- Otl Aicher
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Otl Aicher, eigentlich Otto Aicher, (* 13. Mai 1922 in Ulm; † 1. September 1991 in Günzburg) war einer der prägendsten deutschen Gestalter des 20. Jahrhunderts und genoss große internationale Anerkennung.
Inhaltsverzeichnis
Leben
Otl Aicher wuchs in einem dem Nationalsozialismus kritisch gegenüberstehenden Umfeld auf. Er war ein Schulfreund von Werner Scholl; ab Herbst 1939 kam er in engeren Kontakt mit dessen Geschwisterkreis; so entwickelte sich die Freundschaft mit den Geschwistern Scholl. Er war ein entschiedener Jungkatholik, der versuchte, sein Leben nach den Maßstäben des Augustinus auszurichten. Er weigerte sich, der Hitler-Jugend beizutreten, daher war er 1937 inhaftiert, und 1941 durfte er nicht an der Prüfung zum Abitur teilnehmen (nach dem Krieg wurde ihm das Abitur nachträglich zuerkannt). Dennoch erhielt er im selben Jahr bei seiner Einberufung in die Wehrmacht das Angebot einer Offizierslaufbahn, das er jedoch ablehnte. Konsequent verschloss er sich jeder Aufstiegsmöglichkeit im Militär. Aufgrund einer selbst beigebrachten Verletzung konnte er eine Zeit lang dem Kriegsdienst entgehen und stand 1943 Familie Scholl bei, als Hans und Sophie wegen ihrer Mitgliedschaft in der Weißen Rose verurteilt und hingerichtet wurden. Anfang 1945 desertierte Aicher und versteckte sich bei den Scholls auf dem Bruderhof in Ewattingen.
1946 begann er ein Studium der Bildhauerei an der Akademie der Bildenden Künste in München. Schon im Jahr darauf eröffnete er sein eigenes Atelier in Ulm.
1952 heiratete er Inge Scholl, die Schwester von Hans und Sophie Scholl. Gemeinsam mit ihr war er Mitgründer der Ulmer Volkshochschule 1946. Er entwarf bis in die sechziger Jahre zahlreiche Plakate für die Ulmer Volkshochschule. Mit Max Bill und seiner Frau leistete er bereits seit Ende der 1940er Jahre theoretische und konzeptionelle Vorarbeiten für eine eigene Hochschule für Gestaltung, die 1953 mit der Grundsteinlegung am Kuhberg in Ulm realisiert wurden. Er wurde Dozent für Visuelle Kommunikation.
1956 wurde er, nach dem Austritt Max Bills, Mitglied eines Rektoratskollegiums, bevor er von 1962 bis 1964 alleiniger Rektor wurde. Nebenbei hatte er Gastprofessuren in Yale und Rio de Janeiro.
Von 1967 bis 1972 war er Gestaltungsbeauftragter der Olympischen Spiele von München, wofür er ein bis heute international weit verbreitetes System von Piktogrammen als Wegweiser entwickelte. Im Anschluss daran zog er nach Rotis ins Allgäu (heute ein Ortsteil von Leutkirch im Allgäu). Dort gründete er 1984 das Rotis Institut für analoge Studien und entwickelte in den Jahren darauf die Rotis-Schriftfamilie.
Otl Aicher war wichtiger Mentor der Zeitschrift Arch+.
Otl Aicher verstarb am 1. September 1991 an den Folgen eines Verkehrsunfalls. Er wurde bei der Gartenarbeit vor seinem Haus von einem Motorrad angefahren.
Lebenswerk
Aicher ist einer der Wegbereiter des Corporate Design: So entstand noch an der HfG Ulm das visuelle Erscheinungsbild der Lufthansa, das bis heute in einer leichten Modifikation verwendet wird. Für die Olympischen Spiele von München definierte er konsequente Gestaltungsrichtlinien die von der Uniform bis zum Eintrittsticket reichten. Mit seinen radikal reduzierten Piktogrammen erfand das Team um Otl Aicher eine neue Zeichensprache, die von allen Menschen sofort verstanden wurde. Weitere Unternehmen, an deren Erscheinungsbild Aicher beteiligt war, sind das ZDF, ERCO Leuchten, FSB, Flughafen Frankfurt, Dresdner Bank, Westdeutsche Landesbank, Sparkasse, Raiffeisenbank, Bulthaup Küchen, Bayerische Rück, Durst Phototechnik, Schulz Bürozentrum sowie der Verlag Severin & Siedler. Der heute geläufige Begriff der Visuellen Kommunikation ist auf Aichers theoretische Arbeit zurückzuführen.
