Saccharum officinarum

Saccharum officinarum
Zuckerrohr
Zuckerrohrpflanze

Zuckerrohrpflanze

Systematik
Unterklasse: Commelinaähnliche (Commelinidae)
Ordnung: Süßgrasartige (Poales)
Familie: Süßgräser (Poaceae)
Unterfamilie: Panicoideae
Gattung: Saccharum
Art: Zuckerrohr
Wissenschaftlicher Name
Saccharum officinarum
L.

Zuckerrohr (Saccharum officinarum) ist eine Pflanze aus der Familie der Süßgräser (Poaceae) und wird dort der Unterfamilie Panicoideae mit etwa 3270 weiteren Arten zugeordnet.

Inhaltsverzeichnis

Beschreibung

Vom Aussehen ähnelt es dem Bambus oder Mais und anderen einkeimblättrigen Pflanzen. Die Halme können einen Durchmesser von bis zu 5 cm und eine Höhe von bis zu 4 m erreichen.

Geschichte

Die Geschichte des Zuckerrohrs begann um das 5. Jahrhundert v. Chr. im ostasiatischen Raum, wo die Pflanze als ursprünglich heimisch gilt. Durch Handel gelangte diese Pflanze um das 1. Jahrhundert nach Christus allmählich in den Nahen Osten. Man entdeckte, dass der Zuckersaft kristallisiert viel länger haltbar und leichter zu transportieren ist. Wegen der schwierigen Verarbeitung war Zucker um diese Zeit sehr rar und kostete den Käufer (Mittelstandsbürger) pro Kilogramm zwei volle Monatslöhne. Erst sehr viel später sollte die damals einzige zuckerliefernde Pflanze ihre Reise nach Brasilien und in die um 1500 neugewonnenen Kolonien der Europäer beginnen und dort Fuß fassen.

Bis zur Züchtung der Zuckerrübe aus der Runkelrübe war das Zuckerrohr die einzige Quelle, um Zucker zu gewinnen. Als ursprüngliche Herkunftsgebiete werden Insel-Indien, aber auch Neuguinea (und China) angegeben, die genaue genetische Herkunft ist aber unklar. Im Mittelmeergebiet war das Zuckerrohr schon während der Römerzeit bekannt. Es erfuhr eine weitere Verbreitung durch die Mauren, Araber und reiste mit der entstehenden Plantagenwirtschaft der Spanier nach Südamerika. Die Portugiesen brachten es in die Bucht von Benin, auf die Kanaren, in die Karibik und nach Mittelamerika.

Plantagenwirtschaft in der Karibik und in den USA

Eine Hauptanbauregion für Zuckerrohr ist seit dem 16. Jahrhundert die Karibik. Christoph Columbus hatte die Pflanze auf seiner zweiten Reise nach Amerika (1493) auf Hispaniola eingeführt. Vom 16. Jahrhundert an war Rohrzucker ein Hauptaußenhandelsprodukt der europäischen Karibik-Kolonien, das im Atlantischen Dreieckshandel gegen afrikanische Sklaven getauscht wurde, die in den karibischen Zuckerrohrplantagen zu Tausenden als Arbeitskräfte eingesetzt wurden. Das Interesse Frankreichs am karibischen Zuckerrohrgeschäft war so groß, dass es 1763 seine territorialen Ansprüche in Kanada aufgab, um von den Briten im Gegenzug als Mutterland der Inseln Guadeloupe, Martinique und St. Lucia anerkannt zu werden. Ähnlich verzichteten die Niederlande, um ihre Herrschaft in Suriname zu sichern, auf die Rückgabe von Nieuw Nederland von England.[1]

Verantwortlich für die Einführung des Zuckerrohranbaus auf dem nordamerikanischen Festland waren die Franzosen, die das Zuckerrohr zu Beginn des 18. Jahrhunderts in ihre Kolonie Louisiana einführten, wo die Anbauer sich allerdings erst in den 1750er Jahren dafür zu interessieren begannen. Viele von ihnen waren 1804 aus Saint-Domingue geflohen. Im Zeitraum von 1796 bis 1800 stellten sich in Louisiana, wo bis dahin vor allem Tabak und Indigo geerntet wurde, mindestens 60 Plantagen auf den Anbau von Zuckerrohr um. In dieser Zeit bescherte die Pflanze ihren Anbauern erstmals Reichtum, und in den 1810er und 1820er Jahren wurde sie zu einem Hauptanbauprodukt von Louisiana, das inzwischen Teil der Vereinigten Staaten war und bis zum Sezessionskrieg den weitaus größten Teil des Zuckerrohrs hervorbrachte, das in den USA überhaupt produziert wurde. Louisiana war für den Zuckerrohranbau eigentlich wenig geeignet, und die Pflanze gedeiht tatsächlich nur in einigen Teilen im Süden des Bundesstaates. Nach dem Ende des amerikanischen Unabhängigkeitskrieges und der Anerkennung der USA durch Großbritannien waren der Unternehmungsgeist der Pflanzer und die Zahl der verfügbaren Sklaven hier jedoch so groß, dass dieser Nachteil leicht ausgeglichen werden konnte. Anders als auf den Baumwollplantagen, wo Frauen im selben Umfang eingesetzt wurden wie Männer, legten die Zuckerpflanzer Wert auf junge männliche Arbeitskräfte. Die Arbeit auf den Zuckerrohrplantagen war außerordentlich hart und die Lebenserwartung der hier beschäftigten Sklaven war gering. Auf eine relativ kurze Wachstumsperiode, die allerdings ständige Fürsorge verlangte, folgte die Mahl-, Koch- und Reinigungssaison, in der die Sklaven fast rund um die Uhr arbeiten mussten. Mechanisiert wurden diese Prozesse erst seit der Mitte des 19. Jahrhunderts. In Florida, das neben Louisiana heute das zweite wichtige Zuckerrohranbaugebiet der USA ist, begann der Zuckerrohranbau großen Stils erst nach dem Sezessionskrieg.[2]

