Richard Heuberger der Jüngere

Richard Heuberger der Jüngere

Richard Heuberger der Jüngere (* 30. März 1884 in Wien; † 18. November 1968 in Innsbruck) war ein österreichischer Historiker, Sohn des Komponisten Richard Heuberger des Älteren.

Inhaltsverzeichnis

Laufbahn

Heubergers Studium der Geschichte folgten Promotion und Habilitation. Anschließend wurde er mit einem Lehrauftrag an der Universität Innsbruck betraut. Einer kurzen Karriere als Archivar am Statthaltereiarchiv folgte eine akademische am Institut für Geschichte der Universität Innsbruck. Neben Harold Steinacker war Heuberger dort Ao. Professor für Mittelalterliche Geschichte. 1946 wurde Heuberger wegen Mitgliedschaft in der NSDAP zumindest vorübergehend pensioniert, endgültig 1949. Die Begründung der Pensionierung wegen früheren Fehlverhaltens war kontrovers gewesen, zuletzt wurde stattdessen auf seine Sehbehinderung (s. u.) verwiesen.[1]

Lehr- und Forschungsschwerpunkte

Schwerpunkt Heubergers Forschungs- und Lehrtätigkeit waren zuerst Urkunden (Diplomatik), wobei gleichermaßen Fragen der allgemeinen Urkundenlehre wie auch Spezialprobleme der Tiroler Quellen, insbesondere im Zusammenhang mit dem "Tiroler Urkundenbuch", bearbeitet wurden. Infolge eines Sturzes an der italienischen Front im Ersten Weltkrieg erlitt er eine schwere Sehbehinderung und wandte sich historischen Bereichen zu, die er mithilfe von Vorleserinnen bewältigen konnte. Diese Themen gruppierten sich um die Geschichte Tirols in der Antike und im Mittelalter und erfassten so auch

  • die römischen Provinzen Raetia und Noricum und die später aus diesen hervorgegangenen Verwaltungseinheiten (zivil, militärisch, kirchlich)
  • die Bewohner und Ethnien entsprechender Gebiete in den Alpen bzw. in deren Nachbarschaft, vor allem die Räter antiker Quellen, nach denen die Provinz Raetia benannt wurde.

NS-Vorwurf

Im Entnazifizierungsverfahren bzw. gegenüber einer Überprüfungskommission der Universität Innsbruck[1] hielt Heuberger an einer großdeutschen Einstellung und an seiner Empörung über die Einteilung Österreichs und Deutschlands nach dem ersten Weltkrieg fest, die seiner Meinung nach „historische Bezüge“ wie besonders die Zusammengehörigkeit von Tirolern und Bayern missachtete. Diese Einstellung brachte er sogar in einer Fußnote zu seiner Publikation zu Osträtien und Grafschaft Tirol zum Ausdruck, was ihm Kritik von wissenschaftlicher Seite aus eintrug. Er verteidigte sich damit, stets als Historiker gedacht und gehandelt zu haben, daher seine (vermutliche, nicht ganz geklärte) Mitgliedschaft in der NSDAP bereits zwischen 1934 und 1938, als die NSDAP in Österreich verboten war. Heuberger gab an, sich aufgrund der Besetzung der Tschechoslowakei gegen die Politik des Dritten Reichs gewendet zu haben, er sei immer Demokrat gewesen. In den letzten Kriegsmonaten stellte er seine Wohnung einer Tiroler Widerstandsgruppe und zwei getarnten französischen Offizieren zur Verfügung. Für die vorzeitige Pensionierung schien zuletzt weniger früheres Fehlverhalten ausschlaggebend gewesen zu sein als sein fortgesetztes großdeutsches Bekenntnis.

„Deutschtum“ und heutige Bedeutung

Eine Bevorzugung bestimmter Ethnien wie etwa einer „Herrenrasse“ ist in Heubergers Werk eigentlich nicht zu erkennen. Am Anfang seines → Beitrags über die Räter bedauert er eher, dass der früheren rätischen Besiedlung der mittleren Alpen nur noch in der Schweiz (Rhätische Bahn, Rätisches Museum in Chur) gedacht wird, weniger in Tirol – hier karikiert er eine früher in Tirol vielleicht herrschende „geschichtsvergessene“ Vorstellung, Tirol sei unmittelbar nach der Sintflut deutsch besiedelt worden.[2]

Allerdings weckt seine Wortwahl Verdacht in „völkischer“ Hinsicht, besonders wenn er vom „Volkstum“ und der „Gesittung“ der Räter spricht. Hierbei zeigt sich Heuberger jedoch wohl nur als Feind fremdsprachlicher Fachausdrücke, wenn solche auch in der Sprache seines Fachs längst eingebürgert waren. Wenn er über die „Gesittung“ der Räter schreibt, geht es offenbar einfach um deren Zivilisationsstand[3] oder die Art der Kultur[4]. Ihr „Volkstum“ betrifft wohl einfach die ethnische Zusammensetzung bzw. Verwandtschaftsverhältnisse.[5] Er spricht stets vom „römischen Freistaat“, wenn es offenbar um die römische Republik geht (deren Verfassung bis zum Prinzipat, „res publica libera“).

