Nabu-kudurri-usur II.

Nabu-kudurri-usur II.
Inschrift, die Nebukadnezar II. beschreibt, auf einem Onyx-Stein-Auge einer Marduk-Statue.

Nabu-kudurri-usur II. oder Nebukadnezar II. (sumerisch AG.NIG.DU-URU und PA.NIG.DU-PAP, spätbabylonisch Nabium-Kudurru-usur, aramäisch nbwkdsr „Nebukadser“, Altes Testament n-bwkdr'ssar „Nebukadressar“; * um 640 v. Chr.; † 562 v. Chr.) war von 605 bis 562 v. Chr. neubabylonischer König.

Nebukadnezars Name war offenbar programmatisch am Vorfahren Nebukadnezar I. orientiert und bedeutet „Gott Nabû schütze meinen ersten Sohn“. Die erste Anordnung als Thronfolger stammt vom 31. Augustgreg. aus seinem Akzessionsjahr 605 v. Chr. Sein erstes Regierungsjahr begann 604 v. Chr. am 1. Nisannu. In seinem 43. Regierungsjahr ist für den 26. Ululu (2. Oktober 562 v. Chr.greg.) in Uruk letztmals ein Dokument mit seinem Namen datiert.[1] Nebukadnezars Sohn Nabû-šuma-ukîn folgte ihm auf den Thron.

Inhaltsverzeichnis

Familie

Nebukadnezar war Sohn des Nabopolassar. Die Angabe von Berossos, dass Nebukadnezar Amyitis, Tochter des Mederkönigs Astyages, heiratete, ist in keilschriftlichen Quellen nicht bezeugt. Nebukadnezar hatte mindestens zwei Brüder, Nabû-šum-lišir sowie Nabû-zer-ušabši. Als Söhne sind Nabû-šuma-ukîn (Amel-Marduk), Eanna-šar-usur, Marduk-šum-usur, Marduk-nadin-aḫi, Mušezib-Marduk, Marduk-nadin-šumi und Nabonid belegt, wobei letztgenannter Sohn nicht mit dem späteren König Nabonid identisch ist.

Die alttestamentarische Angabe, dass Bel-šarru-usur ein Sohn Nebukadnezars gewesen sei, steht im Widerspruch zur Nabonid-Chronik, wonach Bel-šarru-usur der Sohn des späteren Königs Nabonid war. Nebukadnezars Tochter Kaššaia heiratete Nergal-šarra-usur.

Leben

Bauinschrift von Nebukadnezar am Ischtar-Tor, der die Errichtung preist

Nebukadnezar wurde von seinem Vater bereits ab 620 v. Chr. mit politischen Aufgaben und der Heerführung betraut. In den Königsinschriften wird seine umfangreiche Bautätigkeit nach seiner offiziellen Thronbesteigung hervorgehoben. So errichtete er Zikkurate, Paläste, Tempel und Befestigungsmauern in Borsippa, Uruk, Ur, Larsa, Sippar und Babylon. In diesem Zusammenhang erwähnte Nebukadnezar II. neu eingesetzte Gottesopfer in den erstellten Bauwerken. Besonders die Erweiterung der Stadt Babylon wird hervorgehoben. In den sehr ausführlichen Berichten wird seine tiefe religiöse Einstellung gegenüber Marduk und Nabu sichtbar. Die militärische Expansion wird mit den Worten umschrieben:

„Ferne Länder, entlegene Gebirge vom oberen Meer bis zum unteren Meer, schwierige Wege, verschlossene Pfade, wo der Schritt schwer wird und der Tritt verwehrt ist, durstreiche Strecken wurden durchzogen und die Unbotmäßigen getötet, Feinde gefangen, das Land habe ich recht geleitet und das Volk üppig gedeihen lassen“

Nebukadnezar II.

Durch die Übernahme von Ninive im Jahr 612 v. Chr. hatte Babylon bereits unter Nabopolassar einen großen Gebietszuwachs erfahren, der Nebukadnezar II. vor große logistische Probleme stellte. Die Hauptstadt Babylon bildete nun geografisch nicht mehr den Mittelpunkt des babylonischen Reichs und lag weit entfernt von den neu zugefallenen Gebieten. Über den schiffbaren Euphrat konnte Nebukadnezar II. die Transportprobleme weitestgehend ausschalten. Probleme bereitete hingegen die Levante, die militärisch nur schwer im Griff zu halten war.

