- Oberrhein
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Als Oberrhein wird heute geografisch ein rund 350 Kilometer langer Abschnitt des Rheins zwischen Basel und Bingen bezeichnet; orografisch entspricht er dem Mittellauf des Stromes. Anrainer sind hauptsächlich das Elsass sowie die südwestdeutschen Bundesländer Baden-Württemberg, und Rheinland-Pfalz, bei Basel und am Hochrhein auch die Schweiz, nördlich des Grenzraumes außerdem Hessen.
Inhaltsverzeichnis
Geologie
Vor rund 35 Millionen Jahren entstand zwischen den heutigen Städten Basel und Frankfurt am Main eine etwa 300 km lange und 50 km breite Bruchzone, der Oberrheingraben. Ursache waren Zugspannungen in der Erdkruste und im Erdmantel, in deren Folge sich die Erdoberfläche absenkte. Durch Sedimentation wurde der Graben teilweise wieder aufgefüllt. An den Rändern hoben sich die sogenannten Grabenschultern heraus, Schwarzwald und Odenwald im Osten, Vogesen und Pfälzerwald im Westen. Infolge der Absenkung wurde auch der Urrhein abgelenkt; bis zum Tertiär war dieser vom heutigen Basel aus weiter nach Westen in die Niederung der Flüsse Saône und Rhône geflossen.
Heute markiert das Basler Rheinknie den Übergang vom Hoch- zum Oberrhein mit Änderung der Hauptfließrichtung nach Norden und dem landschaftlichen Wechsel vom relativ kleinkammrigen hochrheinischen Schichtstufenland zur breiten Riftzone des Oberrheingrabens. Die beiden stärksten Zuflüsse münden von rechts, der Neckar in Mannheim, der Main gegenüber von Mainz. In der Nordwestecke des Oberrheingrabens, bei Bingen, wo die Nahe bei Flusskilometer 529,1 mündet, beginnt mit dem Eintritt des Rheins in die Mittelgebirgsschwelle der Mittelrhein.[1]
Begradigung
Der Oberrhein wurde von 1685 an durch Ludwig XIV. verlegt oder abgeleitet und die elsässische Rheinaue teilweise entwässert, um Land zu gewinnen. In den Jahren bis 1850 wurden bis zu 1,5 km nach Osten verlegt, was zu Landverlusten in Baden führte. Um 1790 wurden große Teile der Rheinaue entwaldet, die Ackerland, Felder und Grünland zur Ernährung der Bevölkerung zuließen. Ab 1817 wurde durch Johann Gottfried Tulla im Zuge der Rheinbegradigung von einem relativ träge in Haupt- und vielen Nebenarmen mäandrierenden Fluss zu einem schneller fließenden Strom umgestaltet, der von Dämmen flankiert wird. Der Schifffahrtsweg und der Lauf des Oberrheins wurde dabei um 81 km verkürzt. Überbleibsel des ursprünglichen Flusses und der Auenlandschaft blieben Altrheinarme oder sogenannte Gießen erhalten.
Kanalbau und Stauregelung
Zwischen Basel und Breisach ist der Rhein durch den Grand Canal d'Alsace (Rheinseitenkanal) mit vier Kanalstufen ersetzt. Von Breisach bis Iffezheim ist er durch sechs Staustufen staugeregelt. Alle Stufen haben zwei Schleusen und ein Wasserkraftwerk, die Staustufen zusätzlich ein Wehr im Rheinbett. Auf einer Strecke von 170 km werden 132 m Höhenunterschied überwunden. Zwischen Basel und Breisach führt das alte Flussbett des Rheins, der sogenannte Restrhein, kaum Wasser. Nur bei Hochwasser fließt mehr Wasser als im Schifffahrtskanal. Die Wassermassen werden links des Stromes auf französischer Seite parallel zu ihm im Rheinseitenkanal geführt und dienen dort einem sicheren Schiffsverkehr und der Energiegewinnung durch Wasserkraftwerke rund um die Uhr. Von Breisach bis Straßburg wird die Schifffahrt in sogenannten Schlingen geführt, d. h. je Staustufe in einem Schleusen- und Kraftwerkskanal auf französischer Seite und zwischen den Staustufen im Rheinbett.
Der Ausbau des Oberrheins geht auf den Versailler Vertrag zurück, mit dem 1919 Frankreich das Recht erhielt, in der gemeinsamen Grenzstrecke zwischen Basel und Neuburgweier/Lauterbourg Wasser zum Zweck der Wasserkraftnutzung zu entnehmen.
