- Waldemar Pabst
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Ernst Julius Waldemar Pabst (* 24. Dezember 1880 in Berlin; † 29. Mai 1970 in Düsseldorf) war ein deutscher Offizier, politischer Organisator und Waffenhändler. Er veranlasste 1919 die Ermordung von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht. Zeitlebens arbeitete er an Schnittstellen zwischen der jeweiligen deutschen Armee, rechten politischen Organisationen und Rüstungsindustrie. In der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg war er Erster Generalstabsoffizier der Garde-Kavallerie-Schützen-Division und nahm am Kapp-Putsch teil.
Inhaltsverzeichnis
Leben
Jugend und Ausbildung
Pabst, Sohn eines Museumsdirektors, wurde im Jahre 1880 in Berlin geboren. Gemeinsam mit dem späteren Reichskanzler Franz von Papen besuchte er die Preußische Hauptkadettenanstalt und erhielt 1899 sein Offizierspatent. Während des Ersten Weltkrieges war Pabst an der Front in Belgien, danach folgte die Teilnahme an der Schlacht um Verdun, ab Mitte 1916 war er im Generalstab tätig.[1]
Ermordung Karl Liebknechts und Rosa Luxemburgs
Nach dem Ersten Weltkrieg und dem in der Novemberrevolution von 1918 erfolgten Sturz der deutschen Monarchie war er im Januar 1919 als Erster Generalstabsoffizier der Garde-Kavallerie-Schützen-Division, einem Freikorps, bei der Niederschlagung des sogenannten Spartakusaufstands beteiligt. Im Rahmen dieser Kämpfe wurden am 15. Januar Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg, die Anführer des Spartakusbundes und Gründungsinitiatoren der KPD von der Wilmersdorfer Bürgerwehr gefangengenommen und ihm im Eden-Hotel übergeben. Dort verhörte er beide persönlich und ließ sie daraufhin durch zwei jeweils aus Offizieren der Marineeskadron gebildeten Begleitkommandos ohne Gerichtsurteil erschießen, oder – wie er es nannte – „richten“ (so Pabst in Der Spiegel vom 18. April 1962[2]). Ein konkreter Befehl eines Weisungsbefugten für die Hinrichtung Luxemburgs und Liebknechts lag nicht vor.
Nach dem Tod von Waldemar Pabst wurde in seinem Nachlass die Abschrift eines Briefes aus dem Jahr 1969 gefunden:
„Daß ich die Aktion ohne Zustimmung Noskes gar nicht durchführen konnte – mit Ebert im Hintergrund – und auch meine Offiziere schützen mußte, ist klar. Aber nur ganz wenige Menschen haben begriffen, warum ich nie vernommen oder unter Anklage gestellt worden bin. Ich habe als Kavalier das Verhalten der damaligen SPD damit quittiert, daß ich 50 Jahre lang das Maul gehalten habe über unsere Zusammenarbeit.“[3]
Hier erklärt Pabst ganz offen, dass er sowohl die Zustimmung des Reichswehrministers Noske und angeblich auch die des späteren Reichspräsidenten Ebert (beide SPD) zu den Morden gehabt habe. Pabst will in einem Telefongespräch mit Noske am Mordabend dessen indirekte Billigung erhalten haben: „Er müsse selbst verantworten was zu tun sei“.[4]
Auch schon im Spiegel-Interview von 1962[2] erklärte er, dass sowohl Noske als auch der Generalleutnant von Hofmann ihm bei seinen Taten zustimmten („Er hat mir gedankt“, so Pabst über Hofmann). Inwieweit diese Aussagen Pabsts der Wahrheit entsprechen, ist bis heute umstritten.
Als Folge der Morde gab es eine Prozesskomödie vor dem Feldkriegsgericht der GKSD, also vor den Kameraden der Mörder: Die Liebknechtmörder wurden freigesprochen. Oberleutnant Vogel, der den Mord an Rosa Luxemburg auf sich nahm, konnte dank der Hilfe von Wilhelm Canaris, einem der Richter in der Prozesskomödie und später Hitlers Abwehrchef, aus Deutschland fliehen. Einzig der Jäger Runge (den man schnell noch zum Husaren umdeklariert hatte) musste seine zweijährige Haftstrafe antreten. Der, laut Pabst, tatsächliche Todesschütze Rosa Luxemburgs, der ehemalige Leutnant zur See Hermann Wilhelm Souchon, wurde erfolgreich gedeckt, nur als Zeuge geladen und floh dann nach Finnland. Der eigentlich Verantwortliche für die Geschehnisse im Hotel Eden, Pabst, wurde nicht einmal angeklagt.