Nebukadnezar II. unternahm traditionsgemäß jedes Jahr Feldzüge in aufständische Krisenregionen. Auf einem sechsseitigen Tonprisma, das nur unvollständig erhalten ist, werden die Tribut zahlenden Regionen benannt, die in den Jahren 604 v. Chr. bis 595 v. Chr. von Nebukadnezar II. militärisch bezwungen wurden: Mazamua (nordöstlich von Arrapcha), Aschdod, Gaza, Sidon, Tyros und Arwad. Der Name Jerusalem fehlt in dieser Aufstellung, was aber nicht ausschließt, dass Jerusalem auf den fehlenden Teilstücken genannt wurde. Keilschriftlich wird 598 v. Chr. ein Feldzug Nebukadnezars im neunten Monat in die Provinz Jechuda/Jekuda erwähnt. In den Jahrzehnten danach tauchen hebräische Namen in babylonischen Urkunden auf. Die erwähnten Personen stammten allesamt aus der Oberschicht und verfügten über größere Vermögen.

Die biblische Erwähnung einer Massendeportation kann ebenso wenig bestätigt werden wie eine größere Zerstörung Jerusalems. Archäologische Untersuchungen verweisen auf den Ausbau von Häusern der privilegierten Schicht sowie durch Nebukadnezar II. vorgenommene Landzuteilungen an die ärmere Bevölkerung. Gedalja aus Mizpa wurde als Statthalter in Jerusalem eingesetzt und nach nur sieben Monaten von Jischmael ermordet. Die archäologischen Grabungen bestätigen, dass es zu Gedaljas Zeiten eine gut funktionierende Verwaltung gab. Eine zweite Deportation zu Zeiten Zedekias um 586 v. Chr. und erneute Zerstörung Jerusalems wird durch Schriftfunde nicht belegt. Ob es sich um den biblischen Zedekia handelte, bleibt unklar, da der ersetzte König namentlich nicht in den erhaltenen Keilschrifttexten genannt wird.

Militärische Bedrohungen hatte Nebukadnezar II. zunächst nicht zu fürchten. Ägypten und die Staaten aus Hatti waren zu schwach, um ihn zu gefährden. Ägypten meldete zwar immer wieder Ansprüche auf die Gebiete Palästina und Nordsyrien an, konnte kurzzeitig errungene Erfolge aber nicht langfristig aufrechterhalten. 605 v. Chr. erlitten die Ägypter in der Schlacht bei Karkemisch eine empfindliche Niederlage. Das Reich Elam war seit Zerstörung der Hauptstadt Susa im Jahr 630 v. Chr. durch Assurbanipal keine Bedrohung mehr.

Erste Gefahren drohten Nebukadnezar II. durch die ehemals verbündeten Meder, die in babylonischen Quellen auch als Umman-Manda („Irgendwo-da-Land“) beschrieben werden. Er ließ deshalb einen Wall, die sogenannte Medische Mauer, auf der West-Ost-Strecke von Sippar bis nach Opis am Tigris errichten. Bis zum Ende seiner Regierungszeit stellten die Meder keine Gebietsansprüche an Babylon. Weitere Kriegsberichte bis zum Tod von Nebukadnezar II. fehlen, was auf eine relativ sichere Zeit hindeutet.

Schaltjahre während der Regierungszeit

Während seiner Regierungszeit sind nachfolgende Schaltmonate belegt:[2]

