- Politisches System Somalias
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Die Politik Somalias ist seit 1991 durch den somalischen Bürgerkrieg geprägt. In dessen Verlauf zerfiel das Land in umkämpfte Machtbereiche von Clans und Kriegsherren. Die Politik Somalilands ist von derjenigen des übrigen Somalia losgelöst, seit sich Somaliland 1991 einseitig für unabhängig erklärte. Puntland ist seit 1998 de facto eine autonome Region, 2006 erklärte Galmudug seine Unabhängigkeit. Seit 2000 besteht eine international anerkannte Übergangsregierung, die sich nach der Verdrängung der Union islamischer Gerichte Anfang 2007 in der Hauptstadt Mogadischu und im übrigen Land zu etablieren versucht.
Inhaltsverzeichnis
Geschichte
- Für eine ausführlichere Darstellung siehe Geschichte Somalias.
Der Staat Somalia entstand 1960 aus der Vereinigung der beiden Kolonialgebiete Britisch-Somaliland und Italienisch-Somaliland. Erster Präsident wurde Aden Abdullah Osman Daar von der stärksten Partei Somali Youth League (SYL). Er wurde nach den Wahlen 1967 von Abdirashid Ali Shermarke, ebenfalls von der SYL, abgelöst.
1969 wurde Shermarke ermordet, und mit der Machtübernahme prosowjetischer Militärs unter Siad Barre endete die Demokratie. Die Barre-Regierung lehnte sich zunächst an die Sowjetunion an und versuchte einen „wissenschaftlichen Sozialismus“ einzuführen. 1976 ging die Macht formell von der Militärregierung an die Somalische Revolutionäre Sozialistische Partei über, verblieb aber in Wirklichkeit bei Siad Barre und dessen Gefolgsleuten. Im Verlauf des Ogadenkrieges 1977/78 brach die somalische Regierung mit der Sowjetunion, da diese nunmehr das gegnerische Derg-Regime Äthiopiens unterstützte, und erhielt seither von den USA Unterstützung.
Nach dem Ogadenkrieg wuchs in verschiedenen Landesteilen die Unzufriedenheit mit der autoritären Regierung, und es entstanden bewaffnete Rebellenorganisationen wie SSDF, SNM und USC, die 1991 zum Sturz der Barre-Regierung führten. Danach konnte sich jedoch keine Nachfolgeregierung etablieren, und es kam zu Machtkämpfen und Bürgerkrieg. 1992–1995 versuchten die UN und die USA erfolglos, durch die UNOSOM/UNITAF-Interventionen den Frieden wiederherzustellen. Seither wird Somalia oft als „gescheiterter Staat“ bezeichnet. 1998 erklärte Puntland seine Unabhängigkeit.
2000 wurde nach Friedensverhandlungen in Dschibuti eine Übergangsregierung gebildet, die sich jedoch nicht durchsetzen konnte, da sie nicht die Unterstützung aller Kriegsparteien fand. So bildeten Hussein Mohammed Farah und die Rahanweyn Resistance Army in Baidoa die „Gegenregierung“ SRRC. Übergangspräsident war 2000–2004 Abdikassim Salat Hassan, gefolgt von Abdullahi Yusuf Ahmed, dem vormaligen Präsidenten von Puntland. Letzteres schloss sich der Übergangsregierung an, gab seine De-facto-Unabhängigkeit auf und strebt weiter eine Autonomie innerhalb Somalias an. 2005 verlegte die Übergangsregierung ihren Sitz nach Baidoa.
2006 erlangte die Union islamischer Gerichte die Kontrolle über Mogadischu und weitere Landesteile und bedrängte die Übergangsregierung militärisch. Äthiopien, das in der Union eine Bedrohung sah, marschierte daraufhin in Somalia ein und verdrängte die Union. Gegenwärtig (2007) versucht sich die Übergangsregierung in Mogadischu und im übrigen Land zu etablieren, ist aber bei Teilen der Bevölkerung wegen ihrer Unterstützung durch Äthiopien in Misskredit geraten.
Wahlen und Abstimmungen
Verfassungsreferendum 1961
Beim Verfassungsreferendum 1961 nahmen 90,56 % der Abstimmenden die neue Verfassung an.
