- Präklampsie
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Klassifikation nach ICD-10 O14.- Gestationshypertonie [schwangerschaftsinduziert] mit bedeutsamer Proteinurie O14.0 Mäßige Präeklampsie O14.1 Schwere Präeklampsie O14.9 Präeklampsie, nicht näher bezeichnet ICD-10 online (WHO-Version 2006) Die Präeklampsie (alte Namen: EPH-Gestose, Spätgestose oder Schwangerschaftsintoxikation) bezeichnet eine hypertensive Erkrankung in der Schwangerschaft (Schwangerschaftshypertonie). Charakterisiert wird die Präeklampsie traditionell durch die prognostisch richtungsweisenden Leitsymptome Hypertonie (erhöhter Blutdruck) und einer Proteinurie (Eiweiß im Urin). Ödeme (Wassereinlagerungen) allein beeinflussen die Prognose von Mutter und Kind nicht.[1] Aus diesen ehemals drei Leitsymptomen ergibt sich auch der heute nicht mehr gebräuchliche Name EPH-Gestose: Edema (engl.) für die Ödeme, Proteinurie und Hypertension für den Bluthochdruck
Inhaltsverzeichnis
Symptome
Neben den bereits genannten drei Leitsymptomen (Ödeme, Bluthochdruck und Proteinurie) berichten die Betroffenen über Schwindel und Kopfschmerzen, Benommenheit, Sehstörungen wie Augenflimmern sowie Übelkeit und Erbrechen. Der Arzt kann eine Hyperreflexie (gesteigerte Reflexe) feststellen.
Zudem kommt es in 20 % der Fälle zu einer Leberbeteiligung und damit einer Erhöhung der Leberwerte (Transaminasen, alkalische Phosphatasen und Bilirubin), welche laborchemisch nachgewiesen werden kann.
In einer Studie an Mäusen konnten Präeklampsie-Symptome durch Herbeiführen eines Mangels an Catechol-O-Methyltransferase (COMT) simuliert werden.[2]
Epidemiologie
Eine Präeklampsie entwickelt sich in etwa 5 bis 7 Prozent aller Schwangerschaften in Westeuropa. In 70 % dieser Fälle besteht eine Präeklampsie, in 30 % ein vorher schon bestandener, nicht diagnostizierter Bluthochdruck.[3] Häufiger betroffen sind Erstgebärende und Frauen über 35 Jahre.[4] Weitere Risikofaktoren sind das Auftreten von Präeklampsie in einer vorangegangenen Schwangerschaft, Mehrlingsschwangerschaften, vorbestehender Bluthochdruck, Fettleibigkeit und Diabetes mellitus. Mehrere Studien geben Hinweise, dass eine Parodontitis das Risiko einer schweren Präeklampsie erhöhen kann.
Ätiologie
Die Ursachen für eine Präeklampsie sind zur Zeit nicht eindeutig geklärt. Diskutiert wird eine gestörte Implantation des Trophoblasten, die zu einer Fehlentwicklung der arteriellen Gefäße in der Plazenta führt. Auch Störungen im Prostaglandinstoffwechsel scheinen eine Rolle zu spielen. Ein bakterieller oder viraler Ursprung ist hingegen unwahrscheinlich. Eine Studie der Universität von Pittsburgh zeigt, dass ein Vitamin-D-Mangel früh in der Schwangerschaft die Krankheit befördert[5]. Eine Reihe neuerer Untersuchungen lassen indes eine zentrale Beteiligung von blutdruck-regulierenden (endothelialen) Substanzen als am wahrscheinlichsten erscheinen.[6]
Veränderungen in der Niere
Signalmoleküle, die von der veränderten Plazenta freigesetzt werden, gelangen über den Blutstrom in die Niere und führen im Nierenkörperchen zu charakteristischen Veränderungen, die für die Leitsymptome der Gestose verantwortlich sind.
Die Nierenkörperchen sind vergrößert, die Lumina der Kapillarschlingen sind verschlossen aufgrund einer Schwellung von Endothel- und Mesangium-Zellen. Die Schwellung der Endothelzellen wird auch als Endotheliose bezeichnet. Die Zahl der Endothelzellen ist nicht vermehrt. Betroffen ist nur das spezifische fenestrierte Endothel des Nierenkörperchens, die Endothelzellen der Arteriolen sind nicht verändert. Im Gegensatz zur Thrombotischen Mikroangiopahtie sind Thrombosen der Kapillargefäße nur selten nachweisbar. In der Immunfluoreszenz sind lediglich Ablagerungen von Fibrin nachweisbar, Immunkomplexe fehlen. In der Elektronenmikroskopie fehlen die Fenster der Endothelzellen. Endothelzellen und Mesangiumzellen sind durch Einlagerung von Flüssigkeit und Lipiden so stark angeschwollen, dass die Kapillarlichtungen verschwunden sind. Die kapillären Deckzellen (Podozyten) sind dagegen nicht verändert (Abbildungen unter [7]).
