Nachtwächter

Nachtwächter
Nachtwächter, Kupferstich 1799

Das Berufsbild Nachtwächter existiert vermutlich, seit es die ersten größeren Städte im Mittelalter gab.

Inhaltsverzeichnis

Beruf

Historisch

Nachtwächter einer Kleinstadt um 1905
Nachtwächter aus Erbach im Odenwald, Gemälde von Wilhelm Trübner, 1901

Die Aufgabe des Nachtwächters war es, nachts durch die Straßen und Gassen der Stadt zu gehen und für Ruhe und Ordnung zu sorgen. Er warnte die schlafenden Bürger vor Feuern, Feinden und Dieben. Er überwachte das ordnungsgemäße Verschließen der Haustüren und Stadttore, und häufig gehörte es auch zu den Aufgaben des Nachtwächters, die Stunden anzusagen. Er hatte das Recht, verdächtige Personen, die nachts unterwegs waren, anzuhalten, zu befragen und notfalls zu verhaften.

Zur typischen Ausrüstung eines Nachtwächters gehörten eine Hellebarde oder eine ähnliche Stangenwaffe, eine Laterne und ein Horn. Der Nachtwächter, obwohl er eine wichtige Tätigkeit in der Stadt ausführte, gehörte, wie z. B. der Abdecker oder der Henker, meist zu den unehrlichen Berufen und lebte daher in sehr bescheidenen Verhältnissen. Von dieser Regel gibt es verschiedene Ausnahmen. Im bayerischen Friedberg wurden beispielsweise die Nachtwächter reihum von den Zunftburschen gestellt. In Speyer wurde vom Stadtrat ein wohldotierter „Nachtrath“ mit Stadtratsvollmachten eingesetzt, der des Lesens und Schreibens mächtig war und zuvor einen Feldwebelrang erreicht haben musste. In Mainz hielten Militärangehörige die Nachtwache, wofür der Walpode zuständig war.

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts änderte sich die Aufgabe des Nachtwächters insofern, als es zunehmend auch stumme Nachtwächter gab, was durch die Erfindung der watchman’s noctuaries bzw. labourer’s regulators des Engländers Samuel Day (1803) möglich wurde. Dies sind mechanische Uhren, in die der Nachtwächter zu bestimmten Stunden in ein bis dahin verdecktes Loch einen Zettel zum Beleg seines regelmäßigen Rundganges stecken musste. Am Morgen kontrollierte ein Polizeioffizier, ob alle Löcher gefüllt waren.

Mit der flächendeckenden Einführung von Straßenbeleuchtungen und neuen Polizeigesetzen um die Jahrhundertwende zum 20. Jahrhundert ging gleichzeitig die Abschaffung der meisten Nachtwächter einher.

Siehe auch: Turmwächter

Gegenwart

Als Nachtwächter verkleideter Schausteller in Rothenburg ob der Tauber
Nachtwächterfigur als Wegweiser in Springe

Der Beruf des klassischen Nachtwächters ist heute ausgestorben. In einigen Orten gibt es zwar noch Nachtwächter, diese sind dann aber zumeist eine romantisch verklärte touristische Attraktion. In einigen Städten sind die Stadtführer als Nachtwächter unterwegs und berichten auf unterhaltsame Weise aus der Stadthistorie und über die tägliche Arbeit des Nachtwächters, wie zum Beispiel in Konstanz.

1987 wurde im dänischen Ort Ebeltoft die „Europäische Nachtwächter- und Türmerzunft“ gegründet. Ihr gehören 157 Nachtwächter und Türmer aus Tschechien, Polen, Schweiz, Österreich, Frankreich, Niederlande, Großbritannien, Dänemark, Norwegen und Deutschland an. Am 27. März 2004 schlossen sich in Bad Münder am Deister (Niedersachsen) Nachtwächter aus ganz Deutschland zu einer Gilde zusammen. Der Vereinsname lautet „Gilde Bund Deutscher Nachtwächter, Türmer und Figuren“ (BDNT). In Rinteln und Zwönitz befinden sich Nachtwächterdenkmäler.

In der Literatur

In literarischen Texten ist die Figur des Nachtwächters häufig mit der Rolle eines satirischen Kommentators des Weltgeschehens verknüpft. Seine Außenseiterposition prädestiniert ihn geradezu dazu – ähnlich der Narrenfigur – als Mahner der Wahrheit aufzutreten, der Gesellschaft einen Spiegel vorzuhalten und auf diese Weise die Obrigkeit und die herrschenden Systeme zu kritisieren. Mit der Figur wird somit eine Umdeutung der eigentlichen Tätigkeit dieses Berufsstandes vollzogen: Der, der eigentlich für Ruhe und Ordnung sorgen soll, wird zum Aufrührer und Unruhestifter. Berühmte Beispiele hierfür sind der Nachtwächter, Poet und Erzähler Kreuzgang in Nachtwachen. Von Bonaventura (1804, vermutl. von Ernst August Friedrich Klingemann) oder der Kommandeur der Stadtwache Samuel Mumm in Terry Pratchetts Scheibenwelt-Romanen („Gesetze sind dazu da, dass man vorher einmal nachdenkt, bevor man sie bricht.“).

Begriffsumfeld

Politik

Das Schlagwort Nachtwächterstaat ist eine polemische Bezeichnung für eine Staatsform, die sich nur auf die Bewachung der Sicherheit beschränkt.

Schachkomposition

In der Schachkomposition ist ein Nachtwächter eine für die Lösung bzw. den thematischen Inhalt nicht benötigte Schachfigur, die nur zur Vermeidung von Nebenlösungen eingesetzt wird. Nachtwächter mindern den Wert einer Schachkomposition erheblich.

Volksmund

Der Volksmund bezeichnet oftmals einen vergesslichen, langsamen oder trotteligen Menschen als „Nachtwächter“.

Als Nachtwächter bezeichnet man in der Gastronomie auch das Bier, das sich noch vom Vortag in der Leitung einer Zapfanlage befindet.

Siehe auch

  • Ein Sicherheitsdienst übernimmt heute häufig in Firmen Aufgaben des Nachtwächters.

Literatur

  • Peter Bahn: Hört Ihr Leut' und lasst Euch sagen.... Die Geschichte der Türmer und Nachtwächter. Begleitbuch zur Ausstellung des Museums im Schweizer Hof, Bretten. Bretten 2008, ISBN 978-3-928029-47-6
  • Friedrich Scheele, Martina Glimme (Hrsg.); Slaept niet die daer waeckt: von Nachtwächtern und Türmern in Emden und anderswo; Begleitband zur gleichnamigen Ausstellung, Veröffentlichungen des Ostfriesischen Landesmuseums und Emder Rüstkammer 11, Oldenburg: Isensee, 2001, ISBN 3-89598-761-1
  • Josef Wichner: Stundenrufe und Lieder der deutschen Nachtwächter. Regensburg, 1897

Belletristik

Weblinks

 Commons: Night watchmen in art – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

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  • Nachtwächter — Nạcht·wäch·ter der; 1 jemand, der in der Nacht ein Gebäude bewacht ≈ Wachmann 2 hist; ein Mann, der nachts die Uhrzeit ausrief und für Ruhe und Ordnung sorgte 3 gespr pej; jemand, der nie aufpasst und meist sehr lange braucht, um etwas zu… …   Langenscheidt Großwörterbuch Deutsch als Fremdsprache

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