Bestechend sind Heubergers scharfsinnige und tiefgründige Zusammenschauen und Analysen antiker Quellen über die Räter und die Provinz Raetia, hierin ist sein Werk auch heute noch zu beachten. Diese Quellen sind allerdings (in Hinsicht auf die Räter und die verwaltungsmäßige Gestaltung der Provinz) äußerst dürftig (Heuberger weist stets deutlich darauf hin). Ihre Interpretationen (auch die Heubergers) müssen daher eher als Forschungs- und Diskussionsbeiträge verstanden werden, nicht als Darstellungen des Stands der Forschung. Es ist sogar vorgekommen, dass Heuberger seine Meinung geändert hat.[6]

Die antiken Quellen werden heutzutage durch die archäologische Forschung ergänzt. Heuberger hat auch diese zu seiner Zeit berücksichtigt. Auch diese ist jedoch „Moden“ und Meinungen unterworfen. So wurde es seit Ende des 19. Jahrhunderts populär, die Räter und ihre venetischen Nachbarn als „Illyrer“ zu betrachten – Heuberger schloss sich an. Diese Vorstellungen sind inzwischen verworfen worden.[7]

Publikationen (Auswahl)

Eine vollständige Bibliographie ist online verfügbar.

Hinweis für Bearbeiter: Die Vorlage:Anker wurde verwendet, um Bezugnahmen auf einzelne Werke innerhalb der Wikipedia zu erleichtern (Schlüssel sichtbar im Bearbeitungsmodus).

Eigene Bände

  • Richard Heuberger: Allgemeine Urkundenlehre für Deutschland und Italien (Grundriß der Geschichtswissenschaft 1/2a). Teubner, Leipzig/Berlin 1921. (67 Seiten)
  • Richard Heuberger: Rätien im Altertum und Frühmittelalter. Forschungen und Darstellungen. Band I. Wagner, Innsbruck 1932. (Schlern-Schriften Bd. 20; Neudrucke Scientia, Aalen 1971 und 1981; XIII, 328 Seiten, 4 Tafelseiten.)
  • Richard Heuberger: Das Burggrafenamt im Altertum. Wagner, Innsbruck 1935. (Schlern-Schriften Bd. 28, IIX, 112 Seiten, 2 Tafelseiten; PDF; 14,68 MB.)
  • Richard Heuberger: Vom alpinen Osträtien zur Grafschaft Tirol. Die raumpolitische Entwicklung einer mittelalterlichen deutschen Grenzlandschaft. Wagner, Innsbruck 1935. (Schlern-Schriften Bd. 29, 35 Seiten; PDF; 7,24 MB.)

