- Teilchen im Kasten
-
Das Teilchen im Kasten, auch unendlicher Potentialtopf genannt, ist ein Spezialfall des Potentialtopfes, bei dem das Potential in einem bestimmten Bereich gleich Null und außerhalb davon unendlich ist. Das Teilchen im Kasten ist ein Modellsystem in der Quantenmechanik, welches die Quantisierung der Energie verständlich macht. Als eindimensionales Modell lässt es sich vergleichsweise einfach berechnen. Es handelt sich jedoch um eine vereinfachende Annahme, die den Regeln der Quantenmechanik nicht völlig entspricht, da die sich ergebende Wellenfunktion z.B. nicht stetig differenzierbar ist (am Übergang von Potentialbarriere und Kasteninnerem).
Aufbau und Voraussetzungen
Das eindimensionale Modellsystem besteht aus einem freien Teilchen, beispielsweise einem Gasmolekül, das sich in dem potentialfreien Raum zwischen zwei unendlich großen Potentialen befindet. Die als "Wände" bezeichneten Grenzen (eine bei x = 0 und eine bei x = L) sind senkrecht zur x-Achse und somit parallel zueinander. Dieses stark vereinfachende Modell eines Potentialtopfs bezeichnet man als Potentialkasten.
Innerhalb des Potentialkastens der Länge L wirken im Modell keine Kräfte auf das Teilchen (Gravitation und Elektromagnetische Felder werden nicht berücksichtigt). Da das Potential außerhalb des Kastens unendlich groß ist, kann das Teilchen den Kasten nicht verlassen. Daraus folgt, dass sich das Teilchen im Inneren des Kastens mit konstanter Geschwindigkeit v bewegt und an den Wänden ohne Energieverlust reflektiert wird. Betrachtet man v als vektorielle Größe, so gilt, dass der Betrag der Geschwindigkeit konstant bleibt.
Zustandsfunktion und Antreffwahrscheinlichkeit
Beschreibt man das Teilchen, wie in der Quantenphysik üblich, mit Hilfe einer einfachen Wellenfunktion, ergibt sich, dass im Inneren des Potentialkastens nur solche Teilchen existieren können, für die L ein ganzzahliges Vielfaches ihrer halben Wellenlänge ist, denn nur hier fällt auch nach einer Reflexion Wellenberg auf Wellenberg und Wellental auf Wellental (stehende Welle). Ist L kein Vielfaches der halben Wellenlänge, löscht sich die Welle durch Überlagerung nach kurzer Zeit selbst aus. Dies ist die erste Besonderheit der Quantenmechanik, die sich mit dem Teilchen im Kasten aufzeigen lässt: Teilchen innerhalb eines Potentialtopfes können nur in bestimmten Zuständen existieren, die mit der Quantenzahl n eindeutig beschrieben werden.
Eine weitere quantenmechanische Besonderheit in dem Modell ist die Antreffwahrscheinlichkeit, also die Wahrscheinlichkeit, das Teilchen an einem bestimmten Ort anzutreffen. Die Wahrscheinlichkeit, das Teilchen irgendwo im Potentialkasten zu finden, beträgt 1, da es den Kasten nicht verlassen kann. Überall außerhalb des Kastens beträgt die Antreffwahrscheinlichkeit dementsprechend 0. Für einzelne Punkte innerhalb des Kastens ist die Antreffwahrscheinlichkeit verschieden und hängt von dem Zustand des Teilchens ab.
Eine andere Besonderheit der Quantenmechanik, der Tunneleffekt, tritt nicht bei dem hier beschriebenen Potential, sondern nur bei einem endlich hohen Potentialtopf auf.