Der Verschluss der Kapillarlichtungen führt zu einem Abfall der glomerulären Filtrationsrate und damit zu Verschlechterung der Nierenfunktion, Wassereinlagerungen und Bluthochdruck. Die Ursache der Proteinurie ist derzeit noch nicht geklärt. Bei anderen Nierenkrankheiten ist die Proteinurie in der Regel auf Veränderungen der Podozyten zurückzuführen, während bei der Gestose die Podozyten nicht verändert erscheinen.
In der gesunden Niere produzieren die Podozyten ständig den Wachstumsfaktor Vascular Endothelial Growth Factor (VEGF). Dieser Wachstumsfaktor ist Voraussetzung für eine regelrechte Funktion der Endothelzellen, insbesondere für die Ausbildung der charakteristischen Fenster. Fehlt VEGF, verlieren die Endothelzellen des Nierenkörperchens die Fenster und schwellen an. Im Blut von Patientinnen mit Gestose sind bereits vor Auftreten von Symptomen hohe Konzentrationen eines löslichen VEGF-Rezeptors nachweisbar, der als sVEGFR1 oder lösliche fms-like Tyrosinkinase (sFlt1) bezeichnet wird. sFlt1 wird in der Plazenta gebildet, gelangt mit dem Blutstrom in die Niere, bindet im Nierenkörperchen an VEGF und hemmt so dessen Wirkung. [8]
Endoglin, ein weiteres Protein, das bei Präeklampsie erhöht ist, führt ebenfalls zur Endothelschwellung, ruft aber keine Proteinurie hervor. Im Tierversuch führt die gleichzeitige Gabe von Endoglin und sFlt1 zu besonders schweren Krankheitsbildern. [9]
Diagnostik
Bei Verdacht auf eine Präeklampsie – die schwangere Frau berichtet über Schwindel und Kopfschmerzen, Benommenheit, Sehstörungen, Übelkeit und Erbrechen – muss die Betroffene unbedingt ins Krankenhaus eingewiesen werden. Zur Diagnostik sollten zunächst mehrere Blutdruckmessungen erfolgen. Die Ausscheidung von Proteinen im Urin (Proteinurie) sollte gemessen werden, dies sollte für die Diagnose nicht mittels Urin-Teststreifen durchgeführt werden, da Schwangere auch physiologischerweise vermehrt Proteine ausscheiden, sondern mit einem 24-Stunden-Sammelurin. Die Urin-Teststreifen können zur Verlaufskontrolle verwendet werden. Obwohl die Ödeme diagnostisch an Bedeutung verloren haben, können diese mittels Gewichtsmessung zur groben Verlaufskontrolle dienen.
Von einer Präeklampsie spricht man, wenn ein in der Schwangerschaft neu aufgetretener Blutdruck von über 140/90 (beziehungsweise eine Steigerung um mehr als 30/15) und somit eine durch die Schwangerschaft induzierter Hypertonus vorhanden ist und im Urin der letzten 24 Stunden mehr als 300 mg Protein pro Tag gemessen und damit eine Proteinurie bestätigt ist.
