- Sueskrise
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Sueskrise Teil von: Nahostkonflikt
Operationen während der SueskriseDatum 29. Oktober 1956–März 1957 Ort Sinai-Halbinsel, Sueskanal Casus Belli Verstaatlichung des Sueskanales durch Ägypten, Sperrung des Akaba-Golfes und des Sueskanales für israelische Schiffe Ausgang Militärischer Sieg Frankreichs, Großbritanniens und Israels
Politischer Sieg ÄgyptensFolgen UN-Waffenstillstand
UN-Mission an der ägyptisch-israelischen Grenze
Internationalisierung des SueskanalesKonfliktparteien Frankreich
Großbritannien
IsraelÄgypten Befehlshaber Pierre Barjot
Anthony Eden
Charles Keightley
Moshe DajanGamal Abdel Nasser
Abdel Hakim AmerTruppenstärke Frankreich: 34.000
Großbritannien: 45.000
Israel: 175.000Ägypten: 70.000 Verluste Frankreich: 10 Tote und 33 Verwundete
Großbritannien: 16 Tote und 96 Verwundete
Israel: 186 Tote und 899 Verwundete1.650 Tote
4.900 Verwundete
6.185 KriegsgefangeneDie Sueskrise (auch: Suezkrise oder Sinai-Krieg und Sinai-Feldzug) im Jahr 1956 entstand aus einer militärischen Intervention in Ägypten, die das politische Ziel verfolgte, den Präsidenten Ägyptens Gamal Abdel Nasser zu stürzen. Dazu diente ein bewaffneter Konflikt zwischen Ägypten auf der einen und einer Allianz aus Großbritannien, Frankreich und Israel auf der anderen Seite. Anlass und Streitpunkt war die Nationalisierung der mehrheitlich britisch-französischen Sueskanal-Gesellschaft. Der Sueskanal war für die Erdölversorgung Großbritanniens von großer Bedeutung. Hintergrund war Nassers Bestreben, das formal souveräne Ägypten aus der britischen Einflusssphäre zu befreien.
Nach ergebnislosen internationalen Verhandlungen vereinbarten Frankreich und Großbritannien, den zu einem „Hitler vom Nil“[1] stilisierten Präsidenten Ägyptens Gamal Abdel Nasser zu stürzen. Frankreich war durch die ägyptische Unterstützung der algerischen Befreiungsbewegung FLN motiviert, die gegen die französische Kolonialherrschaft kämpfte. Israel wollte sich aus der arabischen Umklammerung und von andauernden Grenzgefechten mit Palästinensern befreien. Der vor den USA geheimgehaltene Plan sah einen israelischen Angriff auf Ägypten vor. Die beiden westeuropäischen Staaten sollten sich danach als vorgeblich neutrale Vermittler einschalten und Nasser stürzen. Nach dem israelischen Angriff waren Luftangriffe und Bombardements durch Frankreich und Großbritannien geplant, danach die Landung von Bodentruppen. Die USA und die Sowjetunion intervenierten und brachten das anglo-französische Unternehmen vor die UNO. Die britisch-französischen Interventionstruppen, die im Oktober 1956 gelandet waren, mussten den Rückzug antreten, ohne Nasser gestürzt zu haben.[2] Das Resultat war trotz militärischer Erfolge eine Stärkung der ägyptischen Position im Nahen Osten.