Aichers Arbeit hatte großen Einfluss auf das Erscheinungsbild Westdeutschlands in der Nachkriegszeit. Er steht für die optische „Läuterung“ deutschen Designs und deutscher Unternehmen (z. B. Lufthansa) nach dem Krieg. Dabei spielt auch seine konsequente Haltung gegenüber dem Nationalsozialismus und seine Freundschaft mit der Familie Scholl eine Rolle. In Ulm, wo Aicher mit anderen die Hochschule für Gestaltung gründete, war der erste Oberbürgermeister nach dem Krieg Aichers Schwiegervater Robert Scholl, der Vater der Geschwister Scholl.
In seiner Arbeit bezog Aicher sich auch auf große Vorbilder und vorhandene Ideen. Sein (später gescheiterter) Versuch der Integration des Schweizer Künstlers Max Bill in die Ulmer Hochschule für Gestaltung läuft parallel mit einer inhaltlichen Anlehnung an dessen grafische und typografische Lehrmeinungen (Layout-Raster, Flattersatz, serifenlose Schriften, radikale kleinschreibung).
Für sein Schaffen benutzte Otl Aicher weitgehend durch andere Typografen vorgelegte Schriften, so u. a. die Univers von Adrian Frutiger für die Olympischen Spiele in München. Erst gegen Ende seines Schaffens entwickelte er mit der Rotis selbst eine erfolgreiche Schrift. Mit dieser nach seinem Wohnort im Allgäu benannten Schrift konnte er erneut das Feld optischer Erneuerung besetzen. Als Fließtext wird sie zwar nicht in jeder Hinsicht als optimal empfunden, aber bei Markenerscheinungen hat sie bis heute (2008) Erfolg (u. a. ERCO Leuchten, Bulthaup, Audi).
Ehrungen
Einer der Combino-Wagen der Ulmer Straßenbahn, die die Namen bedeutender Persönlichkeiten aus Ulm tragen, trägt den Namen Otl Aichers.
Im Sommer 2006 fasste die Schulkonferenz und der Gemeinderat der Stadt Leutkirch den Beschluss, die Realschule Leutkirch künftig Otl-Aicher-Realschule zu nennen.
Im Zuge des Designparcours München 2008 wurde das Projekt „München braucht eine Otl-Aicher-Straße“ gestartet. Aicher soll als Kommunikationsdesigner und nicht zuletzt für seine Leistungen als Gestaltungsbeauftragter der Olympischen Spielen 1972 in München geehrt werden. Mit der Gründung eines Vereins wollen die Initiatoren die Benennung einer Straße nach dem bedeutenden Designer erwirken.[1]
Werke (Auswahl)
Von oder mit Otl Aicher veröffentlichte Bücher:
- Aicher, Otl und Saß, Rudolf: Flugbild Deutschland. Praesentverlag, Gütersloh 1968
- Aicher, Otl und Saß, Rudolf: Im Flug über Europa. Otto Müller Verlag, Salzburg 1980
- Aicher, Otl und Krampen, Martin: Zeichensysteme. Alexander Koch Verlag, München 1980, ISBN 3-433-02650-5
- Aicher, Otl: Die Küche zum Kochen. Callwey Verlag, München 1982, ISBN 3-936896-18-6
- Aicher, Otl: gehen in der wüste. Frankfurt 1982, ISBN 3-10-000430-2
- Aicher, Otl: Kritik am Auto - Schwierige Verteidigung des Autos gegen seine Anbeter. Callwey Verlag, München 1984, ISBN 3-7667-0747-7
- Aicher, Otl: innenseiten des kriegs. 1. Aufl., S. Fischer, Frankfurt am Main 1985, ISBN 3-596-13795-0
- Aicher, Otl; Greindl, Gabriele und Vossenkuhl, Wilhelm: Wilhelm von Ockham. Das Risiko modern zu denken (Ausstellungsreihe der Bayerischen Rück "Erkundungen"; Ausstellung Nr. 5). Callwey Verlag, München 1986, ISBN 3-7667-0804-X
- Aicher, Otl: typographie. Berlin. 1988, ISBN 3-87439-683-5, 1989 2. A., ISBN 3-433-02090-6. 256 S. Mit Beitrag von Josef Rommen.
