- Josef Kammhuber
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Josef Kammhuber (* 19. August 1896 in Burgkirchen am Wald, jetzt Markt Tüßling im Landkreis Altötting; † 25. Januar 1986 in München) war der erste General der Nachtjäger der Deutschen Luftwaffe im Zweiten Weltkrieg. Er baute das erste erfolgreiche Verteidigungssystem gegen nächtliche Luftangriffe auf, die sogenannte „Kammhuber-Linie“. Durch erfolgreiche Arbeit britischer Geheimdienste, welche die Royal Air Force (RAF) mit detaillierten Informationen über die Kammhuber-Linie versorgten, konnte dieses System ausgehebelt werden. Querelen zwischen Kammhuber und Generalfeldmarschall Erhard Milch, Staatssekretär im Reichsluftfahrtministerium (RLM) und Generalluftzeugmeister, führten aber schließlich im Jahre 1943 zu seiner Ablösung. Erst kurz vor Kriegsende, im Februar 1945, wurde er zurückbeordert, konnte aber in diesem Stadium des Krieges nichts mehr ausrichten.
Kammhuber trat nach dem Krieg in die neugegründete Luftwaffe der Bundeswehr ein, erreichte dort als erster die Dienststellung Inspekteur der Luftwaffe und als einziger Inspekteur einer Teilstreitkraft den Rang eines Vier-Sterne-Generals.
Inhaltsverzeichnis
Leben
Militärische Karriere bis Mitte 1940
Josef Kammhuber wurde im oberbayerischen Burgkirchen am Wald als Sohn eines Bauern geboren. Zu Beginn des Ersten Weltkriegs trat der 18-jährige Gymnasiast ins 3. bayerische Pionierbataillon ein. Er kam 1915 zur Infanterie und wurde 1917 zum Leutnant befördert. Nach dem Krieg wurde Kammhuber von der Reichswehr übernommen. Am 9. November 1923 weigerte er sich, ebenso wie sein Kamerad beim IR 19 Eduard Dietl, gegen den Hitler-Ludendorff-Putsch vorzugehen. Am 1. April 1925 erhielt er die Beförderung zum Oberleutnant. 1928 bis 1930 nahm er in der UdSSR an der geheimen Fliegerausbildung teil und wurde 1931 zum Hauptmann befördert.[1] Danach wurde er bis 1933 im Reichswehr- und (mit kurzen Unterbrechungen) von 1933 bis 1939 im Reichsluftfahrtministerium verwendet. Er gehörte zum Stab von General Walther Wever, der mit dem Aufbau eines strategischen Bomberkommandos beschäftigt war. Dieses Vorhaben wurde aber mit dem Tode Wevers im Jahre 1936 aufgegeben. Anfang 1939 wurde Kammhuber zum Oberst befördert.
Nachdem der Reichsregierung klar wurde, dass die RAF ein massives Flugzeugbauprogramm in Angriff genommen hatte, verlangte Hitler die Durchführung eines Bauprogramms mit einem Budget von 60 Milliarden Reichsmark. Die deutsche Flugzeugindustrie war jedoch wegen Mangels an Produktionsmitteln und Rohstoffen außerstande, eine derartige Aufrüstung zu verwirklichen – was von der Luftwaffenführung schließlich eingesehen wurde. Die Stabschefs Hans Jeschonnek, Werner Stumpff und Kammhuber verfolgten daher Kammhubers eigenes Programm mit einem Budget von 20 Milliarden Reichsmark, von dessen Durchführbarkeit man ausging. Generalluftzeugmeister Milch arrangierte ein Treffen zwischen den Stabschefs und Reichsmarschall Hermann Göring, dem Oberbefehlshaber der Luftwaffe. Bei diesem Treffen verlangte Göring, dass Hitlers Programm wie geplant „irgendwie“ in die Tat umgesetzt werden sollte.
Kammhuber bat daraufhin im Februar 1939 um die Rückkehr in den aktiven Dienst. Im Zuge der allgemeinen Mobilmachung wurde er im August 1939 Generalstabschef der Luftflotte 2 unter dem Oberbefehl von General Hellmuth Felmy. Im März 1940 wurde er Kommodore des Kampfgeschwaders (KG) 51, des so genannten „Edelweißgeschwaders“. Bei einem Kampfeinsatz während des Westfeldzuges wurde er Anfang Juni 1940 abgeschossen und geriet in französische Kriegsgefangenschaft. Nach vier Wochen wieder befreit, kehrte er nach Deutschland in den Generalstab der Luftwaffe zurück.
