Niels Stensen

Niels Stensen
Nicolaus Steno. Das Porträt entstand in Schwerin kurz vor seinem Tod.

Nicolaus Steno(nis) (* 1. Januarjul./ 11. Januar 1638greg. in Kopenhagen (Dänemark); † 25. Novemberjul./ 5. Dezember 1686greg. in Schwerin), latinisiert aus dänisch Niels Stensen, war ein dänischer Arzt, Anatom und Geologe, später katholischer Priester und Bischof. Er wird in der katholischen Kirche als Seliger verehrt.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Steno verwendete dieses Bild aus einem unveröffentlichten Katalog des Vatikans 1667 in seiner Abhandlung Canis carchariae dissectum caput, um zu zeigen, dass die „Zungensteine“ fossile Haizähne sind.

Nicolaus Steno, 1638 als Sohn eines Goldschmieds in Kopenhagen geboren und in der St.-Nikolai-Kirche lutherisch getauft, besuchte von 1648 bis 1656 in seiner Heimatstadt die Lateinschule bei der Liebfrauenkirche. Es folgte ein dreijähriges Medizinstudium an der Kopenhagener Universität.

Studien- und Vortragsreisen führten ihn 1660-65 u.a. nach Amsterdam (Begegnung mit Baruch Spinoza und dessen Philosophie), Leiden, Paris, Montpellier und Pisa. Dort kam er mit den führenden Medizinern seiner Zeit in Kontakt. Durch eigenes Forschen entdeckte er schon 1660 den Ausführungsgang der Ohrspeicheldrüse. Seine Vorlesungen und anatomischen Demonstrationen machten ihn in ganz Europa berühmt.

1666 ging Steno nach Florenz. Ferdinand II. von Medici machte ihn zu seinem Leibarzt und unterstützte großzügig seine Forschungstätigkeit. In dieser Zeit dehnte sich sein Interesse auf geologische und paläontologische Themen aus.

Gleichzeitig hatten Eindrücke in den Niederlanden (Zersplitterung der reformierten Kirchen) und Italien (1666 Fronleichnamsprozession in Livorno) ein intensives Studium theologischer Fragen ausgelöst. Im November 1667 konvertierte Steno zur katholischen Kirche. Seitdem nahm er regelmäßig an der kirchlichen Liturgie teil und vertiefte sein persönliches Gebetsleben.

Ab 1668 unternahm Steno eine dreijährige geologische Forschungsreise durch Südeuropa und kehrte schließlich nach Florenz zurück. Dort schrieb er seine ersten theologischen Schriften.

1672 folgte er einem Ruf des dänischen Königs und ging als königlicher Anatom und Universitätslehrer wieder nach Kopenhagen. Die konfessionelle Differenz war jedoch trotz guten Willens aller Beteiligten nicht zu überbrücken, und gleichzeitig wuchs in Steno der Wunsch, sich in den kirchlichen Dienst zu stellen. 1674 kehrte er als Erzieher des Erbprinzen nach Florenz zurück. Im folgenden Jahr bat er um die Priesterweihe.

Ostern 1675 feierte Stensen in Florenz seine erste hl. Messe und wirkte seitdem am Hof der Medici auch als Seelsorger und Beichtvater. Er tat das laut Zeitzeugen, hier wie an allen weiteren Wirkungsstätten, mit Liebenswürdigkeit und Bescheidenheit, aber auch mit klaren Forderungen an die Lebensführung.

In Hannover residierte seit 1665 Herzog Johann Friedrich, der ebenfalls in Italien zum Katholizismus übergetreten war. Dieser bat Papst Innozenz XI. 1677 um die Entsendung Stenos nach Hannover.

Am 19. September 1677 empfing Niels Stensen in Rom durch Kardinal Gregorio Barbarigo die Bischofsweihe und wurde als Apostolischer Vikar für die versprengten Reste katholischer Gemeinden in Norddeutschland und Skandinavien (Apostolisches Vikariat des Nordens) mit Sitz in Hannover ausgesandt. Hier begegnete er u.a. Gottfried Wilhelm Leibniz, der ihn als Naturwissenschaftler bewunderte, seine religiöse Haltung jedoch als starr empfand.

Als Herzog Johann Friedrich im Dezember 1679 starb und sein Bruder, somit wieder ein Lutheraner, die Herrschaft in Hannover übernahm, verlor das nordische Vikariat in der Stadt den Rückhalt.

Das Fürstbistum Paderborn leitete zu dieser Zeit Ferdinand von Fürstenberg, der zugleich Fürstbischof von Münster war. Er bat Rom um Entsendung Stensens nach Münster als Weihbischof und Leiter der Seelsorge.

1680-1683 versuchte Stensen in Münster, das geistliche Leben von Klerus und Laien zu ordnen und Disziplinlosigkeit und Ämterkauf zu überwinden. Das Amt des Stiftsdechanten an St. Ludgeri, dessen Einkünfte seinen Lebensunterhalt sichern sollten, gab er schon nach einem Jahr zurück, weil er ihm nicht gerecht werden zu können glaubte.

Persönlich wurde Stensen jetzt noch asketischer. Was er von geistlichen Amtsträgern forderte, zeigte er beispielhaft durch die eigene Lebensführung. Damit geriet er in Widerspruch zum Lebensstil der oft aus dem Adel stammenden höheren Geistlichkeit und wurde zu einem lebenden Vorwurf.

Als nach dem Tod Ferdinands von Fürstenberg statt eines Seelsorger-Bischofs für Münster Maximilian Heinrich von Bayern seinen fünften Bischofssitz einnahm, protestierte Stensen öffentlich und verließ Münster am 1. September 1683.