Politische und berufliche Aktivität
Weimarer Republik und Austrofaschismus
Im Jahre 1920 war Pabst maßgeblich am rechtsextremen Kapp-Putsch beteiligt. Nach dessen Scheitern in Folge eines politischen Generalstreiks setzte er sich ins Innsbrucker Exil ab. In Österreich stieg er zum Stabschef der austrofaschistischen Miliz Heimwehr auf. Er knüpfte eine enge Freundschaft mit deren Finanzier, dem „Patronenkönig“ Fritz Mandl. In dieser Rolle wurde Pabst auch von verschiedenen deutschen Großindustriellen finanziert, wie beispielsweise Hugo Stinnes, Ottmar E. Strauss und Otto Wolff. Gustav Stresemann, erpresst von Pabst, wegen ihrer Zusammenarbeit 1918/19, betrieb dessen Amnestie und versorgte ihn als Agenten in Österreich mit fürstlichen Jahresgagen aus deutschen Geheimfonds.[5] Nach dem gescheiterten Hitler-Ludendorff-Putsch von 1923 empfing Pabst auch den verletzten Putschisten Hermann Göring, wurde zu seinem Gastgeber und engem Freund.
Gleichzeitig arbeitete er zusammen mit dem faschistischen Italien, das er mehrfach besuchte. Er spielte eine entscheidende Rolle bei der Unterdrückung des sich aus dem Wiener Justizpalastbrand ergebenden Generalstreiks.
Waldemar Pabst wurde aus Österreich im Jahre 1930 ausgewiesen, pendelte aber einer Zeit lang weiter zwischen Österreich und Deutschland und ließ sich erst im Jahre 1931 in Berlin nieder, als Direktor bei Rheinmetall und in enger Zusammenarbeit mit dem Generaldirektor Hans Eltze. 1931 bat Adolf Hitler Pabst auf den Obersalzberg, um ihn zu seinem „politischen Organisationschef“ zu machen. Pabst kam Hitlers Wunsch nicht nach, da er sich als „Konservativer“ sah, und Hitler in seinen Augen ein „Sozialist“ war. Er entschied sich dafür, sich auf den österreichischen Theoretiker des Ständestaates Othmar Spann und den italienischen Faschismus zu berufen, von dem er mehr als von der NSDAP hielt.
In diesem Zeitraum fungierte er auch als informeller Botschafter der Heimwehr in Berlin. Mit Fritz Mandl organisierte er eine gemeinsame Sitzung des Heimwehr-Chefs Starhemberg und verschiedener Mitglieder der Harzburger Front, Hitler eingeschlossen. Bei einem damaligen Besuch in Wien befürwortete er eine konterrevolutionäre Regierung im Österreich, die die wirtschaftliche Zusammenarbeit mit Italien und Ungarn verstärken sollte, um eine Achse Wien-Budapest-Rom auf die Beine zu stellen.
Zeit des Nationalsozialismus
Nach dem sogenannten „Röhm-Putsch“ wurde Pabst verhaftet. Nach sechs Wochen in Haft wurde er im August 1934, dank den Bemühungen seines Freundes Göring, entlassen.
Pabst widmete sich nach der „Säuberung“ der SA immer weniger direkten politischen Aktivitäten und, zusammen mit Hans Eltze, immer intensiver dem Waffenexport, bis er schließlich eine eigene Firma gründete. Im Juni 1938 arbeitete er mit General Georg Thomas im Wehrwirtschafts- und Rüstungsamt und wurde kurzzeitig sein erster Stabsoffizier.
1939 wurde er eingezogen, 1940 wieder entlassen, eigenen Angaben zufolge, weil er ein Staatsfeind gewesen sei. Mit der Abfindungssumme, welche Pabst von Rheinmetall-Borsig erhielt, kaufte er eine Export-Importfirma, die „SFINDEX“, mit der er aus der Schweiz und anderen neutralen Ländern Rüstungsgüter und Maschinen für die Wehrmacht besorgte. Drei Jahre später wanderte Pabst aus Furcht vor einer Verhaftung durch die Gestapo in die Schweiz aus, wo er gleichzeitig Wirtschaftsspionage im Auftrag der deutschen Abwehr getrieben und in Kontakt mit dem OSS-Topagent in Genf und späteren CIA-Chef Allen Dulles gestanden hatte.[6]
In der Schweiz kümmerte er sich um die Waffenfabrik Solothurn, die in den späten 1920er Jahren von Eltze und Mandl gegründet worden war. Die Fabrik sollte weltweit Waffen im Auftrag und Besitz der Rheinmetall exportieren, solange die Bestimmungen des Versailler Vertrages dies verhinderten. Allerdings ging Eltze 1933 nach Deutschland und Mandl 1938 nach Argentinien. Beide nutzten Pabst als Vertrauensperson, die sich um die Geschäfte in Solothurn kümmerte.