Im Juli 1940 wurde er zum Kommandeur der 1. Nachtjagddivision ernannt und damit beauftragt, das gemeinsame Kommando über die Scheinwerferbatterien, die Flak- und Radareinheiten zu übernehmen. Bis zu dieser Zeit waren alle diese Einheiten unter getrenntem Kommando und es gab keine gemeinsame Berichtskette. Ein Erfahrungstausch der Einheiten war nicht geregelt. Kammhuber war somit der Koordinator der gesamten deutschen Luftverteidigung geworden. Am 1. Oktober 1940 wurde er zum Generalmajor befördert und am 9. April 1941 mit dem Ritterkreuz ausgezeichnet.
Im August 1941 wurde dann zum General der Nachtjagd befördert mit dem Kommando über das XII. Fliegerkorps, dem alle Verbände der deutschen Nacht-Luftverteidigung unterstellt wurden. Sein Hauptquartier bezog er in Zeist nahe Utrecht in den Niederlanden.
Die Kammhuber-Linie
Er organisierte den Nachtkampf in Form einer als „Kammhuber-Linie“ (oder auch „Kammhuber-Riegel“) bekannt gewordenen Kette von Radarstationen mit überlappenden Überwachungszonen. Diese Linie reichte von Dänemark bis Zentralfrankreich. Jede Überwachungsszone, genannt „Himmelbett“, war ungefähr 32 km lang (in Nord-Süd-Richtung) und 20 km breit (in Ost-West-Richtung). Die Radarstationen waren zunächst mit einem Freya-Frühwarnradargerät ausgerüstet. In jeder Himmelbett-Zone waren Suchscheinwerfer aufgestellt und außerdem zwei Nachtjagdflugzeuge stationiert. Wenn das Radar ein feindliches Flugzeug erfasste, wurde ein mit dem Radar gekoppelter Suchscheinwerfer auf das Ziel gelenkt. Handgesteuerte Suchscheinwerfer folgten diesem und Nachtjäger stiegen auf, um das nun beleuchtete Ziel abzufangen. Die Himmelbetten wurden in der Folgezeit zusätzlich mit jeweils zwei Würzburg-Radargeräten ausgerüstet. Diese Geräte waren, anders als die „Freyas“, hochgenaue und komplexe Zielverfolgungs-Radargeräte. Ein Würzburg-Radargerät war dabei auf einen deutschen Jagdflieger fixiert, sobald dieser in die Himmelbett-Zone eintrat. Nachdem das Freya-Gerät einen eindringenden feindlichen Bomber registriert hatte, wurde dieser von dem zweiten „Würzburg“ verfolgt. Dadurch konnte die Besatzung der Radarstation kontinuierlich die Position beider Flugzeuge erhalten und so den Jäger zu seinem Ziel leiten. Die Nachtjäger waren außerdem mit Nahbereichs-Infrarotempfängern namens „Spanner“ ausgerüstet, allerdings erwiesen sich diese in der Praxis größtenteils als nutzlos.
Fernnachtjagd
Kammhuber gab auch den Anstoß zum Aufbau einer sogenannten Fernnachtjagd-Gruppe, der II./NJG 1 später in I./NJG 2 umbenannt. Er erkannte, dass die wirkungsvollste Bekämpfung der gegnerischen Bomber bei Start und Landung erfolgen konnte. Auch der Schulbetrieb konnte so gestört werden. Wegen seiner Begründung: „Man muß den Gegner an der Wurzel packen“, erhielt er bei den Nachtjägern den Spitznamen „Wurzelsepp“.
Deutsche Funker hörten die Funkfrequenzen der britischen Bomber ab und waren in der Lage, den Beginn einer Angriffswelle festzustellen. Die Einsätze beginnen Mitte Juli 1940 von Düsseldorf aus, später erfolgt der Einsatz von Schiphol. Trotz der Erfolge befahl Hitler am 13. Oktober die Einstellung der Einsätze und die Verlegung der Staffel in den Mittelmeerraum.
Britische Gegenmaßnahmen
Die britische Aufklärung erkannte schnell die Funktion der Kammhuber-Linie und suchte nach Möglichkeiten, sie zu überwinden. Dazu leistete die Aufklärungsarbeit britischer Geheimdienste wertvolle Arbeit. Zu jener Zeit schickte das britische Bomber Command Flugzeuge jeweils einzeln nacheinander in das Zielgebiet, um die Verteidigungskräfte so weit wie möglich auseinander zu ziehen, was bedeutete, dass jedes Flugzeug nur wenig konzentrierte Flugabwehr auf sich zog.