Die Oberrheinkorrektion (1817–1876), der Bau des Rheinseitenkanals (1928-1959) und die Stauregelung (1961–1977) senkten den Grundwasserspiegel bis zu 16 m ab und wirkten sich dadurch nachteilig auf Flora und Fauna aus. Darüber hinaus fehlt es dem Rhein wegen der Staustufen an Geschiebe. Da die Erosionkraft unterhalb der Staustufe Iffezheim weiterhin vorhanden ist, wird seit 1978 ein Kies-Sand-Gemisch mit einem mittleren Korndurchmesser von rund 20 mm, wie es dem örtlichen Geschiebetransportvermögen entspricht, verklappt, im Mittel 173.000 m³ pro Jahr. Hierzu werden zwei motorisierte Klappschuten eingesetzt. Damit wird einer größeren Sohlenerosion begegnet.
Naturschutz
Besondere Bedeutung für den Naturschutz haben die Rheinauen zwischen Mainz und Bingen. In diesem Abschnitt, dem sogenannten Inselrhein, finden sich viele Naturschutz- und Vogelschutzgebiete.
Integriertes Rheinprogramm (IRP)
Dem Oberrhein kommt eine Schlüsselrolle beim Hochwasserschutz an Mittel- und Niederrhein zu. Durch den Ausbau des Oberrheins fließt das Hochwasser aus den Alpen heute viel schneller in Richtung Mittelrhein ab als früher. Somit ist die Gefahr gestiegen, dass sich etwaige Hochwasserspitzen von Neckar, Main und Mosel mit einer des Oberrheins überlagern, anstatt nacheinander abzulaufen. Beim Ausbau des Oberrheins durch Tulla sind Überflutungsflächen im Umfang von etwa 123 km² verloren gegangen. Im so genannten Integrierten Rheinprogramm versuchen die Anrainerländer Frankreich, Baden-Württemberg[2] und Rheinland-Pfalz durch Einrichtung von Rückhalteräumen in 13 Abschnitten für 1 Mrd. Euro bis 2028[3] wieder einen besseren Hochwasserschutz zu erreichen. Dazu wurde 1982 eine deutsch-französische Vereinbarung getroffen[4], mit deren Umsetzung die vor dem Ausbau des Oberrheins vorhandenen Hochwasserretentionsflächen auf der Rheinstrecke unterhalb Iffezheim mindestens teilweise wiederhergestellt werden sollen. Dies bedeutet im Einzelnen:
- für den Bereich von Iffezheim bis Neckarmündung die Abminderung des Scheitels eines 200-jährlichen Hochwasser (d. h. ein Hochwasser, das statistisch einmal in 200 Jahren auftritt) des Rheins auf 5000 m³/s Abfluss, d. h. am Pegel Maxau die Reduktion von 5700 m³/s auf 5000 m³/s Abfluss,
- für den Bereich unterhalb der Neckarmündung die Abminderung des Scheitels eines 220-jährlichen Hochwassers auf 6000 m³/s Abfluss, das heißt am Pegel Worms die Reduktion von 6800 m³/s auf 6000 m³/s Abfluss.