Einem Bericht des National Institute of Child Health and Human Development der USA zufolge hat ein Forschungsteam um Richard Levine in Bethesda jetzt eine Test-Methode zur Früherkennung der Präeklampsie gefunden. Die Forscher hatten sich noch einmal die Blutproben der Teilnehmerinnen der „Calcium for Preeclampsia Prevention“-Studie vorgenommen. Dort war zuvor die präventive Wirkung von Kalzium als nicht signifikant wirksam herausgearbeitet worden. Ihnen fiel bei der erneuten Analyse auf, dass der Endoglinwert bereits zwei bis drei Monate vor dem klinischen Auftreten der Präeklampsie ansteigt. Sie veröffentlichten daraufhin eine Fall-Kontroll-Studie im New England Journal of Medicine (NEJM 2006; 355: 992-1005), die belegt, dass im Blutbild von Schwangeren bereits Wochen vor den ersten Symptomen ein Anstieg bestimmter Proteine nachweisbar ist. Damit lässt sich eine Präeklampsie mithilfe von Serummarkern diagnostizieren. Bei Frauen mit Präeklampsie finden sich veränderte Serumspiegel für PlGF (placental growth factor) und sFlt-1 (soluble fms-like tyrosine kinase-1, auch VEGF-Rezeptor-1).[10] Darüber hinaus kann durch den Nachweis der PlGF- und sFlt-1-Konzentrationen im Blut eine normale Schwangerschaft von einer mit Präeklampsie einhergehenden Schwangerschaft noch vor dem Auftreten der klinischen Symptome eingegrenzt werden.[11] In einer normalen Schwangerschaft steigt der pro-angiogenetische Faktor PlGF während der ersten beiden Trimester an und fällt gegen Ende der Schwangerschaft ab. Im Gegensatz dazu bleibt der anti-angiogenetische Faktor sFlt-1 während dem frühen und mittleren Stadium der Schwangerschaft gleich, und zeigt daraufhin bis zum Ende der Schwangerschaft einen ständigen Anstieg.[12] Bei Frauen, die eine Präeklampsie entwickeln, konnten höhere sFlt-1-Konzentrationen und niedrigere PlGF-Konzentrationen festgestellt werden als bei normal verlaufenden Schwangerschaften.[13] Interessanterweise erwies sich der sFlt-1/PlGF-Quotient als besserer Prädiktor für Präeklampsie als die jeweilige Bestimmung der Biomarker für sich alleine.[14] Außerdem wird bei Präeklampsie plazentares Endoglin, ein Mitglied der TGF-β Familie, hochreguliert und als lösliches Endoglin in den Blutkreislauf der Mutter abgegeben. In schweren Fällen von Präeklampsie zeigte sich eine erhöhte Konzentration von löslichem Endoglin.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Möglichkeiten zur Diagnose einer Präeklampsie, die sich bisher auf klinische Symptome, Proteinurie-Bestimmung (mindestens 24 Stunden) und Arteria uterina Doppler-Sonographie stützen, durch die schnelle immunologische Bestimmung von PlGF- und sFlt-1 Konzentrationen[15] im Blut der Mutter deutlich verbessert werden.[16]
Therapie
Da die Ursache der Erkrankung bisher unklar ist, sollte man mit der Behandlung der Symptome vorsichtig sein. Insbesondere der Versuch, Ödeme mit salzarmer Kost oder gar Entwässerungskuren zu bekämpfen, führt in der Regel zur Verschlechterung des Gesundheitszustands der Schwangeren und zu einem bedrohlichen Zustand des Fötus, der dann oft nur mehr durch einen sofortigen Notkaiserschnitt gerettet werden kann.
Eine unkontrollierte medikamentöse Senkung des Blutdrucks kann zu einer Unterversorgung des Fötus führen und sollte daher erst – zum Schutz der Schwangeren – bei ständigen Werten über 170/110 mmHg erfolgen. Der Blutdruck sollte aber nicht unter 140/90 gesenkt werden, um den „Erfordernishochdruck“ des Kindes nicht zu stark zu senken und somit das Kind nicht zu gefährden. Durch spezielle Präparate kann allerdings – durch eine Weitstellung der uterinen Gefäße – einerseits eine effektive, für die Mutter notwendige Blutdrucksenkung erreicht werden und gleichzeitig die kindliche Versorgung weiter sichergestellt werden. Aufgrund des Eiweißverlustes durch die Proteinurie muss durch die Ernährung genügend Eiweiß zugeführt werden.
In schweren Fällen muss mit dem Auftreten von Krampfanfällen gerechnet werden (→ Eklampsie).
Obligatorisch sind die regelmäßige Kontrolle der kindlichen Herzaktionen mit dem Cardiotokogramm (CTG) sowie regelmäßige Wachstums- und gegebenenfalls Dopplerkontrollen des Kindes, um eine chronische Plazentainsuffizienz rechtzeitig zu diagnostizieren. Im Extremfall ist eine vorzeitige Beendigung der Schwangerschaft unumgänglich, um eine Eklampsie zu verhindern, welche sowohl für das Kind als auch die Mutter lebensgefährlich sein kann.
Verlauf
Der Verlauf einer Präeklampsie ist progressiv und schwer vorhersehbar. Jede diagnostizierte Präeklampsie bedarf der stationären Aufnahme und engmaschiger medizinischer Überwachung. Als schwere Komplikationen der Präeklampsie können Eklampsie oder das HELLP-Syndrom auftreten. Grundsätzlich muss eine sorgfältige Risikoabwägung unter Berücksichtigung der Gefährdung für Mutter und das ungeborene Kind vorgenommen werden. Durch Blutdrucksenkung allein kann eine Verschlimmerung nicht verhindert werden.