Er ging nach Hamburg, um der dortigen katholischen Gemeinde zu dienen. Auch dort traf er auf starke Spannungen und heftigen Widerstand gegen den fremden Mahner und Schlichter.

1685 schließlich wurde er nach Schwerin gerufen. Als einfacher Priester ohne bischöfliche Insignien kümmerte er sich um die kleine Gemeinde. Auch hier gab es Enttäuschungen.

Nach einer kurzen, mit schweren Koliken verbundenen Krankheit starb Niels Stensen 48jährig in Schwerin. Als sein letztes Wort ist das Gebet überliefert: Jesus, sis mihi Jesus – „Jesus, sei mir Retter“.

Er wurde in der Grabkapelle der Basilika San Lorenzo in Florenz beigesetzt. Dreihundert Jahre später, am 23. Oktober 1988, wurde Nicolaus Steno auf maßgebliches Betreiben von Bischof Heinrich Theissing durch Papst Johannes Paul II. selig gesprochen. Sein kirchlicher Gedenktag ist der 25. November.

Stensens bis heute andauernde Verehrung gründet in seiner wissenschaftlichen Vorurteilslosigkeit und Beobachtungsschärfe sowie in der großen Geduld und Ausdauer, mit der er seine religiöse Mission unter inner- und außerkirchlichen Schwierigkeiten und in zunehmender Vereinsamung erfüllte.

Wissenschaftliche Arbeiten

Steno wurde bekannt für sein eigenständiges Studium der Natur und die Abkehr von der Berufung auf überkommene Autoritäten.

Anatomie

Steno untersuchte und beschrieb als erster die Tränen- und Speicheldrüsen des menschlichen Körpers und unterschied Drüsen von Lymphknoten. Er beschrieb das Ausführungsgangsystem der Glandula parotidea, den Ductus parotideus. Dieser wird unter Klinikern auch als Ductus stenonianus bezeichnet.

Titelblatt von De solido

Mineralogie

Bei der Untersuchung von Quarz entdeckte Steno das Gesetz von der Winkelkonstanz, also die Tatsache, dass die Oberflächen der Kristalle immer im selben Winkel zueinander stehen, und zwar unabhängig von ihrer Größe oder Form. Er schlug daraufhin vor, dass dies eine Eigenschaft aller Mineralkristalle ist, und legte damit das Fundament für die moderne Kristallographie.

Geologie und Paläontologie

Auf Steno geht die Einsicht zurück, dass Fossilien die Überreste einst lebender Organismen und nicht etwa natürliche Gesteinsauswüchse darstellen, wie dies zu seiner Zeit noch vielfach angenommen wurde.

Steno leistete einen zentralen Beitrag zur Entstehung der Geologie. In seinem bedeutendsten Werk De solido intra solidum naturaliter contento dissertationis prodromus (Vorläufer einer Abhandlung über Festes, das in der Natur in Festem eingeschlossen ist) entwickelte er als erster eine auf wissenschaftlicher Basis stehende Theorie zur Entstehung von Sedimentgesteinen. Nach Steno bildeten sich die Gesteine als horizontal gelagerte Schichten aus im Wasser abgelagertem Material. Die Schichten lagern sich übereinander ab (Superpositionsprinzip). Steno erkannte damit, dass das Alter einer Sedimentschicht nach oben hin abnimmt, da sich immer jüngere Schichten auf älteren ablagern. Die Existenz von Sedimentgesteinen mit bis zu senkrecht verlaufender Schichtung und schweren Verwerfungen erklärte Steno korrekt durch Deformationen, die nach der Bildung der Schichten stattgefunden haben mussten.

Kirchliches Nachwirken

Bronzerelief an der Propsteikirche St. Anna, Schwerin

In der norddeutschen katholischen Diaspora ist Niels Stensen nach langer Vergessenheit im 20. Jahrhundert wiederentdeckt worden. Bildungs- und Erholungseinrichtungen tragen seinen Namen. Die katholische Jugend Hamburg betreibt in Wentorf bei Hamburg das Niels-Stensen-Haus. Die erste Kirchengemeinde, die nach Stensen benannt wurde, ist die Pfarrgemeinde Niels Stensen in Grevesmühlen (Mecklenburg). Seit 2006 heißt eine Kirchengemeinde im Bistum Münster nach ihm. Sie entstand aus der Fusion der Pfarreien von Lengerich, Ladbergen, Lienen und Tecklenburg und ist mit 8700 Christen und 300 Quadratkilometern Ausdehnung die größte Gemeinde im Bistum Münster.

Werke

  • Observationes anatomicae (1662)
  • De musculis et glandis (1664)
  • Discours sur l`anatomie du cerveau (1665)
  • De solido intra solidum naturaliter contento dissertationis prodromus (1668)
  • Prodromus (1671)

Einzelnachweise


Literatur

  • Alan Cutler: Die Muschel auf dem Berg. Über Nicolaus Steno und die Anfänge der Geologie. Albrecht Knaus Verlag, München, 2004, ISBN 3-8135-0188-4
  • Jörg Ernesti: Drei Bischöfe - ein Reformwille. Ein neuer Blick auf Ferdinand von Fürstenberg (1626-83) und sein Verhältnis zu Christoph Bernhard von Galen und Niels Stensen; in: Westfalen, Hefte für Geschichte, Kunst und Volkskunde; 83. Bd. (2005); S. 49-59.
  • Frank Sobiech: Herz, Gott, Kreuz. Die Spiritualität des Anatomen, Geologen und Bischofs Dr. med. Niels Stensen (1638-86). Westfalia sacra, Band 13. Münster 2004
  • Hermann Wieh: Niels Stensen - Sein Leben in Dokumenten und Bildern. Würzburg 1988

Weblinks


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