Dass Großbritannien und Frankreich versuchten, Ägypten durch militärische Aggression zur Rückgabe des Sueskanals zu zwingen und sein Regime zu stürzen, während zur selben Zeit die Rote Armee den Ungarischen Volksaufstand niederschlug, stellte die Länder in der öffentlichen Wahrnehmung auf die gleiche spätimperialistische[3] Stufe. Die bis dahin „letzte Entfaltung des imperialen Machismo“ löste weltweit Empörung und Kritik aus.[4]
Inhaltsverzeichnis
Hintergrund
Nach dem Zweiten Weltkrieg hatte sich in Französisch-Afrika die Kolonialherrschaft wieder gefestigt. Im arabisch geprägten Nordafrika kam es zu Beginn der 1950er Jahre zum offenen Kampf von nationalen Bewegungen gegen die koloniale Herrschaft. Frankreich musste 1956 seine Protektorate Marokko und Tunesien aufgeben, führte aber mit einem Großteil seiner Streitkräfte noch Krieg gegen die algerische Befreiungsfront FLN. Das "British Empire" zog sich schrittweise aus dem Nahen Osten zurück, weitgehend friedlich. Ägypten verblieb zunächst im britischen Machtbereich. Großbritannien entschloss sich, die nationale Unabhängigkeit Ägyptens zu unterstützen, sofern es sich prowestlich verstand. König Faruqs Politik zielte auf Kooperation mit den westlichen Mächten. 1953 waren am Sueskanal etwa 80.000 britische Soldaten[5] stationiert. Großbritannien zog wie 1954 im Suez-Abkommen vereinbart im Juni 1956 seine Truppen aus Ägypten zurück. In Ägypten hatten inzwischen Offiziere der ägyptischen Armee Faruq gestürzt. Eine neue Generation nationalistischer und panarabischer Politiker war an der Macht, geführt von Präsident Gamal Abdel Nasser, der auch international an Bedeutung gewann.
Ägypten unter Nasser unterstützte den Kampf der algerischen Befreiungsfront gegen die französische Kolonialmacht mit Waffenlieferungen. Nasser plante zur Beseitigung des Massenelends den Bau des Assuan-Staudamms. Weil die westlichen Länder, vor allem die USA, dem neuen Regime Entwicklungshilfe verweigerten, wandte Nasser sich erfolgreich an die Sowjetunion. 1955 schien es, Ägypten würde sich dem Sowjetblock anschließen, als es Waffenlieferungsabkommen mit der Tschechoslowakei abschloss und eine sowjetische Finanzierung des Staudamms wahrscheinlich wurde. Daraufhin zogen die USA nach und offerierten ihrerseits eine Finanzierung des Staudamms, die Präsident Eisenhower am 19. Juli 1956 durch Außenminister Dulles aber wieder zurückzog. Ob hierfür die Politik Nassers verantwortlich war oder die Vermutung, auch Moskau sei in Wahrheit nicht zur Finanzierung des ägyptischen Prestige-Projekts bereit, bleibt ungewiss. Resultat war, dass Nasser sich nun scharf gegen den Westen wandte und schließlich am 26. Juli die Sueskanal-Gesellschaft verstaatlichte. Mit den Gebühren für die Benutzung des Sueskanals sollten die Kosten für den Bau des Staudamms aufgebracht werden. Die Aktienbesitzer der Sues-Gesellschaft wurden finanziell entschädigt. Die UdSSR und Indien billigten auf drei ergebnislosen internationalen Konferenzen letztlich die Nationalisierung, aber Großbritannien war sowohl ökonomisch als auch machtstrategisch beunruhigt.
Im Laufe des Jahres 1956 verschärfte sich der Konflikt zwischen Ägypten und Israel, das sich zunehmend Angriffen durch Fedajin von ägyptischem Territorium und vom ägyptisch besetzten Gaza-Streifen aus erwehren musste. Ägypten blockierte den Golf von Akaba, den einzigen Zugang Israels zum Roten Meer, und sperrte den Sueskanal für israelische Schiffe. Zugleich bildete Ägypten gemeinsam mit Jordanien und Syrien ein „Vereinigtes Arabisches Oberkommando“, das aber faktisch nur wenig Befugnisse hatte.
Israel hoffte, sowohl die Ägypter militärisch zu schwächen als auch den Gazastreifen und Scharm El-Scheich zu erobern. Ein Fallschirmjägerüberfall auf das westliche Ende des Mitla-Passes sollte mit einer Vergeltung palästinensischer Angriffe begründet werden.
Beginn der Krise
Die Ursachen der Krise liegen in der Struktur der Nutzung des Sueskanals begründet. Die Erteilung einer Konzession zum Bau an eine ausländische Gesellschaft schloss die wirtschaftliche Nutzung des Kanals bis 1953 durch dieselbe Gesellschaft mit ein. Zudem stieg mit zunehmender wirtschaftlicher Bedeutung des Erdöls die Abhängigkeit der europäischen Mächte von der Nutzung des Kanals. Die freie Durchfahrt versuchte vor allem Großbritannien durch starke Einflussnahme auf die Innenpolitik Ägyptens und durch militärische Präsenz am Kanal zu erreichen.