Energie
Weil Teilchen innerhalb eines Potentialkastens nur in bestimmten einzelnen Zuständen n existieren können, können sie auch nur bestimmte diskrete, von n abhängige Energiewerte haben. Dies gilt auch bei endlich hohen "Wänden" und hat weitreichende Auswirkungen etwa auf das Verständnis des Aufbaus von Atomen. Mit den oben gemachten Annahmen lässt sich für die Energie eines Teilchens in Abhängigkeit von n folgende Gleichung herleiten:
Wird ein Teilchen angeregt, also etwa einem Atom durch Bestrahlung Energie zugeführt, wechselt es ohne "fließenden" Übergang direkt auf ein höheres Energieniveau ("Quantensprung"). Wechselt ein Teilchen auf ein niedrigeres Energieniveau, so gibt es die freiwerdende Energie ab, beispielsweise in Form eines Photons.
Aus der oben angeführten Gleichung lassen drei einfache Schlussfolgerungen ziehen, die das Teilchen im Potentialkasten qualitativ beschreiben:
- Die Energie des Teilchens ist proportional dem Quadrat der Quantenzahl n (E∼n2)
- Je länger der Potentialkasten, desto kleiner ist die Energie des Teilchens (E∼L − 2)
- Je länger der Potentialkasten, desto geringer ist die Differenz zwischen zwei Energieniveaus En und En + 1.
Diese Aussagen gelten sinngemäß auch für andere Potentialtöpfe.
Die Lösungen der Schrödinger-Gleichung führen zur Quantisierung der Energie
Der Hamiltonoperator des eindimensionalen Problems lautet in Ortsdarstellung
geht mit dem Ansatz
in die zeitunabhängige (stationäre) Schrödingergleichung über.
Im Folgenden wird die zeitunabhängige Schrödingergleichung zu lösen sein (Eigenwertproblem des Hamiltonoperators)
Innerhalb des Kastens
Die stationäre Schrödingergleichung entspricht innerhalb des Kastens der eines freien Teilchens (gewöhnliche Differentialgleichung 2. Ordnung)
Für die Wellenfunktion ψ(x) innerhalb des Kastens wählt man folgenden Ansatz
Äquivalent wäre der Ansatz mit komplexen Exponentialfunktionen ψ(x) = Aexp(ikx) + Bexp( − ikx).
Diesen Ansatz setzt man in die Schrödingergleichung ein, wobei die zweite Ableitung nach dem Ort ist.
Somit erhält man die Energie E in Abhängigkeit von der Wellenzahl k:
Außerhalb des Kastens, Stetigkeitsbedingung
Außerhalb des Kastens muss die Wellenfunktion aufgrund des unendlich hohen Potentials identisch Null sein.
Da die Wellenfunktion jedoch überall stetig sein muss, werden somit Randbedingungen an die Wellenfunktion im Kasten gestellt, nämlich dass die Wellenfunktion an den Wänden gleich 0 ist:
- .
Randbedingung 1
Aus der ersten Randbedingung folgt für die Wellenfunktion innerhalb des Kastens
- .
Damit diese Gleichung erfüllt wird, muss B = 0 sein. Damit vereinfacht sich die Wellenfunktion zu
- .
Randbedingung 2
Mit Hilfe der zweiten Randbedingung folgt dann für die Wellenfunktion innerhalb des Kastens
- .
Damit diese Gleichung erfüllt wird, muss kL ein ganzes Vielfaches von π sein (die triviale Lösung A=0 würde bedeuten, dass gar keine Welle existiert), also
Somit darf die Wellenzahl k nur diskrete Werte annehmen
Eigentlich folgt aus der zweiten Randbedingung nur, dass eine ganze Zahl ist. Für n = 0 wäre allerdings die Wellenfunktion überall Null und somit die Normierungsbedingung nicht zu erfüllen, also ist n = 0 nicht erlaubt. Für negative ist die Wellenfunktion bis auf das Vorzeichen dieselbe wie für das positive n, nämlich . Da Wellenfunktionen, die sich um einen Faktor unterscheiden, denselben Zustand beschreiben, bringen die negativen ganzen Zahlen keine neuen Zustände hervor. Deshalb beschränkt man sich auf
Wie oben berechnet, hängt die Energie E von der Wellenzahl k ab, einsetzen liefert:
Da n nur ganzzahlige Werte annehmen darf, kann die Energie ebenfalls nur bestimmte Werte annehmen. Die Energie des Teilchens ist somit gequantelt, die Energieniveaus sind „diskret“.
