Spartacusaufstand

Spartacusaufstand
Dieser Artikel behandelt die Ereignisse am Ende der Novemberrevolution im Januar 1919 in Deutschland. Zum Spartakusaufstand im antiken Römischen Reich siehe Sklavenkriege
Spartakusaufstand, Januar 1919: Barrikadenkämpfe in Berlin

Als Spartakusaufstand oder Januaraufstand bezeichnet man den Generalstreik und die bewaffneten Kämpfe in Berlin vom 5. bis 12. Januar 1919, deren Niederschlagung die Novemberrevolution praktisch beendete. Der erste Begriff hat sich dafür eingebürgert, obwohl der Spartakusbund bzw. die KPD diesen Aufstand weder plante und auslöste noch führte und erst nach seinem Beginn daran mitwirkte.

Inhaltsverzeichnis

Ursachen

Auslöser des Aufstands war die Absetzung des Berliner Polizeipräsidenten Emil Eichhorn (USPD) durch den Rat der Volksbeauftragten unter Führung Friedrich Eberts am 4. Januar 1919.

Eichhorn war rechtmäßig vom ersten, sechsköpfigen Rat der Volksbeauftragten als der provisorischen Reichsregierung ernannt worden. Er hatte sich bei den Weihnachtsunruhen am 24. Dezember 1918 aber geweigert, gegen die im Berliner Schloss einquartierte Volksmarinedivision vorzugehen und die ihm unterstehende Sicherheitswehr gegen diese einzusetzen. Seitdem betrachtete ihn Ebert als unzuverlässig.[1]

Die drei USPD-Vertreter hatten den Rat der Volksbeauftragten am 29. Dezember 1918 aus Protest gegen Eberts Vorgehen bei den Weihnachtsunruhen verlassen. Für die USPD hatte die provisorische Regierung damit keine rechtmäßigen Entscheidungskompetenzen mehr, da sie nur noch drei SPD-Politiker umfasste.

Diese und der Vollzugsrat der Arbeiter- und Soldatenräte Großberlin und der Zentralrat der deutschen sozialistischen Republik stimmten Eberts Wunsch, Eichhorn abzusetzen und auch den preußischen Ministerpräsidenten Hirsch (SPD) zu entlassen, ausdrücklich zu.[2]

Die eigentliche Ursache des Januaraufstands waren die gegensätzlichen politischen Ziele und Methoden der an der Novemberrevolution beteiligten Gruppen: Während die SPD und auch ein Großteil der Arbeiter- und Soldatenräte die rasche Durchführung freier Wahlen für eine Nationalversammlung anstrebten, um die politischen Errungenschaften der Revolution zu legitimieren und eine parlamentarische Demokratie zu installieren, wollten Teile der USPD vor den Wahlen erst die Beschlüsse des Reichsrätekongresses zur Sozialisierung einiger Industriezweige und Kontrolle des Militärs umsetzen. Eine Mehrheit der KPD strebte zudem eine Machtübernahme der Arbeiter- und Soldatenräte an, die die Revolution ausgelöst und getragen hatten.

Seit Anfang Dezember 1918 wurden in und um Berlin republikfeindliche Freikorps aus ehemaligen Frontsoldaten und Freiwilligen gebildet. Ihre Anwerbung und Ausrüstung finanzierte die damals ebenfalls neu gegründete „Antibolschewistische Liga“. Seit Jahresbeginn wurden sie zusammen mit republiktreuen Verbänden wie der republikanischen Soldatenwehr und kaiserlichen, teils loyalen, meist aber republikfeindlichen Regimentern um Berlin zusammengezogen.

Verlauf

Arbeiter, die den Revolutionären Obleuten nahe standen, besetzten nach Eichhorns Entlassung am 5. Januar 1919 spontan eine Zeitungsredaktion in der Berliner Kochstraße und errichteten Straßensperren. Sie erhielten rasch Zulauf, so dass sie einige Straßenzüge im Berliner Zeitungsviertel besetzen konnten, darunter auch das Redaktionsgebäude der sozialdemokratischen Parteizeitung Vorwärts. Dort waren seit Anfang Dezember immer wieder feindselige Artikel gegen die Spartakisten gedruckt erschienen, darunter auch kaum verhohlene Mordaufrufe.