Internationale Vermittlung scheitert
Großbritannien und Frankreich sahen sich nun in ihren Einflusssphären gefährdet und riefen den UNO-Sicherheitsrat an, um Nasser per Resolution zur Rückgabe des Kanals zu veranlassen. Zuvor hatten von Washington initiierte Konferenzen stattgefunden, um eine kriegerische Auseinandersetzung zu vermeiden, die aber scheiterten. Washington schlug sich bewusst nicht auf die Seite der europäischen Mächte, um eine Auseinandersetzung mit der Sowjetunion zu vermeiden, die dann Ägypten unterstützt hätte. Die UN-Resolution wie sie Frankreich und Großbritannien anstrebten, war gar nicht auf Erfolg ausgelegt. Ein Veto der Sowjetunion wurde erwartet und war sogar erwünscht, da Großbritannien und Frankreich damit einen Vorwand hätten, Ägypten anzugreifen um den sozialistischen, nationalistischen (Panarabismus) Staatspräsident Nasser zu stürzen.
Allerdings ist ein Putschversuch von Seiten Großbritanniens und Frankreichs nicht belegbar, im Gegenteil. In seiner "Footnote to History" belegt der damalige US-Botschafter in London eindeutig, dass eine Absetzung Nassers gänzlich anderer militärische Vorbereitungen bedurft hätte. Zudem erklärte der britische General Keithley, der für die Besetzung Ismailias zuständig war, eindeutig, sein Auftrag hätte allein in der Errichtung eines Waffenstillstandes bestanden.[6]
Vorbereitungen
Um die öffentliche Meinung auf die Notwendigkeit eines Krieges einzustimmen, forderte der britische Premierminister Anthony Eden, dass man der Bedrohung durch den „Mussolini vom Nil“ entschlossen entgegentreten müsse. Dies verfehlte seine Wirkung nicht, denn Eden galt als entschiedener Gegner der Appeasement-Politik gegenüber Hitler und Mussolini. Eden erhielt vom Air Marshal Barnett die Versicherung, dass Luftangriffe bereits reichen würden, um einen Sturz der Regierung Nasser zu erreichen. Am 27. Juli 1956 wurde in den britischen Streitkräften ein Planungsstab gebildet, der den Angriff auf Ägypten unter der Bezeichnung "Operation Musketeer" entwerfen sollte. Der Plan sah massive Luftangriffe auf die Flugplätze der ägyptischen Luftwaffe und danach auf Bodentruppen vor. Danach sollte die Luft- und Seelandung erfolgen. Hierzu sammelte sich eine große Armada vor Malta und Algier, noch während der De-Eskalationsbemühungen Washingtons. Allerdings gab es erhebliche Meinungsverschiedenheiten darüber, wie weit eine Schwächung der Bodentruppen durch eine reine Luftvorbereitung überhaupt möglich sei und wo genau die anschließende Landung stattfinden sollte. Zwischenzeitig fassten die Militärplaner Alexandria als Ort des Angriffs ins Auge. Damit wäre zwar keine unmittelbare Eroberung der Kanalzone möglich gewesen, aber Alexandria war für die britischen und französischen Streitkräfte leichter zu erreichen und eine größere politische Wirkung für einen Sturz Nassers war abzusehen. Im September lehnte der Ägypten-Ausschuss diesen Plan jedoch ab. Vermutlich erschien es der Politik zu schwierig, einen Angriff auf Alexandria mit der Eroberung der Kanalzone zu rechtfertigen. Zudem wollten einzelne Vertreter des französischen Militärs die Operation auf die Kanalzone begrenzen. Darauf wies der Ägypten-Ausschuss das Militär an, einen Angriff auf Port Said zu planen. Zugleich begannen die Franzosen mit der parallelen Planung eines Angriffs auf Port Said. Auch ein Angriff auf das südliche Kanalende war kurzzeitig im Gespräch, wurde aber wieder verworfen. Am 19. September wurde dem britischen Kabinett der überarbeitete Plan "Musketeer Revise" vorgelegt. Er sah neben der weitgehenden Vernichtung der ägyptischen Kampfkraft durch Luftschläge auch eine umfassende psychologische Wirkung der Luftangriffe vor, die den Kampfeswillen von Militär, Bevölkerung und Politik brechen sollte.