Normierung
Die Amplitude A lässt sich noch über die Normierungsbedingung bestimmen:
Da A eine komplexe Zahl ist, ist nur ihr Betrag festgelegt, die Phase ist beliebig:
Wellenfunktionen, die sich nur um einen konstanten Phasenfaktor unterscheiden, beschreiben denselben Zustand. Deshalb kann man φ = 0 setzen und somit reell wählen.
Zusammenfassung
Die Eigenwerte (= mögliche Energiewerte) und Eigenfunktionen (= Wellenfunktionen) des Hamiltonoperators für ein Teilchen im Kasten mit unendlich hohen Potentialwänden sind also:
Grundzustand
Die Grundzustandsenergie (niedrigste mögliche Energie) ist nicht Null (n = 0 ist wegen der Heisenbergschen Unschärferelation nicht erlaubt), sondern
Dies erhält man auch aus der Betrachtung der Heisenbergschen Unschärferelation : Das Teilchen ist auf den Raumbereich xmax = L eingeschränkt. Dann ergibt sich der minimale Impuls über xmaxpmin = h / 2. Innerhalb des Kastens ist das Potential gleich Null, somit ist die Gesamtenergie gleich der kinetischen Energie E = p2 / 2m.
Dreidimensionaler Fall (Quader)
Im dreidimensionalen Kasten (Quader) sieht der Hamiltonoperator wie folgt aus:
Dabei ist das Potential
Den vollständigen Hamiltonoperator kann man mittels
als Summe dreier eindimensionaler Hamiltonoperatoren schreiben:
Separationsansatz
Die stationäre Schrödingergleichung (dreidimensional)
lässt sich mit folgendem Produktansatz
in drei eindimensionale Probleme separieren.
Setze dazu den Produktansatz in die stationäre Schrödingergleichung ein und nutze aus, dass Hi nur auf ψi wirkt, d. h. die anderen ψj kann man am Hamiltonoperator vorbeiziehen.
Teilen durch ψ1(x1)ψ2(x2)ψ3(x3) liefert:
Dabei wurden die drei Separationskonstanten E1, E2, E3 definiert, deren Summe die Gesamtenergie E ergibt:
Eindimensionale Probleme
Nun muss für jede Raumrichtung separat das eindimensionale Problem, wie oben bereits geschehen, gelöst werden:
Deren Lösung ist:
Gesamtlösung
Die Lösung des dreidimensionalen Kastens ist für die Gesamtwellenfunktion das Produkt der eindimensionalen Wellenfunktionen
und für die Gesamtenergie die Summe der eindimensionalen Energieeigenwerte:
Entartung
Die Energieeigenwerte können entartet sein, d. h. unterschiedliche Wellenfunktionen besitzen dieselbe Energie. Das bedeutet für den dreidimensionalen Kasten, dass unterschiedliche Quantenzahlen n1,n2,n3 zu derselben Summe führen.
Zum Beispiel treten für den Spezialfall des Würfels, also L1 = L2 = L3, Entartungen auf. Die Energie ist gegeben durch:
Für Entartung müssen unterschiedliche Quantenzahlen n1,n2,n3 zu derselben Summe führen.
Der niedrigste Energiewert ist nicht entartet (= einfach entartet) n1 = n2 = n3 = 1 somit und .
Der nächsthöhere Energiewert ist bereits dreifach entartet: somit und .
Es können auch höhere Entartungen als dreifach auftreten, z.B. 4-fach somit und .