Allerdings bedeutete dies auch, dass jede der Himmelbett-Radarstationen nur mit einem oder zwei Flugzeugen gleichzeitig beschäftigt wurde, was ihre Aufgabe deutlich erleichterte. Auf Drängen des britischen Geheimdienstwissenschaftlers Reginald Victor Jones änderte das britische Bomber-Kommando seine Taktik und schickte alle Bomber zugleich in Form eines einzelnen „Stroms“ gegen ein Ziel, wobei sorgfältig darauf geachtet wurde, dass diese genau durch das Zentrum eines Himmelbettes flogen. Nun standen einer Radarstation Hunderte von Bombern gegenüber, denen mit nur wenigen Kampfflugzeugen begegnet werden konnte. Diese Taktik war so erfolgreich, dass die Abschussrate der Nachtjäger gegen Null ging. Eine zusätzliche, massive Behinderung des deutschen Radars erreichten die Alliierten schließlich dadurch, dass ihre Flugzeuge bei einer Angriffswelle massenhaft dünne Aluminium-Streifen (engl. chaffs, Codename: window) abwarfen.
Die durch die langsam zu Boden fallenden Metallstreifen ausgelösten Radarechos machten es unmöglich, die Bomber auf dem Radarschirm zu identifizieren. Durch diese Misserfolge geriet Kammhuber ins Visier von Milch und Göring, der von „faulem Zauber“ und von „verantwortungslosen Redereien und Hirngespinsten schlapper Defätisten“ sprach.
„Wilde“ und „zahme Sau“
Kammhuber suchte nach Lösungen und das Ergebnis war das zweigliedrige Konzept der „Wilden Sau“ und der „Zahmen Sau“. Das „Wilde Sau“ genannte Jagdgeschwader 300, aufgestellt nach einem Vorschlag von Hans-Joachim „Hajo“ Herrmann, bestand aus Tagjägern, die im Licht von Leuchtgranaten, Suchscheinwerfern oder Bränden am Boden auf feindliche Bomber zusteuerten und auf Sichtweite angriffen. Ihren größten Erfolg erzielte die Wilde Sau während der Bombardierung von Peenemünde am 17. August 1943. De Havilland D.H.98 Mosquito-Bomber hatten Zielmarkierungs-Leuchtgranaten über Berlin abgeworfen. Der Großteil der regulären Nachtjäger wurde ihnen entgegengeschickt. Jedoch stellte sich heraus, dass diese zu weit entfernt und zu langsam waren, um die De Havillands abzufangen. Die Jäger der Wilden Sau hingegen mit ihren viel schnelleren Focke-Wulf Fw 190 konnten die feindlichen Flugzeuge abfangen. Ungefähr 30 Jäger brachen in die Feindformation ein und schossen 29 der insgesamt 40 britischen Bomber ab. Allerdings war die auf Sicht angreifende Wilde Sau stark vom Wetter abhängig, so dass sich ihre Erfolge insgesamt in Grenzen hielten.
Die „Zahme Sau“ waren Nachtjäger, die mit Radar ausgerüstet waren und die sich nach Eindringen von feindlichen Flugzeugen in der Luft versammelten und sich ihre Ziele mit Hilfe des bordeigenen Radars suchten, oft über mehrere hundert Kilometer hinweg. Zusätzlich wurden sie vom Boden aus von Funkern der Radarstationen der Kammhuber-Linie unterstützt, die Peilungen von Feindbombern durchgaben. Der größte Erfolg der Zahmen Sau war die Verteidigung Nürnbergs am 31. März 1944, bei der 95 viermotorige Bomber abgeschossen wurden.
Weitere Tätigkeit bis zum Kriegsende
Zur gleichen Zeit setze sich Kammhuber verstärkt für die Konstruktion eines speziell entwickelten Nachtjägers ein, wobei er sich schließlich für die Heinkel He 219 „Uhu“ entschied, nachdem er 1942 Zeuge einer Demonstration ihrer Fähigkeiten geworden war. Jedoch entschied sich Milch dagegen und es kam zum Streit zwischen Kammhuber und Milch. In der Folge wurde Kammhuber im November 1943 nach Norwegen zur Luftflotte 5 abgeschoben, als Befehlshaber einiger weniger, veralteter Flugzeuge. Im Februar 1945 beorderte Hitler Kammhuber zurück nach Deutschland und ernannte ihn zum „Sonderbeauftragten zur Bekämpfung der viermotorigen Feindflugzeuge“. Angesichts der militärischen Lage des Deutschen Reiches zu diesem Zeitpunkt des Krieges war diese Position aber eher theoretischer Natur.