Die Obleute waren frei gewählte, von den Gewerkschaften unabhängige Betriebsräte. Sie hatten sich im Verlauf des Ersten Weltkriegs vor allem in den Berliner Rüstungsbetrieben gebildet und u.a. den Januarstreik 1918 durchgeführt. Als Kriegsgegner hatten sie sich überwiegend der USPD angeschlossen und lehnten die Mitgliedschaft in der am 1. Januar 1919 neu gegründeten KPD ab. Die meisten von ihnen unterstützten die Besetzung des Berliner Zeitungsviertels, aber zwei ihrer Sprecher, Richard Müller und Ernst Däumig, lehnten diese ab. Beide befürworteten eine zweite Revolution gegen den Rat der Volksbeauftragten zwar grundsätzlich, hielten aber den Zeitpunkt für verfrüht und taktisch unklug.[3]

Die Führungen von USPD und KPD beschlossen rasch, die begonnene Besetzung zu unterstützen. Sie riefen die Berliner Bevölkerung zu einem Generalstreik für den 7. Januar auf. Dem Aufruf folgten etwa 500.000 Menschen, die am Wochenende in die Innenstadt strömten. Eine große Menschenmenge sammelte sich auf einem der Berliner Plätze. Sie nahm in den Folgetagen weder an Kämpfen teil noch wurde sie von den Streikführern beteiligt, obwohl sie wie schon am 9. November 1918 zum Entwaffnen der Soldaten bereit war. Auf ihren Plakaten und Spruchbändern standen zum Teil dieselben Parolen wie zu Beginn der Novemberrevolution: „Frieden und Einigkeit“.

In den folgenden zwei Tagen konnte sich der etwa 50-köpfige „Revolutionsausschuss“ nicht auf das weitere Vorgehen einigen. Einige Vertreter forderten den bewaffneten Aufstand, andere plädierten für Verhandlungen mit Ebert. Die Hausbesetzer erhielten Waffen. Der KPD-Führer Karl Liebknecht befürwortete gegen den Rat von Rosa Luxemburg den Versuch, den Rat der Volksbeauftragten mit Waffengewalt zu stürzen und damit die für den 19. Januar angesetzten ersten freien Wahlen zur Nationalversammlung zu verhindern. Er fürchtete, die KPD könnte sich andernfalls zu sehr von den Arbeitern isolieren, die den Sturz der Regierung anstrebten. Zugleich versuchten die KPD-Vertreter, einige der in Berlin stationierten Regimenter, vor allem die Volksmarinedivision, auf ihre Seite zu ziehen. Dies gelang jedoch nicht, weil die meisten der Soldaten bereits zu Hause waren und ihre Loyalität dem bisherigen Rat der Volksbeauftragten galt. Ebenso stellte sich ein Teil der Berliner Bevölkerung hinter die Regierung Ebert, folgte einem Streikaufruf und sicherte Regierungsgebäude seit dem 6. Januar als lebende Schutzschilde.[4]

Ab dem 6. Januar verhandelte der Revolutionsausschuss auf Vermittlung der USPD-Leitung mit Ebert. Am 7. Januar scheiterten die Verhandlungen an der beiderseitigen Kompromissunfähigkeit, die Chance zur gewaltfreien Beilegung des Konflikts war vertan. Am selben Tag übergab Ebert Gustav Noske den Oberbefehl über die Truppen in und um Berlin, und es ergingen Aufrufe zur Aufstellung weiterer Freikorps in Berlin.

Am 8. Januar forderte der Rat der Volksbeauftragten die Bevölkerung zum Widerstand gegen die Aufständischen und deren beabsichtigte Regierungsübernahme auf und veröffentlichte ein Flugblatt mit dem Titel: „Die Stunde der Abrechnung naht!“ Darin wurde den Aufständischen mit physischer Vernichtung gedroht. Am 9. Januar 1919 verlangten die Revolutionären Obleute, der Zentralvorstand der Berliner USPD und der KPD in einem gemeinsamen Aufruf den Kampf gegen „die Judasse in der Regierung. […] Sie gehören ins Zuchthaus, aufs Schafott. […] Gebraucht die Waffen gegen eure Todfeinde.“[5]

Von Freikorps standrechtlich erschossene Aufständische

Am 10. Januar überfiel die Brigade Reinhard das spartakistische Hauptquartier in Spandau. Am 11. Januar gab Noske den Einsatzbefehl gegen die Besetzer des „Vorwärts“. Die Angreifer waren noch mit Kriegsausrüstung bewaffnet und ihren Gegnern daher weit überlegen. Das Freikorps Potsdam eroberte das Gebäude mit Flammenwerfern, Maschinengewehren, Mörsern und Artillerie. Auch weitere besetzte Gebäude und Straßen im Zeitungsviertel wurden bis zum 12. Januar erobert. Zu organisierten Schlachten kam es nicht, da die Aufständischen nicht darauf vorbereitet waren; vielfach ergaben sie sich freiwillig. Dennoch erschoss das Militär über hundert Aufständische und eine unbekannte Zahl von unbeteiligten Zivilisten vor Ort. Die Militärs hatten dreizehn Gefallene und zwanzig Verwundete.[6]