Dreidimensionaler Fall (Kugel)
Für den dreidimensionalen kugelförmigen Kasten mit Radius L ist es sinnvoll, den Hamiltonoperator in Polarkoordinaten darzustellen:
Dabei ist das Potential
Separationsansatz
Ebenso wie beim Wasserstoffatom kann man die Schrödinger-Gleichung in zwei unabhängige Gleichungen separieren, wobei die Wellenfunktion sich aus Produkt einer radiusabhängigen Funktion Rnl(r) und den Kugelflächenfunktionen ergibt:
Dabei ist auch hier die Haupt- oder Energiequantenzahl, die Drehimpulsquantenzahl und die magnetische Quantenzahl.
Für die radiusabhängige Funktion bleibt noch folgende radiale Schrödingergleichung (wobei V = 0 innerhalb des Kastens berücksichtigt wurde):
A ergibt sich durch Lösung der winkelabhängigen Schrödingergleichung zu:
Kugelsymmetrische Lösungen
Zunächst sei nur der einfache Fall l = 0 betrachtet (s-artige Wellenfunktione). Damit verschwindet der Term AR(r) aus der radialen Schrödingergleichung.
Zusätzlich sei u(r) = rR(r) gesetzt. Es folgt:
Damit vereinfacht sich die radiale Schrödingergleichung zu:
Wie direkt ersichtlich ist, ist der Lösungsansatz für u(r) der Gleiche wie beim Teilchen im linearen Kasten: u(r) = asin(kr) + bcos(kr) bzw.
R(0) muss einen endlichen Wert haben, wodurch der cos-Term wegfällt. Außerdem gilt die Randbedingung R(L) = 0 wegen der Stetigkeit der Wellenfunktion. Daraus folgt für k:
Einsetzen von u(r) in die radiale Schrödingergleichung liefert:
- ,
woraus sich die Energieeigenwerte Enl mit l = 0 bestimmen lassen.
Zusammengefasst: Für l = 0 (kugelsymmetrische Lösungen) ergeben sich die Wellenfunktionen Rn0 mit der Normierungskonstante a und den Energieeigenwerten En0 zu:
Nicht-kugelsymmetrische Lösung
Für l > 0 ist die Lösung der Schrödingergleichung erheblich komplizierter. Für Rnl(r) ergeben sich sphärische Bessel-Funktionen jl, die mit den normalen Bessel-Funktionen Jl folgendermaßen zusammenhängen [1].:
Enl hängt wegen der Randbedingung Rnl(L) = 0 quadratrisch von der jeweils n.ten Nullstelle xnl dieser Funktionen ab:
wobei die xnl nicht analytisch zu bestimmen sind.
Modell für konjugierte Systeme
Das Teilchen im Kasten kann als einfaches Modell für ein konjugiertes Molekül, z.B. Hexatrien, verwendet werden, um dessen Energie abzuschätzen. Man nimmt an, dass sich die Elektronen in einem konjugierten Molekül in diesem frei bewegen können, aber es nicht verlassen können. Man addiert formal ein halbes Atom an jedem Ende des Moleküls. Die Länge dieses Teilchens entspricht dann dem Kasten, in dem sich das Elektron befindet.
Beispiele
Ein Beispiel aus der Kristallographie ist das Farbzentrum, bei denen ein Elektron in einer Anionen-Leerstelle eingesperrt ist und das sich in guter Näherung als ein Teilchen im Kasten beschreiben lässt. Auch die Farbigkeit von Farbstoffen mit linearen konjugierten Pi-Systemen lässt sich erfassen, indem man das Pi-System als eindimensionales Teilchen im Kastenproblem betrachtet.
Siehe auch
Literatur
- Quantum mechanics, 2nd, Essex: Pearson Education 2000, ISBN 0-582-35691-1
- John H. Davies: The Physics of Low-Dimensional Semiconductors: An Introduction, 6th reprint, Cambridge University Press 2006, ISBN 0-521-48491-X
- David J. Griffiths: Introduction to Quantum Mechanics, 2nd, Prentice Hall 2004, ISBN 0-13-111892-7
Wikimedia Foundation.