- Pretzsch (Elbe)
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Pretzsch (Elbe) Stadt Bad SchmiedebergKoordinaten: 51° 43′ N, 12° 48′ O51.71611111111112.80777777777870Koordinaten: 51° 42′ 58″ N, 12° 48′ 28″ O Höhe: 70 m ü. NN Fläche: 20,92 km² Einwohner: 1.595 (31. Dez. 2007) Eingemeindung: 1. Juli 2009 Postleitzahl: 06905 Vorwahl: 034926 Pretzsch (Elbe) war bis zum 30. Juni 2009 eine selbständige Stadt und ist seit dem 1. Juli ein Ortsteil der Stadt Bad Schmiedeberg[1] im Landkreis Wittenberg in Sachsen-Anhalt.
Inhaltsverzeichnis
Geografie
Pretzsch liegt inmitten der Elbauen am westlichen Elbufer und am nordwestlichen Rand des Naturparkes Dübener Heide im Bundesland Sachsen-Anhalt. Naheliegende Städte sind Bad Schmiedeberg, Bad Düben, Jessen, Torgau und Lutherstadt Wittenberg.
Geschichte
Pretzsch wurde erstmals am 21. Juli 981 in einer Urkunde von Otto II. erwähnt. Damals lag der Ort im Gau Nizizi in der Grafschaft Diemars und gelangte als Schenkung an das Kloster Memleben.[2]
Von 1694 bis 1696 diente das Schloss Pretzsch als Witwensitz von Eleonore von Sachsen-Eisenach, der Witwe des Kurfürsten Johann Georg IV. von Sachsen. Später lebte hier die Frau von August dem Starken, Christiane Eberhardine. Während ihrer Anwesenheit auf Schloss Pretzsch erfuhr die Stadt eine regelrechte Blütezeit. Sie liegt in der Stadtkirche begraben. Das Schloss wird seit 1960 als Kinderheim und Förderschule genutzt.[3] Pretzsch gehörte bis 1815 zu Sachsen und dann bis zum Zweiten Weltkrieg zur preußischen Provinz Sachsen.
Seit 1952 gehörte Pretzsch zum Bezirk Halle. Seit 1990 liegt die Stadt im Bundesland Sachsen-Anhalt.
Grenzpolizeischule Pretzsch
Die „Grenzpolizeischule Pretzsch/Elbe“, die im Schloss von Pretzsch untergebracht war, diente 1937/38 als Schulungsort für die Eingliederung der SS-Grenz- und Wacheinheiten in die reguläre Grenzpolizei der Gestapo. Die SS-Grenz- und Wacheinheiten bestanden aus Mitgliedern der Hilfsgrenzangestellten (Higa) der SS bei der Zollverwaltung und aus der bayrischen SS-Grenzüberwachung (SSG).[4] In der „Grenzpolizeischule Pretzsch/Elbe“ sammelten sich im Mai/Juni 1941 die zu den Einsatzgruppen der Sicherheitspolizei und des SD abgeordneten Mannschaften und Offiziere, wurden zu Einsatzgruppen und Einsatzkommandos geformt, und bereiteten sich auf ihren Einsatz im Osten vor. Die Teilnehmer des Lehrgangs stammten aus dem Reichssicherheitshauptamt (RSHA), insbesondere dem Sicherheitsdienst des Reichsführers SS (SD), der Ordnungspolizei und der Waffen-SS. Einige Teilnehmer waren auch im benachbarten Düben und Bad Schmiedeberg untergebracht. Bevor die Einsatzgruppen vor Beginn des Überfalls auf die Sowjetunion nach Osten ausrückten, hielt Reinhard Heydrich bei einem Abschlussappell in Pretzsch eine Ansprache über die Ziele und Inhalte des Einsatzauftrages.[5] Der Auftrag lautete, die Sowjetfunktionäre und die „jüdische Intelligenz“ der Sowjetunion zu ermorden. Im Laufe der ersten drei Monate des Krieges gegen die Sowjetunion eskalierte dann die Mordtätigkeit der Einsatzgruppen im Osten, so dass spätestens ab Anfang Oktober 1941 unterschiedslos jüdische Männer, Frauen, Kinder und Greise erschossen wurde. Auch versprengte Kriegsgefangene, „Zigeuner“, Psychiatriepatienten und Geiseln aus der Zivilbevölkerung gehörten zu den Opfern der Einsatzgruppen.[6] Im Sommer 1941 wurde die Grenzpolizeischule Pretzsch aufgelöst und samt Personal in die neue Sicherheitspolizeischule in Fürstenberg/Havel integriert.[4]
Politik
Bürgermeister
Der letzte Bürgermeister war seit 2007 der parteilose Harry Deike. Er erhielt bei der Wahl am 22. April 2007 100 Prozent der Stimmen. Sein Amtsvorgänger Karlheinz Horn hatte nicht mehr kandidiert.
Wappen
Das Wappen wurde am 11. Mai 1995 durch das Regierungspräsidium Dessau genehmigt und im Landeshauptarchiv Magdeburg unter der Wappenrollennummer 33/1995 registriert.
Blasonierung: „In Silber auf blauem Dreiberg eine grüne Eiche mit vier Blättern und drei goldenen Eicheln.“
Die Bedeutung des Wappenbildes ist unbekannt; denn von den zahlreichen Besitzern des Schlosses Pretzsch führte keiner ein Wappenzeichen, das mit dem der Stadt Ähnlichkeit hatte.