Schaltjahre und Schaltzyklus während der Regierungszeit von Nebukadnezar II.[3]
Reg.-Jahr Datierung Schaltmonat Beginn des Schaltmonats[3] Beginn des nächsten Tašritu[3] Beginn des nächsten Nisannu[3]
Nebukadnezars neunzehnjähriger Schaltzyklus-Nr. 1 (7 Schaltungen)
2
603 bis 602 v. Chr.
Ululu II
6. September 603 v. Chr.
6. Oktober 603 v. Chr.
2. April 602 v. Chr.
5
600 bis 599 v. Chr.
Ululu II
4. September 600 v. Chr.
4. Oktober 600 v. Chr.
30. März 599 v. Chr.
7
598 bis 597 v. Chr.
Ululu II
13. September 598 v. Chr.
12. Oktober 598 v. Chr.
6. April 597 v. Chr.
9
596 bis 595 v. Chr.
Ululu II
20. September 596 v. Chr.
19. Oktober 596 v. Chr.
15. April 595 v. Chr.
11
594 bis 593 v. Chr.
Addaru II
24. März 593 v. Chr.
15. Oktober 593 v. Chr.
22. April 593 v. Chr.
14
591 bis 590 v. Chr.
Addaru II
21. März 590 v. Chr.
14. Oktober 590 v. Chr.
20. April 590 v. Chr.
17
588 bis 587 v. Chr.
Addaru II[4]
18. März 587 v. Chr.
10. Oktober 587 v. Chr.
16. April 587 v. Chr.
Nebukadnezars neunzehnjähriger Schaltzyklus-Nr. 2 (7 Schaltungen)
21
584 bis 583 v. Chr.
Ululu II
7. September 584 v. Chr.
6. Oktober 584 v. Chr.
3. April 583 v. Chr.
23
582 bis 581 v. Chr.
Addaru II
11. März 581 v. Chr.
4. Oktober 581 v. Chr.
9. April 581 v. Chr.
26
579 bis 578 v. Chr.
Addaru II
9. März 578 v. Chr.
1. Oktober 578 v. Chr.
7. April 578 v. Chr.
28
577 bis 576 v. Chr.
Addaru II
16. März 576 v. Chr.
8. Oktober 576 v. Chr.
15. April 576 v. Chr.
31
574 bis 573 v. Chr.
Ululu II
17. September 574 v. Chr.
16. Oktober 574 v. Chr.
11. April 573 v. Chr.
33
572 bis 571 v. Chr.
Addaru II
20. März 571 v. Chr.
14. Oktober 571 v. Chr.
19. April 571 v. Chr.
36
569 bis 568 v. Chr.
Addaru II
18. März 568 v. Chr.
10. Oktober 568 v. Chr.
16. April 568 v. Chr.
Nebukadnezars neunzehnjähriger Schaltzyklus-Nr. 3 (Beginn)
41
564 bis 563 v. Chr.
Ululu II
28. August 564 v. Chr.
26. September 564 v. Chr.
22. März 563 v. Chr.
42
563 bis 562 v. Chr.
Addaru II
11. März 562 v. Chr.
4. Oktober 562 v. Chr.
10. April 562 v. Chr.

Nebukadnezar II. in der Bibel

In der hebräischen Bibel erscheint auch die Schreibweise Nebukadrezar/Nebukadressar. Nebukadnezar II. spielte infolge seiner Einnahme Jerusalems eine wichtige Rolle in der Bibel. Sein Name wird darin 91 mal erwähnt. Er wird einerseits als Tyrann, andererseits durch die Propheten als Werkzeug Gottes zur Bestrafung der Sünden Israels dargestellt.

Nach Jeremia 24,1 LUT und 29,1–2 LUT schickte er den Sohn Jojakims, Jojachin, nach der Einnahme Jerusalems ins Exil und setzte dann Zedekia als König ein (Jer 37,1 LUT). Dieser Vorgang wird durch den archäologischen Fund einer Steinplatte gestützt, die heute im Britischen Museum (siehe unten) aufbewahrt wird.

Nach einem Treuebruch König Zedekias wurden dessen Söhne vor seinen Augen hingerichtet, er selbst anschließend geblendet und in Ketten nach Babylon geführt (2 Kön 25,4–7 LUT). Er blieb bis zu seinem Tode in Gefangenschaft (Jer 52,6–11 LUT). Berichten der rabbinischen Geschichtsschreibung zufolge wurde ihm von Nebukadnezar im Laufe seiner 40 Jahre dauernden Gefangenschaft auch eine neue Frau zugeführt.