Gegenwart

Heute wird Zuckerrohr weltweit angebaut und stellt etwa 55% der Zuckerproduktion. Hauptanbauländer (Produktion 2005 in 1.000 t) sind

Die Arbeitsbedingungen auf den Zuckerrohrfeldern sind teilweise katastrophal. Häufig werden Kinder als Arbeitskräfte eingesetzt; schlechte Bezahlung ist in den Regionen des Zuckerrohranbaus ohnehin an der Tagesordnung. Brasilianische Plantagenarbeiter bekommen etwa 1,4 Reais (ca 60 Euro Cents - Stand Juni 2007) pro gehackter Tonne Zuckerrohr. Die Tagesleistung liegt bei guten Arbeitern bei circa 15 - 20 t. Entsprechend billig kann der Rohrzucker angeboten werden, in der EU ist er allerdings wegen sehr hoher Zölle trotzdem nicht konkurrenzfähig gegen den subventionierten Rübenzucker.

Anbau

Zuckerrohr-Ernte ohne Maschinen.

Der Anbau des Zuckerrohrs geschieht über Stecklinge. Halmstücke aus dem unteren Bereich der „Zuckerrohrhalme“, die zwei bis vier Knoten aufweisen. Sie werden je nach Technisierungsgrad entweder manuell oder maschinell reihenweise dicht hintereinander in den Boden gelegt und angehäufelt, sodass die Halmstücke leicht mit Boden bedeckt sind. Der Reihenabstand beträgt 1,2 bis 1,5 m ( das entspricht 15.000-20.000 Stecklingen pro Hektar). Nach ein- bis zwei Wochen treiben die Stecklinge aus, das heißt sie bilden Wurzeln und treiben an den Augen neue Halme (Rohre) aus. Rund 3 bis 6 Monate Wachstumszeit benötigt der Bestand bis zum Reihenschluss.

Die erste Ernte, das Schneiden des Rohrs, kann 9 bis 24 Monate nach dem Auspflanzen erfolgen. Der Erntezeitpunkt richtet sich nach Zuckergehalt und Reifegrad. Die Halme werden direkt über dem Boden und in einer Höhe unter dem zuckerlosen Blattapparat abgeschnitten. Dies geschieht häufig noch per Hand oder aber mit Zucherrohrerntemaschinen. Die “Halmstümpfe” schlagen wieder aus und nach weiteren 12 Monaten kann die nächste Ernte geschnitten werden. Bis zu 8 Ernten können auf einem Zuckerrohrfeld wachsen. In Indien beträgt die Nutzungsdauer z. B. 2 Schnitte, in Brasilien dagegen 5 Schnitte. Eine Zuckerrohrpflanze kann bis zu 20 Jahre alt werden.

Nutzung

Zuckerrohr-Pflanze (Saccharum officinarum), Illustration aus Koehler 1887

Inhaltsstoffe des Zuckerrohrs sind Zucker (überwiegend Saccharose) mit einem Anteil von bis zu 18 % und ein Wachs, das teilweise auch industriell genutzt wird.

Nahrungs- und Genussmittel

Zuckerrohr ist noch vor der Zuckerrübe der Hauptrohstoff für die Herstellung von Industriezucker.

Neben seiner Verwendung als Grundnahrungsmittel wird er auch zur Herstellung von Spirituosen verwendet. In Paraguay wird aus dem vergorenen Zuckerrohrsaft ein Schnaps gebrannt, der nach Zusatz von Zuckerkulör bzw. Karamell als „caña“ bezeichnet wird. In Kolumbien wird aus Zuckerrohr und Anis Aguardiente gebrannt. In Brasilien basiert der Cocktail Caipirinha auf dem Zuckerrohrschnaps Cachaça. Aus der Zuckerrohr-Melasse, dem immer noch zuckerhaltigen Restsirup, der bei der Zuckerproduktion übrigbleibt, wird Rum hergestellt.