Im Norden Somalias, wo sich viele im Gesamtgebilde Somalia marginalisiert fühlten, lag die Zustimmung unter 50 %, was allerdings wegen der geringen Bevölkerungszahl des Nordens wenig ins Gewicht fiel[1].
Nationalversammlungswahlen 1964
Bei den Nationalversammlungswahlen 1964 gewann die Somali Youth League (SYL) 69 von 123 Sitzen. 22 Sitze gingen an den Somali National Congress (SNC), 15 an die Somali Democratic Union (SDU), 9 an die Somali Independent Constitutional Party (HDMS) und 8 an übrige Parteien.
Nationalversammlungswahlen 1969
In den Nationalversammlungswahlen im März 1969 kam die SYL mit 33,24 % Stimmenanteil auf 73 Sitze, der SNC auf 11, die HDMS auf 8, die Somali African National Union (SANU) auf 6, die Liberal Somali Youth Party (PLGS) auf 3 und die SDU auf 2. 38,79 % der Stimmen verteilten sich auf weitere Parteien, die zusammen 20 Sitze gewannen.
Etliche Kandidaten hatten sich lediglich für die Wahlen einer bestimmten Partei angeschlossen und liefen danach zu den erfolgreichsten Parteien über. So wuchs die Fraktion der SYL bis Ende Mai 1969 von 73 auf 109 Abgeordnete an. Mit der Bildung einer Koalition mit den 11 SNC-Abgeordneten kam die SYL schließlich auf 120 der 123 Sitze.
Partei Stimmenanteil Anzahl Sitze Somali Youth League (SYL) 33,24 % 73 Somali National Congress (SNC) 9,89 % 11 Somali Independent Constitutional Party (HDMS) 3,54 % 8 Somali African National Union (SANU) 5,37 % 6 Liberal Somali Youth Party (PLGS) 3,28 % 3 Somali Democratic Union (SDU) 5,89 % 2 Sonstige 38,79 % 20 Verfassungsreferendum 1979
Hauptpunkt der neuen Verfassung war die Errichtung eines Einparteienstaates unter der Somalischen Revolutionären Sozialistischen Partei. Die Vorlage wurde von 99,78 % der Abstimmenden gutgeheißen.
Präsidentschaftswahlen 2000
2000 wählten 238 Teilnehmer einer Friedenskonferenz im dschibutischen Arta einen Präsidenten für die neugebildete Übergangsregierung. Abdikassim Salat Hassan setzte sich nach drei Wahlgängen gegen Abdullahi Ahmed Adow, Ali Khalif Galaid, Ali Mahdi Mohammed und 12 weitere durch. Im ersten Wahlgang erhielt er 78 Stimmen (33,19 %), im zweiten Wahlgang 124 (52,54 %) und im dritten 145 (61,18 %).
Präsidentschaftswahlen 2004
2004 bestimmte das 275-köpfige Übergangsparlament einen neuen Präsidenten. Gewählt wurde nach drei Wahlgängen Abdullahi Yusuf Ahmed, der sich schließlich mit 189 Stimmen (70,52 %) durchsetzte. Er gewann gegen Abdullahi Ahmed Adow, Mohammed Afrah Qanyare, Abdulrahman Jamma Barre, den erneut kandidierenden Abdikassim Salat Hassan, Mohammed Hassan Adow, Musa Sudi Yalahow, Osman Jama Ali und 18 weitere.
Politische Parteien
1943 wurde die Somali Youth League (SYL) als erste politische Partei in Italienisch-Somaliland gegründet. Ihre Ziele waren die Unabhängigkeit und Vereinigung aller Somali-Gebiete, die Schaffung besserer Bildungsmöglichkeiten wie auch eine Modernisierung der Gesellschaft. Sie gewann im ganzen Land Unterstützung über die traditionellen Clangrenzen hinweg. Weitere Parteien, die bald gegründet wurden, waren dagegen meist auf Clan- oder Regionalebene abgestützt, so die Somali National League, die beim Isaaq-Clan in Nordsomalia stärkste Partei war, die von den Dir und Darod im Norden unterstützte United Somali Party und etliche kleine Parteien.
Nach der Machtübernahme Siad Barres 1969 wurden sämtliche politische Parteien verboten. 1976 wurde die Somalische Revolutionäre Sozialistische Partei als Regierungspartei und einzige legale Partei gegründet (Einparteiensystem). Seit der Entmachtung ihres Regimes 1991 hat sie keine Bedeutung mehr.
