Schräge Musik

Schräge Musik
Schräge Musik Einbau in einer Me 110 (rechts und links am Kabinendach sind die Mündungen zu sehen)

Schräge Musik – auch schräge Nachtmusik – ist die Bezeichnung für eine deutsche Waffentechnik zur Zeit des Zweiten Weltkrieges, bei der Maschinengewehre oder Maschinenkanonen schräg nach vorn oben gerichtet in einen Nachtjäger eingebaut wurden. Mit Hilfe der „schrägen Musik“ sollten englische Nachtbomber, die keinen nach unten wirkenden Waffenstand aufwiesen, abgeschossen werden, ohne eine eigene Gefährdung eingehen zu müssen.

Die Bezeichnung ist ein Wortspiel und leitete sich zum einen aus der schrägen Anordnung der Waffen ab und zum anderen daraus, dass Jazz von der deutschen Propaganda als schräg bezeichnet wurde. „Schräge Nachtmusik“ ist die Anspielung auf die Verwendung in Nachtjägern.

Inhaltsverzeichnis

Funktionsweise

Die Nachtjäger flogen die Bomber an, sobald sie Funkmess- oder Sichtkontakt hatten. Beim Angriff näherte sich der angreifende Nachtjäger von hinten dem feindlichen Bomber und flog unterhalb und leicht hinter diesem auf einem Parallelkurs. Durch das Unterfliegen von feindlichen Bombern konnte mit den nach oben gerichteten MGs unbehelligt gefeuert werden, da sich der Jäger im toten Winkel sowohl der Abwehrbewaffnung als auch der üblichen Beobachtungspositionen des Gegners befand. In dieser Position hoben sich die Angreifer durch die übliche Tarnbemalung kaum vom Boden ab.

Da die in einem etwa 70-Grad-Winkel nach oben wirkenden Bordwaffen starr eingebaut waren, musste der Pilot das ganze Flugzeug ausrichten, um den Bomber anzuvisieren. Gezielt wurde mit einem im Kabinendach angebrachten optischen Reflex-Visier auf eine Tragfläche des Bombers; das Ziel war, die Motoren und den Treibstoff in Brand zu schießen. Auf den Rumpf durfte nicht gezielt werden, da die Bombenladung getroffen werden und explodieren konnte; der Nachtjäger wäre dabei verloren gewesen. Ein kurzer Feuerstoß aus Spreng- und Brandmunition genügte im Regelfall, um den Bomber in Brand zu schießen und zum Absturz zu bringen. Auf Leuchtspurmunition wurde bewusst verzichtet, um nicht aufzufallen. Vom Ziel gelöst wurde nach dem Abfeuern dann in Gegenrichtung zur angegriffenen Tragfläche, um nicht vom abstürzenden Bomber getroffen zu werden.

Viele Gegner dachten, dass sie von der Flak und nicht von einem Nachtjäger getroffen wurden.

Entwicklung

Erste Experimente soll es von den Engländern schon im Ersten Weltkrieg gegeben haben. Darüber ist aber wenig bekannt geworden. Im Zweiten Weltkrieg könnte das Konzept von der sogenannten Becker-Angriffsmethode abgeleitet worden sein, bei der ein Jäger von hinten unten sein Ziel angriff, um dann zum Feuern hochzuziehen und anschließend nach Abschluss wieder wegzutauchen. Einziger Nachteil dieser Methode war die Gefahr, beim Hochziehen wieder in den Feuerbereich des englischen Heckschützen zu gelangen.

Deutsche Jäger konnten mitunter minutenlang unentdeckt unterhalb eines Bombers fliegen, was zu Überlegungen führte, wie man den Bomber beschießen könnte, ohne diese sichere Position zu verlassen.

Heutzutage gilt Oberleutnant Rudolf Schoenert, damals Staffelkapitän der II./Nachtjagdgeschwader 5 (kurz II./NJG 5), als der erste, der diese Entwicklung maßgebend vorantrieb. Er experimentierte zuerst mit einem Nachtjäger Do 17 Z-10 Kauz-III und baute zwei MG 15 im Kaliber 7,92 mm ein; große Beachtung wurde dem aber von keiner Seite geschenkt. Bereits 1941 und 1942 versuchte er, seine Vorgesetzten und Jägerasse von dieser Technik zu überzeugen, blieb damit aber weitestgehend erfolglos. Erst im Juli 1942, bei der Verleihung des Ritterkreuzes des Eisernen Kreuzes an Schoenert, versuchte er es erneut und hatte Erfolg – der damalige General der Nachtjagd, Generalmajor Kammhuber, stimmte offiziellen Versuchen zu. Die Versuche zogen sich bis Mitte 1943 hin; das Konzept der Schrägen Musik bewährte sich. Im Mai 1943 verzeichnete Schoenert seinen ersten anerkannten Schräge-Musik-Abschuss mit einer Bf 110, in die zwei 20-mm-MG FF/M eingebaut worden waren.

Im Juni 1943 waren dann auch die Modifikation an der Do 217N und der Ju 88C beendet; es wurden vier bzw. zwei 20-mm-Kanonen des Typs MG 151/20 in schräger Anordnung im Rumpf hinter dem Cockpit eingebaut. Es wurde darüber hinaus an der Entwicklung eines automatisch auslösenden Waffensystems mit der Bezeichnung SG 116 gearbeitet, das jedoch nicht zum Einsatz kam.