Am 13. Januar rückten die umliegenden Freikorps in die Stadt ein. Das größte von ihnen war die so genannte Garde-Kavallerie-Schützen-Division unter dem Offizier Waldemar Pabst, der im Krieg General Hans von Seeckt unterstand. Die Berliner Zeitungen begrüßten den Einzug nach Ende der Kämpfe als Wiederherstellung von „Ruhe und Ordnung“. Der militärischen Besetzung folgten erhebliche Gewaltexzesse der rechtsgerichteten Truppen, die weit über vorherige Gewalttaten einiger Linken hinausgingen.[7]

Morde an Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht

Die Führer der Spartakisten mussten nun um ihr Leben fürchten und untertauchen, da nach ihnen gesucht wurde. Noch vor dem Jahreswechsel erschienen Plakate und Aufrufe an die Berliner Bevölkerung, die „Rädelsführer“ ausfindig zu machen und den Militärs zu übergeben. Dafür war eine hohe Belohnung ausgesetzt. Nach dem Niederschlagen des Aufstands suchte auch die reguläre Regierung die Anführer des Aufstandes, um sie wegen des Umsturzversuches kurz vor den freien Wahlen zu belangen. Ein Flugblatt forderte:

„Schlagt ihre Führer tot! Tötet Liebknecht! Dann werdet ihr Frieden, Arbeit und Brot haben. Die Frontsoldaten.“

Im Berliner Vorwärts erschien am 13. Januar 1919 ein Gedicht von Artur Zickler, das mit den Zeilen endete:

„Viel Hundert Tote in einer Reih’ –
Proletarier!
Karl, Rosa, Radek und Kumpanei –
es ist keiner dabei, es ist keiner dabei!
Proletarier!“

Fritz Henck, der Schwiegersohn Philipp Scheidemanns, versicherte am 14. Januar in Berlin öffentlich, die Anführer des Aufstands würden „nicht ungeschoren davonkommen“. Schon in wenigen Tagen werde sich zeigen, „daß auch mit ihnen Ernst gemacht wird.“[8]

Am 15. Januar abends wurden Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht in der Wohnung eines Freundes, Dr. Markussohn, in Berlin-Wilmersdorf von der dortigen „Wilmersdorfer Bürgerwehr“ entdeckt, verhaftet, in das Hotel Eden gebracht und an Waldemar Pabst ausgeliefert. Dieser ließ die Gefangenen stundenlang verhören und misshandeln. Ein weiterer verhafteter KPD-Führer, Wilhelm Pieck, wurde Zeuge dieser Misshandlungen sowie von Telefonaten; eines davon führte Pabst wahrscheinlich mit der Reichskanzlei.

Der Mord sollte wie ein Attentat aussehen. Dazu versetzte ein bereitstehender Soldat aus der Menge heraus Rosa Luxemburg beim Abtransport vom Hotel einen schweren Kolbenschlag. Bereits bewusstlos, wurde sie dann unterwegs im Wagen von einem anderen Soldaten der Truppe mit einem aufgesetzten Schläfenschuss erschossen. Die Tote wurde in den Berliner Landwehrkanal geworfen, wo man die Leiche erst am 1. Juni 1919 fand. Liebknecht wurde kurz nach Rosa Luxemburg ebenfalls vom Hotel abtransportiert und fast bewusstlos geschlagen; er musste unterwegs aussteigen und wurde dann als „Flüchtender“ von hinten erschossen. Der Tote wurde einer Berliner Polizeistation als „unbekannte Leiche“ übergeben.

Spitze des Trauermarsches bei der Beisetzung Rosa Luxemburgs am 13. Juni 1919

Pieck erreichte, dass er in ein Gefängnis verlegt werden sollte; auf dem Weg dorthin gelang ihm die Flucht. Er wurde zu einem der wichtigsten Zeugen der Vorfälle im Hotel, die den Morden vorausgingen. Dass die Mörder überhaupt strafverfolgt wurden, erreichte Leo Jogiches, Rosa Luxemburgs früherer Partner, der nach ihrem Tod die Führung der KPD übernahm und die Morde aufzuklären versuchte. Auch er wurde im März 1919 bei weiteren Freikorpseinsätzen gegen linke Arbeiterführer verhaftet und im Gefängnis ermordet.