Flagge
Die Flagge ist Grün - Weiß längsgestreift.
Partnerschaften
Pretzsch (Elbe) unterhält eine Partnerschaft mit dem hessischen Heuchelheim.
Wirtschaft und Infrastruktur
Verkehr
- In Pretzsch kreuzen sich die B 182 (Torgau – Wittenberg) und die Landesstraße 128 (Bad Schmiedeberg – Jessen).
- Der Bahnhof Pretzsch liegt an der eingleisigen Eisenbahnstrecke Bahnstrecke Lutherstadt Wittenberg–Torgau. Der Schienenpersonennahverkehr wurde zwischen Lutherstadt Wittenberg und Bad Schmiedeberg zunächst zum 9. Dezember 2007 vom Land Sachsen-Anhalt abbestellt. Durch eine Initiative des Streckeneigentümers Deutsche Regionaleisenbahn GmbH konnte zunächst bis 22. August 2008 ein bedarfsorientierter Schienenverkehr mit fünf werktäglichen Zugpaaren auf der Elbe-Heide-Bahn aufrechterhalten werden[7], der seitdem mit finanzieller Unterstützung des Landes Sachsen-Anhalt fortgeführt wird.
Sehenswürdigkeiten
- Renaissanceschloss aus dem 16. Jahrhundert. Schloss und Garten gehören zum Netzwerk Gartenträume Sachsen-Anhalt.
- Wieck'sches Haus von 1725
- spätgotische Kirche mit barocken Umbauten unter Matthäus Daniel Pöppelmann
- Heimatmuseum (Fachwerkbau) aus dem 18. Jahrhundert
Regelmäßige Veranstaltungen
Alljährlich im Februar findet ein mehrtägiger Karneval statt, dessen Höhepunkt ein großer Umzug mit Straßenkarneval am Sonntag vor dem Rosenmontag bildet.
Auch die Landesmeisterschaften der Diensthundeführer finden regelmäßig statt.
Seit über 150 Jahren feiern die Stadt und ihre Einwohner am ersten Juniwochenende ihr traditionelles Heimatfest.
Ebenfalls jeweils im Juni findet seit 2005 das Mitsubishi-Elbetreffen auf dem Sportplatz statt.
Am Tag der deutschen Einheit findet der Elbepokal der Feuerwehren der näheren und auch ferneren Umgebung statt.
Ein kleiner Weihnachtsmarkt in der Adventszeit findet am Bürgerhaus statt.
Persönlichkeiten
- Christiane Eberhardine von Brandenburg-Bayreuth (1671-1727), Kurfürstin von Sachsen und ab 1697 Titularkönigin von Polen, ist in der Stadtkirche „St. Nikolaus“ beigesetzt
- Friedrich Wieck (* 1785 in Pretzsch), Musiker und Musikpädagoge und Vater der Pianistin Clara Schumann
- Erwin Strittmatter (1912–1994), Schriftsteller, arbeitete in den 1930er Jahren in einer der hiesigen Bäckereien
- Friedrich Meurer (1792–1866), Pharmakologe und Mediziner
- Moritz Meurer (1806–1877), lutherischer Theologe und Kirchenhistoriker
Besonderes
Mitte Mai 2008 bildete der Bahnhof Pretzsch die Kulisse für den Kinofilm Ein russischer Sommer, der die letzten Lebenswochen des lungenkranken russischen Schriftstellers Leo Tolstoi (1828–1910) behandelt.[8]
Weblinks
Commons: Pretzsch (Elbe) – Sammlung von Bildern, Videos und AudiodateienWikisource: Pretzsch in der Topographia Superioris Saxoniae (Matthäus Merian) – Quellen und VolltexteEinzelnachweise
- ↑ StBA: Änderungen bei den Gemeinden Deutschlands, siehe 2009, 2. Liste
- ↑ MGH DD Otto II. 195. Digitalisat: http://mdz10.bib-bvb.de/~db/bsb00000443/images/index.html?id=00000443&no=1&seite=225 .
- ↑ Homepage der Förderschule Schloss Pretzsch
- ↑ a b Jens Banach: Die Rolle der Schulen der Sicherheitspolizei und des SD. In: Florian von Buttlar (Hrsg.): „Fürstenberg-Drögen: Schichten eines verlassenen Ortes“. Edition Hentrich, Berlin 1994, ISBN 3-89468-116-0, S. 88-96.
- ↑ Christopher R. Browning und Jürgen Matthäus: The Origins of the Final Solution: The Evolution of Nazi Jewish Policy, September 1939-March 1942. University of Nebraska Press, Lincoln 2007, ISBN 0-8032-5979-4, S. 226–227.
- ↑ Johannes Hürter: Hitlers Heerführer: Die deutschen Oberbefehlshaber im Krieg gegen die Sowjetunion 1941/42. 2. Auflage. Oldenbourg, München 2007, ISBN 3-486-58341-7, S. 520–521.
- ↑ Vgl. Bahn-Report, Rohr, ISSN 0178-4528, 1/2008, S. 50
- ↑ Siehe Katrin Löwe, Tolstois letzte Station in Pretzsch. Tag mit Hollywood-Stars Helen Mirren und Christopher Plummer - Komparsen brauchen Geduld, in: Mitteldeutsche Zeitung, Halle vom 14. Mai 2008. Abgerufen am 31. Januar 2011.
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