Prognose
Das Risiko einer Frühgeburt und lebensgefährlicher Blutdruck-Entgleisung der Mutter steigt mit dem Schweregrad der Präeklampsie. Deshalb ist die Kontrolle und allfällige Einstellung des Blutdrucks sowie die Messung des ausgeschiedenen Eiweißes im Urin im Rahmen der Schwangerschaftsvorsorge von großer Bedeutung.
Die Symptome bilden sich nach der Entbindung (ob diese nun spontan oder forciert eintritt) zurück. Spätschäden am Kind sind heutzutage selten geworden.
Weblinks und Studien
Einzelnachweise
- ↑ Rath W.: Präeklampsie: aktuelles Management. Die Hebamme, 2.2008
- ↑ Kanasaki K, Palmsten K, Sugimoto H, et al: Deficiency in catechol-O-methyltransferase and 2-methoxyoestradiol is associated with pre-eclampsia. In: Nature. 453, Nr. 7198, June 2008, S. 1117–21. doi:10.1038/nature06951. PMID 18469803
- ↑ Rath
- ↑ [http://www.pharmazeutische-zeitung.de/index.php?id=1613&type=0 Pharmazeutische Zeitung: Präeklampsie und Infektionen bedrohen Mutter und Kind]
- ↑ http://www.eurekalert.org/pub_releases/2007-09/uops-lvd090707.php
- ↑ Circulatory soluble endoglin and its predictive value for preeclampsia in second-trimester pregnancies with abnormal uterine perfusion. Am J Obstet Gynecol. 2008 Feb;198(2):175.e1-6. PMID: 18226617 PubMed - indexed for MEDLINE
- ↑ Agnes Fogo: „Atlas of Renal Pathology - Pre-eclampsia/Eclampsia.“ Am J Kidney Dis 2001; 38(2): S. E4 Artikel
- ↑ Isaac E. Stillman, S. Ananth Karumanchi: „The Glomerular Injury of Preeclampsia.“ J Am Soc Nephrol 2007; 18: S. 2281-2284 Abstract
- ↑ Venkatesha S et al.: „Soluble endoglin contributes to the pathogenesis of preeclampsia.“ Nat Med 2006; 12: S. 642 –649 Abstract
- ↑ Endoglin, PlGF and sFlt-1 as markers for predicting pre-eclampsia. Acta Obstet Gynecol Scand. 2008;87(8):837-42. PMID: 18607829 PubMed - indexed for MEDLINE
- ↑ Effective prediction of preeclampsia by a combined ratio of angiogenesis-related factors. Obstet Gynecol. 2008 Jun;111(6):1403-9. PMID: 18515525 PubMed - indexed for MEDLINE
- ↑ Alteration of serum soluble endoglin levels after the onset of preeclampsia is more pronounced in women with early-onset. Hypertens Res. 2008 Aug;31(8):1541-8.PMID: 18971528 PubMed - indexed for MEDLINE
- ↑ Serum sFlt1:PlGF Ratio, PlGF, and Soluble Endoglin Levels in Gestational Proteinuria: [1]
- ↑ Bushimschi C, et al. Urinary angiogenic factors cluster hypertensive disorders and identify women with severe preeclampsia. Am J Obstet Gynecol 2005;192:734-741.
- ↑ Circulatory soluble endoglin and its predictive value for preeclampsia in second-trimester pregnancies with abnormal uterine perfusion. Am J Obstet Gynecol. 2008 Feb;198(2):175.e1-6. PMID: 18226617 PubMed - indexed for MEDLINE
- ↑ Are we getting closer to a Nobel prize for unraveling preeclampsia? Curr Cardiol Rep. 2008 Nov;10(6):440-7.PMID: 18950552 PubMed - indexed for MEDLINE
Weblinks
Studien
- Adverse perinatal outcomes are significantly higher in severe gestational hypertension than in mild preeclampsia. Am J Obstet Gynecol. 2002 Jan;186(1):66-71
- Hypertensive disorders in pregnancy: a population-based study. Med J Aust. 2005 Apr 4;182(7):332-5
- Periodontal disease increases the risk of severe pre-eclampsia among pregnant women Journal of Clinical Periodontology (2007)34(8):639-645
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