Heute bestehen anstelle herkömmlicher politischer Parteien Kriegsparteien. Bei diesen handelt es sich um Clans, Kriegsherren und deren Milizen.
Verwaltungsgliederung/Gebiete
Offiziell ist Somalia in 18 Regionen, genannt gobolada, eingeteilt. Diese Einteilung hat heute aber nur beschränkte Bedeutung. Die Regionen Awdal, Sanaag, Sool, Togdheer und Woqooyi Galbeed bilden das seit 1991 de facto unabhängige Somaliland. Das de facto autonome Puntland umfasst die Regionen Bari, Nugaal und Teile von Mudug und erhebt zudem Anspruch auf Teile von Sool und Sanaag. In Südwestsomalia kam es zu Unabhängigkeitserklärungen von Jubaland (unter Aidid) bzw. Südwestsomalia (unter der Rahanweyn Resistance Army). Ende 2006 erklärte sich Galmudug, das Teile von Galguduud und Mudug kontrolliert, für unabhängig. 2007 erklärten Warsangeli-Darod in Sanaag die Unabhängigkeit des Makhir-Staates von Somaliland wie von Puntland.
Menschenrechte
Die Organisation Freedom House stuft Somalia 2007 bezüglich der politischen Freiheit als „unfrei“ ein. Bezüglich Pressefreiheit steht das Land laut Reporter ohne Grenzen auf 159. Stelle von 169 Staaten[2]. Menschenrechtsverletzungen wurden im Bürgerkrieg zahlreich und von diversen Kriegsparteien begangen.
Parlament
Nach der Unabhängigkeit Somalias wurden die 90 Sitze umfassende Gesetzgebende Versammlung von Italienisch-Somaliland und der Legislativrat von Britisch-Somaliland mit 33 Sitzen zur Nationalversammlung mit 123 Sitzen zusammengelegt.
1979 wurde ein „Volksparlament“ gewählt, das ausschließlich aus Mitgliedern der Somalischen Revolutionären Sozialistischen Partei bestand.
Seit 2004 besteht ein Föderales Übergangsparlament (Transitional Federal Parliament) mit 275 Abgeordneten. Die Sitze in dem Ein-Kammer-Parlament werden nach Clanzugehörigkeit verteilt, wobei den vier großen Clans der Hawiye, Darod, Rahanweyn und Dir je 61 Sitze zustehen und 31 Sitze für Minderheiten reserviert sind. (Die Isaaq sind nicht vertreten, da sie größtenteils in Somaliland leben, das sich an der Übergangsregierung nicht beteiligt.)
Außenpolitik
Die Beziehungen zu den Nachbarländern Äthiopien, Kenia und Dschibuti sind traditionell gespannt, da Somalia Anspruch auf von ethnischen Somali bewohnte Teile der Nachbarstaaten erhebt (siehe auch Groß-Somalia).
Besonders Äthiopien unterstützte verschiedentlich Kriegsparteien in Somalia, so die Separatisten in Puntland oder Hussein Mohammed Farah und dessen Bündnis SRRC, die sich gegen die Übergangsregierung wandten. Ende 2006 marschierte Äthiopien auf der Seite der Übergangsregierung gegen die Union islamischer Gerichte in Somalia ein und ist seither militärisch präsent. Innerhalb der Übergangsregierung bestehen Differenzen bezüglich der Haltung gegenüber Äthiopien.
Auch dem mit Äthiopien verfeindeten Eritrea wird vorgeworfen, Truppen in Somalia stationiert zu haben und antiäthiopische Kräfte im Land zu unterstützen.
Die regionale Organisation IGAD unterstützt die Übergangsregierung und die äthiopische Intervention in Somalia.
Mitgliedschaft in Internationalen Organisationen
Somalia, vertreten durch die Übergangsregierung, ist Mitglied der Vereinten Nationen, der Arabischen Liga, der Organisation der Islamischen Konferenz, der Bewegung der blockfreien Staaten, der Afrikanischen Union, der Intergovernmental Authority on Development (IGAD) und der Gemeinschaft der Sahel-Saharanischen Staaten.
Siehe auch
Quellen
- ↑ Countrystudies.us: Somalia – From Independence to Revolution; Problems of National Integration
- ↑ rsf.org: Worldwide Press Freedom Index 2007
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