Bei mehreren Treffen in Sèvres nahe Paris wurde die Zusammenarbeit zwischen dem französischen und dem israelischen Geheimdienst verstärkt. Am 29. September trafen sich Frankreichs Außenminister Christian Pineau und Verteidigungsminister Maurice Bourgès-Maunoury mit Israels Vertretern Golda Meïr, Schimon Peres und Mosche Dajan. Im Oktober folgten Zusicherungen Frankreichs und Großbritanniens über Waffenlieferungen. Frankreich sagte außerdem den Schutz des israelischen Luftraums und der Küste zu. Zudem wollte Frankreich mit seinem Veto im UN-Sicherheitsrat einer gegen Israel gerichteten Entscheidung entgegenwirken. Israel sollte eine Invasion starten, so dass Großbritannien und Frankreich als vermeintliche Friedensmächte intervenieren könnten. Die Europäer würden dann die israelischen und ägyptischen Armeen zum Rückzug auf die jeweilige Seite des Kanals bewegen und eine britisch-französische Interventionsstreitkraft am Kanal um Port Said stationieren. Am 24. Oktober unterzeichneten die drei Staaten ein Abkommen über ihr Vorgehen.
Die Invasion
Am 29. Oktober 1956 begann Israel mit der Invasion des Gazastreifens und der Sinai-Halbinsel und stieß schnell in Richtung des Kanals vor. Am folgenden Nachmittag wurde der ägyptische Botschafter in London ins Foreign Office einbestellt und erhielt vom Vertreter des britischen Außenministers Selwyn Lloyd, Sir Ivone Kirkpatrick sowie vom französischen Außenminister Christian Pineau einen Forderungskatalog überreicht. In dem auf zwölf Stunden befristeten britisch-französischen Ultimatum wurde von den ägyptischen Truppen verlangt, zehn Meilen hinter den Sues-Kanal zurückzuweichen und damit die ganze Sinai-Halbinsel zu räumen. Den Israelis wurde ihrerseits aufgetragen, nicht näher als zehn Meilen an den Sues-Kanal heranzurücken. So weit waren sie zu diesem Zeitpunkt überhaupt noch nicht vorgedrungen.
Zudem wurde von Ägypten das Einverständnis mit der vorübergehenden Besetzung von Sues, Ismailia und Port Said gefordert. Präsident Nasser wies die Forderung und das Ultimatum wie erwartet zurück. Durch seine Ablehnung lieferte er Großbritannien und Frankreich den erwünschten Vorwand, die Kontrolle über den Kanal militärisch zu gewinnen und das Regime Nassers zu stürzen.
Am 31. Oktober begannen Großbritannien und Frankreich mit der Bombardierung ägyptischer Flughäfen. Einen Tag zuvor waren die Ziele psychologischer Kriegsführung fallen gelassen worden. Die Luftwaffe sollte sich nun auf militärische Ziele konzentrieren. Anfang November kam es zu diplomatischen Auseinandersetzungen zwischen Großbritannien und Frankreich, da die britische Regierung nur teilweise über die Unterstützung der französischen Luftwaffe für Israel informiert worden war. Die Briten wollten den Anschein aufrechterhalten, dass die Europäer neutral seien und keineswegs Israel unterstützten.
Das israelische Fallschirmjäger-Bataillon 890 hatte inzwischen nach einer Luftlandung den Ostausgang des strategisch wichtigen Mitla-Passes gesichert. Der Rest der Fallschirmjäger-Brigade 202 unter Ariel Scharon kämpfte sich in zwei Tagen auf dem Landweg die 200 km durch feindliches Gebiet zum Mitla-Pass vor. Ein israelischer Spähtrupp geriet im Pass unter schweres ägyptisches Feuer und wurde vom Rückweg abgeschnitten. Scharon ließ seine Männer den Pass einnehmen, um den Spähtrupp zu retten und gleichzeitig die einzig mögliche Stelle für einen größeren ägyptischen Gegenangriff im südlichen Sinai nachhaltig zu sichern.