Westdeutschland
Erst 1955 kehrte Pabst nach Düsseldorf zurück, wo er noch lange Zeit Waffengeschäfte tätigte. In der Nachkriegszeit genoss er gelegentlich den Schutz des Bundeswehr-Obersts Achim Oster, dem Sohn seines von der Gestapo hingerichteten Freundes General Hans Oster. Oster, der in einer Vorläufer-Organisation des Militärischen Abschirmdienstes (MAD) hochrangig tätig war, berief sich auf Pabsts Verdienste bei der Ermordung Rosa Luxemburgs, um seine Forderungen an die Bundeswehr zu begründen. In einem bundesamtlichen Bulletin vom 8. Februar 1962 wurde die Ermordung von Liebknecht und Luxemburg als „standrechtliche Erschießung“ ausgegeben, da Deutschland, laut Bulletin, nur so „vor dem Kommunismus gerettet“ werden konnte.
Pabst starb wohlhabend im Jahr 1970. Er war kein Mitglied, jedoch Sympathisant und Wähler der NPD.[7]
Literatur
- Ramón Bill: Waffenfabrik Solothurn. Schweizerische Präzision im Dienste der deutschen Rüstungsindustrie. In: Schriftenreihe des Kantonalen Museums Altes Zeughaus, Heft 14. Solothurn 2002
- Klaus Gietinger: Eine Leiche im Landwehrkanal. Die Ermordung Rosa Luxemburgs. Neuaufl. der Ausg. 1993. Edition Nautilus, Hamburg 2009, ISBN 978-3-89401-593-0
- Klaus Gietinger: Der Konterrevolutionär. Waldemar Pabst. Eine deutsche Karriere. Edition Nautilus, Hamburg 2009 ISBN 978-3-89401-592-3. Rezension zu beiden Büchern Gietingers in der ZEIT vom 15. Januar 2009
- Peter Hug: Schweizer Rüstungsindustrie und Kriegsmaterialhandel zur Zeit des Nationalsozialismus. Unternehmensstrategien – Marktentwicklung – politische Überwachung. Chronos, Zürich 2002
- Doris Kachulle: Waldemar Pabst und die Gegenrevolution. Vorträge, Aufsätze. Edition Organon, Berlin 2007, ISBN 978-3-931034-10-8. Rezension, Auszug (PDF)
- Lajos Kerekes: Abenddämmerung einer Demokratie. Mussolini, Gömbös und die Heimwehr. Europa Verlag, Wien, Frankfurt, Zürich 1966
- Joachim Petzold: Wegbereiter des deutschen Faschismus. Die Jungkonservativen in der Weimarer Republik. Pahl-Rugenstein, Köln 1983
- Manfred Wichmann: Die Gesellschaft zum Studium des Faschismus. Ein antidemokratisches Netzwerk zwischen Rechtskonservativismus und Nationalsozialismus. In: Werner Röhr (Hrsg.): Bulletin für Faschismus- und Weltkriegsforschung 31/32, Berlin 2008
Einzelnachweise
- ↑ Vgl. das ungünstige Charakterbild, das Max Graf zu Solms dort gewann, in: Freda Gräfin zu Solms (Hgn.), Max Graf zu Solms. Ein Lebensgang, Marburg: N. G. Elwert 1982.
- ↑ a b Ich ließ Rosa Luxemburg richten. In: Der Spiegel. Nr. 16, 1962 (online).
- ↑ Erstmals vollständig abgedruckt bei: Klaus Gietinger, Der Konterrevolutionär. Waldemar Pabst – eine deutsche Karriere, S. 394.
- ↑ Gietinger, Konterrevolutionär, Dokument 5, S. 396f
- ↑ Doris Kachulle, Der Deal mit Stresemann und Co., in: Doris Kachulle, Waldemar Pabst und die Gegenrevolution, Berlin 2007, S. 18–20; Gietinger, Konterrevolutionär, S. 257–263
- ↑ Gietinger, Der Konterrevolutionär, S. 322–365; Doris Kachulle, Der Bundesanwalt und der lettische Ehrenmann, in: Kachulle, Pabst und die Gegenrevolution, S. 40–50.
- ↑ laut eigenen Worten in seinem Brief vom 1. Juli 1966 an Herrn v. Beschwitz, gefunden im Nachlass Pabst.
Weblinks
- Literatur von und über Waldemar Pabst im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Waldemar Pabst in der Online-Version der Edition Akten der Reichskanzlei. Weimarer Republik
- Ich liess Rosa Luxemburg richten. SPIEGEL-Gespräch mit dem Putsch-Hauptmann Waldemar Pabst, Der Spiegel, 16/1962, 18. April 1962
- Klaus Gietinger: Die Spur der Mörder führt in die Reichskanzlei (ursprünglich erschienen im Neuen Deutschland vom 9. Januar 1999)
- Die Mörder Rosa Luxemburgs, Geo Epoche, August 2007 Nr. 27
- Liebknecht – Luxemburg: Der dritte Mann. In: Der Spiegel. Nr. 8, 1967, S. 40 (online).
- Klaus Gietinger: Mörder der Revolution. Waldemar Pabst – Brückenbauer zwischen Konservatismus und Faschismus. Ein Forschungsbericht, 16. Januar 2008 (ursprünglich erschienen in der Jungen Welt 10/2008, S. 10–11)
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