Die in und um Babylon angesiedelten Judäer assimilierten sich wohl recht schnell in die babylonische Gesellschaft. So tauchen relativ bald jüdische Namen auf Inschriften auf, die belegen, dass die Judäer im Hofstaat und im Militär Nebukadnezars Karriere machen konnten. Diese schnelle Assimilation war wohl auch der Grund, warum im Alten Testament ein recht düsteres Bild der Babylonischen Gefangenschaft gezeichnet wird.

Die Zeit des Exils unter Nebukadnezar war für die jüdische Theologie außerordentlich fruchtbar. Es musste erklärt werden, warum der Tempel zerstört und das auserwählte Volk aus dem Heiligen Land vertrieben worden war. Die Schriften wurden erneut einer Redaktion unterzogen und der Monotheismus radikalisiert. In Jerusalem entstanden die ersten Synagogen.

Eine legendäre Erzählung, die im apokryphen alttestamentlichen Buch Judit beschrieben wird, berichtet von einer Strafexpedition des Nebukadnezar, der hier allerdings König von Assyrien ist, gegen das Südreich Juda. Judith rettete ihre Heimatstadt, indem sie sich als Überläuferin ausgab, nach einem Festmahl den feindlichen Heerführer Holofernes mit dessen eigenem Schwert tötete und so die Babylonier in die Flucht schlug. Diese Legende machte Judith zur Heldin Israels, und in der bildenden Kunst wird sie zur Vorlage (besonders in der Renaissance sehr beliebt) für Dramen, Opern und Gedichte.

Sonstiges

  • Im Berliner Pergamonmuseum ist das Ischtar-Stadttor als Teil einer für damalige Verhältnisse sehr großen Prozessionsstraße zu besichtigen, das mithilfe von Originalziegeln rekonstruiert wurde. Die Hängenden Gärten der Semiramis zu Babylon (eines der 7 Weltwunder) sollen zu Ehren von Nebukadnezar geschaffen worden sein.
  • Unter einer italienischen Form des Königsnamens, Nabucco, schuf Giuseppe Verdi eine bekannte Oper.
  • Die vom Propheten Daniel erzählte Geschichte, in der König Nebukadnezar eine goldene Statue von sich errichten und alle verbrennen lässt, die sich weigern, vor ihr niederzuknien, ist Thema des Songs The Fourth Man In The Fire von Johnny Cash.
  • Das Hovercraft-Schiff des Kapitän Morpheus aus der Film-Trilogie Matrix heißt „Nebuchadnezzar“.
  • Eine bestimmte Champagner-Flaschengröße mit 15 Litern Inhalt, was etwa 20 regulären Flaschen entspricht, wird als „Nebukadnezar“ bezeichnet.

Literatur

Weblinks

Anmerkungen

  1. Das letzte babylonische Dokument von Nebukadnezar datiert in seinem 43. Regierungsjahr auf den 12. Ululu (18. Septembergreg.) im Jahr 562 v. Chr. (BM 37328)
  2. Richard Anthony Parker, Waldo H. Dubberstein: Babylonian Chronology 626 BC – AD 75. Brown University Press, Rhode Island 1956, S. 5–6; Jean Meeus: Astronomische Algorithmen - Anwendungen für Ephemeris Tool 4,5 -, Barth, Leipzig 2000 für: Ephemeris Tool 4,5 nach Jean Meeus, Umrechnungsprogramm, 2001.
  3. a b c d Datumsangabe im gregorianischen Kalender; im julianischen Kalendersystem sind 6 Tage zum gregorianischen Datum zu addieren. Datierungsgrundlage sind die NASA-Angaben unter Berücksichtigung des T-Deltas. Für Babylonien ist zu der Universal Time (UT) der Zeitzonenzuschlag von 3 Stunden zu berücksichtigen; gemäß Jean Meeus: Astronomische Algorithmen – Anwendungen für Ephemeris Tool 4,5, Barth, Leipzig 2000 für: Ephemeris Tool 4,5 nach Jean Meeus, Umrechnungsprogramm, 2001.
  4. NBC 4633; NCTB 853 und YBC 8816, 11665.


Vorgänger Amt Nachfolger
Nabopolassar König von Babylonien
604–562 v. Chr.
Amel-Marduk

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