In den späteren Prozessen gegen die Mörder wurde mehrfach ausgesagt, ein „Helfersdienst der SPD“ habe eine Kopfprämie von 100.000 Mark für die Ergreifung der Spartakusführer ausgesetzt.[9] In einem nach seinem Tod aufgefundenen Tagebuch erklärte Pabst, er habe von Gustav Noske persönlich im Beisein von Ebert die Erlaubnis erhalten, die Spartakusführer zu ermorden. Noske hat dies stets bestritten. Ebert soll betroffen über die Morde an seinen jahrzehntelangen Parteigenossen gewesen sein.[10]

Folgen

Die Morde des 15. Januar lösten im ganzen Reich schwere Unruhen und Aufstände aus; es kam in vielen Großstädten zu ähnlichen Kämpfen wie in Berlin mit etwa 5.000 Todesopfern. Am 21. Februar 1919 wurde Kurt Eisner, seit dem 7. November 1918 Ministerpräsident des neuen Freistaats Bayern, ermordet. Dort konnte sich die am 7. April 1919 ausgerufene Münchner Räterepublik noch bis Anfang Mai halten, bevor sie von Freikorps- und Reichswehrverbänden niedergeschlagen wurde.

Die bürgerkriegsähnlichen Zusammenstöße belasteten die Weimarer Republik von ihrer Gründung an schwer. Die Wählerbasis der SPD wurde derart geschmälert, dass sie stets auf Koalitionen mit bürgerlichen Parteien angewiesen blieb. Die USPD erhielt bei den ersten freien Wahlen am 19. Januar nur 7,6 % der Stimmen, während die SPD auf 37,9 % der Stimmen kam. Die sich im Folgenden noch weiter verstärkende Polarisierung der Parteienlandschaft und Gesellschaft nach rechts und links hatte einen bedeutenden Anteil an der Destabilisierung der Weimarer Republik und der Machtergreifung des Nationalsozialismus 1933.

Literatur

  • Ottokar Luban: Die ratlose Rosa. Die KPD-Führung im Berliner Januaraufstand 1919. Legende und Wirklichkeit. Hamburg 2001, ISBN 387975960X
  • Frederik Hetmann: Rosa L. Die Geschichte der Rosa Luxemburg und ihrer Zeit. Beltz Verlag, Neuausgabe 1987, ISBN 3407808143
  • Ralf Hoffrogge: Richard Müller - Der Mann hinter der Novemberrevolution. Karl-Dietz-Verlag Berlin 2008, ISBN 978-3-320-02148-1
  • Annelies Laschitza: Die Liebknechts, Aufbau-Verlag, Berlin 2008.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Heinrich August Winkler: Weimar 1918-1933. Die Geschichte der ersten deutschen Demokratie, Berlin 1993, S. 54-55
  2. Originaltext abgedruckt in: Gerhard A. Ritter / Susanne Miller (Hrsg.): Die deutsche Revolution 1918-1919, Hamburg 1975, S. 179
  3. Ralf Hoffrogge: Richard Müller – Der Mann hinter der Novemberrevolution; Berlin 2008; S. S.99ff
  4. Heinrich August Winkler: Weimar 1918-1933. Die Geschichte der ersten deutschen Demokratie, Berlin 1993, S. 58
  5. zitiert nach Gerhard A. Ritter/Susanne Miller (Hrsg.): Die deutsche Revolution 1918-1919, Hamburg 1975, S. 190
  6. Gordon A. Craig: Deutsche Geschichte 1866-1945, München 1999, ISBN 3406421067, S. 440
  7. Hans Mommsen: Die verspielte Freiheit. Der Weg der Republik von Weimar in den Untergang 1918 bis 1933, a.a.O. S. 49
  8. Heinrich Hannover, Elisabeth Hannover-Drück: Der Mord an Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht. Dokumentation eines politischen Verbrechens; Frankfurt am Main: Suhrkamp, 19723; S. 23–28
  9. Frederik Hetmann: Rosa L., Fischer TB, S. 266f
  10. Hans Mommsen: Die verspielte Freiheit. Der Weg der Republik von Weimar in den Untergang 1918 bis 1933, a. a. O. S. 49

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