eine neue, etwa 900 kg schwere Glocke. Was mit dieser Glocke nach 1913 geschah ist unbekannt. Sie trug ein Bildnis der Maria Immaculata sowie die Inschrift:

ME RESONANTE PIA LAUDETUR VIRGO MARIA

Aussetzglöcklein

Auch über den Verbleib des angeblich im 14. Jahrhundert (gotische Majuskelinschrift) gegossenen, etwa 115 kg schwere Aussetzglöcklein ist nichts bekannt. Nach ihrer Inschrift war diese Glocke der heiligen Anna geweiht und läutete zur heiligen Wandlung (seit dem 17./18. Jh. auch Wandlgloggen genannt) beziehungsweise zur Aussetzung des Allerheiligsten; daher ihre Bezeichnung. Anton Mayer schreibt, dass diese kleinste Domglocke „wenn die Gebete für Sterbende vor dem Allerheiligsten verrichtet wurden“ geläutet wurde.

Sebastians- und Josephsglocke

Als Ersatz für die verschollenen drei Glocken (s.o.) kamen 1929 nur zwei Glocken, die Sebastians- und die Josephsglocke in den Schlagtönen g1 und c2, auf den Südturm. Sie sollten die Klanglücken zwischen Præsenz- (e1) und Frühmessglocke (a1) sowie zwischen Frühmessglocke und Klingl (es2) schließen, jedoch fielen jene Glocken schon bald den Zerstörungen des 2. Weltkrieges zum Opfer.

Ersetzte Glocke

Piusglocke

Da die beiden Domtürme den Weltkrieg überstanden hatten, war der Platz der abgelieferten Glocken noch frei. 1958 goss Karl Czudnochowsky in Erding die Piusglocke als Ersatz für die Sebastians- und die Josephsglocke und namentlich in Anlehnung an Papst Pius XII., der als Nuntius in München tätig war. Nicht nur, dass eine einzelne Glocke unschwer zwei Glocken ersetzen kann, so lag der Schlagton (g1 –3) zu tief. Ebenso konnte sie sich durch ihren modernen Teiltonaufbau und verhältnismäßig scharfen Ton nur mäßig in das Geläut der historischen Glocken einfügen. Die 650 kg schwere Glocke diente bis zum Jahre 1990 als Angelusglocke des Domes, und wurde im Frühjahr 2004 vom Südturm abgenommen.

Heutiger Bestand

Nr.
 
Name
 
Gussjahr
 
Gießer, Gussort
 
Durchmesser
(mm)
Masse
(kg, ca.)
Nominal
(HT-1/16)
Turm
 
Liturgisches Amt
 
1 Susănna (Salveglocke) 1490 Hanns Ernst, Regensburg 2060 8000 a0 0+5 Nord Festtagsglocke, Salveglocke Sonntagsvesper (außer Fastenzeit); Sterbeglocke für Erzbischof/Papst
2 Frauenglocke 1617 Bartholomäus Wengle 1665 3000 c1 0+5 Nord Sonntagsglocke, Mittagsglocke
3 Bennoglocke 1617 Bartholomäus Wengle 1475 2100 d1 0+8 Süd Abendglocke um 20 Uhr (sommers um 21 Uhr)
4 Winklerin 1451 Meister Paulus 1420 2000 es1 +14 Nord Morgenglocke um 7 Uhr
5 Præsĕnzglocke 1492 Ulrich von Rosen 1320 1600 e1 0+9 Süd Vesper-/Kapitelsglocke, Angstglocke (Donnerstagabend)
6 Cantabōna 2003 Rudolf Perner, Passau 1080 870 g1 0+12 Süd Taufglocke
7 Frühmessglocke (Frühmesserin) 1442 Meister Paulus 1050 800 a1 0+12 Süd Vaterunserglocke (Totengedächtnis nach dem Abendläuten)
8 Speciōsa 2003 Rudolf Perner, Passau 890 540 h1 0+10 Süd Ökumeneglocke
9 Michaelsglocke 2003 Rudolf Perner, Passau 840 440 c2 0+12 Süd Sabbatglocke (Freitagabend)
10 Klingl (Chorherrenglocke) 14. Jh. anonym 740 350 es2 +14 Süd Sterbeglocke für Dompfarrei/Stadt/Erzbistum (Sonntagabend)