Nach dem Krieg
Nach der endgültigen Niederlage des Deutschen Reichs geriet Kammhuber in amerikanische Kriegsgefangenschaft und verfasste dort im Auftrag des US-Verteidigungsministeriums eine Reihe von Monografien über die deutsche Luftverteidigung. Diese wurden später gesammelt als Buch unter dem Titel Fighting the Bombers: The Luftwaffe's Struggle against the Allied Bomber Offensive herausgegeben. Am 6. Juni 1956 übernahm er die Leitung der Abteilung Luftwaffe des Bundesministeriums der Verteidigung im Range eines Generalleutnants. Kurze Zeit später wurde er Inspekteur der Luftwaffe, ein Amt, welches er bis zu seiner Pensionierung am 30. September 1962 ausübte. Als einziger Inspekteur einer Teilstreitkraft wurde er zum Vier-Sterne-General befördert. Mit dem Bundesminister der Verteidigung Franz Josef Strauß verband ihn eine vertraute Männerfreundschaft. Die Beschaffung der Lockheed F-104 durch die Luftwaffe geht auf Kammhubers Vorstellungen zurück. Im August 1980 trägt er seine Kenntnisse zur Bombardierung Freiburgs am 10. Mai 1940 zwei Militärhistorikern vor: "Die Tatsache, daß der Angriff auf Freiburg durch eine Kette der III/K.G.51 irrtümlich durchgeführt wurde, steht einwandfrei fest."[2]<
Josef Kammhuber starb am 25. Januar 1986 im Alter von 89 Jahren in München. Beerdigt ist er auf dem dortigen Waldfriedhof. Ihm zu Ehren wurde die Kammhuber-Kaserne in Karlsruhe benannt. Das Bundesverfassungsgericht nutzt die Liegenschaft ab Juli 2011. Damit ist der Traditionsname "Kammhuber" erloschen.
Auszeichnungen
- Eisernes Kreuz (1914) II. und I. Klasse [3]
- Bayerischer Militärverdienstorden IV. Klasse mit Schwertern [3]
- Wehrmacht-Dienstauszeichnung IV. bis I. Klasse
- Spange zum Eisernen Kreuz II. und I. Klasse
- Flugzeugführerabzeichen
- Ritterkreuz des Eisernen Kreuzes am 9. Juli 1941 [4]
- Frontflugspange für Kampf- und Sturzkampfflieger
- Verdienstorden der Italienischen Republik Großoffizierkreuz am 10. März 1958
- Legion of Merit Kommandeur am 2. August 1961
- Großes Verdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland mit Stern und Schulterband am 21. August 1962
Siehe auch
Literatur
- Wolfgang Schmidt: "Seines Wertes bewusst"! General Josef Kammhuber; In: Helmut R. Hammerich / Rudolf J. Schlaffer (Hgg.), Militärische Aufbaugenerationen der Bundeswehr 1955 bis 1970. Ausgewählte Biografien, München, Oldenbourg Wissenschaftsverlag 2011, ISBN 978-3-486-70436-5; S. 351-381.
- Josef Kammhuber, David C. Isby (Hrsg.): Fighting the Bombers: The Luftwaffe's Struggle Against the Allied Bomber Offensive. Greenhill Books, London 2003. ISBN 1-85367-532-6.
Weblinks
Commons: Josef Kammhuber – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien- Nachtluftkrieg (englisch)
Einzelnachweise
- ↑ vgl. auch Henning Seitz: Geheime Sommer in Lipezk. 1925 übernahm die Reichswehr in der Sowjetunion eine Fliegerschule. Bis 1933 bauten hier Deutsche und Russen gemeinsam ihre Luftwaffen auf. in: Die Zeit, 29. Juli 2010, Nr. 31, S. 16.
- ↑ Große Sache. In: Der Spiegel. Nr. 17, 1940, S. 74 (26. April 1982, online).
- ↑ a b Rangliste des Deutschen Reichsheeres, Mittler & Sohn Verlag, Berlin, S.155
- ↑ Veit Scherzer: Die Ritterkreuzträger 1939–1945, Scherzers Militaer-Verlag, Ranis/Jena 2007, ISBN 978-3-938845-17-2, S.431
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