Es gab mehrere Flugzeugführer, die unabhängig und gleichzeitig mit Schoenert mit dieser Idee experimentierten, unter anderem Hauptmann Prinz Heinrich zu Sayn-Wittgenstein vom IV./Nachtjagdgeschwader 5 (kurz IV./NJG 5), der an der Ostfront im Einsatz war. Im März 1943 baute er in seine Maschine zwei MG FF/M ein und machte Probeschüsse, um sie anschließend erfolgreich gegen die sowjetischen Bomber einzusetzen.

Die schräge Musik war als reine Nachtjägerwaffe konzipiert; eine Anwendung gegen bei Tage fliegende Bomber war in vielerlei Hinsicht undenkbar, da das Konzept auf einer Nichtentdeckung des eigenen Flugzeuges basierte. In der Regel waren alle bei Tage fliegenden Bomber mit einem unterseitigen Waffenstand ausgerüstet, der ein unbemerktes Annähern und Einnehmen der idealen Schussposition unmöglich machte. Auch war der Einbau einer solchen Bewaffnung in die kleineren einmotorigen Tagjäger nicht möglich, da nicht ausreichend Raum vorhanden war oder aufwendige Konstruktionsarbeiten erforderlich waren.

Einsatz

Es dauerte aber noch mehrere Monate, bis die Umrüstsätze für die Masse der Nachtjäger verfügbar waren. Mitte 1944 war insgesamt etwa ein Drittel aller Nachtjäger mit entsprechender Modifikation ausgerüstet, in Serie wurde die Schräge Musik ab Mitte/Herbst 1944 in Nachtjäger eingebaut. Diese Zahl wäre noch höher gewesen, wenn das Potential dieser Bewaffnung vom RLM rechtzeitig erkannt und gefördert worden wäre. Auch wurden Maschinen wie die He 219 nicht in größerer Stückzahl gebaut, und die Ta 154 erwies sich aufgrund von Konstruktionsproblemen als nicht einsatztauglich. Beide Modelle sollten zu großen Teilen mit Schräger Musik ausgerüstet sein.

Schräge Musik wurde in größerem Umfang zum ersten Mal in der Nacht vom 17. August 1943 eingesetzt, als britische Bomber Peenemünde in drei Wellen angriffen. Nur die letzte Welle wurde von einer größeren Anzahl Nachtjäger entdeckt und bekämpft, da der Hauptteil (213 Nachtjagdmaschinen) über Berlin durch ein Täuschungsmanöver von acht Mosquitos abgehalten wurde und so verspätet den Angriff auf Peenemünde erkannte. Trotzdem gingen 40 der 166 eingesetzten Bomber verloren, was einer Verlustquote von mehr als 24 Prozent entsprach. Im einzelnen waren dies: 23 Avro Lancaster, 15 Handley Page Halifax und zwei Short Stirling.

Die Schräge Musik blieb bis Ende 1943 von den Alliierten unbemerkt, obwohl die Flugzeugverluste auffällig hoch wurden. Da die deutscherseits verwendete Munitionsmischung neben Sprengmunition auch panzerbrechende Munition enthielt, kam es bei den angegriffenen Bombern zwangsläufig zu Tragflächendurchschüssen. Anhand dieser Durchschüsse konnte bei beschädigt heimgekehrten Bombern relativ leicht der Schusswinkel des Angreifers bestimmt werden. Dies geschah durch die Verwendung von Stahlstäben, die durch die Ein- und Ausschusslöcher der Tragflächen geschoben wurden. Wäre deutscherseits nur Sprengmunition verwendet worden, so hätten sich keine Ausschusslöcher an der Oberseite der Tragfläche ergeben, und das Angriffsverfahren Schräge Musik wäre länger geheim geblieben.

Gegenmaßnahmen

Die ersten Versuche von Gegenmaßnahmen stellten die Einführung von kleinen Sichtfenstern im gefährdeten Bereich sowie Versuche mit wieder angebrachten Abwehrbewaffnungen dar. Allerdings war dies wenig erfolgreich, da die Sicht nur sehr eingeschränkt war und die Waffentürme die Geschwindigkeit des Flugzeugs verringerten. Daraufhin erfolgten Versuche mit radarbasierten Lösungen. Das sich schon im Einsatz befindliche Heckwarnradar Monica war wenig von Nutzen, da es nicht weit genug nach unten gerichtet werden konnte; auch hatten die deutschen Techniker ein passives Radar zur genauen Anpeilung dessen Emissionen entwickelt (was den Alliierten aber erst im Juli 1944 bewusst wurde, als ein damit ausgerüsteter Nachtjäger vom Typ Ju 88 G-1 versehentlich in Großbritannien landete).

Ein erfolgreiches Konzept basierte auf dem im gefährdeten Heckbereich eingebauten H2S-Bodenradar, das mittels eines Zusatzbildschirms und einiger Modifikationen im Nahbereich hinter/unter dem Flugzeug manövrierende Nachtjäger erkennen konnte. Diese Modifikation war unter dem Namen Fishpond modification bekannt und wurde im Bomber Command großflächig bis Mitte Herbst 1944 eingeführt. Die Flugzeugverluste waren dadurch nicht mehr so hoch.

Typen mit Schräger Musik

Literatur

  • Peter Hinchliffe: Luftkrieg bei Nacht 1939–1945. Motorbuch Verlag, Stuttgart 1998, ISBN 3-613-01861-6.
  • Manfred Griehl: Deutsche Flugzeugbewaffnung bis 1945. Motorbuch Verlag, Stuttgart 2008, ISBN 978-3-613-02849-4.

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