Beiträge zu Zeitschriften und Sammelwerken

  • Ethnien
    • Richard Heuberger: Natio Noricorum et Pregnariorum. Beiträge zur Frühgeschichte der Baiern und der Alpenromanen des Eisacktales und des Vinschgaus. In: Veröffentlichungen des Museum Ferdinandeum in Innsbruck. Heft X, Wagner, Innsbruck 1930, S. 1–52 (PDF; 5,99 MB).
    • Richard Heuberger: Räterwein und Etschland. In: Der Schlern. Bd. 16, 1935, S. 422–424 (PDF; 393 KB).
    • Richard Heuberger: Die Räter. In: Zeitschrift des Deutschen Alpenvereins. Jg. 1939, S. 186–193 (PDF; 5,89 MB).
  • Provinz Raetia
    • Richard Heuberger: Raetia prima und Raetia secunda. In: Klio. Beiträge zur alten Geschichte. Bd. 24 (Neue Folge Band VI), 1931, S. 348–366 (PDF; 1,54 MB). (Vgl. Vom alpinen Osträtien zur Grafschaft Tirol.)
    • Richard Heuberger: Das ostgotische Rätien. In: Klio. Beiträge zur alten Geschichte. Bd. 30, 1937, S. 77–109. (PDF; 2,71 MB).
    • Richard Heuberger: Wann wurde Rätien Provinz? In: Klio. Beiträge zur alten Geschichte. Bd. 34 (Neue Folge Band XVI), 1942, S. 290–292 (PDF; 321 KB).
    • Richard Heuberger: Die Westgrenze Rätiens. In: Prähistorische Zeitschrift XXXIV / V. Band, 1949/1950, Zweite Hälfte, S. 47–57 (PDF; 4,25 MB).
  • Bezug auf Tirol
    • Richard Heuberger: Der Vinschgau im Altertum und Frühmittelalter. In: Der Schlern. Bd. 13, 1932, S. 132–137. (PDF; 11,2 MB).
    • Richard Heuberger: Tirol in der Römerzeit. In: Hermann Wopfner und Franz Huter (Hrsg.): Tiroler Heimat. Jahrbuch für Geschichte und Volkskunde. Bd. 20 (1956). Tyrolia, Innsbruck 1957, S. 133–138 (PDF; 1,38 MB).
    • Richard Heuberger: Älteste Ansichten über die Urbevölkerung Tirols. In: Ernest Troger und Georg Zwanowetz (Hrsg.): Beiträge zur geschichtlichen Landeskunde Tirols. Festschrift für Franz Hutter. Wagner, Innsbruck 1959, S. 145–147. (Schlern-Schriften Bd. 207; PDF; 2,81 MB.)

Literatur

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b R. Steinacher: Heuberger und Nationalsozialismus PDF; 237 KB
  2. Die Räter (1939), S. 1; Urbevölkerung Tirols (1959)
  3. Heuberger, Räter, S. 191, 5. Zeile über Abschnitt 3, „vorgeschritten“; erste Zeile von Abschnitt 3, „Aufstieg“.
  4. Heuberger, Räter, S. 192, Zeile 7f., „Angleichung“.
  5. Heuberger, Räter, S. 189, Abschnitt 2, „Über Herkunft und Volkstum der Räter wurde viel geschrieben und gestritten“; S. 192, Zeile 7, „Angleichung“. – In der Geschichtswissenschaft wurde einige Zeit der Ausdruck Ethnographie für Gebiete dieser Art verwandt, vgl. Raeti im Neuen Pauly; diese Bedeutung offenbar in den Hintergrund getreten.
  6. In Fußnote 7 auf S. 351f. von Raetia I/II (Klio 1931) revidiert Heuberger seine 1929 ebenfalls in Klio geäußerte Auffassung über den ursprünglichen Standort eines zwischenzeitlich vermauerten Meilensteins und den Verlauf der Römerstraße im Eisacktal. – Eine Seite vorher argumentiert er, der Vinschgau müsse zur Raetia I gehört haben. Im Nachtrag auf S. 366 weicht er davon wieder ab. Auf S. 134 von Der Vinschgau (1932, kurz vor erscheinen seines Rätien-Buchs) rechnet er den Vinschgau zur Raetia II. Auf S. 4 von 1935b kennzeichnet er dieselbe Auffassung als Vermutung; dass der Vinschgau wohl ab dem Frühmittelalter zum Bistum Chur (und einem auch unter den Franken noch Raetia prima genannten Gebilde) gehörte, hat nun nicht mehr dieselbe Bedeutung wie 1931. Auf S. 137 von 1957a bleibt es dabei. – Nachdem er hier aber erklärt hatte, Trient z. B. sei erst ab 25 v. Chr. ins römische Reich gekommen, kündigt er in einem Nachtrag an, „demnächst“ für eine von Theodor Mommsen 1861 aufgestellte Behauptung zu argumentieren, wonach Trient bereits 89 v Chr. durch die Lex Pompeiana de Transpadanis (siehe Bundesgenossenkrieg (Rom)) römische Stadt geworden sei. Im Schriftenverzeichnis ist eine entsprechende Veröffentlichung jedoch nicht zu finden. – Man beachte schließlich einfach den Abschnitt Nachträge/Berichtigungen, S. 304–326, von Rätien.
  7. Doch ist die Illyrierhypothese längst sogar von ihren eifrigsten Verfechtern aufgegeben worden“ mit Bezug eher auf die Veneter und auf: H. Krahe: Die Sprache der Illyrier, 2. Teil, Wiesbaden 1964; S. 676–678 von: Ernst Risch: Die Räter als sprachliches Problem. In: I. Metzger u. P. Gleirscher (Hrsg.): Die Räter, Athesia, Bozen 1992. Ausführlicher zu den Rätern S. 726 im selben Band von: Ludwig Pauli: Auf der Suche nach einem Volk. Altes und Neues zur Räterfrage, S. 725–740.

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