Läuteordnung

Es liegt eine differenzierte Läuteordnung vor; regelmäßig finden Glockenkonzerte statt (z. B. am Bennofest). Zum Angelus wird um 7, 12 und 20 Uhr geläutet; im Sommer wird das Abendläuten auf 21 Uhr verschoben. Zu den einzelnen Betzeiten wird mit unterschiedlichen Glocken geläutet: morgens läutet die Winklerin, mittags die Frauenglocke und abends die Bennoglocke, der sich die Frühmessglocke zum Gedächtnis für die Verstorbenen des Tages anschließt. An Hochfesten beschließt die große Susanna das Abendläuten. Sonn- und Feiertage werden am Vortag um 15 Uhr mit dem Geläut zum Hochamt eingeläutet. Die Läutedauer zu den Messen liegt zwischen 5 und 15 Minuten. Zu den Sonntagsmessen erfolgt 30 Minuten vor Beginn ein Vorläuten, zu hohen Festtagen zusätzlich 60 Minuten vor Beginn. Im Folgenden gibt es eine Übersicht über die Geläute in den liturgischen Zeiten, eine Aufzählung von besonderen Motiven sowie Anlässe, zu denen das Vollgeläut aller zehn Glocken bestimmt ist. Zur heiligen Messe am Dreikönigstag (Erscheinung des Herrn) erklangen im Jahr 2011 die Glocken 1, 2, 3, 6, 7 und 8, also die Tönen a° c´ d´ g´ a´ und h´.

Anlass Anzahl
Glocken
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
Christmette, 1. Weihnachtstag, Neujahrsnacht, Osternacht (Gloria/Auszug), Ostersonntag, Pfingstsonntag, Mariä Aufnahme in den Himmel, Allerheiligen 10 a0 c1 d1 es1 e1 g1 a1 h1 c2 es2
Ostermontag, Fronleichnam, Benno-Fest, Kirchweihfest, Stephanusfest, Pontifikalamt werktags, Primiz 8 a0 c1 d1 e1 g1 a1 h1 c2
Pontifikal-Requiem 5 a0 c1 e1 a1 h1 c2
Aschermittwoch 3 a0 c1 es1
Gründonnerstag 3 a0 e1 a1
Taufgottesdienst 3 c1 g1 c2
Sonntage der Adventszeit 5 c1 es1 g1 c2 es2
Werktage der Adventszeit 4 d1 g1 a1 h1
Sonntage der Weihnachts- und Osterzeit 9 c1 d1 es1 e1 g1 a1 h1 c2 es2
Werktage der Weihnachts- und Osterzeit 5 d1 e1 g1 a1 h1
Sonntage der Fastenzeit 5 c1 d1 es1 g1 es2
Werktage der Fastenzeit 3 d1 e1 g1
Sonntage im Jahreskreis 7 c1 d1 e1 g1 a1 h1 c2
Werktage im Jahreskreis 4 d1 e1 g1 a1

Galerie

Quellen

  • Programm des Glockenkonzerts vom 31. Mai 2008
  1. Thurm, Sigrid, „Ernst, Hans“, in: Neue Deutsche Biographie 4 (1959), S. 628 ; (Onlinefassung)

Literatur

  • Karl-Ludwig Nies: Die Glocken des Münchner Frauendoms. Sankt Michaelsbund, München 2004, ISBN 3-920821-48-3.

Siehe auch

Weblinks

 Commons: Bells of the Frauenkirche, Munich – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

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