Der aus frischem Zuckerrohr gepresste, meist gekühlte Saft ist ein weit verbreitetes und beliebtes Getränk. In Kuba oder Spanien wird Zuckerrohrsaft als guarapo, in Brasilien als caldo de cana oder garapa bezeichnet. In den arabischen Ländern heißt dieses Getränk قصب qaṣab, dialektal (z. B. in Ägypten und der Levante) ʾaṣab.

Zuckerrohr war berühmt für seine zahnpflegenden Eigenschaften. In alten Reiseberichten aus dem 19. Jahrhundert wurde immer wieder beschrieben, was für ausgezeichnete Zähne die Plantagenarbeiter oder indigene Bevölkerung hätten, was auf das Kauen des Zuckerrohrs zurückgeführt wurde. Es erscheint paradox, dass eine zuckerhaltige Pflanze zahnpflegende Effekte hat – dies ist wohl auf die „Bürstenfunktion“ der rauen Pflanzenteile zurückzuführen. Da das frische Rohr nicht sehr lange haltbar ist, geriet dieser Aspekt der Pflanze wieder in Vergessenheit. In ländlichen Gegenden wird allerdings weiterhin während der Zuckerrohrernte Zuckerrohr gekaut.

Bagasse

Bagasse, Zuckerrohr nach der Extraktion

Bei der industriellen Zuckerfabrikation bleiben neben dem Saft der Pflanze große Mengen faseriger Bestandteile, die Bagasse, übrig. Etwa 30 % der Bagasse werden als Brennstoff innerhalb der Zuckerproduktion genutzt. Die restlichen 70 % sind ein geschätzter Rohstoff und werden verschiedenen Verwendungen zugeführt:

  • als Brennstoff zur Energiegewinnung (Elektrizität). Die Insel Mauritius erzeugt schon 30 % ihrer elektrischen Energie durch die Verbrennung von Bagasse.
  • als Brennstoff, z. B. als Brikett im Haushalt.
  • als spanplattenähnlicher Werkstoff zur Möbelfertigung aber auch in der Automobilindustrie, beispielsweise für Türverkleidungen.
Zuckerrohrhäcksel als Ziegenfutter, Ort: Tijucas, Brasilien

Sonstige Verwendung

Ein wichtiger Einsatzbereich von - insbesondere gehäckseltem - Zuckerrohr ist seine Verwendung als Viehfutter. Im Unterschied zu Bagasse ist im gehäckselten Zuckerrohr noch der Zuckersaft enthalten, hierdurch ist dieses Futter wesentlich wertvoller als Bagasse.

Aus Zuckerrohr (oder Melasse) fermentierter, raffinierter Alkohol dient als Kraftstoff für Autos und wird entweder in ausschließlich mit Bioethanol betankten Fahrzeugen oder im Flexible Fuel Vehicle eingesetzt. Beispielsweise werden in Brasilien jährlich ungefähr 16 Milliarden Liter Ethanol produziert und zum großen Teil als PKW-Kraftstoff aber auch für Flugzeuge wie die Embraer EMB 202A genutzt.

Bilder

Einzelnachweise

  1. Sugar and Slavery: Molasses to Rum to Slaves; The Sugar Trade in the West Indies and Brazil Between 1492 and 1700; The Sugar & Slave Trades
  2. Sugar and Slavery: Molasses to Rum to Slaves; Antebellum Louisiana: Agrarian Life; Zuckerrohranbau in Florida; Ira Berlin: Generations of Captivity: A History of African-American Slaves, Cambridge, London: The Belknap Press of Harvard University Press, 2003, ISBN 0-674-01061-2, S. 146f, 179f
  3. BFAI Mexikos Zuckerindustrie unter Zugzwang, 24.08.2006

Literatur

  • Henry Hobhouse: Sechs Pflanzen verändern die Welt. Chinarinde, Zuckerrohr, Tee, Baumwolle, Kartoffel, Kokastrauch. Klett-Cotta, Hamburg 2001 (4. Aufl.). ISBN 3-608-91024-7 (spannend zu lesende Geschichte mit komplett anderer Perspektive)
  • Christoph Maria Merki: Zucker gegen Saccharin. Zur Geschichte der künstlichen Süßstoffe. Campus, Frankfurt a.M.-New York 1993. (Diss. Bern 1990) ISBN 3-593-34885-3 (über die Geschichte des Wettbewerbs zwischen natürlichen und künstlichen Süßungsmitteln)

Weblinks

taz-Artikel über den Boom des Zuckerrohr-Anbaus in Brasilien und die Auswirkungen auf die Armut


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