- Aicher, Otl: typographie. Reprint der Originalausgabe. Hermann Schmidt, Mainz 2005. ISBN 978-3-87439-683-7
- Aicher, Otl et al.: Über das Farbliche. Hatje Verlag, 1993
- G. Behnisch et al.: Konstruktive Intelligenz. In: ARCH+, 1990, 102, S. 42–52
- Aicher, Otl et al.: Architektur des Machens. In: ARCH+, 1990, 102, S. 29–36
- Aicher, Otl: analog und digital. Berlin 1991, ISBN 3-433-02176-7
- Aicher, Otl: die welt als entwurf. Verlag Ernst & Sohn, 1991, ISBN 3-433-02185-6
Bücher für bzw. vom Klinkenhersteller FSB
- Aicher, Otl und Kuhn, Robert: Greifen und Griffe. Verlag der Buchhandlung Walther König, Köln. 2. Auflage 1995
- Aicher, Otl und Braun, Jürgen W.: Türklinken. Workshop in Brakel. Verlag der Buchhandlung Walther König. 1987
- Aicher, Otl und Braun, Jürgen W.: Johannes Potente, Brakel. Design der 50er Jahre. Verlag der Buchhandlung Walther König. 1989
- Aicher, Otl und Braun, Jürgen W.: Zugänge – Ausgänge. 2. Band. Verlag der Buchhandlung Walther König, Köln. 1990
Literatur
Literatur mit Bezügen zu Otl Aicher:
- Vinke, Hermann: Das kurze Leben der Sophie Scholl. Ravenburger Taschenbuch, ISBN 978-3-473-58011-8
- Hans Scholl und Sophie Scholl: Briefe und Aufzeichnungen. (u. a. einige Briefe von Hans und Sophie Scholl an Otl Aicher)
- Lindinger, Herbert (Hrsg.): Die Moral der Gegenstände. Ausstellungskatalog, Hochschule für Gestaltung Ulm, Berlin 1987, ISBN 3-433-022720
- Rathgeb, Markus: The early work of Otl Aicher. In: Baseline #31, 2001
- Rathgeb, Markus: Otl Aicher - Design as a method of action. PhD thesis at The University of Reading, 2001
- Rathgeb, Markus: Otl Aicher. Phaidon Press, 2006, ISBN 0714843962. (Monografie)
- Schreiner, Nadine: Vom Erscheinungsbild zum ”Corporate Design" – Beiträge zum Entwicklungsprozess von Otl Aicher. Dissertation, Bergische Universität Wuppertal, 2005
- Schreiner, Nadine: Das visuelle Erscheinungsbild der Olympischen Spiele 1972 in München. in: Im Designerpark, hg. K. Buchholz, K. Wolbert (Darmstadt 2004).
- von Seckendorff, Eva: Die Hochschule für Gestaltung in Ulm. Gründung (1949-1953) und Ära Max Bill (1953-1957)., ISBN 3-922-561810
- Schüler, Barbara: Im Geiste der Gemordeten… Die 'Weiße Rose' und ihre Wirkung in der Nachkriegszeit. Schöningh, 2000, ISBN 350676828X (u.a. zur Jugend von Otl Aicher in Ulm, zu seiner "Biographie" innenseiten des krieges sowie den Anfängen und der Geschichte der Ulmer vh und der hfg.)
Quellen
Weblinks
Commons: Otl Aicher – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien- Literatur von und über Otl Aicher im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Museum Ulm
- Otl Aicher
- www.otl-aicher-strasse.de, Projekt im Zuge des Design Parcours 2008 zur Erschaffung einer Otl-Aicher-Straße in München
- Designparcours München 2008
- Archiv der HFG Ulm
- Schriftenfamilie Agfa Rotis, gestaltet von Otl Aicher
- Webkatalog der Aicher Piktogramme
- SPIEGEL.online-Artikel über Aichers Piktogramme zu den Olympischen Spielen 1972 in München
- Werke von Otl Aicher im Museum of Modern Art (MOMA), New York City)
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