Hierzu sind folgende Maßnahmen geplant und teilweise bereits realisiert:
- durch Frankreich: Sonderbetrieb der Rheinkraftwerke und Bau der beiden Polder Erstein und Moder (Fluss)
- durch Baden-Württemberg: Bau von ca. 13 Poldern
- durch Rheinland-Pfalz: Bau von Poldern und Deichrückverlegungen
Mit Sonderbetrieb ist gemeint, dass die Rheinkraftwerke bei einem Abfluss von mehr als 4.000 m³/s abgeschaltet werden, so dass das Wasser nicht mehr durch das künstliche Gewässerbett des Rheinseitenkanals und der Schleusen- und Kraftwerkskanäle zwischen Breisach und Straßburg, sondern durch die tulla'schen und natürlichen Flussbetten, respektive die Auwälder, fließt. Da hier Flussbreite und Fließwiderstand viel höher sind als in den Kanälen und im Grand Canal d'Alsace, ist hiermit bereits ohne Polder eine erhebliche Wasserrückhaltewirkung (Retentionswirkung) gegeben. Allerdings kann auch im Sonderbetrieb nicht die Retentionswirkung der gesamten Aue genutzt werden, da die links der Kanäle gelegenen Flächen durch sie teilweise gegen das Hochwasser abgeschirmt sind. Die erwünschte Retentionswirkung entfaltet sich somit vorwiegend auf deutscher Seite. Die Verifizierung des Hochwasserschutzziele werden auf rechnerischem Wege mit dem Nachweis der Wirksamkeit der Hochwasserschutzmaßnahmen durchgeführt. Zum Nachweis der Wirksamkeit der geplanten Hochwasserschutzmaßnahmen werden von der Landesanstalt für Umwelt, Naturschutz und Messungen Baden-Württemberg mit Hilfe des mathematischen „synoptischen Hochwasserablaufmodells“ Prognoserechnungen durchgeführt. Die Auswertung der Berechnungen und die Bewertung der Berechnungsergebnisse erfolgen auf der Grundlage der Vorgaben und Methoden der internationalen Hochwasserstudienkommission für den Rhein. Durch die Realisierung der vorgesehenen Hochwasserrückhaltemaßnahmen am Oberrhein kann das Eintreten eines 200-jährlichen Hochwassers zwischen Iffezheim und Bingen einen gesamtwirtschaftlichen Schaden von rund 6,2 Milliarden Euro verhindern.
Darüber hinaus wird mit dem IRP eine ökologische Aufwertung der betroffenen Flächen verbunden; dies wird wissenschaftlich an einem seiner ältesten bereits umgesetzten Abschnitte, dem Polder Altenheim bei Neuried in der Ortenau untersucht.[3]
Trinationale Metropolregion Oberrhein
Die trinationale Metropolregion Oberrhein ist das Zukunftskonzept des politisch-administrativen Kooperationsraums der Oberrheinkonferenz. Dieser umfasst nicht die nördlich der Region Mittlerer Oberrhein und der Südpfalz liegenden Gebiete des Oberrheingrabens, die keine Grenzregion sind. Andererseits gehören zu diesem Mandatsgebiet im Süden Teile des Hochrheins.
Siehe auch
Literatur
- Dieter Balle: Kultur- und Naturführer Oberrhein. Zwischen Mannheim und Basel. Verlag Regionalkultur, Ubstadt-Weiher 2007. ISBN 978-3-89735-496-8
- Manfred Bosch: Oberrheingeschichten. Verlag Klöpfer und Meyer, 2010. 384 Seiten. ISBN 3940086479 (eine Anthologie)
- Oberrheinagentur: Rahmenkonzept des Landes Baden-Württemberg zur Umsetzung des Integrierten Rheinprogramms. Teil I Wiederherstellung des Hochwasserschutzes, Teil II Erhaltung und Renaturierung der Auelandschaft am Oberrhein. Materialien zum integrierten Rheinprogramm. Lahr, September 1996.
- Umweltministerium Baden-Württemberg: Das Integrierte Rheinprogramm. Hochwasserschutz und Auenrenaturierung am Oberrhein, Stuttgart, Mai 2007
- Wasser- und Schifffahrtsdirektion Südwest: Kompendium der Wasser- und Schifffahrtsdirektion Südwest. Organisatorische und technische Daten, Binnenschifffahrt, Aufgaben, Wasserstraßen. Eigenverlag, Mainz Juni 2007
Weblinks
Commons: Oberrhein – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien- Regionalverband Südlicher Oberrhein
- Regionalverband Mittlerer Oberrhein
- Arbeitsgemeinschaft für geschichtliche Landeskunde am Oberrhein
- Informationen zum Integrierten Rheinprogramm beim Regierungspräsidium Freiburg
- Deutsch-französisch-schweizerische Oberrheinkonferenz
- Wasserwirtschaftsverwaltung Rheinland-Pfalz
- Pegel Maxau
- Die Rheinaue nördlich von Straßburg
Einzelnachweise
- ↑ Hessisches Ministerium für Umwelt, Energie, Landwirtschaft und Verbraucherschutz
- ↑ rp.baden-wuerttemberg.de, Regierungspräsidium Freiburg: Integriertes Rheinprogramm (7. August 2011)
- ↑ a b badische-zeitung.de, Nachrichten, Südwest, 6. August 2011, Wulf Rüskamp: Lebensraum für die Windelschnecke (7. August 2011)
- ↑ rp.baden-wuerttemberg.de, Regierungspräsidium Freiburg: Der Weg zum IRP (7. August 2011)
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