Am 5. November landeten alliierte Fallschirmjäger am Flughafen Gamil, sicherten das Gelände und errichteten eine Basis zur Luftunterstützung. In den frühen Morgenstunden des 6. November landeten die Kommandos 40 und 42 der Royal Marines mit amphibischen Fahrzeugen und Feuerunterstützung von Schlachtschiffen an den Stränden Ägyptens. Port Said wurde durch verheerende Brände fast vollständig zerstört.
Beim weiteren Vorstoß trafen die Landekommandos auf harten Widerstand. Kommando 45 der Marines griff per Hubschrauber an (die erste Operation dieser Art in der Kriegsgeschichte) und begann mit dem Häuserkampf in einer Region, wo der Besitz von Schusswaffen für Männer nichts Ungewöhnliches ist. Ägyptische Scharfschützen und eigenes Feuer fügten den Marineinfanteristen zwar schmerzhafte Verluste zu, trotzdem konnten diese das Gefecht für sich entscheiden.
Das eilig verbreitete Gerücht, die sowjetische Armee käme Ägypten zur Hilfe, konnte Nassers demoralisierte Truppen nicht mehr stabilisieren: Die ägyptische Armee und ihre sieben gepanzerten Divisionen mussten wegen des schnellen Vorstoßes der Angreifer und deren Luftüberlegenheit zurückweichen.
Die Kommandos erreichten den Kanal und wandten sich nach Südwesten in Richtung Kairo. Jetzt, da der Kanal in den Händen der Europäer war, sicherten sie vor einem weiteren Vorstoß nach Süden und Westen ihre Positionen.
Politischer Druck, Waffenstillstand und Rückzug
Wider Erwarten erhielten die europäischen Mächte keine Rückendeckung von Seiten der Vereinigten Staaten für ihr Vorgehen. Der britische Premier Eden rechnete damit, Dwight D. Eisenhower würde sich trotz Vorbehalten im Kriegsfall auf die Seite seiner zentralen europäischen Alliierten schlagen. Vor dem Hintergrund des Kalten Krieges verfolgte Washington jedoch eine Containment-Politik und hielt gute Beziehungen zu Staaten der Dritten Welt für wichtiger als britisch-französische Macht- und Wirtschaftsinteressen.
Die Vereinigten Staaten brachten daher eine Resolution im UNO-Sicherheitsrat ein, die den Rückzug Israels aus Ägypten forderte. Frankreich und Großbritannien als Veto-Mächte im Sicherheitsrat verhinderten verabredungsgemäß die Verabschiedung dieser Resolution. Mit Beginn der Bodenoperationen wuchs der diplomatische Druck auf Großbritannien, Frankreich und Israel sprunghaft an. Am 31. Oktober stoppten die USA die Entwicklungshilfe für Israel. Großbritannien drohten sie auch mit der Veräußerung von Reserven an britischer Währung, was deren Kurs hätte einbrechen lassen können. Um eine weitere Eskalation des Konfliktes zu vermeiden, sah sich Washington gezwungen, mit der Sowjetunion eine Uniting-for-peace-Resolution anzustreben, die die Entscheidung über die Resolution der Generalversammlung der UN überträgt ohne Veto-Möglichkeit der ständigen Mitglieder. Am 2. November 1956 forderte die UNO von Israel (und nur von Israel) die Einstellung der Kampfhandlungen und den Rückzug hinter die Waffenstilllstandslinie, am 4. November die Aufstellung einer UNO-Friedenstruppe. Israel versuchte, den unvermeidbaren Rückzug seiner Truppen zu verzögern und vorher völkerrechtliche Garantien von der UNO zu erreichen: Gewährleistung sicherer Grenzen und freie Schifffahrt für Israel im Golf von Akaba. Die USA unterstützen diese Forderung.
Am 5. November drohte die Sowjetunion gegenüber Frankreich und Großbritannien, mit der Anwendung von Gewalt die Aggressoren zu vernichten und den Frieden im Nahen Osten wiederherzustellen[7] Parteichef Chruschtschow sprach sogar von der - militärisch nicht verwirklichbaren - Zerstörung der westlichen Hauptstädte mit Atomwaffen.[8] An Israel richtete der sowjetische Ministerpräsident Bulganin die Warnung: Als Vollstrecker eines fremden Willens und im Auftrag anderer treibt die Regierung Israels ein verbrecherisches und unverantwortliches Spiel mit dem Schicksal der Welt, mit dem Schicksal ihres eigenen Volkes. Sie sät unter den Völkern des Ostens einen Haß, der sich auf die Zukunft Israels auswirken muß und seine staatliche Existenz in Frage stellt...Wir erwarten, daß die Regierung Israels sich eines Besseren besinnt, ehe es zu spät ist, und ihre militärischen Operationen gegen Ägypten einstellt[9]. Gleichzeitig rief sie ihren Botschafter aus Tel Aviv ab. Am Tag darauf stellten Großbritannien, Frankreich und Israel die Kampfhandlungen ein.
Der Kriegsschauplatz wurde am 22. Dezember 1956 wieder geräumt. Am 7. März 1957 verließen die letzten israelischen Soldaten ägyptisches Territorium, aber erst nachdem die UNO-Vollversammlung die Forderung nach Truppenrückzug am 24. November 1956, am 19. Januar 1957 und am 2. Februar 1957 wiederholt hatte. [10]
Konsequenzen
Das Engagement am Kanal, obwohl militärisch erfolgreich, entwickelte sich so gerade für Großbritannien zu einer Demütigung ersten Ranges. Zudem war nur das Ziel einer Besetzung der Kanalzone vorübergehend erreicht worden. Der Sturz Nassers durch die Intervention misslang. In der Folge musste Premierminister Anthony Eden zurücktreten, die britische Wirtschaft und Währung kamen unter Druck. Zugleich verfestigte sich Großbritanniens Verlust seiner Weltmachtstellung – es war der letzte Versuch der alten Weltmacht, ohne Zusammenarbeit mit der neuen Weltmacht USA, ihre Interessen durchzusetzen. Zudem wuchs der Widerstand der Staaten der Dritten Welt: Die Niederlage der Briten beschleunigte die Entwicklung, mit der in den nächsten Jahren auch die restlichen britischen und französischen Kolonien auf dem Weg über die Dekolonisation ihre Unabhängigkeit anstrebten.
Israel setzte zwar noch auf Großbritannien und Frankreich als Unterstützer seiner Außenpolitik, in zunehmenden Maß aber auch auf die USA. Angesichts des politischen britisch-französischen Suez-Debakels betrachteten sich die USA nun als alleinige Verteidiger westlicher Interessen im Nahen Osten, wovon Israel in Form von Waffenlieferungen und amerikanischen Sicherheitsgarantien profitierte.
Die UdSSR schaltete sich in der Folge in den Nahostkonflikt ein und unterstützte Ägypten militärisch und wirtschaftlich. Zudem konnte sie den Ungarn-Aufstand ungehindert niederschlagen, da Washington für die "Uniting-for-peace"-Resolution auf die Unterstützung der UdSSR angewiesen war.
Auf ägyptischer Seite stärkte die Krise trotz militärischer Niederlage massiv die Position Nassers in der arabischen Welt und seinen Panarabismus. Nasser gelang es dabei die militärische Niederlage vor der arabischen Öffentlichkeit in einen politischen Sieg zu verwandeln. In nicht-öffentlichen Gesprächen bemerkte er dass er sich der unerwartet dürftigen Leistung des Militärs bewusst war.[11]
In Scharm El-Scheich und auf der ägyptischen Seite im Gaza-Streifen wurden Friedenstruppen der UNEF I (United Nations Emergency Force) stationiert. Damit war die Bedrohung der israelischen Grenze durch ägyptische Fedajin gebannt. Israel konnte die wirtschaftlich wichtige Schiffahrtsroute von Eilat durch den Golf von Akaba nach Ostafrika und Asien wieder benutzen. Frankreich lieferte nach dem Krieg Flugzeuge sowie Bauteile für das israelische Kernwaffenprogramm.[12] In der arabischen Welt hatte sich aber nach den Worten Nachum Goldmanns das Bild Israels als eines Bundesgenossen der „imperialistischen Mächte“ [...] endgültig fixiert[13] und weitere Konfrontationen waren vorgezeichnet.
Versenkte Schiffe versperrten die Durchfahrt durch den Suezkanal noch einige Wochen. Am 10. April 1957 konnte er wieder passiert werden, erstes Schiff war die italienische Oceania.[14]
Schreibweise
Ausgehend vom arabischen Namen der ägyptischen Stadt ist die deutsche Transkription Sues korrekt, und so steht sie auch im Duden. Der arabische Name السويس wird hocharabisch as-Suwais, ägyptisch es-Swēs ausgesprochen. (Wobei das W „englisch“, also als konsonantisches U ausgesprochen wird.)
Die oft auch angetroffene Schreibweise Suez entspricht der englischen und der französischen Transkription.
Siehe auch
Literatur
- Gerhard Altmann: Abschied vom Empire. Die innere Dekolonisation Großbritanniens 1945-1985. Göttingen 2005.
- Marc R. DeVor: Die militärischen Pläne Großbritanniens und Frankreichs während der Suezkrise. in: "Krisen im Kalten Krieg". Bundeszentrale für politische Bildung, 2009.
- Johannes Glasneck, Angelika Timm: Israel: Die Geschichte des Staates seit seiner Gründung, Bonn, Berlin 1992, ISBN 3-416-02349-8, S. 125-133
- Reinhard C. Meier-Walser: Suez - eine weltpolitische Krise mit Folgen. In: Neue Zürcher Zeitung. 28./29. Oktober 2006.
Quellen
- ↑ Gerhard Altmann: Abschied vom Empire: die innere Dekolonisation Grossbritanniens 1945-1985, Göttingen 2005, 3-89244-870-1, S.141
- ↑ Jost Dülfer: Europa im Ost-West-Konflikt 1945-1990, München 2004, ISBN 3-486-49105-9, S. 29f.
- ↑ Jost Dülfer: Europa im Ost-West-Konflikt 1945-1990, München 2004, ISBN 3-486-49105-9, S. 179.
- ↑ Gerhard Altmann: Abschied vom Empire: die innere Dekolonisation Grossbritanniens 1945-1985, Göttingen 2005, 3-89244-870-1, S. 170.
- ↑ Wir geben zu, Der Spiegel. 7. Oktober 1953, S. 16–17. Abgerufen am 20. März 2010.
- ↑ Aldrich, W. Winthroph: The Suez Crisis. A Footnote to History. Foreign Affairs; an American Quarterly Review, 45:3. p. 541f
- ↑ zitiert nach: Johannes Glasneck, Angelika Timm: Israel: Die Geschichte des Staates seit seiner Gründung, Bonn, Berlin 1992, ISBN 3-416-02349-8, S. 132f.
- ↑ Jost Dülffer: Europa im Ost-West-Konflikt. 1945–1991, München 2004, ISBN 3-486-49105-9, S. 20
- ↑ zitiert nach: Johannes Glasneck, Angelika Timm: Israel: Die Geschichte des Staates seit seiner Gründung, Bonn, Berlin 1992, ISBN 3-416-02349-8, S. 132f.
- ↑ Johannes Glasneck, Angelika Timm: Israel: Die Geschichte des Staates seit seiner Gründung, Bonn, Berlin 1992, ISBN 3-416-02349-8, S. 132f.
- ↑ Michael Oren: Six Days of War: June 1967 and the Making of the Modern Middle East, New York, 2002, S. 11–15
- ↑ Michael Oren: Six Days of War: June 1967 and the Making of the Modern Middle East, New York, 2002, S. 11–15
- ↑ zitiert nach: Johannes Glasneck, Angelika Timm: Israel: Die Geschichte des Staates seit seiner Gründung, Bonn, Berlin 1992, ISBN 3-416-02349-8, S. 133
- ↑ http://www.n-tv.de/724124.html
Weblinks
Commons: Sueskrise – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien- Literatur zum Schlagwort Sueskrise im Katalog der DNB und in den Bibliotheksverbünden GBV und SWB
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